Im November 1998 wurde des achtzigsten Jahrestages des Waffenstillstands von 1918 gedacht, der den Ersten Weltkrieg beendete. Dieses Jubiläum war für den Deutschlandfunk Anlass, in Zusammenarbeit mit Radio France im Rahmen einer Sendereihe an die historischen Ereignisse zu erinnern. Vier Wochen lang präsentierten beide Sender montags bis freitags in insgesamt 20 Sendungen unterschiedlicher Länge (zwischen ca. 4 bis ca. 9 Minuten) den Krieg im Spiegel von Feldpostbriefen aus beiden Ländern, die sie von Hörerinnen und Hörern erhalten hatten. Unterstützt wurde das Projekt vom Deutsch-Französischen Jugendwerk.
Die Redakteure setzten dabei bewusst auf subjektive Eindrücke, die in den Briefen von der Front in die Heimat und umgekehrt vermittelt werden. Sie wollten nicht die Sichtweise der offiziellen Geschichtsschreibung, sondern die Eindrücke der so genannten einfachen Leute vermitteln, die Geschichte eher erleiden als gestalten. Dabei zeigte sich, dass die Brieftexte bei aller Unterschiedlichkeit der Ansichten aus Deutschland und Frankreich Beleg für viele Gemeinsamkeiten sind: Soldaten und ihre Angehörigen erlitten in beiden Ländern dasselbe Schicksal und teilten dieselben Empfindungen. Bereits zum Zeitpunkt der Ausstrahlung im Radio konnten die Hörer zusätzlich im Internet historische Begleitinformationen mit umfangreichem Text-, Bild- und Tonmaterial zum Ersten Weltkrieg abrufen. Außerdem bestand die Möglichkeit, die Manuskripte nachzulesen und sich die Sendung noch einmal anzuhören.
Im Mittelpunkt der Sendereihe und der Web-Site stehen die Feldpostbriefe. Die Brieftexte, die unter der Überschrift "... wer fällt, der stirbt den Heldentod" - einem Zitat aus einem der Briefe - präsentiert werden, beginnen im August 1914 und schildern zunächst die Begeisterung, mit der Soldaten auf beiden Seiten in den Krieg zogen. In einigen Sendungen werden zwei oder mehrere Briefe vergleichend nebeneinander gestellt; es kommt aber auch vor, dass in einer Sendung nur ein einziger, längerer Brief vorgelesen wird. Jede Sendung beginnt mit einem einleitenden Text, der den Brief in den historischen Kontext einordnet und den jeweiligen Stand der Kriegsereignisse schildert. Zwischen die einzelnen Brieftexte sind weitere überleitende Texte gesetzt, die dem gleichen Zweck dienen. Briefe unterschiedlicher Schreiber sowie die ein- und überleitenden Texte werden von unterschiedlichen Sprechern vorgelesen, so dass eine Art Hörbild entsteht. In diesen Ein- und Überleitungen werden auch die Briefschreiber kurz vorgestellt, und im Verlauf der Sendereihe wird auch auf ihr weiteres Schicksal eingegangen, wodurch beim Hörer sicherlich dann ein besonderer emotionaler Effekt hervorgerufen wird, wenn z.B. berichtet wird, dass der Schreiber eines soeben vorgelesenen Briefes kurz nach Abfassung des Textes gefallen ist. Bis auf wenige Ausnahmen liefert jede Sendung Briefe aus beiden Ländern, die inhaltlich oder thematisch vergleichbar sind. Die ersten Sätze werden jeweils in der Originalsprache gelesen, ehe die übersetzte Fassung einsetzt. Dadurch wird der Eindruck größerer Authentizität erzielt. Von einigen Schreibern wurden mehrere Briefe aufgenommen, um die Kontinuität der Person dem Wandel ihrer Einstellung durch die Kriegserfahrungen gegenüberzustellen. Sind die Briefe der ersten Kriegswochen noch von Begeisterung, Überzeugung der Gerechtigkeit der jeweils eigenen Sache und dem unerschütterlichen Glauben an den jeweils eigenen Sieg nach einem kurzen Feldzug geprägt, treten nach und nach Zweifel und die Erfahrung der Schrecken des Stellungskriegs in den Mittelpunkt. Die Briefe nehmen den Hörer mit auf die Schlachtfelder Nordfrankreichs und lassen ihn durch ihre teilweise minutiösen Schilderungen das Grauen und die Schrecken des Heldentodes erfahren. Aber nicht nur Briefe von der Front, sondern auch solche aus der Heimat werden in der Sendereihe berücksichtigt. In ihnen schreiben Soldatenfrauen und -eltern von Ihren Ängsten um ihre Lieben an der Front und schildern die Probleme in der Heimat. Mit Fortdauer des Krieges werden die Schilderungen düsterer, pessimistischer und sind zunehmend von Kriegsmüdigkeit geprägt. Trotzdem keimt 1918 auf beiden Seiten noch einmal die Hoffnung auf ein baldiges, natürlich für die eigene Seite siegreiches Ende des Krieges auf. Die Sendereihe endet mit den letzten Kriegsmonaten zwischen August und November 1918, die auf deutscher Seite von der Erfahrung der eigenen Niederlage geprägt sind und mit einer "trostlosen Rückkehr" (Zitat aus der Sendung vom 27.11.) abschließen.
Die Begleitinformationen zu den einzelnen Phasen des Kriegsverlaufs sind gegliedert in die Kapitel
1. Kriegsbeginn 1914,
2. Patt und Stagnation 1915,
3. Das große Gemetzel 1916/17 und
4. Zeit der Entscheidung 1917/18.
Ergänzt werden sie durch Hinweise auf Museen und Ausstellungen zur Westfront. Auch die wichtigste aktuelle Literatur ist aufgelistet, gegliedert in Veröffentlichungen zur Geschichte des Weltkriegs und der Westfront sowie zu Erfahrungen von Soldaten. Abgeschlossen werden die Begleitinformationen durch ein umfangreiches Impressum, das auch Kontaktmöglichkeiten nennt. Durch die Aufgliederung der Web-Site in die Bereiche Sendemanuskripte und historische Begleitinformationen sind die Quellen von dem Sekundärtexten getrennt. Die in den Sendemanuskripten enthaltenen Quellen sind durch Kursivschrift gekennzeichnet und dadurch von den Ein- und Überleitungen abgesetzt. Sowohl in den ein- und überleitenden Texten zu den einzelnen Briefen als auch in den historischen Begleitinformationen finden sich zahlreiche Links zu Begriffen wie "Kriegserklärungen", "Schlieffen-Plan", "Hitze des Augusts" etc., die zu Erläuterungen dieser Begriffe führen. Auch Bilddokumente, Kartenmaterial sowie Links zu zeitgenössischen Tondokumenten sind dort enthalten. Durch Links zu weiteren Schlagwörtern sind alle Seiten miteinander vernetzt.
Nach Abschluss des Feldpostbriefprojekts entstand die Idee, diese Internet-Seite nicht nur für eine rein sendebegleitende Dokumentation zu nutzen. So entwickelte sich in Zusammenarbeit zwischen dem leider viel zu früh verstorbenen German Werth vom Deutschlandfunk und den Historikern Susanne Brandt und Patrick Krassnitzer von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf das Projekt, eine illustrierte Geschichte der Westfront 1914 - 1918 unter Verwendung der gesendeten Dokumente im Internet zu veröffentlichen. Die Web-Site richtet sich zunächst an "interessierte Hörer", also an die breite Masse historisch interessierter Laien. Durch ihre klare Gliederung in die Navigationsleiste auf der linken Seite neben dem Textteil kann sich auch "Otto Normaluser" leicht zurechtfinden und zum gewünschten Sendemanuskript bzw. -mitschnitt oder zu den historischen Begleitinformationen navigieren. Da Links zu den Schlagwörtern auch in den Manuskripten vorhanden sind, ist das Hin- und Herspringen zwischen den beiden Teilen der Web-Site problemlos möglich.
Für den Fachhistoriker ist sie vor allem durch die Präsentation der Original-Quellentexte von Interesse. Zusätzlich erleichtert sie ihm durch den Informationsteil das Erschließen derselben und bietet ihm durch Hinweise auf Museen und Ausstellungen zu Thema Westfront, durch die Literaturhinweise und die Kontaktmöglichkeit im Impressum die Möglichkeit, schnell an weitere, tiefer gehende Informationen sowie Ansprechpartner für weitere Fragen zu gelangen. Hierbei sind auch Links zur Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart und zum Imperial War Museum in London zu finden.
Der Nutzer kann zusätzlich die komplette Feldpost-Reihe, wahlweise mit oder ohne Audio-Dateien, als Zip-Datei auf seine Festplatte laden und anschließend "offline" lesen bzw. anhören. Auch ein Link zum Herunterladen der dazu erforderlichen Software ist vorhanden. Als weiteren Service bietet der Deutschlandfunk die Texte auch auf einer Doppel-Audio-CD an, die man beim Sender beziehen kann. Zusätzlich zu diesen zahlreichen Angeboten, die Briefe und die Zusatzinformationen zu erschließen, würde eine Suchfunktion in den Texten noch bessere Navigationsmöglichkeiten bieten. Dass der inhaltliche Schwerpunkt auf den Ereignissen an der Westfront liegt, ist aus dem Anlass zu erklären, aus dem die Sendereihe entstand: dem Jahrestag des Waffenstillstands von Compiègne. In den Begleitinformationen sowie in den ein- und überleitenden Texten wird aber immer wieder auch auf die anderen Schauplätze des Krieges eingegangen, so dass durchaus ein Überblick über den Ersten Weltkrieg gewährleistet ist. Das Design der Web-Site ist dem der Homepage von Deutschlandradio und Deutschlandfunk nachempfunden. Allen Seiten sind Auszüge aus den Handschriften als Folie hinterlegt. Sie ist klar gegliedert in eine schmale Navigationsleiste auf der linken Bildschirmseite und den Textteil. Diese Aufteilung wird auf allen Seiten durchgehalten und erleichtert die Orientierung. In ihrer endgültigen, überarbeiteten Form bietet die Web-Site Informationen zu zwei Schwerpunkten an. Zum einen stellt die Veröffentlichung der Feldpostbriefe einen Beitrag zur Alltags- und Mentalitätsgeschichte dar, indem sie das Erleben und die Erfahrungen der einfachen Soldaten zum Ausdruck bringen. Ergänzend dazu bieten die Begleitinformationen und die ein- und überleitenden Texte zu den Briefen eine Übersicht der allgemeinen Geschichte des Ersten Weltkriegs dar, indem sie die historischen und militärischen Ereignisse und Verläufe vorstellen und Details zu Schlachten und Persönlichkeiten liefern.
Diese Web-Site bietet umfangreiche und solide bearbeitete Informationen zum Ersten Weltkrieg. Die Beschränkung auf die Westfront stellt dabei kein Problem dar, denn die Einordnung in den historischen Kontext ist gewährleistet. Eine derartige Übersicht wäre durchaus auch für die anderen Kriegsschauplätze wünschenswert.
Der besondere Reiz dieser Internet-Präsentation liegt in der Möglichkeit, diese Briefe nicht nur nachlesen, sondern auch noch einmal anhören zu können. Aber auch ohne diesen Service bietet der Deutschlandfunk hier eine beachtenswerte Web-Site zum Ersten Weltkrieg, der trotz seiner Bedeutung für die Geschichte des 20. Jahrhunderts im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit immer mehr hinter den Zweiten Weltkrieg zurücktritt.