Die (Außer-)Alltäglichkeit ewiger Verdammnis. Überlegungen zu einer Soziologie der Hölle

Die (Außer-)Alltäglichkeit ewiger Verdammnis. Überlegungen zu einer Soziologie der Hölle

Veranstalter
Prof. Dr. Oliver Dimbath / Dipl.-Soz. Päd. Lena M. Friedrich / Prof. Dr. Winfried Gebhardt, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz Institut für Soziologie
Veranstaltungsort
Koblenz
Ort
Koblenz
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.02.2019 - 22.02.2019
Deadline
31.05.2018
Website
Von
Michael Heinlein, Institut für Soziologie, Campus Koblenz, Universität Koblenz-Landau

Während in der globalisierten, säkularisierten Spätmoderne der Begriff der Hölle als eines Ortes ewiger Verdammnis – zu was? warum? und wie? – banalisiert beziehungsweise in die Alltagssprache als allgemeiner Ausdruck negativ bewerteter Erfahrung überführt wird, erlebt er im Bereich vielfältiger Fundamentalismen eine Renaissance. Mit anderen Worten geht man durch die Hölle eines Zahnarztbesuches und beschreibt im Rückblick die durchlittenen Strapazen auf diese Weise. Etwas ernsthafter wird der Weg durch die Hölle – und interessanterweise handelt es sich hier um den Höllentrip als eine Reise mit Wiederkehr – dann thematisiert, wenn jemand berichtet, durch eine schwierige Phase seines Lebens gegangen zu sein. Die Hölle erscheint dann als Passage und als Prüfung. Dass keiner dieser Durchgänge etwas mit ewiger Verdammnis zu tun hat, weckt die Vermutung einer Bedeutungsverschiebung. Vielleicht geht es hier um eine Purgatorisierung der Hölle, die letztere mit einem leidvollen Reinigungsprozess, also dem Gang durchs Fegefeuer gleichsetzt. Sobald aber das oft im Zusammenhang von Post- oder Spätmoderne diagnostizierte Verschwinden sozialer Grenzen zu Verunsicherung, zu Sinndefiziten und Orientierungsproblemen führt, kann es geschehen, dass holistische Sinnangebote nebst ihren Absicherungssemantiken des kollektiven Bewusstseins wieder Raum greifen und ältere Vorstellungen ewiger Verdammnis und Bestrafung reaktualisiert werden. Auch wenn sie durchaus umfassend gemeint sind, adressieren diese Höllenvorstellungen doch immer nur bestimmte Bereiche der differenzierten Gesellschaft. Letztlich handelt es sich um Hinweise auf subjektivierte Individualhöllen, die sich im Rückgriff auf alte und neue Gebrauchsweisen des Begriffs, in denen Hölle als intersubjektiv legitimationsfähiges Regulativ wiederbelebt wird, sprachlich manifestieren.
Gleichwohl aber scheint der Begriff Hölle in der Alltagssprache nach wie vor durch folgende Sinnbezüge charakterisiert zu sein: Hölle ist ein
a) Modus subjektiven Erlebens, in dem
b) das Gefühl umfassenden Kontrollverlusts mit
c) dem Eindruck von Hoffnungslosigkeit verbunden ist, der
d) in der betreffenden Situation auf unabsehbare Zeit fortbesteht und der schließlich
e) einen Raumbezug aufweisen kann.
Aufschlussreich ist beim Vergleich älterer und jüngerer Bedeutungen der Bezug auf eine (schicksalhafte) Bestrafung für zuvor begangene Sünden. Vor dem Hintergrund der Konstituierung kollektiver Identitäten gemäß mechanischer Solidarität wäre Hölle die letzte und grundlegendste Sanktionsinstanz. Aus Sicht des Subjekts scheint der Begriff in jüngerer Zeit zur Chiffre für definitive Unzumutbarkeiten des modernen Lebens zu werden.
Dieser Befund ist ein trefflicher Anlass, die Ambivalenzen der Hölle in spätmodernen Gesellschaften einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Abseits der Theologie als des traditionellen Bezugspunkts für solche Überlegungen steht die Relevanz dieses Phänomens als Element eines spezifischen Weltanschauungssystems nicht im Mittelpunkt kultur- und wissenssoziologischer Analysen. Vielmehr geht es um die mutmaßlich mannigfaltigen Konnotationen dieses ganz und gar unmodernen Konzepts und damit um seine begriffsgeschichtlich-diskursanalytische Durchdringung ebenso wie um seine Kulturbedeutung im Vergleich unterschiedlicher (Sub-)Kulturen. Was war beziehungsweise ist die Hölle? In welchen Kontexten bleibt sie ein machtvoller soziologischer Tatbestand im Hinblick auf große Transzendenzen? Wann ist die Rede davon, die Hölle – beispielsweise einer schwierigen Lebensphase – hinter sich zu haben? Gibt es eine Bedeutungsverschiebung der Hölle vom Erwartungshorizont des sündigen Menschen hin zu einem Erfahrungsraum des unverschuldet Leidenden. Besteht mit anderen Worten die Modernisierung der Hölle in ihrer Temporalisierung als eines vorübergehenden Zustandes, aus dem man nicht selbst herauskommt und aus dem man befreit/erlöst werden muss? Was qualifiziert – zum Beispiel im Licht massenmedialer Berichterstattung – eine soziale Situation als Hölle? Erzeugt gesellschaftliche Rationalisierung neue Höllen, beispielsweise des Überflüssig-Seins? Und schließlich: Gibt es im modernen Denken noch immer Momente, die mit ewiger Verdammnis assoziiert werden? Die Erkundungen mit Blick auf eine Soziologie der Hölle richten sich an Forscherinnen und Forscher aus den Bereichen der Wissens-, Kultur- und Religionssoziologie sowie der Biographieforschung, Religions- und Kulturwissenschaft. Erwünscht sind empirische Erfahrungen und, falls es mit diesen schwierig werden sollte, qualitative Analysen der Thematisierung von Hölle ebenso wie theoretischrekonstruktive Untersuchungen.

Ort: Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz

Termin: 21. und 22. Februar 2019

Vortragsvorschläge im Umfang von ca. 3.000 Zeichen werden erbeten bis zum 31. Mai 2018

Kontakt:
Prof. Dr. Oliver Dimbath
dimbath@uni-koblenz.de
Dipl. Soz.-Päd. Lena M. Friedrich
friedrich@uni-koblenz.de
Prof. Dr. Winfried Gebhardt
gebhardt@uni-koblenz.de

Programm

Kontakt

Oliver Dimbath

Institut für Soziologie, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz
Universitätsstraße 1, 56070 Koblenz

dimbath@uni-koblenz.de


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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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