Seelenheil und irdischer Besitz: Testamente als wirtschafts-, rechts- und sozialhistorische Quellen für den Umgang mit den „letzten Dingen“

Seelenheil und irdischer Besitz: Testamente als wirtschafts-, rechts- und sozialhistorische Quellen für den Umgang mit den „letzten Dingen“

Organisatoren
Schwabenakademie Irsee
Ort
Irsee (Allgäu)
Land
Deutschland
Vom - Bis
18.11.2005 - 20.11.2005
Url der Konferenzwebsite
Von
Sylvie Tritz / Christian Kuhn, Bamberg, Graduiertenkolleg „Generationenkonflikte und Generationenbewusstsein in Antike und Mittelalter“

Testamente gehören zu den wenigen Quellen, deren wissenschaftlicher Erkenntniswert nie grundsätzlich in Frage gestellt war; gegenwärtig erlebt der Umgang mit dieser Gattung eine neue Konjunktur.1 Die Tagung "Seelenheil und irdischer Besitz" (18.-20.11.2005) betrachtete Testamente in unterschiedlichen Kontexten als wirtschafts-, rechts- und sozialhistorische Quellen für den Umgang mit den "letzten Dingen".2 Sie bildete den fünften Teil der im Schwäbischen Tagungs- und Bildungszentrum Kloster Irsee stattfindenden Tagungsreihe "Sterben, Tod und Jenseitsglaube". Ein breites Panorama verschiedener wissenschaftlicher Herangehensweisen und geographischer Untersuchungsfelder war von der Tagungsleitung (Markwart HERZOG und Cecilie HOLLBERG) dezidiert erwünscht, so dass die Frage, warum Menschen Zeit und Geld auf die Abfassung ihrer letzten Wünsche investierten, unter neuen Aspekten angegangen werden konnte. In diesem Sinne kündigte Cecilie Hollberg Testamente als Zeugen kulturell motivierter, gesellschaftlicher Praktiken an - eine Erwartung, die in vollem Umfang erfüllt wurde, gingen die Ergebnisse in vielen Fällen sogar noch über die thematischen Grenzen dieser Tagung hinaus.

Ein einleitender Beitrag von Linda GUZZETTI (Berlin) über die "Testamentsforschung in Europa" trug zur Klärung der Begrifflichkeit bei, so dass den fachübergreifenden Beiträgen ein gemeinsamer Verständnishorizont zugrunde gelegt war. Im Blick auf die national unterschiedlich etablierten Fragestellungen zu Testamenten wurde deutlich, welche Vielzahl von Erkenntnisinteressen dieser Quellengattung entgegengebracht wird: Neben traditionellen, rechtsgeschichtlichen Analysen der Funktionsweise und Geltung von Testamenten stehen Fragestellungen unterschiedlichster wissenschaftlicher Richtungen zum Inhalt der Testamente. Die vererbten Gegenstände werden als Quelle für die materielle Kultur der Zeit untersucht, der Kreis der erbenden Personen vermittelt Einsichten über soziale Netzwerke. Auch unter dem Gender- und Gruppenaspekt werden Testamente befragt, während der längsschnittartige, serielle Ansatz der Annales-Schule stärker den kulturellen Wandel in den Blick nimmt. Nicht zuletzt der Vorgang des Sterbens und die damit verbundenen Rituale, der kulturspezifische Umgang mit der anthropologischen Konstante Tod, lässt sich auf der Basis dieser Quellengruppe erhellen. In jüngerer Zeit tritt der interkulturelle Vergleich stärker in den Fokus der Forschung; untersucht wurden Testamente nicht nur in den westeuropäischen, sondern auch in den osteuropäischen Gesellschaften sowie in den europäisierten ehemaligen Kolonialgebieten. - Dieser Vielfalt an Fragestellungen stehen jedoch nicht unerhebliche Interpretationsschwierigkeiten gegenüber: So sind Testamente im Mittelalter oftmals die einzigen Zeugnisse zu einer Person, die überproportional häufig der höchsten städtischen Gesellschaftsschicht angehört; letztwillige Verfügungen ärmerer Testatoren ländlicher Herkunft sind selten. Die vorliegenden Quellen unterliegen darüber hinaus spezifischen Überlieferungsfiltern und folgen regionalen Rechtsbesonderheiten, so dass überregionale Verallgemeinerungen problematisch sind. Doch auch unter diesen Bedingungen bilden Testamente eine ertragreich zu bearbeitende Quellengattung, wie die Beiträge der Tagung eindrücklich aufzeigen konnten.

Herrscher - Bürger - Handwerker

Gerade die letztwilligen Verfügungen von Herrschern enthalten mit der Weitergabe der Macht an die Nachkommen einen oft explizierten Generationenbezug. Ein frühes Beispiel untersuchte Christoph WINTERER (Frankfurt a.M.) in seinem Beitrag "Das "Testament" Karls des Großen. Ellipsen und Erwartungen". Gegenstand war das 33. Kapitel der Einhardschen Vita Caroli Magni, das als Insert die Nachlassverfügungen von 811 enthält. Dieser im Text als "Testament" bezeichnete Passus besteht hauptsächlich aus Anordnungen über die Verteilung der Schätze des Herrschers zugunsten der Erben und der Armen, darunter ein symbolisch hoch bedeutsamer Silbertisch mit einer Darstellung der Welt - eine Anordnung, die möglicherweise ebenfalls symbolisch und als Bewährungsprobe für die Erben zu verstehen sei, so der Referent. Kontrovers diskutiert wurden die Überlegungen Winterers zur als fehlend empfundenen, eben "elliptischen" Angabe des gewünschten Bestattungsortes; fraglich ist, ob diese Angabe im Testament zwingend zu erwarten gewesen wäre. - Auch bei russischen Herrschern der frühen Neuzeit fehlten solche Angaben, wie Cornelia SOLDAT (Berlin) in einer instruktiven Betrachtung über "Testamente und Sterben russischer Herrscher in Mittelalter und früher Neuzeit" nachwies. Im Zentrum ihrer Untersuchung stand der Moskoviter Großfürst Vasilij III. Ivanovitch, der 1533 sein Testament machte, um die Herrschaft für seinen dreijährigen Sohn Ivan IV. zu sichern. An seinem Beispiel wurde der damals begrenzte Wert eines Testamentes als durchsetzbares Rechtsinstrument deutlich: Für das Inkrafttreten der gewünschten, bis dahin nicht praktizierten Primogenitur waren weniger das Dokument, vielmehr die performativen Rituale am Totenbett ausschlaggebend, die den Adel an den Wunsch des Sterbenden banden. Die Erbeinsetzung des ältesten Sohnes entspricht dem Wunsch nach der Erschaffung einer dynastischen Reihe, zu deren Verbildlichung auch die mit dem Grabmal Ivans IV. einsetzende Folge von 46 gleichgestalteten Zarengrabmälern in der Erzengelkathedrale des Moskauer Kreml beitrug. Performanz und Grabgestaltung erhielten im Fall der russischen Herrscher am Ende des Mittelalters den Stellenwert eines politischen Vermächtnisses. - Ein solches Vermächtnis in schriftlicher Form führte Susan RICHTER (Heidelberg) vor, die über "Politische Erfahrungen als säkularisierte letzte Dinge. Das Beispiel des Landgrafen Georg II. von Hessen-Darmstadt" referierte. Die Testamente deutscher Fürsten kamen offensichtlich als intergenerationelles Erziehungsmittel zum Einsatz, indem ihre traditionelle Protokollform erweitert wurde: Neben allgemein-topischen Herrschaftsregeln wurden in den Fürstentestamenten auch individuell gewonnene politische Erfahrungen tradiert, um Kontinuität zu sichern und Konflikte zu vermeiden. Dabei wurde deutlich, dass ihre politische Tätigkeit für die protestantischen Reichsfürsten der frühen Neuzeit auch eine transzendente Dimension besaß: Ein politisches Schuldbekenntnis diente gleichsam als religiöse Rechtfertigung. Diese Grundsätze der Geschichtstheologie wurden somit als generationenbezügliches, politisch-herrschaftliches Arkanwissen schriftlich festgehalten. - Bürger und Handwerker als Testierende standen im Mittelpunkt der folgenden Beiträge. Zunächst stellte Olivier RICHARD (Göttingen) die 206 überlieferten "Regensburger Bürgertestamente des späten Mittelalters" vor; problematisiert wurde dabei die interpretatorische Unterscheidung zwischen frommen und profanen Legaten. Dass eine rigide Trennung hier nicht vorgenommen werden kann, ist in der Forschung unbestritten. 3 So kann der gesamte, scheinbar profane Vorgang des Testierens als religiöser Akt der Rechenschaft angesichts des im Jenseits zu erwartenden Jüngsten Gerichts betrachtet werden. Andererseits dienten besonders reich ausgestattete fromme Stiftungen nicht nur nebenbei der Repräsentation. Angesichts der Quellen trage die Unterscheidung zwischen profanen und sakralen Legaten nicht, denn beide hoben soziale Bindungen hervor. Stattdessen, so schlug der Referent vor, solle die zeitliche Dimension der Legate als Unterscheidungskriterium gelten: Der Grat verliefe zwischen der Stiftung von Ewigmessen und den Vergabungen innerhalb der Familie, wo selten mehr als zwei Generationen erwähnt seien. Dieses alternative Unterscheidungsmerkmal erwies sich in der anschließenden Diskussion jedoch als problematisch: Einerseits kann der Anspruch, eine Messe für ewige Zeiten zu feiern, kaum je erfüllt werden, andererseits ist die Funktion eines Testaments als Instrument der genealogie- und traditionsgerichteten Nachfolgeregelung sicher nicht von der Hand zu weisen, da vor allem Angehörige der wirtschaftlichen und politischen Elite ein Testament aufsetzten - und gerade Patrizier orientierten ihre familiären Kontinuitätsbestrebungen an denen des Adels. - Die Quellen aus dem spätmittelalterlichen Venedig weisen eine davon divergierende soziale Prägung auf: Cecilie HOLLBERG (Magdeburg) präsentierte ihre Untersuchungsergebnisse zu einer sonst in der Quellengruppe der Testamente kaum thematisierten Schicht unter dem Titel "Den Tod vor Augen. Testamente deutscher Handwerker in Venedig". Für die Untersuchung der mentalen wie der materiellen Kultur dieser Gruppe sind die 180 Testamente aus Venedig von hohem Wert. Hollberg konnte zeigen, wie die letztwilligen Verfügungen als soziales Kontrollorgan und gleichzeitig als Versorgungsinstrument familiärer Gemeinschaften wirksam wurden. Gleichzeitig lassen die von einem Notar als Mitschrift erfassten Willensbekundungen anscheinend individuelle Äußerungen erkennen, etwa wenn aus den Formulierungen ein unverkrampfter Umgang mit dem eigenen Tod spricht. Auch die eigene Mobilität und das Leben in der Fremde erschienen als gegeben und wurden nicht weiter problematisiert, wie überhaupt die Gründe des Testierens kaum angesprochen wurden. Häufig wird die eigene Kinderlosigkeit ein Movens gewesen sein, um gegen das Vergessenwerden zu handeln.

Religion und Konfession

Die nächste thematische Beitragsgruppe eröffnete Michael PAMMER (Linz), der seine Untersuchungen unter dem Titel "Zeitliche und ewige Dinge. Erbe und Seelenheil in oberösterreichischen Testamenten des 18. Jahrhunderts" vorstellte. Die ungewöhnlich große Anzahl von 2800 erfassten Testamenten erlaubte dem Referenten eine statistisch fundierte Auswertung und tabellarische Präsentation seiner Ergebnisse; im Fokus stand dabei die Frage nach dem dokumentarischen Niederschlag des Religiositätswandels in Oberösterreich zwischen 1700 und 1820. Statistisch ließen sich unterschiedliche Korrelationen zwischen persönlichen Merkmalen (Geschlecht, Alter, Bildung), dem Stand der vererbenden Person (Klerus, Adel), dem wirtschaftlichen Status und den Familienverhältnissen nachweisen. Diese ‚kliometrische' Vorgehensweise belegte eindrucksvoll die Dichte des Faktorengewebes für die Abfassung einer letztwilligen Erklärung. Deutlich wurde ein Nachlassen religiöser Erwägungen in alltäglichen Bereichen, das sich auch im Zusammenhang mit den politischen und administrativen Reformen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erklären ließ; so war die Häufigkeit frommer Legate mit der eigenhändigen Abfassung des Testaments verbunden, ohne dass jedoch näher auf Umstände und Bedingungen einer solchen Präferenz eingegangen wurde. - Eine andere Situation bot sich im Beitrag von Otto DANWERTH (Hamburg) dar: Unter dem Titel "Letztwillige Verfügungen in den kolonialen Anden. Indigene Testamente als religiöse Quellen aus dem Vizekönigreich Peru" wurde der Niederschlag der Missionierung durch die spanischen Conquistadores und der Prozess der Akkulturation seit 1532 an der Quellengruppe der Testamente untersucht. Das Aufeinandertreffen von europäischen Jenseitsvorstellungen und Funeralriten aus der Zeit der Inkas bildete den Hintergrund, vor dem Danwerth den gelenkten Kulturwandel erläuterte: Waren Testamente in der andinen, schriftlosen Kultur zuvor kein Bestandteil der Jenseitsvorsorge, so bildeten sie nun ein Instrument für die christliche Umerziehung der städtischen Eliten im Inkareich. Diese partizipierten an der Herrschaft und übernahmen binnen zweier Dekaden die spanischen Gepflogenheiten; so versuchte der Scheinkönig von Spaniens Gnaden Manco Cápac 1549 die Nachfolge seines erstgeborenen Sohnes testamentarisch zu regeln. Die Formelhaftigkeit dieser Testamente birgt eine Interpretationslücke bezüglich der andinen Jenseitsvorstellungen, die der Referent durch die Konsultation anderer Quellengattungen - etwa der Inquisitionsakten oder Schriften wie der Nueva Corónica y Buen Gobierno des Guaman Poma de Ayala - sichtbar machen und auffüllen konnte. Indem er auch den Austausch zwischen beiden kulturellen Systemen herausarbeitete, konnte Danwerth die bislang in der Forschung vorherrschende, einseitige Perspektive eindrucksvoll korrigieren. - Einen weniger gewaltsam verlaufenden Kulturwandel betrachtete die Göttinger Historikerin Kadri-Rutt HAHN in ihrem Beitrag "Revaler Testamente in den ersten Jahrzehnte nach der Reformation". Durch die Untersuchung von 323 Testamenten erschloss sie Vergleichsmöglichkeiten zwischen mittel- und osteuropäischen Jenseitsvorstellungen. In Reval zeichnete sich der religiöse und kulturelle Wandel kaum in den Testamenten ab, obwohl beispielsweise frommen Stiftungen durch die Reformation - zu denken ist an Luthers "Sermon von den guten Werken" - der Boden entzogen worden war. In Reval blieben Zuwendungen an Klöster und soziale Einrichtungen nahezu unverändert häufig. 4 Was zunächst erstaunen mag, erklärt sich durch die Generationenfolge: Es lässt sich nicht annehmen, Erblasser hätten bei der Erstellung ihres Testaments ab 1521 den Einfluss ihrer eigenen altgläubigen Erziehung oder älterer Familienmitglieder vernachlässigt. Hahn zeigte somit plausibel, dass Testamente zwar durchaus als Ausdruck von Mentalitäten zu interpretieren sind, dabei aber die generationelle Vermittlungsfolge theologischer Dogmatik zu berücksichtigen ist. - Einen ähnlich graduell verlaufenden Kulturwandel betrachtete Tomáš MALÝ (Brno), der über "Seelenheil und Fegefeuer im Zeitalter des "langen und nahen Todes". Das Lesen von Messen in Brünn im 17. und 18. Jahrhundert" berichtete. Auf der Basis der seriell erfassbaren Testamente ließ sich der Konfessionswandel anhand der Anzahl der Messstiftungen von der ursprünglich utraquistischen, seit den 1620er Jahren aber katholischen Stadt nachweisen, der in die aufklärerische Reform mündete. Gerade die Ewigmessen liefen den Bestrebungen der josephinischen Behörden in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts zuwider, die auf den zahlenmäßigen Rückgang der Messstiftungen pochten. Abgesehen von der Erhebung dieser statistischen Daten verfolgte Malý auch einen soziologisch-anthropologischen Zugang zum Thema, indem er mit Arnold van Gennep die Messe als Element des katholischen Todesrituals untersuchte; im Fegefeuer sei der markanteste Übergangsort dieses Passagenritus zu suchen. Die Koppelung der statistischen Analyse mit dem sozialanthropologischen Zugang erbrachte als Ergebnis der Untersuchung eine Korrelation zwischen dem Aufkommen der Seelenmessen und dem Fegefeuer-Glauben, wobei nur eine kleine Prozentzahl der Testamente das Fegefeuer als Movens der Seelenheilfürsorge erwähnte. - Der Beitrag von Susanne KNACKMUß (Berlin) betrachtete unter dem Titel "Streit bis zum bitteren Ende... Zum Tod in der Konfessionsfremde und zum Testament von Sigismund Streit (1687-1775)" das Leben des Berliner Kaufmannes Sigismund Streit, der einen Großteil seines Berufslebens in Venedig verbrachte. Da eine testamentarische Stiftung des protestantischen Kaufmanns aus dem katholischen Venedig auf rechtliche Schwierigkeiten gestoßen wäre, bedachte der kinderlose Streit in mehreren Schenkungen zu Lebzeiten die Schule, die er in seiner Jugend besucht hatte: Der Schule am Grauen Kloster in Berlin vermachte er ein großzügiges Lehrdeputat mit der Auflage, Professoren als Lehrkräfte einzustellen; angegliedert war auch eine Stiftung für Witwen und Waisen. Das biographische Beispiel illustrierte die Umstände der Seelenheilfürsorge in der Fremde und stützte die These, dass vor allem kinderlose Erblasser ausführliche Nachlassregelungen errichteten.

Künstlertestamente und Grabmalskunst

Die Folge der stärker medienkritisch orientierten Beiträge der folgenden Sektion eröffnete Thomas PÖPPER (Leipzig), der unter dem Titel "Nachlass, Grabmal und Seelenheil. Das Testament des Andrea Bregno von 1503" in grundsätzlicher Weise auf die Gattung Künstlertestamente als Informationsquelle für die stilistische Kunstforschung einging. Bregno, der aus Osteno bei Como stammte und in den 1460er Jahren nach Rom übersiedelte, durchlief eine beispielhafte Karriere als Bildhauer, so dass er wenige Monate vor seinem Tod als begüterter, aber kinderloser Erblasser sein Testament errichtete. Das ausführliche Schriftstück ist seit Anfang des letzten Jahrhunderts ediert, anders als zwei wenig später verfasste, ausführliche Kodizille, die mit der Beschreibung zu beendender Werke und der Nennung von Werkstattmitgliedern wichtige Indizien für die schwierige Händescheidung der Bregno-Werkstatt liefern. - Insgesamt sind die letztwilligen Dokumente Bregnos gekennzeichnet durch ein hohes Sicherheitsbedürfnis, das sich in detaillierten Klauseln äußert. Nicht im Vordergrund der Untersuchung stand die Auseinandersetzung des Künstlers mit den letzten Dingen. Das von Bregno selbst in Auftrag gegebene Grabmal in S. Maria sopra Minerva spricht mit seiner langen, panegyrischen Inschrift für den Wunsch des Künstlers nach bleibendem Ruhm. - Nicole HEGENER (Rom) eröffnete in ihrem Diavortrag "Bandinelli und der Tod. Todesthematik als Movens für Leben und Werk eines Renaissancekünstlers" umfassende Perspektiven auf das Schaffen und Sterben eines Hauptkonkurrenten Michelangelo Buonarrotis. Der Florentiner Bildhauer und Zeichner Bandinelli stand stets im Schatten des schon zu Lebzeiten als "Divino" bezeichneten Konkurrenten. Diese Situation war für ihn Belastung und Herausforderung zugleich und bestimmte sein jenseitsgerichtetes Handeln und Schaffen geradezu leitmotivisch: Zahlreiche Handzeichnungen zur Todesthematik, aber auch das noch zu Lebzeiten vollendete Grabmal des Künstlers künden von der angstgetriebenen, aber produktiven Beschäftigung mit den letzten Dingen. Mit der Schilderung dieses spannungsreichen Künsterlebens und -schaffens kontextualisierte Hegener Bandinellis Testamente und deren Zusätze. Die künstlerische Umsetzung einer Motivation durch den Tod ergaben in ihrer Darstellung einen vielfältigen Einblick in die Lebenszusammenhänge und Repräsentationsabsichten eines frühneuzeitlichen Künstlers. - Dagegen erwies Christian SCHUFFELS (Göttingen) mit seinem Beitrag die Tragfähigkeit eines erweiterten, interdisziplinär in den Blick zu nehmenden Quellenbegriffs. Nach einem einleitenden Überblick über die nur noch im Wohltäterbuch und im Nekrolog des Hildesheimer Kathedralkapitels zu fassenden, letztwilligen Verfügungen des ehemaligen Dompropstes Rainald von Dassel stand am Beispiel des Hildesheimer Domkanonikers Bruno "Ein Klerikergrabmal als Testament in Stein" im Mittelpunkt. Die in drei Bildfelder geteilte, einst auf einem Sarkophag liegende Platte zeigt Todes- und Jenseitsszenen; in der Verschränkung der Darstellung des verstorbenen Stifters im Kreis von Klerikern, Bettlern und Armen mit Inschriften, die auf die Werke der Barmherzigkeit verweisen, klingt das nicht erhaltene Testament des Verstorbenen an, der sein Vermögen den Armen vermachte. Das Grabmonument war ursprünglich in ein ausgeklügeltes liturgisches Ensemble eingebunden: Der Stifter hatte in der Nähe einen Altar zu Ehren des heiligen Wohltäters Martin gestiftet; Grabmal und Altar wiederum befanden sich in der Nähe des Gotthard-Grabmals, das von Pilgern besucht wurde. Die Strategie zur Wahrung der Memoria des Verstorbenen wandte sich also an Pilger und Priester, die durch die am Grabmal dargestellten Bettler und Armen gleichzeitig an die Vollstreckung seines Testaments erinnert wurde. Die Ausführungen machten den Wert unterschiedlichster Quellengattungen, namentlich von Grabdenkmälern, für den hermeneutischen Zugang zu einem vom Testator intendierten Funktionszusammenhang eindrucksvoll deutlich. - Der Trierer Historiker Wolfgang SCHMID untersuchte sozialgruppenspezifisch Grablege und Totengedenken der Trierer Domkanoniker unter der Überschrift "Die Seelenheilfürsorge einer Elite". Bei der Gestaltung testamentarisch verfügter oder zu Lebzeiten errichteter Grabdenkmäler gingen ämterbezogene Repräsentation und die konzis bezeichnete Seelenheil- oder Jenseitsfürsorge ineinander über. Der Stiftungswettbewerb der Trierer Domkanoniker - aufgezeigt am Beispiel des Christoph von Rheineck - verselbstständigte sich und schuf damit gewissermaßen verbindliche Standards. Diese Sachlage hat die Innenräume der Trierer Kirchen in besonderem, augenscheinlichem Maße durch die opulenten Grabaltäre geprägt. Waren sie einerseits Manifestation der Amtsperson und ihres Standes, so signalisierten die Büsten und Figuren andererseits doch auch das Seelenheilbemühen des Stifters. Die im Kirchenraum stattfindenden Gebete bezogen das Seelenheil ganz unmittelbar mit ein. Die auf diesen performativen Effekt abzielenden Testamente erwiesen sich damit als nützliche Quellen auch für die Wahrnehmung und Repräsentationsabsichten materieller Kultur einer sozial hochrangigen, geschlossenen Gruppe.

Mit dem Vortrag des Bielefelder Juristen Gerhard OTTE wurde der Blick auf die bestehende rechtliche Situation in Deutschland geworfen. "Letzte und vorletzte Dinge in Testamenten heute" wurden aus der juristischen Position des gültigen Erbrechts erläutert. Demnach sei zwar durchaus zu vermuten, dass heutige Erblasser häufig religiöse Überzeugungen teilten. Diese Empfindungen fänden jedoch keinen Niederschlag im Text der Rechtsdokumente. Dieser negative Befund verwies auf die Alterität früherer Epochen, deren Dokumente scheinbar oder offensichtlich emotionale Äußerungen angesichts des Todes zuließen. Die heutige Praxis des Testierens lässt dagegen meist keinen Raum für begründende, emotionalisierende Äußerungen, verschließt sich aber auch der immer häufiger nachgefragten Regelung vorletzter Dinge: Diese seien vielmehr in Patientenverfügungen zu regeln.

Die Perspektive auf die Gesamtheit der Beiträge öffnete den Blick für unterschiedlichste historische Rechtssituationen und Strukturen, verschiedene Material- und Quellenzugänge sowie wirtschaftliche Argumentationen bei der Sorge um irdischen Besitz und Seelenheil. Theologische Rahmenbedingungen der offenbar über lange Zeit religionsgeprägten Praxis des Testierens waren nicht eigens zur Sprache gekommen - ein Manko, das in einem abschließenden Kurzreferat getilgt wurde: Marquardt HERZOG bündelte die wichtigsten Jenseitsvorstellungen, die in der longue durée des betrachteten Zeitraumes wirksam geworden waren. Neben diesem konzisen Blick auf die Vergangenheit wäre ein ergänzender Blick auf die heutigen Jenseitsvorstellungen weiterer Kulturkreise wie etwa des islamischen nicht fehl am Platze gewesen; angesichts der Vielzahl gewonnener Erkenntnisse tritt dieser blinde Fleck jedoch in den Hintergrund. Eine generationell zentrierte Fragestellung wäre ein lohnendes Unterfangen für eine weitere Veranstaltung dieser Art.5 Zunächst ist eine Publikation der Irseer Beiträge in der Buchreihe "Irseer Dialoge. Kultur und Wissenschaft interdisziplinär" mit Spannung zu erwarten.

Anmerkungen:
1 Hinzuweisen ist etwa auf die Tagung "Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter", die vom 15.-18. Februar 2006 in Saarbrücken stattfinden wird; vgl. die Ankündigung unter http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=4711.
2 Konzeptionelle Bezüge dieses Tagungsthemas berücksichtigt auch der Tagungsbericht von Christian Kuhn und Sylvie Tritz auf http://www.ahf-muenchen.de/Tagungsberichte/.
3 Aus der breiten Literatur sei nur hingewiesen auf die sozialgeschichtlich vorgehenden Arbeiten von Baur und Signori: Paul Baur: Testament und Bürgerschaft. Alltagsleben und Sachkultur im spätmittelalterlichen Konstanz. Sigmaringen 1989, bes. S. 253f.; Gabriela Signori: Vorsorgen - vererben - erinnern. Kinder- und familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters. Göttingen 2001, bes. S. 365.
4 Eine mikrohistorisch vorgehende Untersuchung zu diesem Thema liegt vor mit: Benjamin Scheller: Memoria an der Zeitenwende. Die Stiftungen Jakob Fuggers des Reichen vor und während der Reformation (ca. 1505-1555). Berlin 2004.
5 Als wohl aktuellstes generationengeschichtliches Beispiel in der Literatur: Ulrike Vedder: Majorate. Erbrecht und Literatur im 19. Jahrhundert. In: Sigrid Weigel u.a. (Hrsg.): Generation. Zur Genealogie des Konzepts - Konzepte von Genealogie (Trajekte. Eine Reihe des Zentrums für Literaturforschung Berlin). München 2005, S. 91-108. Vgl. auch die regelmäßigen Veranstaltungen des Forums Erbschaftsgeschichte (http://www.erbschaftsforschung.de).