Einstein Archives Online

Cover
Titel
Einstein Archives Online.
Herausgeber
The Hebrew University of Jerusalem <http:www.huji.ac.il>
Veröffentlicht durch
The Hebrew University of Jerusalem <http:www.huji.ac.il>
Enthalten in
Von
Olaf Richard Richter

Seit vergangenem Mai sind Findmittel wie auch teilweise digitalisierte Unterlagen - momentan im Umfang von ca. 900 Verzeichnungseinheiten mit rund 3.000 Bilddateien - des bei der Hebrew University of Jerusalem angesiedelten Albert-Einstein-Archivs über das Internet zugänglich (http://www.alberteinstein.info/).

Der Grundstock des Bestandes wurde noch zu Einsteins Lebzeiten zusammengestellt und nach seinem Tod 1955 zunächst von seiner Sekretärin Helen Dukas und dem Nachlaßverwalter Otto Nathan betreut sowie seit 1982 durch das damals entsprechend Einsteins Testament eingerichtete Archiv an der Jerusalemer Hochschule durch Sammlungsgut ergänzt. Der Bestand beläuft sich auf rund 43.000 Verzeichnungseinheiten. Er beinhaltet verschiedensprachige wissenschaftliche Abhandlungen und Korrespondenzen, z.B. mit Niels Bohr und Werner Heisenberg, daneben Briefwechsel anderer Berufskollegen, etwa ein Schreiben Max v. Laues an Carl Friedrich v. Weizsäcker. Über die Wissenschaftsgeschichte hinaus ist Material zu Einsteins Engagement in politischen und sozialen Fragen vorhanden, vor allem zu den Bereichen Pazifismus, nukleare Abrüstung oder zum damaligen arabisch-israelischen Konflikt. Diesen Rubriken sind beispielsweise Schreiben Einsteins an Sigmund Freud und Thomas Mann zuzuordnen. Mit Blick auf die Person Einsteins dürften die Reiseaufzeichnungen besonderes Interesse wecken. Neben den schriftlichen Quellen zählen auch Photos und Filme und die private Bibliothek, Diplome, selbst Postkarten und T-Shirts zur Sammlung.

Die Startseite präsentiert zunächst die üblichen Hinweise auf Förderer und Kooperationen, rechtliche Verhältnisse insbesondere hinsichtlich der Digitalisate, Links zu der seit Anfang 2001 bestehenden Web-Seite des konventionellen Einstein-Archivs bei der Hebrew-Universität sowie zu verwandten Unternehmungen wie dem "Einstein Papers Project". Bei letzterem handelt es sich um eine Zusammenarbeit der Universitäten zu Jerusalem und Princeton, die das Werk des Nobelpreisträgers herausgeben.

Die Informationen des elektronischen Archivs erschließen sich grundsätzlich über zwei Wege, nämlich das Findmittel und die Datenbank. Das Findmittel ist so aufgebaut, dass es zunächst Kontextinformationen wie Bestandsbezeichnung, Laufzeiten und Archivumfang anbietet, denen eine biographische Übersicht und eine allgemeine Beschreibung der Sammlung folgen. Dem Bestand selbst liegt eine Dreiteilung in wissenschaftliche, nichtwissenschaftliche und persönliche Unterlagen zugrunde, die im Falle von digital vorgehaltenen Unterlagen zusätzlich über den integrierten Auswahlpunkt "digitalisierte Manuskripte" erreichbar sind. Wenn es sich aber bei letzteren nicht um handschriftliche Unterlagen Einsteins handelt fehlen in dieser Rubrik die Digitalisate, also im Falle maschinenschriftlicher Aufzeichnungen, Fotos u.s.w.. Somit erscheint der Auswahlpunkt ein wenig verwirrend. Der Verzicht auf eine eigene Rubrik "digitalisierte Manuskripte" und die Beschränkung auf das Findmittel samt den darin wie auch immer kenntlich zu machenden Digitalisaten hätte die zugrundeliegende Struktur transparenter gemacht. Man kann nun über die Archivtektonik entlang der gewohnten Baumstruktur mit Hilfe einer am linken Bildrand einzublendenden Inhaltsübersicht samt Einsprungfunktion bis zu den einzelnen Verzeichnungseinheiten navigieren. Dort werden Informationen wie Signatur, Laufzeit, ggf. Autor und Adressat oder bei Briefen ein Incipit, Inhalt, Umfang und Sprache angeboten. Eher zur Identifikation eines Dokuments als zur Recherche dürfte in einigen Fällen z.B. ein Incipit wie "Beantwortet die Formel" angesehen werden. Hier wäre anstelle der Orientierung an der anglo-amerikanischen Verzeichnungsweise EAD (Encoded Archival Description) eine etwas tiefere und differenziertere Beschreibung wünschenswert gewesen. Liegt ein Dokument digitalisiert vor, kann es in zwei unterschiedlichen Darstellungsqualitäten aufgerufen werden und entsprechend durch Vor- und Zurückblättern sowie die Option zum Anfang oder Ende zu springen, betrachtet werden. Am oberen Bildrand werden dabei kontextuelle Informationen über Autor, Datierung und die jeweilige Seite angegeben, ggf. auch die Verfügbarkeit von Veröffentlichungen. Denn bei den Dokumenten, die in den angesprochenen "Collected Papers of Albert Einstein" erschienen sind, besteht die Möglichkeit, eine Übersetzung in deutscher bzw. englischer Sprache im PDF-Format aufzurufen. Den zweiten Zugang zum Archiv eröffnet die Datenbank, die auf den Herausgeber der "Collected Papers of Albert Einstein" zurückgeht, der sie in den späten 1970er Jahren anlegte, um mit ihr den Nachlass zu indizieren. Seither wurde sie stetig modifiziert. Bei der Abfrage ist zwischen einer einfachen und einer Expertensuche zu wählen. Während erstere über die Felder Autor, Empfänger, Titel, Incipit und Ort sucht, kann bei der Expertensuche zusätzlich nach Signaturen und Datierungen bzw. Laufzeiten, auch nach der Überlieferungsform (Digitalisat, Veröffentlichung) gefragt werden. Vor allem jedoch können logische Verknüpfungen zwischen den Suchebegriffen hergestellt werden. Weiterhin ist die Ergebnisanzeige bestimmbar, etwa als chronologische Abfolge der Treffer.

Insgesamt werden die Informationen übersichtlich und Funktionen selbsterklärend dargestellt. Die digitalisierten Unterlagen liegen bei der höheren Auflösung in sehr guter Qualität vor, was allerdings im Falle der Bildgrössen von knapp 200 KB bei langsameren Internetanschlüssen zu Ladezeiten von ca. 45 Sekunden pro Digitalisat führt, wobei andererseits - und das ist sicher das zentrale Moment eines Online-Archivs - die von Ort und Öffnungszeiten des Archivs losgelöste Verfügbarkeit wertzuschätzen ist. Bei der ansonsten angenehmen Bedienung fallen lediglich zwei Punkte als ein wenig störend auf, die wohl browserunabhängig sind: Wenn der Findbuchinhalt zum unteren Bildschirmrand hin geöffnet wird, scrollt der Bildschirmausschnitt nicht automatisch nach unten, so dass man, um weiterlesen zu können, erst ein wenig umständlich über die rechte Laufleiste den Ausschnitt verändern muss. Kehrt man von der Bildbetrachtung in die Findbuchstruktur zurück, ist diese nicht mehr an der Stelle aufgeklappt, von der aus man das jeweilige Dokument ausgewählt hat, sondern man befindet sich stets wieder auf der Ausgangsebene. - Gleichwohl bleibt trotz dieser kleineren Mängel ein positiver Gesamteindruck bestehen, so dass Interessierten ein Besuch in diesem elektronischen Archiv zu empfehlen ist.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch