Kindheitsgeschichte(n) – dezentrierte Perspektiven, de- und rekonstruktive Lesarten

Kindheitsgeschichte(n) – dezentrierte Perspektiven, de- und rekonstruktive Lesarten

Veranstalter
Rafaela Schmid, M.A., Universität zu Köln, Department Erziehungs- und Sozialwissenschaften / Historische Bildungsforschung, mit dem Schwerpunkt Gender History, Dr. Wiebke Hiemesch, Stiftung Universität Hildesheim, Institut für Erziehungswissenschaft/Abteilung Allgemeine Erziehungswissenschaft
Veranstaltungsort
Universität zu Köln, Humanwissenschaftliche Fakultät, Gebäude 216
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.10.2017 - 07.10.2017
Deadline
31.05.2017
Von
Wiebke Hiemesch

Studien einer erziehungswissenschaftlichen Kindheitsgeschichte zeichnen zumeist die Herausbildung und Durchsetzung eines bürgerlich-modernen Kindheitsideals im Kontext des Modells der Kleinfamilie sowie die Hervorbringung einer Lebensphase des Schutzes und Lernens in westlichen Gesellschaften nach. Kindheiten, die von diesem Ideal abweichen oder ihm zuwiderlaufen, geraten dabei allzu schnell aus dem Blick. Darauf weisen historische Arbeiten zu Geschlechterdifferenzen in Bildung und Erziehung, zu sozialer Ungleichheit sowie zur kindlichen Vulnerabilität hin, ebenso wie Studien, die gegenwärtige Kindheiten unter postkolonialer und migrationstheoretischer Perspektive in den Blick nehmen. In den letzten Jahren rücken zunehmend Erosionen und Brüche der Idealvorstellung von Kindheit ebenso wie mögliche Widersprüche mit dem Alltag von Kindern in den Blick, bedingt etwa durch Erwerbsarbeit, politische Notlagen, Krieg, Krankheit oder Formen seelischer und körperlicher Gewalt, wie sexualisierte Übergriffe.

Wie kann über diese Kindheit(en) geforscht und gesprochen werden? Welche methodischen und methodologischen Fragen ergeben sich? Und wie ist Forschung wiederum selbst an der Hervorbringung von Kindheitskonstruktionen beteiligt? Unter diesen Fragen widmet sich der geplante Workshop ausgewählten Herausforderungen einer solchen dezentrierten Kindheitsgeschichte und fragt nach de- und rekonstruktiven Lesarten.

Um auf die historischen Konstellationen, in denen sich Kindheiten herausgebildet haben, und die spezifischen Lebenslagen von Kindern aufmerksam zu machen, greifen populärwissenschaftliche Veröffentlichungen wie auch wissenschaftliche Studien mitunter auf Substantivierungen wie beispielsweise ‚Kriegskindheiten‘ oder ‚Heimkinder‘ zurück. Unter dieses Bezeichnungen werden von außen Zuschreibungen subsummiert, die durch die ‚Betroffenen‘ zunächst angenommen, dann aktualisiert, aber auch (re-)produziert, irritiert und verschoben werden können. Zugang zu diesen Vorgängen bilden in zeithistorischen Themenfeldern häufig Zeitzeug/innengespräche, gibt es doch nur begrenzt Quellen von Kindern selbst. In einer solchen Kindheitsgeschichte, als erinnerte Kindheit, kommt es folglich zur Verquickung von wissenschaftlicher Geschichtsschreibung und aktiv gelebter Erinnerung, die in erinnerungskulturelle Diskurse eingebunden sind.

Der geplante Workshop richtet sich an forschende Personen aus der Erziehungswissenschaft, die sich in ihren Projekten im weitesten Sinne mit ‚Kindheitsgeschichte(n)‘ auseinandersetzen. Im Fokus stehen methodische und methodologische Überlegungen. Beispielsweise die Frage, wie traumatogene Ereignisse an Krieg, Flucht und Ausbeutung erinnert und erzählt werden können. Neben subjektzentrierten Forschungsansätzen, die an der Ergründung der Sinnproduktion von einzelnen Personen oder Gruppen interessiert sind, sollen auch solche Forschungsansätze berücksichtigt werden, die mehr auf die machtvollen gesellschaftlichen Produktionsweisen dieses ‚Sinns‘ fokussieren. Gemeint ist damit auch eine grundlegende Reflexion der Forschungspraxis, die als Instanz an der Hervorbringung von spezifischen Geschichten, Subjekten und Sprecher/innenpositionen beteiligt ist.

Wir freuen uns auf Einreichungen orientiert an folgenden Fragenkomplexen:
1.) Wann tauchen neue Kindheitsgeschichten auf? Wie stehen historische Ereignisse und/oder Veränderungen in öffentlichen und wissenschaftlichen Diskursen im Zusammenhang mit einer höheren Sensibilität gegenüber Kindheitserfahrungen, die nicht in das moderne Kindheitsideal aufgehen, ihm sogar grundlegend zuwiderlaufen?
2.) Wie gehen wir in der wissenschaftlichen Praxis mit dem Wissen um die Vorgängigkeit von öffentlichen und wissenschaftlichen Diskursen und der Einbettung der eigenen Disziplin in diese um? Was wird eher tradiert und was weniger und welche Gründe gib es dafür?
3.) Welche Möglichkeiten und welche Herausforderungen sind mit herkömmlichen sozial- und geisteswissenschaftlichen Forschungsmethoden verbunden (bspw. Diskursanalyse oder Biografieforschung, rekonstruktive oder dekontsruktive Ansätze)?

Bitte senden Sie ihre Abstracts (ca. 2.500 Zeichen) sowie eine kurze Angabe zu ihrer Person bis zum 31.05.2017 an eine der folgenden Emailadressen:
Dr. Wiebke Hiemesch, Universität Hildesheim: hiemesc@uni-hildesheim.de
Rafaela Schmid, M.A., Universität zu Köln: rafaela.schmid@uni-koeln.de

Der Workshop wird gefördert durch die Graduiertenschule der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln:
In den Pausen stehen Getränke und kleine Snacks sowie ein kleiner Mittagsimbiss zur Verfügung. Teilnehmenden von außerhalb Kölns, die mit eigenen Beiträgen (Vortrag, Kurzvortrag, Präsentation,Diskussion etc.) aktiv an dem Workshop mitwirken, erstattet die Graduiertenschule bei Bedarf die Fahrtkosten (Bahnfahrkarten 2. Klasse oder – in besonders begründeten Fällen – Flugtickets Economyclass) bis zur Höhe von 150 Euro. Für aktiv Teilnehmende, die eine Übernachtungsgelegenheit in Köln benötigen, wird die Graduiertenschule Zimmer in einem der Vertragshotels der Universität zu Kölnbuchen und die Übernachtungskosten übernehmen.

Nähere Informationen zur Kostenerstattung erhalten Sie in der Antwort der Veranstalter_innen zu den eingereichten Abstracts.

Programm

Kontakt

Wiebke Hiemesch

Stiftung Universität Hildesheim, Institut für Erziehungswissenschaft/Abteilung Allgemeine Erziehungswissenschaft

hiemesc@uni-hildesheim.de

https://www.uni-hildesheim.de/fb1/institute/institut-fuer-erziehungswissenschaft/allgemeine-erziehungswiss/team/wiebke-hiemesch/