Stand und Perspektiven der Historischen Grundwissenschaften

Stand und Perspektiven der Historischen Grundwissenschaften

Organisatoren
Irmgard Fees, Abteilung Historische Grundwissenschaften und Historische Medienkunde, Ludwigs-Maximilians-Universität München
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.02.2018 - 17.02.2018
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Von
Thomas Wozniak, Fachbereich Geschichtswissenschaft, Eberhard Karls Universität Tübingen

Die Historischen Grund-, Hilfs- oder Basiswissenschaften sind in der Krise, obwohl für jegliche Erkenntnisprozesse in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichtsforschung der professionelle Umgang mit den Quellen erforderlich ist. Die Diskussion darüber ist in den letzten Jahren mit unterschiedlicher Intensität geführt worden 1. Als einer der bisher gewichtigsten Beiträge zu diesem Diskurs ist sicherlich die hier vorzustellende Tagung in München mit ihren Vorträgen und Diskussionen zu werten, denn dabei wurden für die verschiedenen Subdisziplinen von ausgewiesenen Spezialisten systematisch die Entwicklungen der letzten zehn Jahre vorgestellt, der aktuelle Stand analysiert und perspektivisch die künftigen Forschungsfelder ausgelotet.

In ihrer Begrüßung rief Irmgard Fees (München) kurz in Erinnerung, dass die Abschaffung zahlreicher Lehrstühle der Historischen Grundwissenschaften um das Jahr 2000 in Deutschland einen traurigen „Höhepunkt“ erreicht hatte. Seitdem sind mit den inzwischen abgeschlossenen Neubesetzungen der Professuren in Bonn und Bamberg sowie der Einrichtung einer Juniorprofessur in Wuppertal erste hoffnungsvolle Signale gesetzt. Auch stimmen die aktuell laufenden Verfahren zur Wiederbesetzung der Lehrstühle bzw. Professuren in Göttingen und München sowie die Etablierung eines Nachwuchsnetzwerkes neben dem Arbeitskreis Historische Grundwissenschaften hoffnungsvoll, aber von einer entspannten produktiven Phase sei man noch weit entfernt und die fortschreitende Digitalisierung bringe zudem ganz neue Herausforderungen mit sich.

In der ersten Sektion, die von Hubertus Seibert (München) geleitet wurde, ging es zunächst um die aktuellen Forschungsprojekte des wissenschaftlichen Nachwuchses, der in den Tagen zuvor eine eigene Tagung abgehalten hatte 2 und mit Posterpräsentationen in den Vorräumen visuell für das Fachpublikum präsent war, weiterhin lagen die Schwerpunkte in diesem ersten Teil auf den Königs- und Kaiserurkunden sowie den Papsturkunden.

Konkret betrachtete MAGDALENA WEILEDER (München) in ihrem Vortrag die ganz und gar nicht lapidare Frage, wann ein Projekt überhaupt „hilfswissenschaftlich“ zu nennen sei. Die Abgrenzung zu anderen Epochen oder Regionen sei oft fließend und deshalb scheint eine exklusive Beschränkung auf das europäische Mittelalter kontraproduktiv zu sein. Das Nachwuchsnetzwerk Historische Grundwissenschaften trifft sich seit 2015 jährlich und erfreut sich eines stetigen Mitgliederzuwachses (derzeit 54 Personen aus 25 Orten). Die Ergebnisse einer innerhalb dieses Kreises und weiterer befragter Wissenschaftler gestarteten Umfrage stellte dann JULIAN SCHULZ (München) vor. Bei 75 Befragten gab es eine Rücklaufquote von zwei Dritteln. Gefragt wurde nach der Finanzierung (89 Prozent auf befristeten Stellen), dem Erwerb grundwissenschaftlicher Kenntnisse, den beliebtesten Grundwissenschaften (Paläographie 38, Diplomatik 31, Kodikologie 21), aber auch nach der Rolle digitaler Methoden sowie den angestrebten beruflichen Perspektiven. Eine langfristige Zugänglichkeit der Befragungsergebnisse wäre sicher wünschenswert.

In seinem Vortrag betonte WOLFGANG HUSCHNER (Leipzig) das kooperative Verfahren der Erstellung einer Königs- oder Kaiserurkunde und nannte die Prüfung der Schreiberhände und Schreiberitinerare als moderne methodische Wege. Oft hätten die Empfänger- oder Gelegenheitsschreiber gleiche oder bessere Kenntnisse bezüglich der Urkundenproduktion gehabt wie die Hofgeistlichen. Seit Peter Rück stehen die äußeren Merkmale von Urkunden immer stärker im Fokus und es zeigt sich, dass das oströmisch-byzantinische Imperium oft als Vorbild diente. Als Forschungsschwerpunkte der letzten Jahre wurden Tauschurkunden, aber auch Urkunden von Herrscherinnen genannt. Besonders reichhaltig ist laut Huschner das Material der iberischen Halbinsel, wo etwa Eleonore eine „wirkliche“ eigene Kanzlei unterhielt. Der dritte große Forschungsbereich moderner Herrscherdiplomatik betrifft das klassische Feld der Fälschungen einzelner Diplome oder ganzer Serien. Dafür ist eine systematische Grundlagenforschung notwendig, ähnlich den bei den Akademien angesiedelten Inschriftenkommissionen. Da die neuere empfängerorientierte Perspektive auf bislang eher ausstellerorientierte Editionen trifft, sollte eine empfängerbasierte Digitalisierung im künftigen Fokus stehen.

JOCHEN JOHRENDT (Wuppertal) begann seinen Vortrag mit einem noch immer gültigen Zitat von Paul Fridolin Kehr (1903): Es gäbe „Papsturkunden ohne Ende“, was sich in 30.000 überlieferten Papsturkunden bis 1198 ausdrückt, während die darauffolgende Zeit bis 1417 so viel mehr Material bietet, dass die Urkunden nur rudimentär erfasst werden können. So kann als Ziel nur das Regest realisiert werden, was zu einer überwiegenden Konzentration auf den textlichen und rechtlichen Urkundeninhalt führt. Als aktuell wichtige Forschungsfelder stellen sich dabei die Erforschung des Einflusses der Empfänger, die in Rom bereits mit fertigen Konzepten erschienen, und die Urkunden der Gegenpäpste heraus, aber auch die Beschäftigung mit dem päpstlichen Personal und den Netzwerken (Bettelorden, Montecassino) oder herausragenden Einzelpersönlichkeiten (Bernhard von Clairvaux). Die Papsturkundenforschung insgesamt, so wurde festgestellt, müsse sich, angesichts dessen, dass „die Ernte so groß, aber die Arbeiter so wenige“ 3 (Hiestand 1996) seien, stärker vernetzen.
In der zweiten Sektion, die von Jörg Schwarz (München) moderiert wurde, standen die Privaturkunden, die Paläographie und die Epigraphik im Vordergrund.

Sehr treffend bezeichnete MARK MERSIOWSKY (Stuttgart) in seinem Vortrag den Begriff der „Privaturkunde“ als Verlegenheitslösung der Diplomatik. Erst mit der Zunahme der Schriftlichkeit ab dem 11. Jahrhundert wächst die Masse der Privaturkunden an, so macht die auf uns gekommene Überlieferung aus dem 14. Jahrhundert nur 10 bis 20 Prozent des überlieferten Materials des 15. Jahrhunderts aus. Angesichts dieser materialreichen Masse nehmen sich die Herrscherurkunden gewissermaßen nur wie „Fettaugen“ auf einer Suppe aus. Bei den früh- und hochmittelalterlichen Privaturkunden dominiert die Überlieferung aus den Klöstern St. Gallen und Fulda. Hervorgehoben wurde die große Syntheseleistung Reinhard Härtels („Notarielle und kirchliche Urkunden im frühen und hohen Mittelalter“), während es für das Spätmittelalter nichts Vergleichbares gibt. Weiterhin wurden die Projekte moderner Urkundeneditionen, aber besonders die Faksimiletätigkeit der letzten zehn Jahre unterstrichen, so sind in der Reihe der Chartae Latinae Antiquiores in dieser Zeit zehn Bände erschienen. Ebenso wie die älteren diplomatischen Methoden beständig neu reflektiert werden, müssen diese um neue Methoden (Schriftmustererkennung, Multispektralanalyse, linguistische Tools) erweitert werden.

MARTIN WAGENDORFER (Innsbruck) betonte, dass sich auch für Paläographie die Abgrenzungsfrage zu anderen Hilfswissenschaften stellt, denn der Begriff sei relativ offen. Anhand von Beispielen der digitalen Schriftkunde konnte er zeigen, dass in den letzten zehn Jahren eine ganze Reihe an Projekten auf den Weg gebracht wurden, so wuchsen die Manoscritti datati d’Italia seit 1994 um 27 Bände, seit 2008 um 10. Auch in der Autographenforschung sind in den letzten zehn Jahren enorme Leistungen zu verzeichnen, so sind die Autografi dei letterati italiani seit 2009 um vier Bände vermehrt worden. Aufgrund der Forschungen zu Handwritings of the Italian Humanists ließe sich nach Wagendorfer mittlerweile fast sagen, die Humanismusforschung sei Schriftgeschichtsforschung. Weitere Projekte wie scriptoria.at, Go!Digital 2.0 oder die Reihe „Kodikologie und Paläographie im digitalen Zeitalter“ rundeten die vorgestellten Beispiele ab.

In seinem Vortrag zeigte FRANZ-ALBRECHT BORNSCHLEGEL (München), dass die Epigraphik des Mittelalters und der Frühen Neuzeit mit 84 Jahren den Kinderschuhen entwachsen ist. Obwohl sie erst 1934 ins Leben gerufen wurde, liegen mittlerweile über 100 Inschriftenbände für Deutschland und Österreich vor. Durch die Bandbearbeiter wurden die Dokumentationsstandards im Laufe der Zeit immer weiter verfeinert. Mit der Berufung von Walter Koch 1982 nach München entstand dort ein Schwerpunkt der epigraphischen Forschung, der in den seit 1984 regelmäßig erschienenen Literaturberichten seinen Ausdruck fand. Daneben wurde auch die Inschriftenpaläographie, ausgehend von der Einführung Rudolf Kloos’ (1980), und in enger Zusammenarbeit mit der Universität Poitiers, immer weiterentwickelt. Mit den „Deutschen Inschriften Online“ ab 2009 begann ein neues Kapitel, aktuell werden 22.000 Inschriftendatensätze aus 57 Bänden online bereitgestellt, ergänzt durch die „Epigraphica Europea“ 4. Gerade im Bereich der übergreifenden Volltextrecherche in solchen Datenbanken und dem Aufbau weiterer Unterdatenbanken (Grabinschriften etc.) liegen vielversprechende Potentiale künftiger Forschung.

In ihrem sehr reflektierten Abendvortrag „Zur aktuellen Lage der Historischen Grundwissenschaften“ hat CLAUDIA MÄRTL (München) die Diagnose einer als kritisch definierten Situation in den Fokus genommen. Dabei ging es nicht darum, die seit 2015 laufende Diskussion zusammenzufassen, sondern deren Ablauf zu analysieren und besonders die Regeln des Diskurses zu hinterfragen. Der Bogen spannte sich, beginnend bei Karl Brandi, der bereits 1938 die Hilfs- in Grundwissenschaften umbenennen wollte, über Ahasver von Brandts „Werkzeug des Historikers“ bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert, in dem zunehmend hilflose Historiker ohne hilfswissenschaftliches Rüstzeug in den Archiven erschienen und sich die wachsende Bedeutung der EDV, besonders der Digitalisierung der Quellen, anbahnte. Es wurde festgestellt, dass zwischen 1997 und 2007 ein Drittel der hilfswissenschaftlichen Stellen gestrichen wurde, dass solche Kürzungen aber auch andere Fächer betrafen. Zudem war auch in den 20 Jahren zuvor das reguläre Lehrangebot nur mit einer großen Zahl von Lehrbeauftragten zu erreichen. Als Antwort auf eine Pressemeldung, nach der die Grundwissenschaften keine spektakulären Funde bieten, wurde eine ganze Reihe aktueller Zeitungsnachrichten angeführt, die allesamt dem Narrativ von Entdecker- und Detektivgeschichten folgen („Unbekannte Handschrift gefunden“) und zu Recht gefragt, wie viele „normal-historische“ Erkenntnisse denn für die populären Nachrichten spektakulär genug wären. In einem Ausblick wurde auf die Sonderforschungsbereiche 933 (Materiale Textkulturen) oder 950 (Textkulturen Asiens) verwiesen sowie darauf, dass die Lehre der Paläographie aktuell eigentlich sehr weit vertreten ist 5.

Am zweiten Veranstaltungstag wurde in der dritten Sektion, moderiert von Eva Haverkamp (München), auf den aktuellen Stand der drei kleineren Disziplinen Sphragistik, Heraldik und Numismatik eingegangen, die sich allesamt als innovative Methodenfelder herausstellten.

In ihrem Vortrag wies ANDREA STIELDORF (Bonn) auf den erfreulichen Umstand hin, dass derzeit Siegel in 13 laufenden Katalogprojekten erfasst werden und es in den letzten Jahren acht große Siegelausstellungen vor allem im englisch- und französischsprachigen Raum gegeben hat. Die Perspektiven der Siegelkunde sieht sie in der Transkulturalität und Transepochalität, als Weg dorthin einen kulturwissenschaftlichen Zugang zu den (spät-)mittelalterlichen und (früh-)neuzeitlichen Epochen vor dem Spiegel sozialer und wirtschaftlicher Gesellschaftsverhältnisse. Die bereits von Toni Diederich angestoßene Zusammenarbeit zwischen Siegelkunde und Kunstgeschichte sollte künftig um Bezüge zur Münz- und Wappenkunde erweitert werden. Die Vielfältigkeit und Wandlungsfähigkeit der Siegelbilder verdeutlichten den Dialog des Siegels mit seinem Betrachter und entfalten klare Bezüge zu Macht, Herrschaft und Rang. Aber Siegel sind nicht nur abstrakte Rechtsobjekte, sondern persönliche Identifikationsmarken, wie die jüngst stärker in den Fokus geratenen Körperspuren an und in Siegeln in Form von Haaren oder Abdrücken von Fingerkuppen zeigen und um diese individuellen Elemente bereichern.

In seinem Vortrag machte TORSTEN HILTMANN (Münster) klar, dass sich die Situation der Wappenkunde seit der letzten Bestandsaufnahme, als Ludwig Biewer 6 zu Recht konstatieren konnte, dass die Heraldik keine Erfolgsgeschichte sei, in den letzten fünf Jahren sehr stark gewandelt hat. Die Neubetrachtung zeigt, dass Wappen im Mittelalter und der Frühen Neuzeit ein zentrales Medium der Kommunikation in fast allen Kontexten und omnipräsent in der Gesellschaft waren. Diese Entwicklung vom arbiträren Zeichen des 12. Jahrhunderts hin zum komplexen Zeichensystem des ausgehenden Mittelalters, die parallel zur textbasierten Kommunikation ablief, wird in aktuellen nationalen wie internationalen Projekten erforscht. Übergreifende Studien zur historischen Entwicklung von Gebrauch und Bedeutung der Wappen sowie zu Aspekten der Transmedialität unterschiedlicher Überlieferungsträger werden dabei zu einer verstärkten Historisierung der Heraldik führen. Insgesamt steht das Fach vor nicht weniger als einem Paradigmenwechsel von der „narrativen Heraldik“ hin zu einer „historischen Heraldik“.

Dass auch die Numismatik und Geldgeschichte in den letzten Jahren starken Veränderungen unterworfen war, zeigte mit vielen digitalen Katalogbeispielen der Vortrag von HUBERT EMMERIG (Wien) sehr eindrücklich. Dabei profitiert die Numismatik von verschiedenen facheigenen Umständen; so sind neben den Wissenschaftlern der Museen und archäologischen Disziplinen auch sehr viele private Sammler und Händler an der Erfassung beteiligt. Dies drückt sich in zwei deutschen Münzhändlerverbänden und etwa 80 deutschen Münzsammelvereinen aus, hinzukommen noch die numismatischen Kommissionen der deutschen Länder, aber auch das International Numismatic Council. Da der Münzhandel die Numismatik finanziell unterstützt (Publikationen, Sommerschulen, Reisestipendien), gibt es gute Beziehungen zwischen den drei Interessensgruppen. Wie bei kaum einem anderen Fach wächst die Quellenbasis durch Neufunde permanent an. Als Beispiel wurden die 164 Schatzfunde der letzten Jahre in Niederösterreich genannt, wodurch etwa 190.000 Münzen bekannt wurden, was zeigt, wie wichtig die sofortige Erfassung solcher Funde ist.

Die Historische Kartographie und die Digital Humanities standen im Fokus der vierten, von Knut Görich (München) moderierten Sektion.

Provozierend fragte INGRID BAUMGÄRTNER (Kassel), ob Kartographiegeschichte überhaupt eine historische Grundwissenschaft sei – schon Ahasver von Brandt hatte sie als selbstständigste aller Hilfswissenschaft beschrieben – oder nicht vielmehr eine interdisziplinäre Herausforderung, die eher der Geographie zuzurechnen wäre. Moderne und mittelalterliche Karten weichen scheinbar voneinander ab, aber in beiden Fällen werden Daten interpretativ aufgearbeitet, indem die komplexen Codes der Zeit auf das Wesentliche reduziert werden und eine räumlich definierte Realität abbilden, in der Erwünschtes sichtbar und Unerwünschtes unsichtbar gemacht wird. In letzter Zeit wurden viele neue kulturgeschichtliche Deutungsangebote vorgelegt, die interdisziplinär und epochenübergreifend die sozialen Praktiken des Kartierens kontextualisieren, was anhand einiger Beispiele (T-O-Karten, Londoner Psalterkarte, Ebstorfer Weltkarte) verdeutlicht wurde. Neben dem Endprodukt der Karte gerät zunehmend der Vorgang des Kartierens in den Fokus, was künftig Hybrideditionen und die systematische Auswertung digitaler Daten erfordert.

In seinem Vortrag näherte sich GEORG VOGELER (Graz) einer Definition der Digital Humanities und ihrer Abgrenzung von den Historischen Grundwissenschaften an. Denn während die Grundwissenschaften auch mit digitalen Methoden betrieben werden, wirken diese bisher kaum in die Digital Humanities zurück. Gerade weil weltweit in hohem Tempo neue Funktionen programmiert und entwickelt werden, fällt es den grundwissenschaftlich arbeitenden Historikern zunehmend schwer zu erkennen, wie diese neuen digitalen Methoden funktionieren und für welche grundwissenschaftliche Aufgabenstellung diese Programme geeignet sein könnten. An mehreren Beispielen (DEEDS, ChartEx, GIWIS, HIMANIS, Transkribus) wurde die zunehmende automatische Verarbeitung großer Informationsmengen bis hin zur automatisierten Erstellung von Regesten oder Schreiberidentifizierung verdeutlicht. Dabei wurde auch klar, dass Maschinen oft nicht exakte, sondern empirische Ergebnisse liefern. Die künftigen Schwerpunkte liegen in der Bewältigung großer Materialmengen und in der Hinterfragung der eigenen Konzeptualisierung: „Was lernen wir über unsere eigenen Klassifikationsmodelle, indem wir versuchen, sie mit digitalen Mitteln zu reproduzieren?“

Zum Ende der lebhaften Schlussdiskussion dankte Irmgard Fees rückblickend auf die zwei Tage für den ungeheuren Reichtum an Anregungen. Der Blick in die Zukunft zeige, dass die traditionellen Methoden nach wie vor erforderlich sind, sie aber einer Anpassung an neue Fragestellungen bedürfen. Um die bei dieser von der Fritz Thyssen Stiftung geföderten Tagung entstandenen Impulse und Ergebnisse weiteren Kreisen zugänglich zu machen, werden die Vorträge zeitnah im „Archiv für Diplomatik“ veröffentlicht werden.

Konferenzübersicht:

Begrüßung: Irmgard Fees (München)

Moderation: Hubertus Seibert (München)
Magdalena Weileder (München), Julian Schulz (München): Aktuelle Forschungsprojekte des wissenschaftlichen Nachwuchses
Wolfgang Huschner (Leipzig): Kaiser- und Königsurkunden
Jochen Johrendt (Wuppertal): Papsturkunden

Moderation: Jörg Schwarz (München)
Mark Mersiowsky (Stuttgart): Sondierung unter der Spitze des diplomatischen Eisbergs – Neue Forschungen zu den sogenannten Privaturkunden
Martin Wagendorfer (Innsbruck): Paläographie
Franz-Albrecht Bornschlegel (München): Den Kinderschuhen entwachsen – Die Epigraphik des Mittelalters und der Frühen Neuzeit

Abendvortrag von Claudia Märtl (München): Zur aktuellen Lage der Historischen Grundwissenschaften

Moderation: Eva Haverkamp (München)
Andrea Stieldorf (Bonn): Siegel haben eine Zukunft – Überlegungen zu Entwicklungsmöglichkeiten der Sphragistik
Torsten Hiltmann (Münster): Heraldik als Grundwissenschaft und Kulturgeschichte – Neue Perspektiven
Hubert Emmerig (Wien): Numismatik und Geldgeschichte

Moderation: Knut Görich (München)
Ingrid Baumgärtner (Kassel): Kartographiegeschichte als interdisziplinäre Herausforderung
Georg Vogeler (Graz): Digital Humanities und Historische Grundwissenschaften – Sind die Historischen Grundwissenschaften „robotisierbar“?

Schlussdiskussion

Anmerkungen:
1 Eva Schlotheuber / Frank Bösch, Quellenkritik im digitalen Zeitalter: Die Historischen Grundwissenschaften als zentrale Kompetenz der Geschichtswissenschaft und benachbarter Fächer, in: H-Soz-Kult, 16.11.2015, https://www.hsozkult.de/debate/id/diskussionen-2866 (09.06.2018).
2 Tagungsbericht: Notum sit – Die Historischen Grundwissenschaften präsentieren sich (neu!), 15.02.2018 – 16.02.2018 München, in: H-Soz-Kult, 23.03.2018, https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-7627 (09.06.2018).
3 Rudolf Hiestand, 100 Jahre Papsturkunden, in: Hundert Jahre Papsturkundenforschung, hrsg. von Rudolf Hiestand (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse 3, 261), Göttingen 2003, S. 11–44, hier S. 44.
4 Deutsche Inschriften Online: http://www.inschriften.net/ (09.06.2018) sowie Epigraphica Europea: http://www.epigraphica-europea.uni-muenchen.de/ (09.06.2018).
5 Eine Quantifizierung des deutschsprachigen Lehrangebotes mit 223 Veranstaltungen online: Thomas Wozniak, Virtuelles Vorlesungsverzeichnis Historische Hilfswissenschaften im Sommersemester 2018, in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 18.4.2018, https://mittelalter.hypotheses.org/12358 (09.06.2018).
6 Ludwig Biewer, Bemerkungen zum Stand der Wappenkunde im deutschsprachigen Raum, in: Archiv für Diplomatik 54 (2008), S. 285–308.


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