S. Zeumer: Die Nachfolge in Familienunternehmen

Cover
Titel
Die Nachfolge in Familienunternehmen. Drei Fallbeispiele aus dem Bergischen Land im 19. und 20. Jahrhundert


Autor(en)
Zeumer, Sandra
Reihe
Beiträge zur Unternehmensgeschichte 30
Erschienen
Stuttgart 2012: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
389 S.
Preis
€ 56,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Schäfer, Dresden

Sandra Zeumers Arbeit gehört in die Reihe unternehmensgeschichtlicher Einzelfallstudien, die sich in den letzten Jahren mit dem weit verbreiteten Phänomen des Familienunternehmens beschäftigt haben. Gegenstand der Untersuchung sind hier drei Unternehmerfamilien aus einer frühindustriellen Pionierregion, dem Bergischen Land. Es sind dies die Hardts, Textilkaufleute und -fabrikanten aus Lennep, die Bagels, die in Düsseldorf und Ratingen ein Druckerei- und Papierunternehmen betrieben, sowie die Familie von der Heydt-Kersten, die mit einem Elberfelder Privatbankhaus verbunden war. Für alle drei Unternehmerfamilien standen der Autorin jeweils umfangreiche firmenarchivalische Bestände zur Verfügung. Im Mittelpunkt der Studie steht die Unternehmernachfolge, die Weitergabe von Besitz und Leitung des Unternehmens in der familialen Generationenfolge. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich über das „lange“ 19. Jahrhundert.

Für ihr theoretisches Gerüst bedient sich Sandra Zeumer vornehmlich im allseits beliebten Baukasten der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ). Dabei macht sie den Begriff der Property Rights als analytisches Instrument nutzbar, indem sie zwischen Nutzungs-, Gewinn-, Verfügungs- und anderen auf ein Unternehmen bezogenen Rechten differenziert. Zudem problematisiert die NIÖ die institutionellen Rahmenbedingungen (zum Beispiel das Erbrecht), die beim Transfer solcher Property Rights zu beachten sind, und lenkt den Blick auf institutionelle Arrangements, die den Nachfolgeprozess erleichterten. Weniger überzeugend erscheint mir dagegen Zeumers Nutzanwendung des Principal-Agent-Problems, wenn der Vorgänger-Principal den Nachfolger-Agent mit der Weiterführung des Unternehmens betraut oder wenn beide als „Vertrauensgeber“ und „Vertrauensnehmer“ agieren (S. 75). Eher satirisch klingt der Befund, die Transaktionskosten, „gemessen an Errichtungskosten für Verträge und Testamente“, hätten nur wenige Mark betragen und rangierten somit im Promillebereich (S. 352).

Im Hauptteil der Arbeit breitet Zeumer ihr empirisches Material nacheinander für jedes der drei Unternehmen aus. Sie macht dies jeweils in zwei Schritten: Zunächst widmet sie sich dem Transfer der Unternehmensleitung in der familialen Generationenfolge. Dann untersucht sie die Übergabe des Unternehmensbesitzes von einer Generation der Unternehmerfamilie zur nächsten. Hier kommen besonders die Probleme in den Blick, die der Transfer von Besitzrechten im Erbgang für die Kapitalbasis eines Familienunternehmens oft mit sich brachte, sowie die vertrags- und unternehmensrechtlichen Arrangements, mit denen die untersuchten Firmen und Familien diese im Laufe des 19. Jahrhunderts zu bewältigen versuchten. Schließlich fasst Zeumer für jedes der von ihr untersuchten Unternehmen die Ergebnisse zusammen.

Die Darstellung folgt jeweils der Chronologie der Firmengeschichten und beschäftigt sich nicht allein mit den Nachfolgeprozessen. Zeumer verfolgt vielmehr recht breit die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung der drei Unternehmen, die unternehmerischen Strategien ihrer Leiter, deren unternehmerischen Erfolg, die Heiratskreise der Unternehmerfamilie und anderes mehr. In ihrer methodischen Einleitung kündigt sie an, durch Bilanz- und Marktanalysen das Desiderat einer Quantifizierung unternehmerischen Handelns umsetzen zu wollen (S. 60). Dies gelingt ihr mal besser, mal weniger gut. Insgesamt wirkt die Arbeit etwas unfokussiert, droht sich immer mal wieder im Detail zu verlieren und lässt stellenweise einen Bezug zum Thema vermissen.

In ihrem abschließenden Fazit präsentiert Sandra Zeumer als Ergebnis ihrer vergleichenden Einzelfallstudien die Erfolgs- und Risikofaktoren des Nachfolgeprozesses in Familienunternehmen. Ihre Befunde und Thesen erscheinen im Einzelnen durchaus interessant und weiterführend. So blieben etwa alle untersuchten Unternehmen bis in die fünfte Generation auf Kapital aus dem Familienkreis angewiesen, der als eine Art „lender of last resort“ fungiert habe (S. 352). Hier trägt die akribische Beschäftigung mit den Unternehmensbilanzen Früchte. Anderes wirkt dagegen banal: Es gebe zwei Gruppen von Nachfolgern, „zum einen diejenigen, die den Vertrauensvorschuss rechtfertigten […] und ihre Eignung unter Beweis stellten, und zum anderen diejenigen, die sich selbst disqualifizierten (selfselection), pendelten oder ausschieden“ (S. 350f.). So bleibt ein etwas ambivalenter Gesamteindruck.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension