Archiv der deutschen Frauenbewegung

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Titel
Archiv der deutschen Frauenbewegung.
Veröffentlicht durch
Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung: Kassel, DE <http://www.addf-kassel.de/>
Enthalten in
Von
Helga Hofmann

"Frauenemanzipation ist ohne genaue Kenntnis der Frauengeschichte nicht möglich". Dieses Zitat der 1938 aus Wien geflüchteten amerikanischen Historikerin Gerda Lerner begründet bereits ausreichend, warum Frauenarchive für die historische Frauenforschung und die feministische Geschichtsforschung von unschätzbarem Wert sind. Sie sammeln und archivieren Quellenmaterial, das jahrhundertelang in einer androzentristisch geprägten Historiographie an den Rand gedrängt wurde bzw. als nicht relevant erachtet und daher auch als nicht bewahrenswert galt. Das Verdienst der in den 70er Jahren entstandenen Neuen Frauenbewegung ist es u.a., diesen geschlechtsblinden Fleck in der Geschichtsforschung aufgezeigt und von Anfang an die Wichtigkeit einer frauenrelevanten Bibliotheks-, Dokumentations- und vor allem auch Archivarbeit erkannt zu haben.

Zwar kam es bereits in der Historischen Frauenbewegung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zur Gründung von Frauenbibliotheken (z.B. Bibliothek des Berliner Vereins "Frauenwohl"), die jedoch meist von kurzer Dauer waren. Nur einige wenige Einrichtungen in Europa, wie z.B. die "Bibliothèque Marguerite Durand" in Paris (gegr. 1897), die Londoner "Fawcett Library" (jetzt: "Women's Library") (gegr. 1926) oder das IAV (Internationaal Archief voor de Vrouwenbeweging) in Amsterdam (gegr. 1936) können auf eine längere und kontinuierliche Tradition zurückblicken. In Deutschland und Österreich wurde den emanzipatorischen gesellschaftlichen Bestrebungen durch Faschismus und Nationalsozialismus ein brutales Ende gesetzt und schließlich gingen umfangreiche Archivbestände in den Trümmern des Zweiten Weltkrieges verloren. Die frauenspezifische Archivtätigkeit der Nachkriegszeit hatte also im wahrsten Sinne des Wortes bei der "Stunde Null" zu beginnen und sie wurde - mit einiger Verzögerung aber mit umso mehr Engagement - von meist autonomen Frauenprojekten ab Mitte der 70er Jahre angegangen.

Der Verein "Archiv der Deutschen Frauenbewegung" (in der Folge: AddF) wurde 1983 in Kassel gegründet und machte sich zum Ziel, die noch verfügbaren Materialien zur (historischen) Frauenbewegung in Deutschland zu sammeln, zu sichten, zu systematisieren, zu erschließen und öffentlich zugänglich zu machen. Der Sammelzeitraum wird mit 1800 bis 1967 angegeben, womit er sich deutlich von Archiven und Dokumentationseinrichtungen der Neuen Frauenbewegung abgrenzt. Dieser Sammelzeitraum, der bereits auf der Einstiegsseite erwähnt wird, ist sehr weit gesteckt und geht sowohl retrospektiv als auch prospektiv über den Höhepunkt der sog. "Ersten", "Alten" oder "Historischen" Frauenbewegung weit hinaus. Dies wird damit begründet, dass "ein besonderes Interesse (...) allen Phasen und Erscheinungsformen der organisierten Frauenbewegung" 1 gilt.

Die Einstiegsseite ist klar gegliedert und farblich und graphisch reduziert gestaltet. Einzig ein Schwarz-Weiß-Bild der bekannten Frauenrechtlerin Hedwig Dohm - das übrigens als Image-Link zu ihrer Biographie führt - bietet einen optischen Blickfang. Alle wichtigen Informationen (Postdresse, Telefon- und Faxnummer, Web- und e-Mail-Adresse) und Links sind im linken Navigations-Frame (der für alle Seiten beibehalten wird) enthalten, die wesentlichen Angebote des AddF werden - zum Teil als Wiederholung - auf dem Hauptframe angeführt: Bibliothek / Archiv (Bestände), Datenbank, Forschungszentrum, Bildungs- und Kultureinrichtung. In der Folge werden diese Hauptangebote detailliert besprochen.

· Bibliothek / Archiv (Bestände): Es wird zwischen Archiv- und Bibliotheksbeständen unterschieden und erklärt, welche Dokumententypen darunter zu verstehen sind. Ausserdem wird darauf hingewiesen, dass neben der formalen auch eine Thesaurus-basierte inhaltliche Erschließung gemacht wird. Für FrauenhistorikerInnen besonders interessant ist die Bemerkung, dass neben den Originalquellen auch die "Rezeptionsgeschichte der ‚alten' Frauenbewegung bis heute" dokumentiert wird.
Hier findet sich auch der mit DFG-Mitteln aufgearbeitete Nachlass der aus Kassel stammenden Sozialdemokratin Elisabeth Selbert (1896-1986), der "Mutter des Grundgesetzes". Er wird als sog. "Online-Findbuch" angeboten, in dem über mehrere Zugangskriterien recherchiert werden kann - ein nachahmenswürdiges Beispiel für Nachlassbearbeitung und -präsentation im Zeitalter des Internet. Unter dem Link "Bestände" wird auf weitere im AddF befindliche Teil-/Nachlässe und Sammlungen von Frauen hingewiesen, die in verschiedenen Aufarbeitungszuständen vorliegen (u.a. die Schriftstellerin Marie Diers, die Pädagogin Lina Mayer-Kulenkampff oder die besonders BibliothekarInnen bekannte Sophie Pataky, Herausgeberin des ersten Schriftstellerinnenlexikons im deutschsprachigen Raum)
· Datenbank: Für den Ausbau einer Online-Datenbank und deren Präsentation im Internet bekam das AddF laut Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (http://www.hmwk.hessen.de/aktuelles_presse/presse/pressemitteilung.php4?id=2000-04-10_44) eine Zuwendung von über 114.000,-- DM. Der Link "Datenbank" führt direkt zur Suchmaske ("Einfache Suche"), über welche der Buch- und Zeitschriftenbestand der Bibliothek abgefragt werden kann. Sowohl der "Inhalt der Datenbank" als auch die "Anleitungen zu den Recherchemöglichkeiten" und die "Erweiterte Suche" (UND/ODER-Suche) werden an übersichtlicher Stelle verlinkt und ausführlich beschrieben. Mit Hilfe eines Pulldown-Menus kann für die Büchersuche zwischen Titelstichwort/Schlagwort, AutorIn/HerausgeberIn, Erscheinungsort/Verlag, Erscheinungsjahr und Volltext gewählt werden, für die Zeitschriftenbestände wird statt dem Erscheinungsjahr die ISSN ausgewiesen. Bei den Büchern wurde unverständlicherweise auf die in manchen Fällen sehr hilfreiche ISBN verzichtet. Die Suchergebnisse werden zunächst als Kurztitel angezeigt, ein nochmaliger Klick auf den Titel führt zu den ausführlichen Zitaten (die praktischerweise auch als e-Mail weitergeschickt werden können). Bei Sammelwerken werden auch die einzelnen Aufsätze angeführt. Als Mangel empfindet die Rezensentin, dass bei der Suchmaske zwischen Titelstichwort und Schlagwort nicht unterschieden wird, zumal eine gezielte Schlagwortsuche (eine inhaltliche Erschließung mit Hilfe von Thesauri wurde ja andernorts erwähnt) positive Auswirkungen auf die Relevanz der Suchergebnisse hat und zu den Standards eines modernen OPAC gehört. Die Sichtbarmachung der verwendeten Schlagwörter wäre in diesem Zusammenhang ebenfalls sinnvoll. Dass bei den Zitaten auf die Angabe von Signaturen bzw. Aufstellungssystematiken verzichtet wurde, verwundert, da damit ein rascherer Zugang zu den Dokumenten in der Präsenzbibliothek erleichtert würde. Ein Hinweis gibt Aufschluss darüber, dass in der Datenbank Zeitschriftenartikel (noch) nicht erschlossen sind. Auch wird erwähnt, dass sich die Datenbank zum Zeitpunkt dieser Rezension noch im Aufbau befindet. Auf die eine oder andere Verbesserung kann daher noch gehofft werden.
Ein spezieller Link führt zur "Bilder-Datenbank", die in den Jahren 1999 bis 2001 unter Federführung des AddF und mit Hilfe einer Förderung durch die Volkswagen-Stiftung entstanden ist. Über 2700 Bilder "aus der Geschichte von Frauenbewegung und Frauenverbänden in Deutschland aus dem Zeitraum 1848 bis 1968" wurden hier dokumentiert - die Originale befinden sich in 7 verschiedenen deutschen Einrichtungen, die einzeln aufgezählt und beschrieben werden. Die Datenbank kann nur vor Ort abgefragt werden, eine CD-ROM ist in Vorbereitung, eine Online-Version gibt es vorläufig noch nicht.
· Forschungszentrum: Hier wird auf selbständige Forschungsprojekte hingewiesen, deren "Fokus (...) auf historische, sozialwissenschaftliche, politikwissenschaftliche und philosophische frauen- und gechlechtergeschichtliche Fragestellungen" 2 ausgerichtet ist. Die Forschungsergebnisse werden u.a. in der in FrauenforscherInnen-Kreisen allgemein bekannten und geschätzten Reihe "ARIADNE - Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte" (vormals: "Almanach des Archivs der deutschen Frauenbewegung") publiziert.
· Bildung: Die Bildungsarbeit des AddF umfasst Stadtrundfahrten, Ausstellungen und Vortragsreihen. Ihr Ziel ist es "in der Öffentlichkeit ein stärkeres Bewusstsein für Frauengeschichte zu wecken und die vielverzweigten Wurzeln heutigen Frauenlebens in der Geschichte sichtbar zu machen".

Neben diesen Hauptangeboten wird auf der Site des AddF noch auf folgende interessante Sonderbestände hingewiesen, : "Sondersammlung Lyrik" des 19. und 20. Jahrhunderts, "Sondersammlung Autonome Kasseler FrauenLesbenbewegung 1974 - 1992" und "Pressearchiv", bestehend aus einer Zeitungsausschnittsammlung zur historischen Frauenforschung. Diese Sonderbestände sind jedoch nur zum Teil elektronisch erfasst. Die bereits angesprochene Reihe ARIADNE gibt es bereits seit 1985, wobei sich jedes Heft einem Forschungsschwerpunkt widmet. Ab dem Heft 23 (Mai 1993) können auch die Inhaltsverzeichnisse, ab dem Heft 23 (November 1998) zusätzliche Abstracts abgerufen werden. Zur Online-Publikation ganzer Artikel konnte man/frau sich offensichtlich bislang nicht durchringen, wie überhaupt die zur Zeit im Bibliotheks- und Archivwesen so aktuelle Volltextdigitalisierung noch nicht zu den primären Zielen des Archivs zu gehören scheint.

Themenzentrierte Bestandsverzeichnisse (bislang: "Lesben - Homosexualität" und "Exil - Emigration") gehören ebenfalls zur Publikationstätigkeit des Archivs. Schließlich wird noch auf eigene Veranstaltungen hingewiesen und eine Linkliste zur historischen Frauenbewegung angeboten, die allerdings ergänzungsbedürftig ist. Als aktuelle vereinsinterne Nachricht erfahren die Online-BenützerInnen, dass am 8. März 2003 der Verein AddF eine Stiftung überführt wurde, die größere Aktionsfreiheit bietet: "Neben dem Ausbau der Forschungsarbeit und größeren Investitionen im Bereich der Erwerbung - z.B. von interessanten Nachlässen - könnte die Stiftung z.B. auch einen Preis für herausragende wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Frauen- und Geschlechtergeschichte aussetzen, Stipendien vergeben und vieles mehr." 3

Die Web Site ist bis auf ganz wenige Inkonsistenzen und tote Links sehr benützerinnenfreundlich aufgebaut. Es werden häufig Ansprechpartnerinnen mit entsprechenden eMail-Links genannt und die Daten der letzten Aktualisierung angegeben. Ein paar vermeidbare Fehler sind dennoch zu erwähnen: Die Verlinkung zur Online-Datenbank auf den zum Kreis der "Bestände" gehörenden Frame-Seiten (Monographien, Graue Literatur etc.) ist unsauber gelöst (es öffnet sich ein Frame im Frame ...). Ähnliches geschieht bei den Linklisten: Es gehört zu den "DONOTs" der Webseiten-Gestaltung, externe Links in den eigenen Frame hineinzuholen, weil dadurch die Urheber der externen Seiten nicht mehr erkennbar sind. Noch etwas: Der Link "Datenbank" führt offensichtlich zu einem Server der Universität Kassel, der als Host fungiert. Daraus ergibt sich auch der eingangs zitierte Parallel-URL, dessen Notwendigkeit nicht ganz ersichtlich ist.

Insgesamt lässt die Web Site des AddF mit seinem überaus reichhaltigen und aktuellen Angebot an Information auf eine sehr lebendige und in der Lukrierung von Fördermitteln erfolgreiche Archiv-Tätigkeit schließen. Bei der Informationsmenge scheint bereits ein Punkt erreicht, wo eine Sitemap oder interne Suche die raschere Auffindbarkeit von Information günstig beeinflussen würde. Eine der größten Stärken dieser Web-Präsentation liegt ohne Zweifel in der noch nicht alltäglichen Online-Präsentation von Nachlässen (siehe Nachlass Elisabeth Selbert), mit der das AddF Pionierinnenarbeit geleistet hat. Sie darf mit Recht der europäischen Frauenenarchiv-Szene zur Nachahmung empfohlen werden.

Anmerkungen:
1 zitiert nach http://www.uni-kassel.de/frau-bib/bestaende.htm (28.09.04)
2 zitiert nach http://www.uni-kassel.de/frau-bib/forschungseinf.htm (28.09.04)
3 zitiert nach http://www.uni-kassel.de/frau-bib/traegerverein/stiftung.html (28.09.04)

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