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Titel
Geschichte des Tees. Anbau, Handel und globale Genusskulturen


Autor(en)
Krieger, Martin
Erschienen
Köln 2021: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
302 S.
Preis
€ 27,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anne Sophie Overkamp, Seminar für Neuere Geschichte, Universität Tübingen

Der Kieler Historiker Martin Krieger hat nach Tee. Eine Kulturgeschichte1 nun ein weiteres Buch zur Geschichte des beliebten Heißgetränks vorgelegt. Vorneweg lässt sich sagen, dass die neue Publikation gegenüber dem früheren Band eine deutliche Erweiterung darstellt und ganz eigene Akzente setzt. Zudem hat der Autor neues Quellenmaterial erschlossen. Absicht des Buches ist es, Tee als „globales Getränk“ (S. 10) vorzustellen, den Leser über dessen weltweite Traditionen, Narrative und Mythen zu informieren sowie die Geschichte des Tees in Deutschland näher zu beleuchten Hierzu nimmt der Verfasser in insgesamt zwölf thematischen Kapiteln sowohl die botanischen Eigenschaften der Teepflanzen, Anbaugebiete und -regimes, verschiedenste Handelspraktiken als auch asiatische und europäische Trinkgewohnheiten in den Blick. Die Kapitel sind in drei thematische Blöcke zusammengefasst: Pflanzenbetrachtung und ostasiatische Kultivierung (Kap. 1–3), Tee als globales Handels- und Genussgut bis 1840 (Kap. 4–9) sowie, nach dem Transfer der Teepflanze nach Indien und Afrika, als europäisch-koloniales Gut (Kap. 10–12).

Obwohl Tee seit langem kultiviert wird, entzieht sich die Pflanze einer eindeutigen botanischen Definition. Dabei beschäftigt die korrekte botanische Beschreibung der Pflanze bereits seit Jahrhunderten die Wissenschaft, wie Krieger anhand der gelehrten Debatte um die korrekte Einordnung der Pflanze, die inzwischen als Kamelienart (Camelia sinensis) klassifiziert ist, deutlich macht. Der Überblick über die seit der Zeit von Carl von Linné widerstreitenden Einordnungen ist ein spannender Beitrag zur Entwicklung der Botanik als Forschungsdisziplin wie auch deren Abhängigkeit von genauer Beobachtung und systematischer Feldforschung. Die in dem Kapitel kurz angedeuteten alt-chinesischen Gelehrtendiskussionen werden leider nicht ausgeführt und so bleibt das Kapitel, trotz des am Enden platzierten Hinweises auf chinesische Forschungsbeiträge der Gegenwart, sehr auf Europa und dessen Wissenskulturen fokussiert.

Die folgenden beiden Kapitel widmen sich dagegen ausführlich dem Tee als transregionalem Kultur- und Konsumgut in Asien. Der Ursprung des Teegenusses verliert sich zwar im Dunkel der Mythen und Legenden, doch lassen archäologische Funde darauf schließen, dass Tee bereits vor 2.000 Jahren in Asien als Handelsgut Verbreitung fand. Welch hohe Bedeutung der Tee gerade in China genoss, machen die etwa einhundert Teebücher deutlich, die zwischen dem Jahr 800 und dem 18. Jahrhundert erschienen und die jeweils das Wissen ihrer Zeit widerspiegeln. Dazu gehörten auch die Klassifikation der Blattsorten sowie die Bedeutung der Herkunftsregion für Geschmack und Aroma. In Japan entwickelte sich wiederum seit der Mitte des 14. Jahrhundert das Ritual der Teezeremonie, die auch als politisches Symbol genutzt wurde.

In dem zweiten Kapitelblock behandelt Krieger die verschiedenen Stationen der europäischen Aneignung des Tees von den ersten frühen Begegnungen mit der asiatischen Teekultur bis hin zur massenhaften Verbreitung des Tees als Genussmittel sowie den Versuchen, auch die Teeproduktion unter europäische Kontrolle zu bringen. Als Pioniere erwiesen sich die Jesuiten, welche den Genuss des exotischen Getränks als Mittel der Integration vor Ort nutzten. Die Niederländer kamen im 17. Jahrhundert auf Java dank der dortigen zahlreichen chinesischen Einwanderer auf den Geschmack und übernahmen dabei auch landläufiges medizinisches Wissen, das sie in Erfahrungsberichten nach Europa vermittelten. So wurden die in Japan und China gepflegten Wissensinhalte um den Tee Teil des gelehrten Diskurses, an dem sich beispielsweise der königlich-dänische Leibarzt Simon Pauli oder der Amsterdamer Arzt Nicolaes Tulp beteiligten. In Bezug auf den von den europäischen Kompanien betriebenen und inzwischen umfassend erforschten Teehandel ist hervorzuheben, dass der Autor nicht nur die wichtigsten Stationen und bekannten Akteure abhandelt, sondern auch Versuchen aus Ostende, Hamburg und Skandinavien Raum gibt. Neue Erkenntnisse bietet vor allem das achte Kapitel, in dem Krieger die Teekultur des deutschsprachigen Raums behandelt. Für den norddeutschen Raum hat er hierzu einige Quellen neu erschlossen und kann so das Bild von Teehandel und -genuss von Hamburg bis Braunschweig schärfen wie auch den Mythos vom Teeland Ostfriesland entkräften – die räumliche Diffusion ging klar der sozialen voraus und noch 1840 war Kaffee in der breiteren Bevölkerung das deutlich beliebtere Getränk. Für den südlicheren Teil Deutschlands greift Krieger dagegen auf bekanntes Material zurück und wiederholt die These vom Tee als Getränk der adligen und bürgerlichen Eliten, was er unter anderem am Teetisch der Johanna Schopenhauer in Weimar herausarbeitet. Das neunte Kapitel, mit „Zeitenwende“ betitelt, bietet noch einmal einen Ausflug in die Botanik und behandelt ausführlich die verschiedenen Versuche der Europäer, den Teehandel sowie den Anbau unter ihre Kontrolle zu bringen. Während die Niederländer dank des Transfers von japanischen Teesamen auf Java frühe Erfolge beim Anbau feiern konnten, gelang es den Briten erst durch die Schwächung Chinas infolge des ersten Opiumkrieges, hochwertige Teepflanzen aus China herauszuschmuggeln und diese anschließend in Indien am Fuße des Himalayas, in Darjeeling, anzubauen.

Der dritte und letzte Kapitelblock widmet sich schließlich dem kolonialen Teeanbau sowie dem Teegenuss in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Verfasser macht deutlich, welche sozialen Folgekosten die Plantagenwirtschaft in Assam, Darjeeling und Ceylon für die einheimische Bevölkerung mit sich brachte und wie diese nicht zuletzt eine massenhafte Migration innerhalb Asiens in Gang setzte. Den zeitgleichen Niedergang Chinas als Teelieferanten arbeitet Krieger vor allem anhand der neu erschlossenen Briefe des Bremer Kaufmannes Johann Friedrich Rodewald heraus, der seit den 1860ern in China lebte. Anschließend porträtiert der Verfasser jüngere Entwicklung wie das Entstehen von Fertigmischungen, die einen gleichbleibenden Geschmack boten, die Genese eines einheitlichen Teemarktes in Deutschland nach 1871 und die Herausbildung einer regelrechten Tee-Industrie mit der Gründung heute noch bekannter Firmen wie Teekanne und Meßmer. Eine Behandlung des Teemangels während der beiden Weltkriege sowie die unterschiedlichen Teekulturen in Ost- und Westdeutschland – in der DDR blieb Tee ein Nischenprodukt, in der BRD erreichte er schnell wieder die frühere Beliebtheit – sowie ein Ausblick auf den gegenwärtigen Teemarkt und -konsum bringt die Darstellung bis in die Gegenwart.

Allgemein ist Krieger ein gut lesbares Buch gelungen, das kenntnisreich und auf der Höhe des Forschungsstandes in die Geschichte des Tees einführt. An der ein oder anderen Stelle mag der Text etwas anekdotisch anmuten und auch manch ein Forschungskontext, wie der zu Humoralpathologie und zeitgenössischen Vorstellungen von „gesunden“ Lebensmitteln oder zum Zusammenhang von Genussmitteln und Geselligkeit als gesellschaftsbildende Faktoren, bleibt unerwähnt. In Bezug auf Deutschland kann der Autor dem Thema jedoch einige neue Facetten hinzufügen. Mit der „Geschichte des Tees“ liegt somit eine überzeugende Überblicksdarstellung vor, der in ihrer aufklärerischen Absicht auch in der breiteren Öffentlichkeit Resonanz gewünscht sei.

Anmerkung:
1 Martin Krieger, Tee. Eine Kulturgeschichte, Köln 2009.

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