Gerbergasse 18, 25 (2020), 4

Titel der Ausgabe 
Gerbergasse 18, 25 (2020), 4
Weiterer Titel 
Zukunft denken

Erschienen
Erscheint 
vierteljährlich
ISBN
1431-1607
Anzahl Seiten
72 S.
Preis
€ 3,50

 

Kontakt

Institution
Gerbergasse 18. Thüringer Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte und Politik
Land
Deutschland
c/o
Geschichtswerkstatt Jena e.V. Heinrich-Heine-Straße 1 07749 Jena Telefon: +49 (0) 36 41 - 82 12 35
Von
Börner, Daniel

Gerade in Krisenzeiten beschäftigen uns Fragen nach der Zukunft. Doch wie „wir“ in 50 oder 100 Jahren leben werden, das bestimmte schon immer die Träume, Wünsche und Hoffnungen der Menschen. Dabei neigen die Voraussagen, Prognosen und literarischen Entwürfe – gerade im 20. Jahrhundert mit seinen Katastrophen und Weltkriegen – in zwei entgegengesetzte Richtungen: die Utopie, als optimistisch-positiver Zukunftsentwurf, und die Dystopie, als pessimistisch-negatives Szenario, meist dargestellt als direkte Folge einer fortschrittsgläubigen und -hörigen Gesellschaft. Ein Blick in inzwischen historische Zukunftsbilder zeigt, dass konkrete Annahmen über „die Welt von morgen“ selten zutrafen, gerade wenn das Zukunftsdenken mit dem Glauben an neue Technologien aufgeladen wurde. Besonders die 1960er Jahren können rückblickend als „utopisches Jahrzehnt“ gelten, in dem Schulkinder sich auf ihren Zeichnungen im Jahr 2000 auf fernen Planeten spazieren gehen sahen und an dessen Ende die Mondlandung die Raketenträume ganzer Generationen einlöste. Planungseuphorie und neue Erkenntnisse in Medizin und Technik bildeten die Grundlage für die Vorstellung einer schier uneingeschränkten Ausnutzung von Bodenschätzen, Naturressourcen und Körpern. Wie eine zukünftige Welt aussehen könnte, ob in ihr Maschinen und Erfindungen zum Wohle aller dienen oder einseitig missbraucht werden, hat stets auch Künstlerinnen und Künstler begeistert und inspiriert: in Filmen, Romanen und Comics, aber auch in der Bildenden Kunst, der Architektur oder der Populärkultur.

Eine der berühmtesten Negativ-Utopien, der 1949 erschienene Roman „1984“, wird gerne synonym mit den Gefahren des Überwachungsstaates gesetzt. Wie die Zensur und die Verfolgung durch die Geheimpolizei dessen Verbreitung in der DDR verhindern sollte, wird in einer Rezension über ein Kompendium zu den „Zensurwerkstätten der DDR“ durch Baldur Haase vorgestellt, der 1959 wegen des Buches von George Orwell selbst verhaftet wurde. Einem anderen aufklärerischen Autor, Psychologen und Wahrheitssucher ist ein Porträt gewidmet, denn er wäre am 19. Dezember 2020 siebzig Jahre alt geworden: Jürgen Fuchs. Sein literarischer Widerstand gegen die Umstände endete durch den frühen Tod 1999. Ein anderer Beitrag berichtet über die Spät- und Folgeschäden unter den Wismut-Kumpeln. Viele erkranken erst Jahrzehnte später an Krebs, doch die eindeutige Anerkennung als Berufskrankheit wird oft weiterhin verwehrt.

Inhaltsverzeichnis

Titelthema: Zukunft denken

S. 03 Reinhard Buthmann – Utopie in der DDR
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

S. 08 Maciej Peplinski – Unvollkommene Zukunft
Science-Fiction-Filme aus Osteuropa 1945–1989

S. 14 Guido Weißhahn – Seltene Bilder von fernen Welten
Science-Fiction im DDR-Comic

S. 21 René Meyer – Computer in der DDR
Erlebnisse zwischen Computerkabinett und Montagsdemo

S. 24 Dietmar Remy – Der Zentrale Kaderdatenspeicher des Ministerrates
Wie die DDR-Regierung die Computertechnik für ihre Personalentscheidungen nutzen wollte

S. 30 „Es war schon ein magischer Moment, wenn man das Ding angeschaltet hat.“
Ein Gespräch mit dem Filmemacher und Autor Volker Strübing über die Besonderheiten der Computerszene in der DDR

ZEITGESCHICHTE

S. 33 Andrew H. Beattie – Die alliierte Internierung im besetzten Deutschland
Außergerichtliche Inhaftierung im Namen der Entnazifizierung

S. 39 Matthias Steinbach – Zwei Italiener im „Dissidentennest“
Ein beinahe konspiratives Kapitel der Nietzsche-Forschung in der DDR

S. 48 Ernest Kuczyński – Literarischer Widerstand gegen die Umstände
Jürgen Fuchs – ein Porträt

ZEITGESCHEHEN / DISKUSSION

S. 55 Uri Yanay – Welche Wirkungen hatte die Lektüre der eigenen Stasi-Akte?
Zwischenergebnisse eines Forschungsprojektes

S. 60 Emilia Henkel – Beweggründe für und gegen die Akteneinsicht
Ansichten und Argumente aus einer Kleinstadt

S. 61 Reinhart Brüning – Gerechtigkeit für die Bergleute der Wismut?
Reportage und Recherchereise

S. 65 Gerd G. Eigenwillig – Die vernachlässigte Ermittlung der Strahlenbelastungen für die Bergleute im Uranerzbergbau
Das Versagen der SAG/SDAG Wismut und die Folgen

REZENSION

S. 70 Baldur Haase – Zensur auf Weltniveau
Buchwissenschaftliche Forschungen zur Literatur- und Verlagspolitik in der DDR

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