Formen 'historisch-fiktionalen Erzählens' in der deutschsprachigen und polnischen Gegenwartsliteratur nach 1989

Formen 'historisch-fiktionalen Erzählens' in der deutschsprachigen und polnischen Gegenwartsliteratur nach 1989

Veranstalter
Prof. Dr. Carsten Gansel, Germanistisches Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen; Prof. Dr. Monika Wolting, Institut für Germanische Philologie der Universität Wroclaw
Veranstaltungsort
Institut für Germanische Philologie der Universität Wroclaw
Ort
Wroclaw
Land
Poland
Vom - Bis
07.04.2016 - 09.04.2016
Von
Prof. Dr. Monika Wolting

Eine Veranstaltung des Germanistischen Instituts der Justus-Liebig-Universität Gießen und des Instituts für Germanische Philologie der Universität Wroclaw. Wissenschaftliche Leitung und Organisation: Prof. Dr. Carsten Gansel und dr hab. Monika Wolting. Die Tagung findet mit finanzieller Unterstützung der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung und der Alexander von Humboldt Stiftung innerhalb der Alexander von Humboldt Institutspartnerschaft statt.

Die Tagung zielt auf Germanisten, Polonisten, Slavisten, Historiker, Soziologen, Politik- und Kulturwissenschaftler, die u.a. zu Aspekten der neuesten deutschen und/oder polnischen Kultur und Literatur forschen und sich insbesondere mit Fragen der Darstellung von Geschichte auseinandersetzen. Einmal mehr ist mitzudenken, dass das Jahr 1989/90 als eine Zäsur gelten kann, weil es den Beginn einer neuen geschichtlichen Ära in Europa markiert. Deutschland und Polen erlebten seither gravierende politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Es kann davon ausgegangen werden, dass es mit der Aufhebung der deutschen Teilung und den globalen Veränderungen zu einem Umbau des ‚Funktionsgedächtnisses’ insofern gekommen ist, als eine Neuaufnahme und Neubewertung erfolgt. Es gelangen nunmehr auch jene Vorgänge, Themen, Spuren ins lebendige Gedächtnis, die über einen längeren historischen Zeitraum ausgeblendet, abgewiesen, ausgemustert oder verworfen waren. So erscheinen Krieg und Holocaust ebenso in einem anderen ‚Licht’ wie Flucht, Vertreibung oder einzelne Etappen der Nachkriegsgeschichte in Deutschland und Polen. Hinzu kommt folgender Umstand, der wiederum global greift: In dem Maße, wie jene Generation ausstirbt, die den mit Nationalsozialismus und Krieg verbundenen Zivilisationsbruch noch erlebt hat, kommt es zu neuen Formen historischen Erzählens, weil die „Mediatisierung von Geschichte“ zunimmt. Wo gelebte Erfahrung sukzessive verschwindet, gewinnen fiktionale Formen eine neue Bedeutung, und es beginnt eine neue Autorengeneration zu sprechen. Das hat Folgen für die Gattung des überkommenen `Historischen Romans´. Zunehmend werden nämlich traditionelle Formen historischen Erzählens aufgebrochen und durch metafiktionales Erzählen ersetzt.
Grundsätzlich setzt die Tagung bei der Überlegung an, dass Veränderungen im Erinnerungsdiskurs die Literatur- wie die Geschichtswissenschaft in neuer Weise dazu motiviert haben, nach dem Verhältnis von Geschichte und Gedächtnis zu fragen und über die Gültigkeit historischer Fakten und Quellen ebenso nachzudenken wie über die historiografischen Darstellungsformen. Dass derartige Überlegungen nicht erst seit den transdisziplinär vieldiskutierten Arbeiten von Hayden White eine Rolle spielen, ist bekannt. Nicht bzw. wenig untersucht sind allerdings offensichtliche Veränderungen, die sich im Umfeld dessen befinden, was historisches Erzählen genannt wird und in Verbindung mit der Gattung des ‚historischen Romans’ stehen, der sich maßgeblich im 19. Jahrhundert ausgebildet hat und dessen Entwicklung in Verbindung mit den Anfängen der kritischen Geschichtswissenschaft zu sehen ist.

Programm


Donnerstag, 07.04.2016
14:00 – 14:20 Eröffnung: Prof. Dr. Monika Wolting/Prof. Dr. Carsten Gansel/

14.20 – 15:20 PD. Dr. Stefanie Catani (Universität Bamberg): „Aber das Geschriebene ist ja kein wahres Dokument.“ Zum historisch-fiktionalen Erzählen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (Keynote)

15:20 – 16:00 Prof. Dr. Joanna Jabłkowska (Uniwersytet Łódzki): „Angekommen, aber wo?” Ursula Krechels „Landgericht“ als neue `Heimkehrerliteratur´

16:00 – 16:40 Dr. Johanna Koehn (Université de Strasbourg): Die Dialektik der Aufklärung neu erzählt – Akteure des 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Gegenwartsroman

17:00 – 17:40 Dr. Magdalena Kardach (Uniwersytet Adama Mickiewicza, Poznań): Artur Beckers und Matthias Nawrats literarisches Schaffen – zwei Erzählmodi der polnischen (Nach-)Kriegsgeschichte in der deutschen Gegenwartsliteratur

17:40 -18:20 Dr. Sabine Egger (University of Limerick): Magischer Realismus als Form einer „transgressive historiography“? Überlegungen zu Romanen von Sabrina Janesch und Catalin Dorian Florescu

Freitag, 08.04.2016

09:00 – 09:40 Prof. Dr. Carsten Gansel (Universität Gießen): Ein Sensationsfund und seine Geschichte(n) – Zwei Varianten dokumentarisch-historischen Erzählens in Heinrich Gerlachs Stalingradroman „Durchbruch bei Stalingrad“ (1945) und „Die verratene Armee“ (1957)

09:40 – 10:20 Prof. Dr. Paweł Piszczatowski (Uniwersytet Warszawski): „So kehren sie wieder. Die Toten.“ Shoah und Postmemory bei W.G. Sebald

10:20 – 11:00 Prof. Dr. Werner Nell (Luther-Universität Halle): Magie und Phantastik in alten und neuen Dorfgeschichten

11:20 – 12:00 Dr. Matthias Braun (Berlin): Historisch-fiktionales Erzählen versus staatlicher Geschichtspropaganda – Stefan Heyms Roman „Fünf Tage im Juni“

12: 00 – 12:40 Prof. Dr. Monika Wolting (Uniwersytet Wrocławski): „In Mutter Makryna sehe ich das Symbol für Polen“ (A. Mickiewicz). Abrechnung mit einem romantischen Mythos im Roman „Mutter Makryna“ (2014) von Jacek Dehnel

12:40 – 13:20 Prof. Dr. Karolina Prykowska-Michalak (Uniwersytet Łódzki): Geschichtsmythen im zeitgenössischen polnischen Theater

14:20 – 15:00 Dr. Sylke Kirschnick (Universität Giessen/Berlin): Araber und Deutsche im II. Weltkrieg - Formen historischen Erzählens in Sherko Fatahs „Ein weißes Land“ (2011)

15:00 – 15:40 Prof. Dr. Anna Gajdis (Uniwersytet Wrocławski): `Odysseus kehrt zurück.´ Masuren/Ostpreußen in den Romanen von Artur Becker

15:40 – 16:20 Prof. Dr. Manuel Maldonado Aleman (Universidad de Sevilla): Vergangenheitsentwürfe zwischen Fakten und Fiktionen. Zur Inszenierung deutscher Geschichte bei Tanja Dückers

16:20 – 17:00 Prof. Dr. Tomasz Małyszek (Uniwersytet Wrocławski): Frank Witzels Roman „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ als posthistorische `Hagiografie‘

Kulturhauptstadt Wroclaw - Spaziergang

Samstag, 09.04.2016

09:30 – 10:10 Prof. Dr. Lothar Bluhm (Universität Koblenz-Landau): Von Grass bis Kracht –Formen historischen Erzählens in den 1990er Jahren

10:10 – 10:50 Dr. Paula Wojcik (Friedrich-Schiller-Universität Jena): Zum Tod des historischen Erzählens in der Ballade

10:50 – 11:30 Dr. Ewa Pytel-Bartnik (Uniwersytet Adama Mickiewicza Poznań): Schreiben nach Stadtplan. (Stadt-)Geschichte in neueren Berlintexten

11:50 – 12:30 Dr. Joanna Bednarska-Kociołek (Uniwersytet Łódzki): „Papa, woher hast du eigentlich so einen seltsamen Namen?” – In der Suche nach der Familienidentität in „Niebko“ von Brygida Helbig

12:30 – 13:10 Prof. Dr. Ewa Jarosz-Sienkiewicz (Uniwersytet Wrocławski): Marcel Beyers „Spione“. Zwischen Tatsache und Fiktion

13:10 – 13.30 Abschlussdiskussion

Kontakt

Monika Wolting

Instytut Filologii Germanskiej, Uniwersytet Wroclawski Pl. Biskupa Nankiera 15, 50-140 Wroclaw

0048 71 3752444

monika.wolting@uni.wroc.pl

http://ifg.uni.wroc.pl/ger/p/296
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