Wissen! Welches Wissen?
Wissen ist niemals unabhängig von den Institutionen, in denen es entsteht. Die Universitäten befinden sich derzeit in einem tiefgreifenden Transformationsprozess, also müsste sich auch das Wissen verändern, das an den Universitäten generiert und vermittelt wird. Noch ist nicht entschieden, in welche Richtung sich die Universitäten angesichts von Globalisierung und steigendem Bedarf der »Wissensgesellschaft« nach akademischer Bildung entwickeln werden, doch die Herausforderungen sind offensichtlich: ein Spagat zwischen vermeintlich international geeichter Exzellenz in der Forschung hier und eine zur schnellen Dienstleistung umgedeutete Lehre dort scheint zu einem tiefen Riss zu führen. Die Konsequenz ist ein Zweiklassensystem der Universitäten, wie es in den USA seit langem existiert: wenige relevante Forschungsuniversitäten, viele namenlose Lehrinstitutionen. Folgt daraus, dass Wissen in einem emphatischen Sinne – wieder einmal – zur Angelegenheit weniger Auserwählter wird? Viel ist über Zukunftsperspektiven von Universitäten angesichts von Bologna, Rankings und h-Faktoren gesagt und geklagt worden, doch zu selten wird die Frage gestellt, was ein Begriff wie etwa »Unternehmerische Universität« sagen will und wie er sich zur universitären Realität verhält. Welche Bedeutung hat das Wissen jenseits von unmittelbarer Anwendung und Messbarkeit, und was heißt es konkret, wenn eine wissenschaftliche Arbeit häufig oder weniger häufig zitiert wird? Worin besteht die Rolle des Wissenschaftlers und Gelehrten in der Öffentlichkeit jenseits von marktorientierter Selbstdarstellung, und können Universitätssammlungen, die vor allem auf die Vergangenheit verweisen, dazu beitragen, die Identität einer Universität zu formen? Solche Fragen mögen dem Traum von einer unbedingten Universität vorgelagert sein, doch wenn die Denkräume neu ausgestattet werden sollen – und dafür spricht Einiges –, geht es zunächst darum, die Bestände zu sichten und zu ordnen.
INHALTSVERZEICHNIS
Michael HagnerEditorial 7–11
Andrew AbbottVarianten der Unwissenheit 15–33
Ilana LöwyÜber die gesellschaftliche Funktion des Wissenschaftlers heute 35–53
Peter WeingartDie »unternehmerische Universität« 55–72
Anke te HeesenAusstellung, Anschauung, Autorschaft. Über Universitäten und die Möglichkeiten ihrer Sammlungen 73–85
Albrecht KoschorkeWissen und Erzählen 89–102
Ralph KonersmannKulturkritik und Eigensinn 103–118
Ernst-Christian SteineckeEvidenz(an)ordnungen. Zum Verhältnis von Phänomenologie, Phänomenotechnik und epistemischen Systemen 119–137
Isabelle GrawNur für Kenner – Malereiexperten und ihr Gegenstand. Ein Durchgang in 6 Schritten 139–151
Christian GeulenMenschen, die auf Tiere starren. Zu Michael Tomasellos Thesen über Kommunikation und Kooperation 155–162
Hans-Jörg RheinbergerWas wir noch von Darwin lernen können. Eine Rückschau auf das Darwin-Jahr 2009 163–169
Joseph Ben-DavidWissenschaft in einem kleinen Land 171–180
Rivka FeldhayWissenschaft in kleinen und großen Ländern 181–190
Caspar HirschiBilaterale Internationalität. Die heutige Schweiz im Lichte von Joseph Ben-Davids »Wissenschaft in einem kleinen Land« 191–215