Die Website www.chronik-der-mauer.de wurde anlässlich des vierzigsten Jahrestages des Baus der Berliner Mauer am 13. August 1961 zusammengestellt. Das Projekt basierte auf einer Zusammenarbeit zwischen der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), dem DeutschlandRadio und Mitarbeitern des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam (ZZF). Wie schon der Titel der Website aussagt, begründet sich das Projekt auf dem Anspruch, eine detaillierte Chronik relevanter Ereignisse von Anfang Juni 1961 bis zum 24. August 1961 zu erstellen und diese mit Originaltönen aus Radioberichten, Bildern, Dokumenten, Texten der bpb und einem Personenregister für den Besucher der Website lebendig werden zu lassen. Diesem Anspruch wird die Website gerecht.
Präsentiert wird eine klar strukturierte, technisch und gestalterisch anspruchsvolle Website, die den Besucher zu einer Zeitreise einlädt. Die Qualität der verwendeten Fotos und Tonmaterialien ist beeindruckend. Beim Aufruf von Originaltönen erhält der Nutzer automatisch die Möglichkeit das nötige Programm ‚RealPlayer' zu installieren. Die bereit gestellten Texte unterstreichen das Anliegen des Projektes, über die Chronik hinweg einen Blick auf die politischen Hintergründe und propagandistisch begründeten Begleiterscheinungen des Mauerbaus zu gewähren. Besonders lobenswert ist hierbei, dass die Website keineswegs überladen wurde mit Materialien, sondern eher Angebote gemacht werden, die jeder Besucher dem eigenen Vorwissen, Interesse und Zeitbudget entsprechend nutzen kann. Dementsprechend konnte die Ladezeit der einzelnen Seiten niedrig gehalten werden, was im Interesse jedes Internetnutzers sein muss. In Bezug auf die Navigation innerhalb der Website sollte auch die sehr hilfreiche Suchfunktion genannt werden. Es gibt hier unterschiedliche Suchoptionen mit der und/oder Verknüpfung, die Begriffe und Namen auf der Website findet und als übersichtliche Links präsentiert.
Das Angebot der Website richtet sich an verschiedene Zielgruppen. Von historisch interessierten Laien, Zeitzeugen, Schülern und Studenten, bis hin zu den Experten, die sich vielleicht noch einmal mit Bild- und Tonmaterial auseinandersetzen möchten: alle werden fündig werden auf dieser leicht zugänglichen Website. Offeriert werden zusätzlich zu der Chronik und den damit verbundenen Materialien auch eine Bibliographie, eine Filmliste, Links, Radioberichte und eine Veranstaltungsliste.
Die Bibliographie ist in verschiedene Kategorien aufgeteilt, die unter anderem den sozialen und wirtschaftlichen Aspekten des Mauerbaus und dessen literarischer Verarbeitung Aufmerksamkeit schenken und damit von einem einseitigen, d.h. primär politischen Ansatz, Abstand nehmen. Auch die vielen aufgezählten Memoiren und die Ausweitung der empfohlenen Literatur auf englischsprachige Primär- und Sekundärquellen scheint mir eine wohlüberlegte Entscheidung der Verantwortlichen gewesen zu sein, für die die Nutzer dieser Website nur dankbar sein können. Das unter der Kategorie ‚Wirtschaft' jedoch nur zwei Artikel eines, wenn auch sehr guten, Autoren aufgeführt wurden, ist bedauernswert. Gerade der wirtschaftliche Aspekt des Mauerbaus war für die DDR vor und nach dem 13. August 1961 von größter Bedeutung.
Besonders gelungen ist die ausführliche Filmliste, die neben kurzen kritischen Inhaltsangaben Bezugsquellen für die jeweiligen Filme angibt. Hauptsächlich werden Filme aufgelistet, die entweder aus den DEFA Studios, aus Westdeutschland oder dem vereinten Deutschland stammen, aber es wurden auch drei Filme aus den USA in die bemerkenswerte Liste aufgenommen.
Mit über siebzig Links zu relevanten Websites, Institutionen, Museen und Organisationen wird dem Nutzer ein Zugang zu weiterreichenden Informationsquellen ermöglicht. Die ausgewählten Links wurden außerdem in fünf Rubriken aufgeteilt, die unter anderem Schülerprojekte und private Websites vorstellen. Alle Links werden beschrieben, teilweise gibt es auch sehr detaillierte inhaltliche Zusammenfassungen, die es dem Nutzer gestatten, eine informierte Auswahl zu treffen ohne jede einzelne Website selbst besuchen zu müssen. Allerdings sind einige der Links nicht mehr aktuell bzw. existieren nicht mehr unter der angegebenen Webadresse. Das generelle Problem der fehlenden Aktualisierung zeigt sich auch deutlich in der nächsten Kategorie.
Eigentlich hatte ich mich auf die Kategorie ‚Radio' sehr gefreut und hielt sie für besonders hervorhebenswert. Hier wurden Radiosendungen zum Thema Mauerbau im weitesten Sinne zugänglich gemacht. Die Auswahl beinhaltete neben Originalaufzeichnungen von Walter Ulbricht und J.F. Kennedy unter anderem auch Diskussionen, zwei Hörspiele, eines davon speziell für Kinder, und Interviews. Hier wurden nicht nur Informationen präsentiert, sondern Wege aufgezeigt, wie mit einem historischen Thema umgegangen werden kann. Gleichzeitig wurden Meinungen präsentiert, die Diskussionsansätze vorstellten und anboten. Wie schon angedeutet, stellen die aufgezählten Radiosendungen kein aktuelles Angebot dar, sondern wurden bereits vor zwei Jahren ausgestrahlt. Dies wird aber erst offensichtlich, wenn man versucht den Links zu folgen. Schade.
Als letzte Kategorie der Website soll noch der Veranstaltungskalender erwähnt werden, der leider ausschließlich mit Veranstaltungen aus dem Jahre 2001 bestückt zu sein scheint und daher völlig unbrauchbar ist. Auch werden für einige Veranstaltungen keine Jahresangaben gegeben und der Besucher kann nur erahnen, dass es sich bei diesen um Veranstaltungen von vor zwei Jahren handelt. Dies ist sehr schade, da es nach den sehr anregenden vorherigen Kategorien nur zu erwarten ist, dass einige der Website Besucher gerne an öffentlichen Veranstaltungen zu dem Thema Mauerbau teilnehmen würden. Es ist natürlich verständlich, dass es nicht mehr sehr viele Veranstaltungen direkt zum Thema Berliner Mauer geben wird, da der vierzigste Jahrestag zwei Jahre zurückliegt und sich die öffentliche Aufmerksamkeit, aber auch entsprechende Forschungsinitiativen, seit einiger Zeit an solchen Jahrestagen zu orientieren scheinen. Trotzdem wäre es sicher möglich gewesen, relevante Veranstaltungen zum Beispiel zur DDR-Geschichte im weiteren Sinne anzukündigen. Ich denke da vor allem an die Vortragsreihe ‚DDR-Geschichte', die von Renate Hürtgen organisiert wird und regelmäßig im ‚Haus der Demokratie und Menschenrechte' in Berlin stattfindet.
Als kleines Experiment hat sich die Autorin dieser Rezension erlaubt, das gut gestaltete Kontaktformular zu nutzen, um den Webmaster nach weiteren und vor allem aktuellen Veranstaltungshinweisen zu fragen. Innerhalb von wenigen Stunden erhielt ich eine freundliche E-Mail und kann Hans-Hermann Hertle nur loben für seine Initiative diesbezüglich, obwohl die Antwort nur darauf verwies, dass die Website nicht mehr aktualisiert wird.
Zusammenfassend möchte ich noch einmal das hohe technische und gestalterische Niveau der Website hervorheben. Dieses schafft den Rahmen für ein breites Informationsangebot, das mit der Hilfe verschiedener Medien leicht zugänglich offeriert wird. Besonders die Tondokumente und Originaltexte, die teilweise mit einem ersichtlich hohen Arbeitsaufwand in die deutsche Sprache übersetzt wurden, hebt diese Website von anderen Projekten zu ähnlichen Themen ab. Den Besuchern dieser Website wird damit die Möglichkeit gegeben, sich einmal als Hobby-Historiker zu betätigen. Das grundlegende und bedauerliche Problem der Website ist jedoch, dass sie seit ihrer Veröffentlichung im Jahr 2001 nicht mehr aktualisiert worden ist.
Anmerkung:
Nach Auskunft von Herrn Hertle ist eine Aktualisierung der Website im nächsten Jahr im Rahmen des 15. Jahrestages des Mauerfalls geplant.