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Titel
Die Währung der Politik. Eine politische Ideengeschichte des Geldes


Autor(en)
Eich, Stefan
Erschienen
Anzahl Seiten
390 S.
Preis
€ 40,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sebastian Teupe, Gesellschaft für Unternehmensgeschichte

„Die Währung der Politik“ von Stefan Eich, im Original 2022 und 2023 in der deutschen Übersetzung erschienen, ist eine explizit politisch motivierte Ideengeschichte des Geldes. Eich möchte erklären, „wie es dazu kam, dass die Politik des Geldes aus dem Blickfeld gedrängt wurde“ (S. 16), und plädiert auf dieser Grundlage für eine Re-Politisierung. Als Ideengeschichte sucht „Die Währung der Politik“ nach den entscheidenden Argumenten für und wider eine Politik des Geldes in der Geschichte. Fündig wird Eich in der Antike bei Aristoteles, in der Frühen Neuzeit bei Locke und in der Moderne bei Fichte, Marx und schließlich Keynes. Deren geldtheoretische und -politische Überlegungen diskutiert er, und das ist einer der großen Vorzüge dieses Buches, im Kontext ihrer durch wirtschaftliche Krisen geprägten Zeit.

Jedem der fünf Denker ist ein eigenes Kapitel gewidmet, das jeweils die für Eich zentralen Argumente herausarbeitet und sowohl den wirtschafts- und sozialhistorischen als auch den ideenhistorischen Kontext beschreibt. Aristoteles dient Eich vor allem dazu, das Geld als eine „auf Konvention beruhende politische Institution“ (S. 70) zu begreifen. Hier arbeitet Eich die Grundlage für eine Politik des Geldes heraus, wobei diese von Aristoteles nicht ausschließlich positiv bewertet worden sei, sondern eine ausgeprägte „Janusköpfigkeit“ zeigte. Locke, dessen „metallistische“ Argumente zur Münzpolitik Eich im Kontext der Glorious Revolution und ihrer Folgewirkungen diskutiert, wird dagegen als Begründer einer „Politik der Entpolitisierung des Geldes“ (S. 108) eingeführt. Die im frühen 19. Jahrhundert nach der Aufhebung der Goldkonvertibilität 1797 in Großbritannien kontrovers diskutierte Frage des Papiergelds verfolgt das Buch dagegen aus der ungewohnten Perspektive des deutschen Philosophen Johann Gottlieb Fichte. Eich begründet dies damit, dass Fichtes Argumente zum ungedeckten „Fiatgeld“ und den Vorteilen national autonomer Geldpolitik besonders „hellsichtig“ (S. 138) gewesen seien. Von Fichte führt der ideenhistorische Weg des Buches zu Marx. Dieser setzte sich ausführlich mit geldpolitischen Theorien auseinander, nur um schließlich zu dem Schluss zu gelangen, dass von Veränderungen auf diesem Gebiet keine gesellschaftlichen Verbesserungen zu erwarten seien. Für sein eigenes Argument ist diese Feststellung, wie Eich selbst bemerkt, eine „erhebliche Herausforderung“ (S. 150).

Den Ausweg liefert Keynes. Diesem fällt im fünften und längsten Kapitel die Aufgabe zu, die zuvor geschilderten „konkurrierenden Visionen von monetärer Gerechtigkeit“ zu „verbinden“ und ihre Nachteile zu „überwinden“ (S. 189). Den Schwerpunkt der Analyse liefert die 1930 erschienene Schrift „Vom Gelde“, in der Keynes sich umfassend mit dem Wesen des Geldes (beeinflusst durch Knapp), des Kredits und der Notwendigkeit niedriger Zinsen auseinandersetzt. Zudem diskutiert Eich Keynes Überlegungen einer monetären Nachkriegsordnung, um auch die internationale Dimension der Geldpolitik zu würdigen. Die geldpolitischen Entwicklungen nach dem Zusammenbruch von Bretton Woods und der „Great Inflation“ der 1970er-Jahre stehen im Zentrum des sechsten Kapitels. Hier liefert Eich eine konkrete historische Erklärung für den von ihm konstatierten Prozess der Entpolitisierung des Geldes in der zeitgenössischen politischen Theorie, die nicht nur durch die Argumente von Marx und Locke beeinflusst worden sei, sondern auch durch die Entwicklungen der 1970er- und 1980er-Jahre. Das Kapitel beschreibt allerdings weniger eine spezifische politiktheoretische „Demonetisierung“ (S. 256) als eine „Entpolitisierung“ (S. 263) wirtschaftlicher Fragen insgesamt, wenngleich der bis zum „Volcker-Shock“ von 1979 als gescheitert wahrgenommenen Inflationsbekämpfung für das Denken von Habermas und Co. eine besondere Rolle zukommt.

Eich hat ein sehr interessantes und gut lesbares Buch geschrieben, dessen Bewertung stark davon abhängt, in welches Genre man es einordnet. Als Ideengeschichte des Geldes hat das Buch einige Stärken, aber auch Schwächen. Positiv hervorzuheben ist die Verortung der geldpolitischen Überlegungen in ihrem jeweiligen spezifischen, oft durch Kriege und theoretische Kontroversen geprägten historischen Kontext. Eich beleuchtet zentrale Fragen der Geldfunktionen, des Geldwerts, der Steuerungsfähigkeit und des Bezugs zur „Realwirtschaft“ auf verständliche Weise und im konkreten Rückgriff auf wichtige Ideengeber.

Die historische Einordnung der geldpolitischen Überlegungen überzeugt weniger, zumal Eich explizit selektiv vorgeht und die theoriegeschichtliche Literatur nur oberflächlich streift.1 Dass zwischen Fichte und Keynes kein Geldtheoretiker auf die Idee gekommen sei, die eigene Währung bewusst zu kontrollieren (S. 138), ist eine grobe Verkennung der geldtheoretischen Debatten des späten 19. Jahrhunderts. Diese internationalen Debatten, an denen sich neben William Stanley Jevons auch Francis A. Walker sowie der von Keynes geschätzte Herbert Somerton Foxwell beteiligten, entstanden im Kontext der desaströsen deflationierenden Wirkungen des Goldstandards.2 Auch Irving Fisher setzte sich noch vor Keynes für eine bewusste Währungskontrolle ein, wenn auch mit einem völlig anderen politischen Hintergrund. Angesichts der von Eich diskutierten Fragen des Verhältnisses von Geldpolitik und „Realwirtschaft“ ist es ungünstig, dass ausgerechnet Keynes „How to Pay for the War“ fehlt. Diese 1940 publizierten Überlegungen sind für die Grenzen geldpolitischer Steuerungsmöglichkeiten noch immer weiterführend.

Aus wirtschaftshistorischer Sicht enthält das Buch einige fragwürdige Behauptungen. Zwar versteht Eich die im Februar 1797 von Pitt verordnete Aufhebung der Goldkonvertibilität völlig zurecht als bedeutende Zäsur. Seine Behauptung, „die herkömmlichen Auffassungen von Geld“ hätten sich damit „in Luft aufgelöst“ (S. 121), dürften aber überzeichnet sein. Erstens schienen sich durch die folgende Inflation viele dieser herkömmlichen Auffassungen zu bestätigen, was ja die „Bullionists“ nicht müde wurden zu betonen. Zweitens lässt sich aus einer institutionellen Veränderung kein Rückschluss auf die Bedeutung des Geldes für die Bevölkerung ziehen. Walker etwa hätte behauptet, dass die konkrete Zirkulationsfähigkeit gegenüber dem Edelmetallwert für die Bevölkerung stets die entscheidende Rolle spielte. Ob das Jahr 1797 in dieser Hinsicht tatsächlich für die „erstaunten Beobachterinnen“ alles auf den Kopf stellte, ist demnach eine empirische Frage, die sich aus ideenhistorischer Perspektive nicht beantworten lässt. Die Frage der Geldauffassungen ist jedoch insofern von Bedeutung, als eine der zentralen geldtheoretischen Innovationen des 20. Jahrhunderts gerade in der Berücksichtigung gesellschaftlicher Erwartungen bestand. Es ist bedauerlich, dass Eich durch das weitgehende Ausblenden dieser Frage kaum anschlussfähig für die ökonomische Theorie sein dürfte.

Auch die historisch-institutionellen Entwicklungen im Bereich der Banken und Zentralbanken finden keine den Argumenten angemessene Berücksichtigung. Die Bank of England war gerade nicht die „Quelle von Wechselbriefen“ (S. 121). Diese Wechsel entstanden vielmehr, wie etwa der von Eich zitierte Bagehot sehr deutlich machte, in der „real economy“. Diese Unterscheidung ist aber gerade mit Blick auf die politische Regulierung wichtig, weil sie zeigt, wie im 19. Jahrhundert geldpolitische Überlegungen von Fragen der Bankenregulierung gar nicht zu trennen waren. Die bedeutende Rolle der Zentralbanken kommt im abschließenden Epilog klar zur Geltung, findet in den vorangegangenen Kapiteln aber keine adäquate Entsprechung. Dass etwa die Bank of England 1946 verstaatlicht wurde, wird nicht erwähnt, wie überhaupt nahezu die gesamte historische Literatur zur Geschichte der Zentralbanken im Literaturverzeichnis fehlt.3

Am überzeugendsten ist „Die Währung der Politik“ als Impulsgeber. Man muss die politische Stoßrichtung der Überlegungen nicht teilen, die zumindest dezent einer gesellschaftlichen Instrumentalisierung der Geldpolitik das Wort reden. Eich ist es aber ohne Frage gelungen, aus einer historischen Betrachtung heraus ein starkes und fundiertes Argument für eine Auseinandersetzung mit geldpolitischen Fragen zu entwickeln. Für diese Auseinandersetzung liefert das Buch vielfältiges und lehrreiches Material.

Anmerkungen:
1 So fehlen etwa nicht nur Axel Leijonhufvud und Roger Backhouse im Literaturverzeichnis, sondern auch die für Eichs Überlegungen zentralen Standardwerke David Laidlers: David Laidler, The Golden Age of the Quantity Theory, Princeton, N.J 1991; Ders., Fabricating the Keynesian revolution. Studies of the inter-war literature on money, the cycle, and unemployment, Cambridge 1999.
2 Siehe bspw. Herbert Somerton Foxwell, Irregularity of Employment and Fluctuations of Prices, Edinburgh 1886.
3 Siehe etwa Stefano Ugolini, The Evolution of Central Banking. Theory and History, London 2017; John Singleton, Central Banking in the Twentieth Century, Cambridge 2011; Charles A. E. Goodhart, The Evolution of Central Banks, Cambridge, MA 1988.