Öffentlich, populär, egalitär? Soziale Fragen des städtischen Vergnügens 1890-1960

Öffentlich, populär, egalitär? Soziale Fragen des städtischen Vergnügens 1890-1960

Veranstalter
Dr. Yvonne Robel, Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg; Alina Laura Tiews, M.A., Forschungsstelle Mediengeschichte, Hans-Bredow-Institut, Hamburg
Veranstaltungsort
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.02.2017 - 11.02.2017
Deadline
30.03.2016
Website
Von
Robel, Yvonne

Soziale Fragen sind meist kein Vergnügen. Aber inwiefern wirft das Vergnügen soziale Fragen auf? Vergnügungen waren und sind immer auch mit sozialen Unterschieden verknüpft. Sie berühren Fragen von Reichtum und Armut, von Arbeit und Nicht-Arbeit sowie von sozialen Normen und Regeln. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert galt zunehmend: Wo Nicht-Arbeit ist, ist Freizeit; und wo Freizeit ist, erweitern sich Möglichkeiten des Vergnügens. Vor allem im 20. Jahrhundert stritten Politiker, Praktiker und Wissenschaftler wiederholt über diese Frei-Zeiten fern von Erwerbsarbeit. Diskussionen über verringerte Arbeitszeiten für große Teile der Bevölkerung, die im Boom der 1950er Jahre nochmals an Schub gewannen, gingen mit Fragen nach der Ausgestaltung von freizeitlichen Aktivitäten einher. Der relationale Anstieg von Arbeitslöhnen eröffnete neue Chancen auf Teilhabe. Mit diesen Themen wurden somit auch Möglichkeitsbedingungen für das Vergnügen verhandelt. Die tatsächlichen Möglichkeiten wirkten wiederum auf Vergnügungsangebote zurück.

Dass die Geschichte des Vergnügens auch eine soziale Geschichte ist und dass hieraus ein spannungsreiches Zusammenspiel erwächst, zeigte sich besonders in den europäischen Städten. Um 1900 verstetigte sich das urbane Vergnügen, beispielsweise in ersten festen Amüsierparks. Das neue öffentliche Vergnügen versprach Unterhaltung für „Jedermann“. Politische Diskussionen über eine Demokratisierung von freier Zeit und von Vergnügen brandeten auf, in einer Zeit, in der die Großstädte mit massiven sozialen Problemen konfrontiert waren. Hoben neue massenkulturelle Vergnügungen die sozialen Grenzen auf, wenigstens für eine kurze Dauer? Wie egalitär waren die neuen Amüsiermärkte, Filmtheater und Varietés, Tanzlokale oder Volksfeste wirklich? Verfestigten sich soziale Segregationen in Vergnügungsangeboten nur mehr, z.B. angesichts von Trennlinien zwischen Hoch- und Populärkultur? Waren die Chancen auf Teilhabe von vornherein diskursiv strukturiert und reglementiert? Diese Fragen sind für die europäischen Städte nicht nur zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern auch für die Zeit in und nach den beiden Weltkriegen virulent. Kriegsalltag und Wiederaufbau wirbelten soziale Verhältnisse durcheinander. Welche Kontinuitäten und Brüche im Verhältnis von Sozialem und Vergnügen zeigten sich dabei? Egalisierte sich das urbane Vergnügen in den Nachkriegsgesellschaften in Ost und West? Welche Rolle spielten dabei Westernisierung, Amerikanisierung oder Sozialismus?

Diesem sich wandelnden Spannungsverhältnis zwischen einer Geschichte des Vergnügens und einer sozialen Geschichte geht die Tagung für den Zeitraum von 1890 bis 1960 nach. Hierbei soll an anhaltende Diskussionen über den Durchbruch von Massenkultur und eine damit verbundene, umfassende Popularisierung und Demokratisierung von Vergnügen angeknüpft werden. Ziel ist es, dabei vor allem die Verbindung von alltags-, kultur- und sozialgeschichtlichen Perspektiven zu stärken. Mit ihrem städtischen Fokus positioniert sich die Tagung in der transnationalen Metropolenforschung, indem sie die Wechselwirkung zwischen wachsender Vergnügungskultur und dem sich wandelnden sozialen Gefüge der Stadt ausdifferenzieren möchte.

Die Fragen, denen sich die Tagung widmet, lassen sich auf drei Ebenen bündeln:

1. Räume und Zeiten
Wie veränderten die Modernisierungsschübe seit der Jahrhundertwende den sozialen Stellenwert von Vergnügen in der Stadt? Inwiefern (re-)formulierten städtische Räume des Vergnügens zugleich soziale Strukturen, Regeln und Hierarchien? Prallten an Orten des Vergnügens soziale Welten aufeinander? Wie wurden Vergnügungsräume (Jahrmärkte, Theater, Varietés, Volksfeste, Kinos etc.) sozial besetzt? In welchem Spannungsverhältnis standen Vergnügen und soziale Krisen- und Prosperitätserfahrungen? Welche Freiräume und Schranken schufen Kriege? Inwiefern wirkten sich politische Unterschiede und Systemwechsel auf das Verhältnis zwischen vergnüglichen und sozialen Fragen aus?

2. Diskurse und Öffentlichkeiten
Inwiefern wurde Vergnügen als soziales Problem diskutiert? Inwiefern galt es als Überwindung bestehender sozialer Zwänge? Welche ineinander verschränkten Diskurse über (öffentliche) Vergnügungen und soziale Hierarchisierungen lassen sich ausmachen? Welche Öffentlichkeiten und Medien wurden wie genutzt, um das Vergnügen zum Feld sozialer Aushandlungen zu machen?

3. Akteure und Praktiken
Wie wirkten jene diskursiven Aushandlungen letztlich auf Akteure und Praktiken des öffentlichen Vergnügens? Wer hatte ein Recht auf Vergnügen? Welches Vergnügen galt für welche Klassen, Schichten oder Milieus, für welches Geschlecht und welches Alter als angesehen oder angemessen? Wann war Vergnügen Erholung, wann Hedonismus, wann Eskapismus? Wie sah die ‚soziale Realität‘ hinter Vergnügungsangeboten aus?

Willkommen sind Beiträge aus der Geschichtswissenschaft, Kulturwissenschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaft, Literatur- und Theaterwissenschaft, Soziologie und Ethnologie, die sich oben genannten oder angrenzenden Fragen widmen. Den Startpunkt der Überlegungen bildet städtisches Vergnügen im Deutschen Reich bis in die deutsch-deutsche Nachkriegszeit, wobei jedoch Fragestellungen in transnationaler Perspektive ausdrücklich gewünscht sind.

Vortragsvorschläge im Umfang von max. 4000 Zeichen und kurze Angaben zur Person werden bis zum 30.3.2016 erbeten. Rückmeldungen werden bis zum 30.4.2016 gegeben. Vortragssprachen sind Deutsch und Englisch; Konferenzsprache ist Deutsch. Vorbehaltlich einer Förderzusage werden die Kosten für Reise und Unterkunft übernommen.

Kontakt:

Yvonne Robel
Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH)
Beim Schlump 83
20144 Hamburg
Tel.: +49 4043139735
E-Mail: robel@zeitgeschichte-hamburg.de

Alina Laura Tiews
Forschungsstelle Mediengeschichte
Hans-Bredow-Institut
Rothenbaumchaussee 36
20148 Hamburg
Tel.: +49 40 428 38 32 02
E-Mail: alina.laura.tiews@uni-hamburg

Programm

Kontakt

Yvonne Robel

Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg
Beim Schlump 83, 20144 Hamburg
040-43139735

robel@zeitgeschichte-hamburg.de


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