Weltkrieg. Spaltung. Revolution - Sozialdemokratie 1916 - 1922

Weltkrieg. Spaltung. Revolution - Sozialdemokratie 1916 - 1922

Veranstalter
Prof. Dr. Uli Schöler/ Thilo Scholle in Kooperation mit dem Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung
Veranstaltungsort
Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.02.2017 - 17.02.2017
Deadline
31.10.2016
Von
Oliver Schael

Das Jahr des hundertjährigen Rückblicks auf den Beginn des Ersten Weltkriegs hat bereits eindrucksvoll zutage gefördert, dass auch in einem derartig großen zeitlichen Abstand historisch-politisch umstrittene Fragestellungen erneut zu kontroversen Debatten anregen können. Weder hat die Debatte um die Fischer-Kontroverse ein Ende gefunden, noch ist ein Konsens darüber erreicht, in welchem Verhältnis die deutsche Verantwortung für den Kriegsausbruch zur kriegsbefördernden oder gar -vorbereitenden Rolle der übrigen europäischen Mächte steht. In diesen neuerlichen Debatten blieb allerdings der Fokus auf die innenpolitischen Akteure jenseits von Regierung und Militär eher unterbelichtet. Dabei bedeutete der Weltkrieg für die deutsche wie die internationale Arbeiterbewegung eine Zäsur, die den amerikanischen Historiker Carl E. Schorske zu Recht von der „großen Spaltung“ sprechen ließ. Die Folgen dieser Spaltung manifestieren sich bis heute in unterschiedlichen Parteien, die aus der zunächst vereinigten Sozialdemokratie hervorgegangen sind. Ein neuerlicher Blick auf diesen nur in Teilen „ausgeforschten“ Ausgangspunkt dürfte deshalb ebenfalls neue Perspektiven und Einsichten ermöglichen helfen.

Die Geschichte der Sozialdemokratie während und in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg gehört zu den spannendsten Kapiteln der Parteigeschichte. Dies vor allem auch deshalb, weil aktuelles politisches Handeln und die Suche nach inhaltlicher Rückkopplung an politische und theoretische Grundlagen der Arbeiterbewegung eine enge Verknüpfung eingingen und zugleich für große innerparteiliche Kontroversen sorgten, die bis hin zur Parteispaltung führten.

Im Jahr 1916 wurde mit dem Ausschluss der offen gegen die weitere Bewilligung der Kriegskredite auftretenden Abgeordneten aus der Fraktion der SPD und der darauf folgenden Gründung der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft der Beginn der Spaltung der Sozialdemokratie gelegt.

Zugleich verblieben aber auch Kritiker der Kriegskredite in der Mehrheitssozialdemokratie, während die sich nach und nach formierende Unabhängige Sozialdemokratie (USPD) zuvor politisch weit auseinandergehende Grundrichtungen vereinigte – von Eduard Bernstein bis Karl Kautsky. Daneben entwickelten sich weitere Gruppierungen in und neben der USPD, beispielsweise die Revolutionären Obleute sowie der Spartakusbund.

Für viele der Akteure gerade in der USPD war die Spaltung zunächst nicht dauerhaft gedacht. Zum einen hoffte man auf eine Wiedervereinigung der Flügel der Partei, zum anderen sah man sich selbst im Grunde in der Nachfolge des alten Parteizentrums und damit als eigentlichen Kern der Sozialdemokratischen Partei.

Die Geschichtsschreibung zur Geschichte der Sozialdemokratie scheint meist nur die MSPD als Ahnen der heutigen Sozialdemokratie in den Blick zu nehmen. Die USPD wird damit zur bloßen Fußnote in der Geschichte der Sozialdemokratie. Zugleich entwickelt sich schon seit Längerem im Umfeld der Linkspartei eine rege Publikationstätigkeit, die auch die Geschichte der USPD und vieler ihrer Akteure in eine „Geschichte des Linkssozialismus und Kommunismus“ mit einbezieht – gerade auch unter Einschluss derjenigen, die den Weg zur KPD nicht oder nur vorübergehend mitgemacht haben, sondern vielmehr zu großen Teilen 1922 den Weg zurück in eine vereinigte Sozialdemokratie fanden.

Die Geschichte der Sozialdemokratie zwischen 1916 und 1922 (als Datum der Vereinigung von MSPD und Rest-USPD) ist also vielfältiger und komplizierter als gerne in der einfachen Reduktion auf eine kriegsbejahende, „parlamentarisch-demokratische“ Mehrheitssozialdemokratie und eine kriegsablehnende, „revolutionär-utopische“ USPD angenommen wird. Weder bestand die MSPD nach 1917 nur aus kriegsfreundlichen und nationalistischen Revisionisten, noch die USPD nur aus rätedemokratischen oder gar diktatorischen Träumen zugeneigten Hasardeuren. Vielmehr fanden in beiden Parteien sowie dem weiteren politischen und gesellschaftlichen Umfeld spannende tagesaktuelle wie programmatische Debatten statt, saßen die Protagonisten Fehleinschätzungen auf oder agierten politisch durchaus klug und vorsichtig.

Daher sollen auf der Tagung anhand biografischer ‚Tiefenbohrungen‘ verschiedene Perspektiven auf die Entwicklung der beiden Stränge von M- und USPD angelegt werden, die der historischen Komplexität gerecht werden (oder gerechter werden in anderen, noch heute geschichtspolitisch diskutierten Foren/ Ansätzen). Dabei soll ein Schwerpunkt auf die Entwicklung des politischen Denkens der jeweiligen Person aus MSPD oder USPD während der letzten Kriegsmonate bis zum Anfang der Weimarer Republik gelegt werden, um auf diese Weise individuelle Beweggründe, programmatische Entwicklungen, politische Aktivierungen und Kontextualisierungen/ Rahmungen/ Akteurskonstellationen systematisch verbinden zu können.

Mögliche Themen:

Überblicke

- Debatten über Krieg und Frieden in der Sozialdemokratie während des Ersten Weltkriegs

- Zukünftige außenpolitische Ausrichtung des Deutschen Reiches bzw. der Sozialdemokratie

- Der Weg zur Parteispaltung

- Wege zur Wiedervereinigung der Sozialdemokratie

- Politische Positionierungen und Entwicklungen in den Gewerkschaften

- Die Debatte um Demokratie und/ oder Diktatur des Proletariats

Die Ebene der Politik: Parlamentarismus- und Rätediskussionen in beiden sozialdemokratischen Parteien

Die Ebene der Wirtschaft: Demokratische Gesellschaft und Wirtschaftsverfassung

- Die sozialdemokratische Presse

- Jugend und Parteispaltung

- Debatten in der SAI und der Internationale Zweieinhalb

Biographisches

(Person jeweils verbunden mit ihren politisch-theoretischen Positionen sowie ihrem politischen Agieren in der Zeit zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik und möglicherweise auch ihren späteren Reflexionen darüber – die hier wiedergegebene Liste nennt nur die möglichen Akteure, weitere können vorgeschlagen werden)

- Siegfried Aufhäuser

- Eduard Bernstein

- Otto Brass

- Otto Braun

- Rudolf Breitscheid

- Max Cohen-Reuß

- Arthur Crispien

- Heinrich Cunow

- Ernst Däumig

- Eduard David

- Wilhelm Dittmann

- Robert Dißmann

- Friedrich Ebert

- Curt und Friedrich Geyer

- Georg Engelbert Graf

- Hugo Haase

- Konrad Haenisch

- Hermann Heller

- Rudolf Hilferding

- Mathilde Jacob

- Karl Kautsky

- Franz Künstler

- Georg Ledebour

- Paul Levi

- Richard Müller

- Hermann Müller

- Toni Pfülf

- Philipp Scheidemann

- Toni Sender

- Carl Severing

- Max Sievers

- Hugo Sinzheimer

- Heinrich Ströbel

- Rudolf Wissell

- Louise Zietz

Zur ersten Vertiefung dieses Ansatzes laden wir zu einem Colloquium in Kooperation mit dem Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung am 16./ 17. Februar 2017 nach Berlin ein. In Aussicht genommen wird im Anschluss auch einen Sammelband zu veröffentlichen.

Wir bitten daher bis zum 31. Oktober 2016 um Einsendung eines Abstracts im Umfang von max. 1 Seite, in der die vorzustellende Person mit den Kernpunkten ihres Denkansatzes vorgestellt wird, an die E-Mail-Adresse: Public.History@fes.de

Programm

Kontakt

Oliver Schael

Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung
Godesberger Allee 149, 53170 Bonn
(0228) 883-8010
(0228) 883-9204
Oliver.Schael@fes.de

http://www.fes.de/archiv
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