Liebeserfindungen, Liebesempfindungen. Semantiken der Liebe zwischen Kontinuität und Wandel – vom Barock bis zur Gegenwart

Liebeserfindungen, Liebesempfindungen. Semantiken der Liebe zwischen Kontinuität und Wandel – vom Barock bis zur Gegenwart

Veranstalter
Prof. Dr. Frank Becker & Dr. Elke Reinhardt-Becker, Universität Duisburg-Essen, Historisches Institut & Germanistisches Institut
Veranstaltungsort
Universität Duisburg-Essen, Campus Essen
Ort
Essen
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.09.2017 - 22.09.2017
Deadline
31.01.2017
Website
Von
Prof. Dr. Frank Becker

Gegenwärtig ist viel von einem grundlegenden Wandel der (Vorstellungen von der) Liebe in der westlichen Welt die Rede. Schon die Anbahnung der Liebesbeziehungen verändert ihr Gesicht: Immer häufiger findet sie in den sozialen Medien statt. Ist die Beziehung einmal konstituiert, kann sie „offen“ oder „treuebasiert“, zusammen-lebend oder getrennt-lebend, unverheiratet oder verheiratet geführt werden. Der eine geht von lebenslangem Zusammensein aus, die andere von einer Lebensabschnittspartnerschaft. Was in der Beziehung stattfinden soll, wird ebenso unterschiedlich gesehen: Identitätsfindung und -stabilisierung durch vollständiges Verstehen des Partners, oder nur wechselseitige Unterstützung bei der Bewältigung des praktischen Lebens zwischen Sorgen und Vergnügungen? Und: Soll Nachwuchs gezeugt und/oder aufgezogen werden?

Weitere Faktoren verkomplizieren die Situation. Angesichts der hohen Anforderungen an die berufliche Mobilität können aus Lebensgemeinschaften schnell Pendlerbeziehungen werden – und umgekehrt; die ökonomische Basis des Zusammenlebens kann wegbrechen oder sich dramatisch zum Vorteil verändern; neue Freunde und KollegInnen tragen möglicherweise einen Veränderungsdruck in die Beziehungen hinein. Vermehrte Migration sorgt dafür, dass Partnerschaftsmodelle aus anderen Kulturen als zusätzliche Optionen im Raum stehen; ihre Verknüpfung mit westlichen Modellen kann zu interessanten Hybridformen führen. Mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften verbindet sich ebenfalls häufig die Erwartung, sie stellten Alternativen zu den gängigen Liebessemantiken bereit. Wie wirkt sich Transsexualität aus? Gibt es neue Regeln für die Liebe im Alter? Wie verändert sich generell die ‚Aufgabenverteilung‘ im Zusammenspiel von Liebe und Freundschaft? Derweil inszenieren die Medien permanent Liebesgeschichten, die als Leitbilder und/ oder als diskussionswürdige Angebote auf die Gesellschaft zurückwirken.

Im Ergebnis lässt sich eine extreme Pluralisierung der ‚lebbaren‘ Modelle für Liebe und Partnerschaft konstatieren. Dem Einzelnen vermittelt sich der Eindruck, er könne aus einem ganzen ‚Pool‘ von Angeboten auswählen. Festlegungen, die aus Milieuzugehörigkeiten, familiären Zwängen etc. hervorgehen, schwächen sich immer weiter ab. Im Grunde muss das Beziehungsmodell nur von den beteiligten Partnern ausgehandelt werden.

Diese ‚neue Unübersichtlichkeit‘ fordert die wissenschaftliche Analyse heraus. Welche Folgen hat das hohe Maß an Wählbarkeit für Individuum und Gesellschaft? Wie genau sind die Modelle beschaffen, die auf dem Markt zirkulieren? Wo sind tatsächlich Innovationen zu beobachten, wo entsteht Neues durch die Rekombination von Bekanntem, wo lässt sich das vermeintlich Neue gänzlich auf Altes zurückführen? Um solche Fragen beantworten zu können, ist die genaue Kenntnis der historischen Entwicklung der Liebessemantik nötig. Die aktuellen Konzepte werden unzutreffend beurteilt, wenn der Analyse die historische Tiefenschärfe fehlt. Deshalb sollen ‚Tiefenbohrungen‘ bis zu Empfindsamkeit und Romantik, ja bis ins Barockzeitalter erfolgen.

Die bisherige Forschung ist – natürlich mit Ausnahmen – durch einen tiefen Graben zwischen der Untersuchung historischer Liebessemantiken auf der einen, aktueller Tendenzen auf der anderen Seite gekennzeichnet. Es sind sogar unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen, welche die jeweiligen Felder bearbeiten – Geschichtswissenschaft und Literaturgeschichte die vergangenen Formen, Kultur-, Kommunikations- und Sozialwissenschaften die gegenwärtigen Ausprägungen. Die unterschiedlichen Fachvertreter kommen selten miteinander ins Gespräch. Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, will die geplante Tagung gezielt unterschiedliche Fachvertreter und -kulturen zusammenführen. In diachronen und synchronen Vergleichen sollen unterschiedliche Liebes- und Lebensmodelle, Sozial- und Kulturmilieus sowie Medien behandelt werden.

Bitte übermitteln Sie uns bis zum 31. Januar 2017 ein Exposé von ein bis zwei Seiten, in dem Sie Fragestellung, Quellengrundlage und Arbeitshypothese Ihres Vortragsangebots skizzieren. Die Veröffentlichung der Tagungsergebnisse ist geplant.

Reisekosten innerhalb Deutschlands sowie die Kosten für Übernachtung und Verpflegung können nach den üblichen Kriterien übernommen werden.

Prof. Dr. Frank Becker (frank.becker@uni-due.de)

Dr. Elke Reinhardt-Becker (elke.reinhardt-becker@uni-due.de)

Mögliche Themenbereiche:
Historische Grundlagen: Konzepte des 17. und 18. Jahrhunderts – Barock und Rokoko, Aufklärung und Empfindsamkeit
Die Romantik und das bürgerliche 19. Jahrhundert
Die „Anti-Romantik“ der Neuen Sachlichkeit
Aktuelle Leitbilder der Populärkultur
Die Liebeskommunikation in den sozialen Medien
Alternativmodelle?

Programm

Kontakt

Frank Becker

Historisches Institut der Universität Duisburg-Essen
45117 Essen
0201 / 183 35 79
0201 / 183 25 80
frank.becker@uni-due.de