BBAW (Hg.): Datenbank Jahresberichte

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter Helmberger, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Geschichtswissenschaften

Lexikalische Nachschlagewerke und Bibliographien gelten allgemein als jene Bereiche in denen (deutsche) Sozial- und Gesellschaftswissenschaftler am meisten geneigt sind, sich moderner Informationsmedien zu bedienen. Dies ist sofort verstaendlich, wenn man an die Vorzuege der hierbei in der Regel zur Verfuegung gestellten Recherchemoeglichkeiten und die weitere Nutzung der Ergebnisse in der Textverarbeitung denkt. Gelegentlich geraet, ob der Faszination der technischen Moeglichkeiten, allerdings die Qualitaet des transportierten Inhalts etwas aus dem Blickfeld. Dies ruehrt mit daher, dass Datentraeger wie CD-ROMS allein aus aesthetischen Beweggruenden in viel staerkerem Mass als herkoemmliche Nachschlagewerke (Kataloge; Buecher) Vollstaendigkeit und Korrektheit der Angaben suggerieren (koennen). Dieser Effekt wird durch die Betrachtung der gewonnenen Ergebnisse auf immer hochaufloesenderen Bildschirmen oder ausgedruckt in technisch ausgefeilterer Form zweifellos noch verstaerkt. Eine Datenbank (und eine Bibliographie ist ja nichts anderes) kann aber natuerlich - unabhaengig in welchem Medium sie den Nutzern zugaenglich ist - zunaechst nur so gut sein, wie es die Qualitaet der Titelaufnahme, deren Vollstaendigkeit und Auswertung zulaesst. Die spezifischen Vor- und Nachteile des Mediums an sich werden dagegen erst in einer zweiten Stufe entscheidend fuer die Qualitaet eines Produkts.

Seit kurzem liegen die 'Jahresberichte fuer Deutsche Geschichte' in der nunmehr zweiten CD-ROM-Ausgabe mit knapp 67 000 Titelnachweisen fuer die Berichtsjahre 1991 - 1996 vor. Das, von seinen Herausgebern als 'Nationalbibliographie zur deutschen Geschichte' charakterisierte Publikationsverzeichnis kann auf eine lange Traditionslinie zurueckblicken. Die gleichnamigen Vorgaenger erschienen seit 1925 (als sie die Jahresberichte der Geschichtswissenschaft abloesten) bzw., als Neue Folge gezaehlt und im Auftrag der Deutschen Akademie der Wissenschaften/Berlin herausgegeben, seit 1949. Seit 1991 werden sie von einer Arbeitsgruppe der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften betreut.

Die Jahresberichte bieten ein jaehrliches Verzeichnis des wissenschaftlichen Schrifttums ueber die deutsche Geschichte von der roemisch-germanischen Fruehzeit bis 1990. Die Erfassung zielt auf alle Sprachgebiete und Publikationsformen. 'Graue Literatur' (Schrifttum, das nicht ueber den Verlagsbuchhandel erhaeltlich ist) wird soweit bekannt aufgenommen. Verzichtet wird dagegen ungedruckte Dissertations- und Habilitationsschriften sowie Rezensionen, Annotationen, Wuerdigungen oder Nachrufe zu verzeichnen. Um diesem umfassenden Anspruch gerecht werden zu koennen, kooperiert die Arbeitsgruppe u.a. mit der Deutschen Bibliothek/Deutschen Buecherei (Frankfurt/M.; Leipzig), der Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz (Berlin) sowie der Bayerischen Staatsbibliothek (Muenchen).

Laut Aussage der Herausgeber soll sich die inhaltliche Auswertung der Literatur vor allem in den Recherchefeldern 'Epoche', 'Sachbereich', 'Klassifikation' und 'Schlagwort' widerspiegeln. Die in einer Publikation behandelte Thematik wird dabei - in Kombination mit der Epocheneinordnung - unabhaengig von der jeweiligen Titelformulierung beschrieben. Recherchen ueber Schlagworte sollen so gewaehrleisten, dass alle Arbeiten, die eine bestimmte Thematik behandeln und in der Datenbank vorhanden sind, auch gefunden werden.

Seit der nach der Wiedervereinigung erfolgten organisatorischen Umstrukturierung (das Berichtsjahr 1990 wurde 1992 in einem 'Uebergangsband' bearbeitet) werden die Datensaetze nun vollstaendig mit EDV erfasst. Ab diesem Zeitpunkt sind so die Voraussetzungen gegeben, die Informationen - neben der auch weiterhin publizierten traditionellen Buchform - auch als CD-ROM zu edieren. Es ist weiterhin geplant, regelmaessig Updates zu veroeffentlichen und die Datenbank schrittweise retrospektiv zu erweitern.

Fuer den Betrieb der CD-ROM werden vom Hersteller die 'ueblichen' Systemvoraussetzungen benannt: Mindestens 386er-Prozessor, 4 MB Hauptspeicher, VGA; Maus; Betriebssystem: MS Windows 3.1 oder MS-DOS 3.3 (oder hoeher) sowie mindestens 5 MB freier Speicherplatz auf der Festplatte.

Im Test lief die CD unter Windows95 stabil und liess sich schnell und ohne Probleme installieren. Die Benutzeroberflaeche der Datenbank ist sehr sachlich und verstaendlich aufgebaut: Die Begriffe und Symbole sind (zumindest fuer Windows-erfahrene Nutzer) leicht nachvollziehbar, so dass keine lange Einarbeitungszeit noetig ist. In Problemfaellen steht zudem (ueber F1) eine permanente Hilfsfunktion mit knappen Erlaeuterungen zur Verfuegung.

Gegenueber der Buchversion liegt der besondere Vorteil der CD-ROM-Edition natuerlich in den zur Verfuegung gestellten komfortableren Recherchemoeglichkeiten. Drei Varianten werden angeboten. Diese stehen allerdings nicht isoliert neben einander, vielmehr ist auch waehrend der Nutzung ein Wechsel zu einer anderen Suchstrategie moeglich.

Als erster Einstieg bietet sich die FREIE SUCHE an. Sie erlaubt die Eingabe einer beliebigen Anzahl (durch 'UND' bzw. 'ODER') verknuepfter Stichwoerter, wobei alle Begriffe (mit dem *-Zeichen) rechts trunkierbar sind. Der Index umfasst hier: 'Beteiligte Personen' [gemeint sind alle an der Formulierung des Textes einer Publikation Beteiligten], 'Personen', 'Titel', 'Reihen', 'Epochen', 'Sachbereiche', 'Schlagwoerter', 'Zeitschriften'.

Die REGISTERSUCHE erlaubt darueber hinausgehend die Recherche nach 'Erscheinungsjahr', 'Klassifikation', 'Dokumententyp', 'Dokumentensprache' und 'Verlag'. Der besondere Vorteil dieser Rechercheform liegt in dem jeweils nach Suchfeld unterschiedlichen (in einem zweiten Fenster angezeigten) Register. Die dort aufgefuehrten Begriffe koennen direkt in die Anfrage integriert werden.

Ueber das 'Klassifikation's-Feld ist die systematische Gliederung der Datenbank in insgesamt 19 chronologisch angelegte Sachgruppen (mit umfangreicher thematischer Untergliederung) einsehbar. Wie bei jeder systematischen Gliederung einer Bibliographie oder eines Katalogs so kann auch die hier gefundene Loesung sicherlich nicht alle Nutzer vollstaendig ueberzeugen, werden Zweifelsfaelle bleiben oder manche nachgefragten Untergliederungen vollstaendig fehlen. Der Balanceakt zwischen wenig aussagekraeftigen Ueberbegriffen und einem allzu stark ausdifferenziertem, unuebersichtlichem Aufbau gelingt aber doch weitgehend.

Bei der EXPERTENSUCHE (einer erweiterten 'Registersuche') koennen Abfragen in den genannten Suchfeldern mit Boole'schen Operatoren formuliert werden. Damit lassen sich etwa Recherchen auch bei nicht exakt bekannten Begriffen, Namen oder Jahreszahlen durchfuehren. Auch eine Kombination verschiedener Suchfelder (und/ oder/ nicht/ bis) ist moeglich.

Alle drei Recherchevarianten weisen die - fast immer notwendige - Moeglichkeit zur Eingrenzung ('Reduktion') der erzielten Suchergebnisse auf. Die ermittelten Datensaetze werden - nach Jahren sortiert - in einer Liste aufgefuehrt. Eine Sortierung nach jeder anderen erfassten Rubrik (also etwa Autor; Ort, Zeitschrift) ist allerdings auch moeglich. Die Rechercheergebnisse koennen schliesslich noch als Dateien abgespeichert bzw. exportiert oder auch ausgedruckt werden. Abgestuft waehlbar ist hierbei der Umfang der behandelten Daten (Titelaufnahme; Schlagwoerter; Epoche und Sachbereiche).

Sowohl von der Qualitaet der bereitgestellten Datensaetze wie der Form der Praesentation stellt die CD-Rom-Edition der 'Jahresberichte fuer Deutsche Geschichte' ein gelungenes Beispiel fuer den Einsatz moderner Informationsmedien dar. Sie ist ein zeitgemaesses und nuetzliches Arbeitsmittel fuer Historiker.

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