Liebe Leserinnen und Leser,
Synthesen der europäischen Geschichte haben nicht nur für das 20. Jahrhundert Konjunktur.1 Auch für das 19. Jahrhundert und die Übergangszeit lässt sich ein ähnlicher Trend beobachten, wonach mit gewisser Regelmäßigkeit Gesamtdarstellungen europäischer Geschichte veröffentlicht werden.2
Anlässlich des Erscheinens der deutschen Ausgabe des erstmals 2016 mit dem Titel "The Pursuit of Power" in der Reihe "Penguin History of Europe" veröffentlichten Bandes unterziehen die Beiträger dieses Review Symposiums Richard J. Evans' monumentales (1000-seitiges) Werk einer gleichermaßen kritischen wie wertschätzenden Analyse: Im Fokus der Rezensionen steht die Auseinandersetzung mit Evans' besonderer Betrachtungsweise der teilweise dramatischen Transformationen, die die europäischen Gesellschaften in den 100 Jahren zwischen 1815 und dem Beginn des Ersten Weltkrieges durchlaufen haben.
Evans (geb. 1947) ist ein ausgewiesener Experte der modernen deutschen Geschichte im allgemeinen mit einem starken Fokus auf der Geschichte des Nationalsozialismus. In seinem vielgepriesenen Buch Lying about Hitler (2001) setzte er sich etwa mit den Geschichtsfälschungen des Laienhistorikers und Holocaust-Leugners David Irving auseinander. Evans promovierte in Oxford zum Thema Feminismus in Deutschland. Neben Stationen in Stirling (Schottland) und Norwich führte ihn sein Weg auch an die University of London. Ab 1998 lehrte und forschte er als Professor of Modern History an der University of Cambridge, wo er seit 2008 bis zu seiner Eremitierung 2014 als Regius Professor tätig war. Sein jüngstes Buch ist einem großen Historiker der europäischen Geschichte, Eric Hobsbawm, gewidmet.
Alle drei Beiträger dieses Review-Symosiums haben selbst Maßgebliches zur Historiographie Europas beigetragen.3 Ewald Frie, Harold James und Hartmut Kaelble diskutieren in ihren Besprechungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln Evans' übergeordnete Analysekategorien, hinterfragen grundsätzliche Schwerpunktsetzungen und Kontextualisierungen dieses "europäischen Jahrhunderts" und verhandeln Fragen der Aktualität sowie Erzählbarkeit gesamteuropäischer historischer Perspektiven.
Für die Redaktion von H-Soz-Kult
Heike Wieters und Thomas Werneke
Rezension von Ewald Frie
https://www.hsozkult.de/review/id/reb-24960
Rezension von Harold James
https://www.hsozkult.de/review/id/reb-28231
Rezension von Hartmut Kaelble
https://www.hsozkult.de/review/id/reb-28464
Anmerkungen:
1 Vgl. hierzu das jüngst erschienene Review-Symposium auf H-Soz-Kult zu Ian Kershaws "Achterbahn", https://www.hsozkult.de/text/id/texte-4873 (27.11.2019).
2 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Jürgen Kocka, Das lange 19. Jahrhundert. Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft, Stuttgart 2001; Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-12650 (27.11.2019); Christopher Alan Bayly, The Birth of the Modern World, 1780–1914. Global Connections and Comparisons, Oxford 2004, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-5683 (27.11.2019); Franz J. Bauer, Das „lange“ 19. Jahrhundert (1789–1917). Profil einer Epoche, Stuttgart 2004; Michael Mann (Hrsg.), Die Welt im 19. Jahrhundert (Globalgeschichte. Die Welt 1000–2000. Band 6), Wien 2009.
3 Vgl. Hartmut Kaelble, Mehr Reichtum, mehr Armut. Soziale Ungleichheit in Europa vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main 2017, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-25881 (27.11.2019); Harold James, Europe Reborn. A History 1914–2000, Harlow 2003, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-5534 (27.11.2019); Ewald Frie / Ute Planert (Hrsg.), Revolution, Krieg und die Geburt von Staat und Nation. Staatsbildung in Europa und den Amerikas 1770–1930, Tübingen 2016.