Festkultur Online - Deutsche Drucke des 17. Jahrhunderts zur Festkultur des Barock

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Titel
Festkultur online - Deutsche Drucke des 17. Jahrhunderts zur Festkultur des Barock (Retrospektive Digitalisierung).
Herausgeber
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel <auskunft@hab.de>
Veröffentlicht durch
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel <http://www.hab.de/>
Enthalten in
Von
Bastian Gillner

Bastian Gillner, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
E-Mail: gillner@uni-muenster.de

Festkultur Online – Deutsche Drucke des 17. Jahrhunderts zur Festkultur des Barock: http://www.hab.de/bibliothek/wdb/festkultur/index.htm

Zu den renommierten Adressen der deutschen Frühneuzeitforschung gehört sicherlich die Herzog August Bibliothek (HAB) in Wolfenbüttel, deren namensgebender Gründer, der viel gepriesene „Bücherfürst des 17. Jahrhunderts“, den umfangreichen Grundstock für eine der bedeutendsten Einrichtungen der hiesigen Bibliothekslandschaft gelegt hat. Es dürfte niemanden verwundern, dass diese ehemals fürstliche Sammlung mit ihren Wurzeln in höfischer Welt und frühneuzeitlicher fürstlicher Gelehrsamkeit auch einen umfangreichen Bestand von Drucken zum Festgeschehen zur Zeit des Barock beherbergt – eben der „Epoche der höfischen Feste“, in der fürstliche Politik, adelige Gesellschaft und höfische Kultur im nahezu allgegenwärtigen Fest zum „großen Welttheater“ verschmolzen 1. Unter dem Dach der Wolfenbütteler Digitalen Bibliothek (WDB), die mit Unterstützung der DFG schon mehrere Digitalisierungsprojekte mit dem Ziel der Bereitstellung von forschungsrelevanten, besonders seltenen oder häufig genutzten (Alt-)Beständen abgeschlossen hat, stehen jetzt auch mit der Datenbank „Festkultur Online“ insgesamt 314 Druckschriften aus der Mitte des 16. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts zu diesem Thema in digitalisierter Form zur Verfügung.

Bei diesen Druckschriften handelt es sich um Festliteratur in ganzer barocker Breite und Pracht, von Schilderungen des Festgeschehens über Reden und Predigten bis hin zu Schauspielen und Theaterstücken, von Krönungen und Lobpreisungen über Hochzeiten und Friedensfeste bis hin zu Tauffeiern und Begräbnissen. Der Umfang der einzelnen Drucke variiert dabei beträchtlich und reicht von zweiblättrigen Skizzen bis hin zu mehrhundertseitigen Festbeschreibungen. Erfasst worden ist allerdings nur die höfische Festkultur; kirchliche, städtisch-bürgerliche oder gar bäuerliche Festivitäten kommen nicht vor. Der zeitliche Schwerpunkt liegt eindeutig auf der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, und es sind auch nur Drucke deutscher Provenienz erfasst.

Der Aufbau der Seite folgt einer klaren und deutlichen Gliederung ohne graphische Spielereien oder überflüssige Informationen. Im Gegensatz zu vielen Internetangeboten erwarten einen hier lobenswerterweise nicht gleich Dutzende von weiterführenden Links und Buttons, die leider ohnehin häufig eher der Verwirrung des Benutzers als einer zielgerichteten Recherche dienen. Ganz konsequent wird der Weg zu den Quellen in den Mittelpunkt gestellt, allein ergänzt durch ein knappes Literaturverzeichnis und ebensolche Projektinformationen. Die Suche in der Datenbank kann über mehrere Ansätze erfolgen, nämlich über die „Recherche“ mittels Stich- bzw. Schlagworten, über die „Signaturenliste“ oder über den „Thesaurus für frühneuzeitliche Festbeschreibungen“.
Das breiteste Spektrum der Möglichkeiten liefert dabei die normale Recherche: Über eine Suche nach Schlag- bzw. nach Stichworte lassen sich entweder ganze Dokumente zum Suchbegriff oder genaue Seiten innerhalb von Dokumenten finden. Die Schlagwortsuche umfasst dabei eher allgemeine Begriffe wie Festereignisse, Personennamen oder Zeitabschnitte, während die Stichwortsuche deutlich feiner ist und auch Ergebnisse zu Detailbegriffen wie „Bauerntanz“ oder „Waldnymphen“ liefert. Da es sich bei den erschlossenen Quellen nicht um Transkriptionen handelt, sondern um Scans der Originale, ist diese Suche nicht vollkommen frei, sondern greift auf den einzelnen Seiten zugeordnete Suchbegriffe zurück. Diese Suchbegriffe sind als Index direkt neben der Schlag- bzw. Stichwortsuche zu finden, stehen also problemlos bei der Recherche zur Verfügung. Die Anzahl dieser Suchbegriffe ist dabei umfangreich genug gewählt, um nicht nur an der Oberfläche des Inhalts zu kratzen, und auch die Vernetzung mit dem Thesaurus oder der Bildersuche ist vorbildlich in die Recherche-Funktion eingebettet.
Die Signaturenliste ermöglicht auf Grund ihrer Sortierung nach Residenzorten über die Auflistung der Signaturen der HAB hinaus eine schnelle Orientierung über Anzahl und Titel der Drucke aus einem bestimmten lokalen Raum – und zwar bequemer als über die herkömmliche Suchfunktion. Ob diese Funktion gewollt ist oder nicht, sei dahingestellt, nützlich ist sie allemal. Warum hier auch einige Drucke verzeichnet sind, die (noch?) nicht digitalisiert sind, bleibt allerdings ungeklärt.
Bleibt noch der Thesaurus für frühneuzeitliche Festkultur. Hier finden sich zentrale Begriffe zum Thema Festkultur wie etwa „Ankunft“, „Feuerwerk“, „Messe“ oder „Turnier“, die wiederum direkt mit den passenden Drucken verlinkt sind. Seinen wahren Wert gewinnt der Thesaurus durch die Funktion, diese Begriffe (die zumeist bereits im Stichwort-Index zu finden sind) durch Unter- oder Überordnungen miteinander zu vernetzen bzw. sie miteinander in Beziehung zu bringen, so dass gesuchte Themen leicht unter mehreren miteinander verwandten Begriffen erschlossen werden können.
Die verschiedenen Möglichkeiten des Zugriffs auf die Quellen durchdringen sich also und sind nicht gänzlich voneinander getrennt, so dass der Benutzer auf verschiedene Weise zu Ergebnissen kommen kann. Der Anwenderfreundlichkeit schadet diese Ordnung jedoch kaum, befriedigende Treffer sind über alle drei Wege zu erzielen. Auch sollte an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass die Drucke aus der Datenbank „Festkultur Online“ auch mit dem Gemeinsamen Bibliotheksverbund (GBV) vernetzt sind und deshalb über verschiedene Online-Kataloge und auch Suchmaschinen wie Google gefunden werden können.

Der Zugriff auf die Quellen ist vollkommen unproblematisch. Mit dem Anklicken eines der ausgeworfenen Treffer der Recherche-Funktion gelangt man zur entsprechenden Seite in der Quelle. Während der Großteil des Bildschirms von der gescannten Dokumentenseite eingenommen wird, bleibt linkerhand eine Leiste mit Arbeitsfunktionen bestehen. Hier kann man im Dokument vor- und zurückblättern oder auch Seiten direkt anwählen. Befindet sich eine Illustration auf der entsprechenden Seite, lässt sich die Auflösung verändern, um sie in ihrer Gesamtheit oder als Detailausschnitt betrachten zu können. Besteht der Wunsch nach einem Überblick über mehrere Seiten, können diese in verschiedenem Umfang als Thumbnails bereitgestellt werden. Entweder an Stelle der Druckseite oder (deutlich empfehlenswerter) in der Arbeitsleiste können Informationen zur momentan gesichteten Quelle eingeblendet werden – und gerade diese Kurzinformationen gehören sicherlich zu den herausragenden Qualitätsmerkmalen der Datenbank: Neben dem (in barocktypischer Manier nicht gerade kurzen) Titel und zentralen Informationen zum Festanlass (Hauptpersonen, Ort, Jahr, etc.) werden hier auch die folgenden Kapitelüberschriften, vorhandene Bilder, außergewöhnliche Textmerkmale wie Listen oder Tabellarien sowie im Thesaurus verzeichnete Fachbegriffe aufgelistet, mittels derer jeweils ein direkter Sprung auf die gewünschte Seite des Dokuments ermöglicht wird. Titelinformationen, Inhaltsverzeichnis, Stichwortsammlung und Linkliste gehen hier eine gelungene Verbindung ein, der schnelle und dabei gründliche Überblick erleichtert die Arbeit mit der Quelle ganz erheblich.

Angesichts der klaren und übersichtlichen, sehr benutzerfreundlichen und uneingeschränkt quellenorientierten Gestaltung der Datenbank können ein paar kleinere Kritikpunkte den überaus positiven Gesamteindruck kaum trüben. Leider passen nicht alle digitalisierten Drucke problemlos in das dafür vorgesehene Fenster, manchmal ist daher unglücklicherweise auch ein horizontales Scrollen notwendig, was die Durchsicht eines Dokuments doch erheblich unbequemer macht. Eine veränderte Auflösung würde hier helfen, doch steht diese Funktion nur bei manchen Seiten mit Illustrationen zur Verfügung. Auch die Vorschau per Thumbnails ist keineswegs immer verfügbar; im Sinne einer geschlosseneren Gestaltung wäre eine grundsätzliche Bereitstellung dieser Funktionen wünschenswert. Ähnliches ist bei der Sprachauswahl anzumerken. Obwohl die Möglichkeit einer englischsprachigen Menuführung besteht, sind manche Seiten auch im deutschsprachigen Teil mit englischen Titeln („Content“, „How to quote?“) versehen – eine Einheitlichkeit würde hier für ein saubereres Gesamtbild sorgen. Kurz kritisch angemerkt werden sollte ebenfalls, dass das Literaturverzeichnis scheinbar nur Literatur aus der HAB zum Thema Festkultur verzeichnet, nicht aber unbedingt die grundlegende Basisliteratur; eine knappe Ergänzung hierzu wäre erfreulich.

Was die Datenbank „Festkultur Online“ der WDB nicht ersetzen kann, ist das eigenartig-wohlige Gefühl, ein mehrere Jahrhunderte altes Buch in den Händen zu halten, vorsichtig die vergilbten Seiten durchzublättern und praktisch einen direkten physischen Kontakt mit einer vergangenen Welt herzustellen. Darüber hinaus dürfte in diesem Falle das virtuelle Angebot das tatsächliche Buch aber in allen praktischen Belangen schlagen. Die komplette Digitalisierung ermöglicht den direkten Zugriff auf jede Seite der erfassten Drucke, bietet auf einen Blick die inhaltliche Systematik eines jeden Buches und – sicherlich der größte Vorteil – liefert anhand der umfangreichen Erschließung durch Suchbegriffe die ansonsten nicht gegebene Möglichkeit einer strukturierten Recherche innerhalb der Quellen. Und mehr noch: Die Arbeit mit der Datenbank „Festkultur Online“ ist sogar ein ausgesprochenes Vergnügen. Die Orientierung bereitet keinerlei Probleme, die Handhabung ist bewusst einfach gehalten ohne dabei Abstriche in Sachen Nutzbarkeit machen zu müssen, und die technischen Voraussetzungen sind simpel genug, um einer Recherche auch von dieser Seite keine Hürden in den Weg zu legen. Man muss fast bedauernd sagen, dass das Thema „Barocke Festkultur“ doch eher ein Nischenthema ist, so dass nicht viele Leute in den Genuss der Arbeit mit dieser Datenbank kommen werden, doch ist diesem Digitalisierungsprojekt zu wünschen, dass sich an seiner Geradlinigkeit, Benutzerfreundlichkeit und Konzentration auf das Wesentliche andere ähnliche Vorhaben ein Beispiel nehmen. Oder, um mit Antonio Draghi und Niccolo Minato in ihrem Schauspiel „Die Sigprangende Römische Monarchey […]“ von 1678 zu sprechen: „Sihe derohalben/ genaigter Leser/ dieser Vorstellung zue […]/ mit Lobe dessen/ welcher sie anordnet/ [und] mit Befrolockung dessen/ dem man sie vorstellet […]“ 2. Das kann sicherlich auch für die besprochene Datenbank, ihre Verantwortlichen und ihre Nutzer gelten.

1 So der Titel des klassischen Werkes zur barocken Festkultur von Richard Alewyn: Das große Welttheater. Die Epoche der höfischen Feste, ND der zweiten erweiterten Auflage, München 1989.
2http://diglib.hab.de/drucke/hn-4f-13/start.htm?image=00011

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