Review Symposium zu J. Preiser-Kapeller, Jenseits von Rom und Karl dem Großen

Von
Tillmann Lohse

Liebe Leserinnen und Leser,

seit nunmehr zwei Jahrzehnten dokumentiert und begleitet H-Soz-Kult das neu erwachte Interesse an Welt- und Globalgeschichte. Das älteste von mittlerweile mehr als 4.000 Postings zu diesem Themenbereich kündigte 1998 eine Leipziger Tagung an.1 Stritt man damals noch ganz grundsätzlich über das Thema „World History Today – Chimera or Necessity“, stehen heute andere Fragenkomplexe im Mittelpunkt. Einerseits laborieren viele Kollegen an ausgetüftelten Begrifflichkeiten und Modellierungen, die eine vergleichende und/oder beziehungsgeschichtliche Geschichtsforschung mit planetarischer Perspektive überhaupt erst zu ermöglichen scheinen.2 Andererseits geraten angesichts der lebensweltlichen Globalisierungserfahrungen sowie der zunehmenden Etablierung universalhistorischer Forschungsroutinen traditionelle Epochenmodelle der westlichen Geschichtswissenschaft immer heftiger unter Beschuss. Im Falle von „Spätantike“ und „Mittelalter“ werden die Argumente dabei keineswegs bloß in wissenschaftlichen Literaturberichten und Streitschriften abgewogen3, sondern auch über Feuilletons vor einer historisch interessierten Öffentlichkeit ausgebreitet.4

Obgleich die intellektuellen „Suchbewegungen“5 also nach wie vor anhalten, kann keine Rede davon sein, dass das Nachsinnen über die methodischen und epistemologischen Herausforderungen das tatsächliche Aufschreiben vormoderner Globalgeschichten in eine Zukunft verschöbe, die nie eintritt.6 Umfassend angelegte Darstellungen in deutscher Sprache sind bislang allerdings meist als gemeinschaftlich verfasste Sammelwerke entstanden7, die den Autoren im Rahmen der Gesamtkonzeption – auch bei mangelnder Kohärenz 8 – doch stets die Beschäftigung mit bestimmten Zeiten und Räumen vorgeben. Das Buch, dem dieses Review-Symposium gewidmet ist, hatte eine andere Entstehungsgeschichte. Sein Verfasser, Johannes Preiser-Kapeller, konnte völlig autark auswählen, gewichten und komponieren.

Dies ist aber nicht das einzige formale Alleinstellungsmerkmal. Zum einen stammt „Jenseits von Rom und Karl dem Großen“ nämlich von einem Autor, dessen Geburtsjahr 1977 schon aus biographischen Gründen eine andere Sicht auf die globale Zirkulation von Menschen, Waren, Dienstleistungen und Ideen als bei älteren Kollegen vermuten lässt, die bislang das Terrain dominierten. Zum anderen dürfte der auffällig günstige Ladenpreis (19,90 €) eine breite Rezeption nicht nur unter Studierenden, sondern auch in der nicht-akademischen Leserschaft begünstigen.

Von all den Büchern, zu denen bislang bei H-Soz-Kult Review Symposien veranstaltet wurden, unterscheidet sich „Jenseits von Rom und Karl dem Großen“ wiederum dadurch, dass es keinen Abschnitt der Neueren Geschichte behandelt.9 Zeitlich ist das Werk vielmehr an der Schnittstelle von Altertum und Mittelalter angesiedelt. Durch seinen weit über Europa hinausgehenden Untersuchungsraum betrifft es jedoch nicht nur die Experten für Alte und Mittlere Geschichte, sondern auch die Vertreter der historischen Regionalwissenschaften. Mit seinem traditionelle Fächergrenzen systematisch überschreitenden Darstellungsanspruch fordert es also ganz unterschiedlicher Disziplinen zur Stellungnahme heraus. Dem wurde bei der Auswahl der Rezensenten Rechnung getragen: Die erste Besprechung, vorgestern veröffentlicht, stammt vom Islamwissenschaftler Lutz Berger (Christian Albrechts-Universität Kiel), die gestrige zweite vom Buddhologen Marcus Bingenheimer (Temple University Philadelphia, PA). Den Schlusspunkt unseres Review Symposiums setzt heute der Historiker Stefan Esders (Freie Universität Berlin).

Rezension von Lutz Berger
Rezension von Marcus Bingenheimer
Rezension von Stefan Esders

Für die Redaktion von H-Soz-Kult
Tillmann Lohse

Anmerkungen:
1 WORLD HISTORY TODAY - CHIMERA OR NECESSITY, 12.02.1998 – 14.02.1998 Leipzig, in: H-Soz-Kult, 07.01.1998, www.hsozkult.de/event/id/termine-209 (28.01.2019).
2 Exemplarisch: Georg Christ, Saskia Dönitz, Daniel G. König et al., Transkulturelle Verflechtungen. Mediävistische Perspektiven, Göttingen 2016, www.oapen.org/download/?type=document&docid=618251. Siehe dazu die Rezensionen von Stefan Conermann http://www.sehepunkte.de/2017/05/30498.html und Kordula Wolf www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-26945 (Zugriff jeweils 28.1.2019).
3 Mischa Maier, Die Spätantike, zeitlich und räumlich neu gefasst. Eine Zwischenbilanz aktueller Suchbewegungen, in: Historische Zeitschrift 304, 2017, S. 686–706 https://doi.org/10.1515/hzhz-2017-0018; Bernhard Jussen, Wer falsch spricht, denkt falsch. Warum Antike, Mittelalter und Neuzeit in die Wissenschaftsgeschichte gehören, in: Spekulative Theorien, Kontroversen, Paradigmenwechsel. Streitgespräch in der Wissenschaftlichen Sitzung der Versammlung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am 25. November 2016. Berlin 2017, S. 38–52 urn:nbn:de:kobv:b4-opus4-26786 (Zugriff jeweils 28.1.2019).
4 Siehe dazu Thomas Bauer, Der Orient und das Mittelalter. Was den Blick verstellt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.08.2018 https://www.faz.net/-gsf-9dlba; Michael Borgolte, Debatte um Begriff. Hat sich das Mittelalter erledigt?, in: ebd. vom 03.09.2018 https://www.faz.net/-gsf-9dsmj; (Zugriff jeweils 28.01.2019); Ralf Behrwald: „Mittelalter“ abschaffen? In den Weiten zwischen Atlantik und Hindukusch, in: ebd. vom 16.09.2018 https://www.faz.net/-in2-9e8ok (Zugriff jeweils 28.01.2019).
5 Maier, Spätantike (wie Anm. 3).
6 So auch Catherine Holmes / Naomi Standen, Introduction. Towards a Global Middle Ages, in: The Global Mioddle Ages (Past & Present 238, supplement 13) Oxford 2018, S. 1–44 https://doi.org/10.1093/pastj/gty030 (28.01.2019).
7 Zum Beispiel: Johannes Fried / Ernst-Dieter Hehl (Hg.), Weltdeutungen und Weltreligionen, 600 bis 1500 (WBG Weltgeschichte, Bd. 3) Darmstadt 2010; Angela Schottenhammer / Peter Feldbauer (Hg.), Die Welt 1000‒1250, Wien 2011 (Globalgeschichte. Die Welt 1000–2000, Bd. 1); Hans-Joachim Gehrke (Hg.): Frühe Zivilisationen, vor 600 (Geschichte der Welt, Bd. 1) München 2017. Siehe aber Thomas Ertl, Seide, Pfeffer und Kanonen. Globalisierung im Mittelalter. Darmstadt 2008 und dazu die Besprechung von Juliane Schiel www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-11258 (28.01.2019).
8 Raimund Schulz, Buchbindersynthese oder ein neuer Blick auf das Ganze? Der chronologisch erste Band der Beck/Harvard-Weltgeschichte, in: Historische Zeitschrift 307, 2018, S. 741–749 https://doi.org/10.1515/hzhz-2018-0037 (28.01.2019).
9https://www.hsozkult.de/revsymp/page (28.1.2019).

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger