Cover
Titel
Deposing Monarchs. Domestic Conflict and State Formation, 1500–1700


Autor(en)
Sarti, Cathleen
Reihe
Routledge Research in Early Modern History
Erschienen
Abingdon 2021: Routledge
Anzahl Seiten
230 S.
Preis
€ 157,10
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Hannes Ziegler, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Die zu besprechende Studie von Cathleen Sarti befasst sich mit Herrscher:innenabsetzungen im frühneuzeitlichen Nordeuropa, genauer gesagt in den Königreichen der britischen Inseln und den skandinavischen Königreichen, in einem Zeitraum von etwa 200 Jahren, von 1500 bis 1700. Inhaltlich stehen dabei insgesamt zehn solcher Absetzungen von acht unterschiedlichen Herrscherinnen und Herrschern im Fokus. Auf der Suche nach dem zentralen Argument der Studie und einer zwingenden Begründung der mindestens auf den ersten Blick nicht ganz einleuchtenden Wahl des Zeitraums und der beiden Vergleichsräume wird man als Leser:in nicht sogleich fündig. Das liegt nicht zuletzt daran, dass dieses Argument letztlich auf einer recht konzeptionellen Ebene spielt, inhaltlich also dafür plädiert, Herrscher:innenabsetzungen als eine spezifische – und wenig erforschte – Form inneren politischen Konflikts in ihrer Bedeutung für die frühneuzeitliche Staatsbildung ernst zu nehmen. In dieser Hinsicht formuliert die Studie unter anderem das Ziel, aus den britischen und skandinavischen Fällen ein Modell zu entwickeln, das potentiell auch anderswo fruchtbar zur Anwendung kommen kann. Die Frage, warum das über die gewählten Untersuchungsräume besonders gut geleistet werden kann, bleibt dabei allerdings tendenziell offen. Dies gilt auch für die Anschlussfrage, warum gerade zwei eher ähnliche Fälle – wie Cathleen Sarti selbst unterstreicht – miteinander verglichen werden, anstatt bewusst den Kontrast (Frankreich, Spanien, etc.) zu suchen.

Man kann darüber angesichts eines für die Frühe Neuzeit in der Tat insgesamt dürftigen Forschungsstandes zur Frage der Herrscherabsetzung hinwegsehen und die Studie in ihrer Grundanlage als Pionierarbeit verstehen. Nach einer bündigen Einleitung wandelt diese jedoch zunächst noch auf bekanntem Terrain: Zwei recht lange Kapitel stellen die einzelnen Absetzungsvorgänge in ihrem historischen Kontext umsichtig, aber weitgehend deskriptiv vor. Die vergleichende Analyse kommt dann in Teil II und in den darin enthaltenen vier Kapiteln zum Tragen, in denen Sarti in sehr flexibler, aber ausgewogener Weise die Einzelfälle in Bezug auf die beteiligten Gruppen und ihre jeweiligen offiziellen und inoffiziellen Motivationen untersucht, außerdem ein Vier-Phasen-Modell von Absetzungen vorstellt und den Einfluss kontingenter Faktoren (etwa: Umweltereignisse, Zufälligkeiten) auf das Geschehen prüft.

Der dritte Teil der Arbeit – bestehend aus weiteren drei Kapiteln – verfolgt sodann eine stärker ideengeschichtliche Perspektive auf den Konsensbedarf monarchischer Herrschaft, ihre Grenzen, und die Idee des Widerstandsrechts. Diese Einlassung kommt auf den ersten Blick auffällig spät im Fortgang der Arbeit, orientiert sich aber inhaltlich nicht an der bekannten Litanei politiktheoretischer Texte der Zeit, sondern identifiziert diese politischen und juristischen Ideen in überzeugender Weise in den Stimmen der einzelnen Konflikte selbst, ist also selbst vor allem als Ergebnis zu verstehen denn als Aufzählung von Bekanntem. Trotzdem: Der Eindruck drängt sich doch bisweilen auf, dass diese ideengeschichtliche Ebene der Einhegung monarchischer Gewalt im Denken der Zeit systematisch eigentlich nur schwer von den bereits zuvor und separat diskutierten Motivationen der beteiligten Akteure zu trennen ist.

Daran schließt sich Kapitel 9, das, nun erstmals wieder gezielter auf die Frage nach der Staatsbildung reagierend, die Konsequenzen politischer Grundsatzdiskussionen im Umfeld von Absetzungen für die politische Verfasstheit des jeweiligen Staatskörpers aufzeigt, also der Frage nachgeht, ob – und wie – Veränderungen von politischer Kultur oder gar politischer Verfassung im Zusammenhang mit derlei Vorgängen standen. Sehr prominent macht Sarti hier das Argument, dass solche inneren Konflikte auf lange Sicht betrachtet den Formierungs- und Willensbildungsprozess einer politischen Nation stärkten und beschleunigten – und diese letztlich auch nach außen, etwa auf internationaler Bühne, zu einem zwingenderen Auftreten befähigten. Im Kern ist dies die Umformulierung der bekannten These aus dem Umfeld der älteren Staatsbildungsforschung, wonach Krieg als wesentlicher (politischer, fiskalischer, sozialer) Motor von Staatsbildungsprozessen anzusehen ist. Fortsetzung und Abschluss findet dieses durchaus originelle Argument in einem kurzen zusammenfassenden Schlusskapitel, das noch einmal das heuristische Potential von Herrscher:innenabsetzungen zum Verständnis frühneuzeitlicher Herrschaft und politischer Kultur unterstreicht.

Man könnte an dieser Stelle die Anlage des Bandes kritisieren: Dass die einzelnen Absetzungen zunächst jeweils für sich und dann wiederholt in der Zusammenschau diskutiert werden, macht Wiederholungen unvermeidlich. Den flüssig geschriebenen Text beeinträchtigt das aber kaum. Der häufige Sprung von Einzelfall zur konzeptionellen Ebene legt allerdings ein anderes Problem offen. Dass nämlich für die Anlage des Buches der Modus des Vergleichs zwischen Britannien und Skandinavien gewählt wurde, erweist sich in den Augen des Rezensenten letztlich als Stärke und Schwäche zugleich. Als Stärke, weil die unterschiedliche politische Tradition der jeweiligen Dominien im Kontrast besonders eindrucksvoll unterstreicht, welche Faktoren letztlich für Absetzungskonflikte als entscheidende Zutaten wirkten – und welche nicht. Als Schwäche, weil die so immer wieder aufscheinende Erkenntnis der Unvergleichbarkeit im Konkreten – sowohl unterschiedlicher politischer Räume als auch einzelner Herrschaftsträger:innen im selben politischen Gefüge – letztlich das zentrale Argument in Frage stellt, dass es sich bei den beschriebenen Absetzungen überhaupt um ein und dieselbe Art von politischem Konflikt handelt. Jane Grey ist ersichtlich ein gänzlich anders gelagerter Fall als James II. Dieser Eindruck wird auch dadurch unterstrichen, dass die Definition als Absetzung mehr als einmal starker Dehnung ausgesetzt werden muss, um den beschriebenen Sachverhalt noch zutreffend zu benennen. Sarti spricht – bezeichnenderweise – an entscheidender Stelle von der Absetzung James II./VII. in Schottland als „the only actual deposition on the British Isles“ (S. 78), womit sie unterstreicht, dass die Zeitgenossen den Umständen des Herrscherwechsels in der Regel einen anderen Namen gaben – und zwar selbstverständlich auch, aber eben nicht nur aus strategischen oder propagandistischen Gründen. Insofern ist letztlich verständlich, warum die Forschung in der Vergangenheit in der Regel einen spezifischen Herrscherwechsel – sei es als Absetzung, Umsturz, Revolution, etc. – in den Fokus genommen hat, statt wie hier die übergreifende Perspektive zu wählen. Im Blick auf den Einzelfall ist diese bewusste Komplexitätsreduktion schlicht nicht immer gleichermaßen plausibel.

Was der Einzelfall auch bei Sarti dagegen sehr gut offenbart ist, dass in den politischen Diskussionen und Handlungen einzelner Herrscher:innenabsetzungen letztlich immer wieder und vielleicht vor allem die Frage der politischen Souveränität und ihrer legitimen und illegitimen Quellen und Träger zu Tage tritt. Das ist, mit Blick auf die schwedischen Stände des 16. Jahrhunderts oder den 1689 gipfelnden Konflikt zwischen monarchischer und parlamentarischer Souveränität in England, letztlich ja auch die forschungsgeschichtlich einschlägige Perspektive. Auch Sarti streift dieses Problem wiederholt in den späteren Kapiteln. Als konzeptioneller Rahmen wirkt die Frage nach der Souveränität letztlich jedenfalls naheliegender als ein, wie hier, recht weit gefasster Begriff von Staatsbildung, dessen Verbindung mit dem konkreten Material zwar immer schlüssig, aber nie so recht zwingend wirkt. Die vorgetragenen Punkte schmälern tendenziell die Anschlussfähigkeit des Erarbeiteten an andere Forschungsfelder. Was sie hingegen keinesfalls schmälern, sind die souverän vorgetragene, erstmalige Zusammenschau von Herrscher:innenabsetzungen in Nordeuropa, die vorbildlich durchgehaltene Vergleichsperspektive und die enorme Kenntnis und Übersicht in der Präsentation des komplexen Materials.