Die ästhetisch anspruchsvolle und sehr übersichtlich strukturierte Homepage der REQUIEM-Datenbank empfängt den Besucher in trefflich kardinalem Rot – Einladung und Einstimmung auf den kurialen Kontext der hier zusammen getragenen römischen Grabmonumente von Päpsten und Kardinälen im Zeitraum von 1417 bis 1799. Die 2001 zunächst von der Fritz-Thyssen-Stiftung finanzierte Unternehmung, eine Kooperation zwischen dem Lehrstuhl für Allgemeine und Schweizer Geschichte der Neuzeit (Prof. Volker Reinhardt) und dem Kunsthistorischen Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin (Prof. Horst Bredekamp) mit insgesamt elf Mitarbeitern, wird seit 2005 von der DFG gefördert; zu allen drei Institutionen finden sich Links auf der Homepage.
Deren Struktur ist durch fünf Leitkategorien - Informationen, Publikationen, Datenbank, Personal und Kontakt – vorgegeben, die über eine Navigationsleiste zu öffen sind. Über vier Thumbnails besteht zudem die Möglichkeit, sich zu exemplarischen Publikationen über die dargestellten Monumente durchzuklicken. Das Bild des Grabmals von Gregor XV. Ludovisi bsw. führt zu dem kooperativ entstandenen Aufsatz „Mit Kunst aus der Krise? Legros Grabmal für Papst Gregor XV. Ludovisi in der römischen Kirche S. Ignazio“, der anschaulich die wissenschaftliche und methodische Marschrichtung des zweischienigen, historisch-kunsthistorischen Ansatzes vor Augen führt. Eine Suchleiste ermöglicht zudem eine übergreifende Suche nach Namen von Päpsten und Kardinälen innerhalb der Datenbank.
Über grundsätzliche Ziele und Fragehorizonte unterrichten die dem Bereich Informationen zugeordneten Buttons Ziele und Projekt (erfreulicher Weise dreisprachig: deutsch, englisch und italienisch), während unter Aktuell die rege und umtriebige Vortrags-, Interview- und Publikationstätigkeit der Projektgruppe dokumentiert wird. Charakteristisch ist die Verzahnung von Geschichtswissenschaft und Kunstgeschichte zur Erfassung der Objekte, der sie betreffenden Personen sowie der Struktur und der Strategien des Karriere-Networkings der Kardinäle. Die Projektbeschreibung selbst (man hätte sie sich durchaus ausführlicher und argumentativ ausgefeilter gewünscht, v.a. was den Stand der neueren Grabmalforschung betrifft, der bedauerlicher Weise völlig ausgeblendet bleibt) formuliert als tragende methodische Schwerpunkte den Dreischritt von deskriptiver Erfassung, stilkritischer Untersuchung und sozio-politischer Kontextualisierung der Monumente. Darüber hinaus sollen diese „eine Deutung als gezielt eingesetzte Instrumente zur Legitimation, Fundamentierung, Intensivierung und Dynamisierung von Macht und Status ihrer Auftraggeber erfahren“ 1.
Der Button Publikationen führt zu einer Liste von Büchern und Aufsätzen der letzten vier Jahre, deren Titelseiten, als Thumbnails angeklickt, den Leser (quasi in Form eines elektronischen Bauchladens) mit der entsprechenden Einkaufswagen-Seite von www.amazon.de verbinden. Über Links ist zudem der direkte Zugriff auf die Rezensionen zu den vier bisher erschienenen Sammelbänden von REQUIEM möglich. Da auch in der Kategorie Aktuelles die Publikationen vorgestellt werden, ergeben sich hier allerdings Redundanzen. Ausgesprochen deutlich ist das Bestreben der Herausgeber, eingängige, allgemeinverständliche Titel zu formulieren und so eine größere Leserschar anzusprechen (Bsp.: „Kardinäle Künstler Kurtisanen. Wahre Geschichten aus dem päpstlichen Rom“).
Prüfstein der online-Präsentation muss allerdings das Herz des Projektes sein – die Datenbank. Über vier Buttons ist 1. ein direkter Zugriff auf die Datenbank möglich, 2. können die exemplarischen Aufsätze der Startseite noch einmal aufgerufen werden, 3. können unter Download diese Aufsätze ebenso wie Vorlagenblätter zur Datenerfassung als PDF-Dateien heruntergeladen werden (das Projekt versteht sich als dynamisches Forum, an dem sich auch externe Mitarbeiter und Interessierte beteiligen können). Ein Datenbank-Sprengsel der besonderen Art stellt 4. ein Kochbuch dar, wohl ein Tribut an die traditionell enge Verbindung von Curia und Culinaria, das einer emotionalen Eintrübung durch die fortdauernde Beschäftigung mit den Orten der Toten durch literarisch ambitionierte Rezepturen zur Erquickung des Leibes auf ansprechende Weise entgegenwirkt.
Die Datenbank selbst ist in zwei Teile gegliedert, eine personenbezogene Prosopographie der Kardinäle und ein stärker objektbezogenes Inventar der Grabmäler. Letzeres in Päpste und Kardinäle unterteilt, wobei die Päpste chronologisch, die Kardinäle hingegen alphabetisch gelistet werden. Zusätzlich zum Browsen in den Listen wird eine Suchoption angeboten, die sich in eine Vielzahl von Parametern aufsplitten lässt, welche durchgängig eng an die Kriterien der Prosopographie bzw. der Grabmalerfassung angelehnt sind (neben Namen, Orten, Kosten, Künstlern und Datierung auch spezielle Einzelaspekte der Ikonographie der Objekte bzw. der Promotionstitel, Ämter, Pfründen und klientelären Bindungen der Kardinäle). Grob gesehen gliedern sich die Datensätze zu den Grabmälern in allgemeine Angaben (Personen, Chronologie, Verortung etc.), Beschreibungskriterien (Materialien, Ikonographie, Typologisches), Fragen der Porträtierung sowie Aspekte der Geschichte der Fertigstellung und Erhaltung. Zusätzlich finden sich zahlreiche Abbildungen, die vergrößert werden können. Zu hoffen steht, dass sich peu à peu etwas mehr Bilder auch tatsächlich öffnen lassen, bei Stichproben gelang dies nur in einem von zehn Fällen. Derzeit finden sich in diesem Bereich ca. 300 Einträge. Die Prosopographien listen neben Personendaten und Familienverhältnissen der Kardinäle v.a. markante Karrierepunkte, Ämter- und sonstigen Besitz sowie Angaben zu Erbverhältnissen und Quellen – insgesamt sind hier bisher ca. 220 Einträge zusammen gekommen.
Schon bei der ersten Betrachtung der Erfassungsparameter zeigt sich ein grundsätzliches Problem im Bereich der Grabmaldatenbank (und hier vor allem bei den Beschreibungskriterien), bei der das engmaschige Gerüst weitaus weniger greift als im Bereich der Prosopographien, weshalb sich die Datensätze insgesamt und in ihrem jetzigen Zustand erheblich besser als Instrumentarium zur soziohistorischen (insbesondere zur Klientelforschung!) denn zur kunstwissenschaftlichen Forschung eignen. Dies ist freilich nur zum Teil der ausgearbeiteten Struktur anzulasten. Vielmehr stößt man hier auf ein gattungsspezifisches Grundproblem – jenes, komplexe, liturgisch und memorialstrategisch vielfältig eingebundene, typologisch bisweilen schillernde und ikonographisch innovative wie vielschichtige Monumente in Schlagworten erschöpfend zu erfassen – das Dilemma der Quantifizierung von Objekten, die über ihren historischen auch eine spezifisch künstlerischen Sinn entfalten. Der Schritt von rasterhafter Beschreibung hin zu einer Stilkritik fällt innerhalb eines solchen Schemas notgedrungen schwer und bleibt bisher auch fast durchgehend aus. Ausreichend Spielraum zur deskriptiven Entfaltung bei klar festgelegtem typologisch-stilistischem Vokabular wäre hier wünschenswert.
Einzelanalysen zeigen begriffliche Schieflagen, zumal kein Glossar existiert, das die verwendeten Begrifflichkeiten klärte (bei einem Einspeisungssystem des „offenen“ Inputs auch durch externe Forscher scheint mir dies allerdings unerlässlich). Drei Stichproben aus dem Quattrocento:
1. Das Grabmal des Kardinals Philippe de Levis. Die terminologisch und in ihrem Sinn fragwürdige Scheidung von „Grabmal Art“ und „Grabmal Typus“ registriert für das Levi-Grab bei erster Kategorie „Wandgrab“, bei der zweiten „Nischenwandgrab“ (es handelt sich, dies bleibt allerdings unerwähnt, nur um eine Scheinnische). Den nicht unerheblichen Umstand, dass das Levis-Grabmal ein (im Rom des 15. Jahrhunderts ausgesprochen ungewöhnliches) Doppelgrabmal ist, erfährt man erst ganz am Ende der Datei in einem Halbsatz unter „sonstige Angaben“. Unter dem Stichwort „Inschrift“ stoßen wir nicht etwa auf selbige, sondern lediglich auf „Pöpper 2002 S. 226“ (wie überhaupt die Inschriften in zahlreichen Fällen nicht im Datensatz erfasst werden). Unter „Porträt-Beschreibung“ findet sich in der Rubrik „Typus“ der Vermerk „Liegefigur“; auch hier wird man sich fragen dürfen, ob „Liegefigur“ tatsächlich die treffende Beschreibung eines Porträttypus abgibt. Gleiches gilt für Begriffe wie „Hüftstück (betend)“ oder auch „Hüftstück (sonstiges)“. Schließlich werden Form- und Funktionsaspekte durcheinander gebracht, da auch „Ehrenstatue (sitzend oder kniend)“ ein möglicher Porträttyp ist.
2. Papst Innozenz VIII., dessen Monument eines der Highlights päpstlicher Grabkunst und wissenschaftlich nicht eben schlecht bearbeitet ist, wird in der Datenbank nur ausgesprochen lückenhaft erfasst. Seine „Art“ ist die eines Wandgrabes, unter „Typus“ findet sich kein Eintrag; der ausgesprochen charakteristische und typologisch signifikante Umstand, dass hier die „zwei Körper des Papstes“ einmal als Gisant, einmal als segnende Sitzfigur an ein und demselben Monument wiedergegeben sind, findet sich erst unter der Rubrik „Porträt-Beschreibung“ (warum hier?) unter „Weitere Beschreibung“, wobei der letzte Satz in der Mitte abbricht. Der Porträt-Typus sei der einer „Ehrenstatue (sitzend)“, wobei das Totenporträt des Gisants merkwürdiger Weise unerwähnt bleibt. Unklar ist, warum die drei theologischen Tugenden zusammen mit dreien der Kardinaltugenden unter „Allegorien“ gelistet werden, die vierte, Prudentia in einer eigenen Kategorie „Weitere Allegorien“ auftaucht. Nicht ersichtlich wird, wo diese sich befinden. Wir erfahren allerdings, dass die Kleidung des Papstes „liturgisch“ und die Kopfbedeckung „mit“ ist.
3. Das Grabmal für Alain de Coëtivy ist der „Art“ nach ebenfalls ein „Wandgrab“, im „Typus“ aber ein „Humanistentypus mit Biforium“ – was hat man sich darunter vorzustellen? Ist hier auf die florentiner Ehrengrabmäler angespielt, die allerdings gerade kein Biforium haben? Bemerkt sei zudem, dass es sich bei dem „Biforium“ eigentlich um eine illusionistisch angelegte, antikisierende Fensteröffnung handelt, in der zwei Apostelhalbfiguren agieren, ein Umstand, den die Datei leider nicht zu erfassen vermag. Eine Suche unter dem Stichwort „Humanistengrab“ (immerhin ein eingeführter Begriff) zeitigt dann paradoxer Weise auch keine Treffer. Nicht ersichtlich wird darüber hinaus, dass das Coëtivy-Monument Bestandteil einer Grabkapelle ist, deren originale Ausmalung des Quattrocento noch erhalten ist – ein weiteres Monitum, denn die Struktur der Datenbank präsentiert die Monumente zu sehr als isolierte Artefakte, ihr räumlicher Kontext, die häufig vorhandene ikonographische Verzahnung von Skulptur und Wandmalerei, die Bedeutung ihrer Positionierung und ihr Bezug zum Kirchenraum als Aktionsraum werden generell kaum erwähnt.
Insgesamt entsteht der etwas unglückliche Eindruck, dass die schiere Menge der Monumente und die mit ihnen verbundene Informationsfülle kaum mehr als zu einer leider nur sehr summarischen Erfassung führen können. Unklar ist darüber hinaus, ob ein Datensatz bereits fertig bearbeitet oder noch ein work in progress ist. Eine Kennzeichnung wäre hier dringend angebracht und würde wohl so manche Lücke erklären. Zu wünschen wäre weiterhin, dass am Begriffsinstrumentarium gefeilt und der deskriptiven Erfassung mehr Raum gelassen wird.
Zur raschen Informationsbeschaffung grundsätzlicher Eckdaten von Grabmälern und Auftraggebern sowie zum Browsen in den Listen eignet sich die Datenbank auch aufgrund der übersichtlichen und schnellen Benutzerführung gut. Für gezielte und umfassende Wissenschaftsrecherche allerdings stellt sie - jedenfalls im Bereich der Gabmaldateien - kaum ein hinreichendes Instrumentarium dar. Die angeführten Monita betreffen weder die ausgesprochen benutzerfreundliche Oberfläche und Struktur der REQUIEM-Homepage noch die Qualität der Publikationen des Projektes, die in erschöpfenden und kenntnisreichen Einzelfallstudien nicht nur einen wichtigen Beitrag zur neuesten Grabmalforschung leisten, sondern auch der Zielsetzung einer „Entschlüsselung der komplexen Inszenierungen von Vergangenheit im Dienste der Gegenwart und Zukunft“ erheblich näher kommen, als dies die Datenbank vermag.
Anmerkungen:
1 Projektbeschreibung, deutsch: http://www2.hu-berlin.de/requiem/projekt.html, 23.08.2005.