Women in World History

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Titel
Women in World History - Teaching Forums (CHNM).
Herausgeber
[Project Co-Director] Kelly, T. Mills <wwh@chnm.gmu.edu>
Veröffentlicht durch
Women in World History, Center for History and New Media (CHNM) <http://chnm.gmu.edu/wwh/>
Enthalten in
Von
Eva Bischoff, Anglo-Amerikanische Abteilung des Historischen Seminars, Universität zu Köln

„World History“ ist ein vergleichsweise neuer Teil des Curriculums in US-amerikanischen High Schools, Colleges und Universitäten, der seit den 1980er Jahren eingeführt wird, um die traditionelle Fokussierung auf die Geschichte Europas und Nordamerikas aufzubrechen und stattdessen eine vergleichende, kulturüberschreitende und globale Perspektive zu verfolgen.1 Der Kurs wird heute ergänzend zu demjenigen über „Western Civ“(ilization) – liebevoll auch „From Plato to Nato“ genannt – angeboten und umfasst die Weltgeschichte von ca. 4000 v.Chr. bis zur Zeitgeschichte.

Das Ziel von „Women in World History“ ist es, Lehrenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die ihnen dabei helfen sollen, Frauen- und Geschlechtergeschichte in den Lehrplan einer solcherart verstandenen transnationalen und globalen Geschichte zu integrieren. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die Geschichte von Frauen in diesem Bereich bislang unterrepräsentiert sei, weil es vielen Lehrenden schwerfiele, Frauengeschichte in das neue, unkanonisierte und daher etwas sperrige Themenfeld der „World History“ einzuarbeiten. Um hier Abhilfe zu schaffen, stellt die Homepage Materialien sowie ganze Unterrichtsreihen zusammen, die alle auf der Auseinandersetzung mit „primary sources about women and gender throughout world history“ basieren.

Frauengeschichte und Geschlechtergeschichte wird dabei relativ umstandslos ineinsgesetzt. So formuliert beispielsweise Nancy Wingfield in ihrem „Framing Essay“ zu den auf der Homepage veröffentlichten Quellen: „Using gender to analyze the past has resulted in asking new questions about history and in reframing traditional areas of historical inquiry – economic, diplomatic, and political history. When we begin looking for women in history, they are there. And, they have long played important roles in all parts of their societies.“ (Hervorhebung EB) Mit dieser Gleichsetzung, die bereits 1986 von Joan Scott in ihrem wegweisenden Artikel „Gender: A Useful Category of Historical Analysis“ kritisiert worden ist, da sie die analytische Perspektive der Gender Studies auf den relationalen und konstruierten Charakter von Geschlecht ebenso verstellt wie auf das Verständnis von Geschlecht als „primary way of signifying relationsships of power“,2 bewegt sich „Women in World History“ konzeptionell auf dem Stand einer klassischen Frauengeschichte im Sinne von „Her-Story“. Dies wird besonders deutlich an der fehlenden Thematisierung von queeren Identitäten, wie sie in anderen Forschungszusammenhängen, die sich mit Geschlecht aus einer transnationalen Perspektive beschäftigen, bereits üblich ist.3 Im Gegenzug brilliert das Angebot allerdings durch seine didaktisch gut durchdachten und vielfältigen Angebote (dazu unten mehr) und durch einen Fokus auf diejenigen Aspekte der Frauengeschichte, welche Grenzüberschreitung und Kulturkontakt im weitesten Sinne thematisieren.

Die Homepage ist ein Projekt des Center for History and New Media (CHNM)4 an der George Mason University (USA) und wird finanziell unterstützt durch die National Endowment for the Humanities. Die Arbeiten an der Seite werden voraussichtlich im Juni 2006 abgeschlossen sein. Das CHNM hat bereits 1994 damit begonnen, Materialien unterschiedlichster Art für den Geschichtsunterricht ins Netz zu stellen. Es ist mehrfach mit Preisen für seine Arbeit ausgezeichnet worden und betreut zurzeit rund ein Dutzend Homepages. Materialien zur „World History“ bilden unter dem Stichwort „World History Matters“ einen eigenen Schwerpunkt im Angebot des CHNM. Hierzu gehört neben der vorgestellten Homepage auch eine zu „World History Sources“.5

„Women in World History“ kann über zwei Pfade erschlossen werden. Zum einen über eine Taskleiste, die stets mit angezeigt wird, und zum anderen über eine Suchfunktion, die sowohl eine allgemeine als auch eine detaillierte, nach Kategorien geordnete Suche beinhaltet. Das Angebot umfasst zum einen „Website Reviews“ von Online-Angeboten, die Archivmaterialien oder Vorschläge zur Gestaltung von Unterrichtseinheiten zur Frauengeschichte anbieten und die nach den (Groß)Zeiträumen der „World History“ gruppiert sind. Hier finden sich Verweise auf so interessante und materialreiche Seiten wie „From History to Herstory: Yorkshire Women's Lives Online, 1100 to the Present“6 und oder zum „Ling Lung Women's Magazine, Shanghai, 1931-1937“.7 Des Weiteren bietet die Seite unter dem Titel „Primary Sources“ einen Online-Zugriff auf mehr als 200 aufbereitete Quellen bzw. Quellenauszüge unterschiedlichster Art (Bilder, Missionsberichte, Briefe, offizielle Dokumente, fiktionale Texte) eingeleitet von dem bereits zitierten Essay von Nancy Wingfield, die an dieser Stelle in die historische Quellenanalyse aus frauen- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive einführt. Ein überaus spannendes und multimedial ausgestaltetes Angebot sind die unter der Rubrik „Analyzing Evidence“ eingestellten Interviews, in denen Forscherinnen und Forscher über ihre Arbeit mit bestimmten Quellengattungen berichten. Während des gesprochenen Textes werden Originaldokumente (Fotos, Briefe, Archivmaterial) oder Karten gezeigt, die das Gesagte illustrieren. So spricht beispielsweise unter der Kategorie „Oral History“ Ellen Fleischmann über die Erfahrungen, die sie im Zuge der Recherchen zu ihrer Studie über die Palästinensische Frauenbewegung zwischen 1920 und 19488 gemacht hat und beantwortet auch allgemeinere Fragen zur Arbeitsweise der Oral History. Alle aufgerufenen Interviews waren in Abschnitte zwischen anderthalb bis knapp über drei Minuten Länge unterteilt und flüssig abspielbar.

Ganz der selbstgestellten Aufgabe gemäß, Handreichungen für den Unterricht der Frauen- und Geschlechtergeschichte im Rahmen der „World History“ zur Verfügung zu stellen, bietet „Women in World History“ unter den Rubriken „Modules“ und „Case Studies“ eine Anzahl von Unterrichtseinheiten. Diese enthalten eine Vielzahl von aufbereiteten Quellen zum jeweiligen Thema, detaillierte Arbeitsanweisungen mit Zeitplan („Lesson Plan“), Arbeitsblätter für die Teilnehmenden, Vorschläge für vertiefende Arbeitsaufträge sowie eine Bibliographie mit einführender Literatur. Die fünfzehn Module umfassen einen Geschichtszeitraum, der vom 6. vorchristlichen Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts reicht, wobei der Schwerpunkt allerdings auf der Neuzeit liegt. Bei den Modulen wird besonders deutlich, dass „Women in World History“ im Kontext eines größeren und erfahrenen Arbeitszusammenhanges erstellt wird. Weiterführende Links verweisen auf Quellenpakete, die für Module anderer Seiten des CHNM zusammengestellt worden sind und ergänzend zu denen unter „Women in World History“ eingestellten genutzt werden können.

Während Module komplexere Themenfelder bearbeiten und meist für mehrere Sitzungen konzipiert sind, beschäftigen sich die neun „Case Studies“ mit einer spezifischeren Fragestellung, die anhand einer ausgewählten Quelle (oft eine bildliche) im Rahmen einer Unterrichtseinheit von ca. 45 Minuten verhandelt werden kann. Jede dieser Fallstudien wird von einem Lehrenden in der Form eines Erfahrungsberichtes vorgestellt. Zusätzlich bietet „Women in World History“ ein interaktives Element in Gestalt des „Teaching Forums“. Hier können sich interessierte Nutzer und Nutzerinnen in moderierten Email-Diskussionensforen zu festgelegten übergreifenden Themenkomplexen über Fragen der Unterrichtsgestaltung austauschen. Bislang realisierte Foren (Stand ist März 2006) thematisierten „Women in World History“ allgemein sowie Frauengeschichte in verschiedenen Großräumen: Afrika, Lateinamerika und Asien.

Insgesamt ist festzustellen, dass die vom CHNM erreichte Professionalität sich ausgesprochen positiv in der übersichtlichen Gestaltung und der Benutzungsfreundlichkeit der hier vorgestellten Seite bemerkbar macht. Alle Essays, Transkripte von Interviews, Arbeitsblätter oder Quellentexte können als Acrobat Reader Dokumente (PDF-Format) heruntergeladen werden, ebenso der Media Flash Player, der zum Abspielen der Interviews unter „Analyzing Evidence“ notwendig ist.9 Über eine Vernetzung mit den Resourcen anderer Homepages des CHNM werden weitere Quellen, Unterrichtspläne und Rezensionen zugänglich. Hier kann im Einzelfall der Fokus auf die Frauen- und Geschlechtergeschichte etwas verloren gehen, aber dafür ist das Angebot reichhaltig und führt stets zu nutzbarem Material oder praktischen Gestaltungsvorschlägen für den Unterricht.

Mit der Einführung des BA im deutschen Hochschulsystem wird der Bedarf an modularisierten Unterrichtseinheiten für Kurse zu Überblicksthemen sicherlich steigen. Insofern kommen Angebote wie das der „Women in World History“ wie gerufen. Allerdings ist das Angebot der Homepage ganz klar auf den Bedarf der US-Nutzerinnen und -nutzer zugeschnitten. So sind Unterrichtseinheiten für High-School Schüler und Schülerinnen bzw. College Studierende entwickelt (was in etwa Abiturs- oder Erstsemesterniveau entspräche) und von Studierenden an deutschen Hochschulen wird gerade in Bezug auf das selbstständige Erarbeiten historischer Kontexte mehr erwartet. Hinzu kommt, dass „World History“ im deutschen (Schul- und) Hochschulsystem kein etablierter Teil des Curriculums ist, ja dass selbst das Verständnis von Globalgeschichte zum Teil ein anderes ist. Während „Global History“ in den Vereinigten Staaten als Überblicksgeschichte Kulturkontakt und Austauschprozesse von der Frühgeschichte bis heute in den Blick nimmt, wird Globalgeschichte in Deutschland stärker im Sinne der Geschichte einer ökonomischen, politischen und kulturellen Globalisierung begriffen und ist damit inhaltlich wie zeitlich enger zugeschnitten. „Global History“ im US-amerikanischen Sinne wird in der deutschsprachigen Forschung eher unter dem Begriff der transnationalen Geschichte verhandelt.9 Ein Themenfeld, das zur Zeit eine diskursive Explosion erlebt, allerdings gleichzeitig hochkontrovers ist, wie die Debatten um das Max-Planck-Institut für Geschichte gezeigt haben;10 von einer Umsetzung in systematische Unterrichtspraxis ganz zu schweigen.

Ein wenig besser aufgestellt ist hier die Geschlechtergeschichte, die curricular zunehmend integriert wird (auch wenn noch viele Wünsche offen bleiben), jedoch erst in den letzten Jahren eine transnationale Perspektive für sich entdeckt hat.11 Nichtsdestotrotz oder vielleicht gerade deswegen können Lehrende in Deutschland von dem Internetangebot „Women in World History“ sehr profitieren. Hier finden sich didaktisch wohldurchdachte Vorschläge für Unterrichtseinheiten, die den Praxistest bereits bestanden haben, sowie eine Vielfalt an Materialien zur Vorbereitung von Kursen oder Teilen von Kursangeboten, die sich mit der Rolle von Frauen in verschiedenen geschichtlichen Kontexten auseinandersetzen. Mit dieser Hilfestellung sollte es erheblich einfacher sein, eine frauen- und geschlechtergeschichtliche Perspektive in die Vermittlung transnationaler Geschichte zu integrieren.12

Anmerkungen:
1 Die Professionalisierung des Fachs ist inzwischen weit fortgeschritten: im Jahr 1982 wurde die World History Association gegründet (http://www.thewha.org/ (08.03.06)) und 1990 hat sich ein Fachorgan etabliert, das Journal of World History (http://www.uhpress.hawaii.edu/journals/jwh/ (08.03.06)). Zur Einführung in die Perspektiven und Problemstellungen der „Global History“ vgl. Michael Geyer und Charles Bright, „World History in a Global Age“, in: American Historical Review 100 (1995), S. 1034-1060.
2 Joan Scott, „Gender: A Useful Category of Historical Analysis“, in: American Historical Review 91,5 (1986), S. 1053-1075, hier S. 1067.
3 Siehe beispielsweise Arbeiten über das Phänomen der „hijra“ von Serena Nanda, Neither Man nor Woman: The Hijras of India. Belmont 1990 oder Geeta Patel, „Home, Homo, Hybrid: Translating Gender“, in: A Companion to Postcolonial Studies. Hrsg.v. Henry Schwarz und Sangeeta Ray, Oxford 2000, S. 410-427.
4http://chnm.gmu.edu/ (08.03.2006).
5http://chnm.gmu.edu/worldhistorysources (08.03.2006).
6http://www.historytoherstory.org.uk/ (08.03.06).
7http://www.columbia.edu/cu/lweb/digital/collections/linglong/ (08.03.06).
8 Ellen Fleischmann, The Nation and its "New" Women: The Palestinian Women's Movement, 1920-1948, Berkeley 2003.
9 Die Homepage wurde mit Mozilla Firefox als Browser über eine Universitätsleitung sowie einen privaten DSL-Zugang von Ende Februar bis Anfang März besucht. Für langsamere Internetzugänge bietet die Seite einen eigenen Service, der nicht getestet werden konnte.
10 Exemplarisch seien hier genannt: Michael Geyer, Neue Entwicklungen in der Geschichtswissenschaft: Universal-, Welt- und Globalgeschichte. Beiträge zur historischen Sozialkunde 1998 (Sondernummer), Wien 1998; Sebastian Conrad und Jürgen Osterhammel (Hrsg.), Das Kaiserreich transnational. Deutschland in der Welt 1871-1914, Göttingen 2004; Margarete Gradner, Dietmar Rothermund und Wolfgang Schwentker (Hrsg.), Globalisierung und Globalgeschichte, Wien 2005; Hanna Schissler, „Weltgeschichte als Geschichte der sich globalisierenden Welt“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 1 (2005), S. 33-39, online unter http://www.bpb.de/publikationen/O1AVSF,0,0,Weltgeschichte_als_Geschichte_der_sich_globalisierenden_Welt.html (Stand 08.03.2006). Auf H-Soz-u-Kult und Clio-online ist im September 2004 ein Fachforum mit dem Titel „geschichte.transnational“ eingerichtet worden (http://geschichte-transnational.clio-online.net/ (08.03.06)).
11 Siehe die Beiträge unter http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/index.asp?pn=texte&id=406=406 (08.03.06).
12 Siehe beispielsweise der Sammelband von Sabine Hess (Hrsg.), Geschlecht und Globalisierung: Ein kulturwissenschaftlicher Streifzug durch transnationale Räume, Königstein/Taunus 2001; oder die Arbeiten von Ursula Biemann, Been there and back to nowhere: Geschlecht in transnationalen Orten. Gender in transnational spaces, Postproduction documents 1988 – 2000, Berlin 2000.

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