P. Adorf: Die Republikanische Partei in den USA

Cover
Titel
Die Republikanische Partei in den USA. Geschichte, Parteistruktur, Radikalisierung


Autor(en)
Adorf, Philipp
Reihe
utb
Erschienen
München 2024: UTB
Anzahl Seiten
250 S.
Preis
€ 27,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Constantin M. März, Kulturwissenschaftliches Institut Essen

Ein Elefant als die Verkörperung der Republikanischen Partei rast im vollen Galopp aus der Finsternis kommend auf die Betrachter:innen zu. Zügellos, aggressiv, unheimlich, destruktiv, gewaltig – das sind die Attribute, die das Cover von Philipp Adorfs Monographie der Republikanischen Partei zuschreibt und so als Narrativ des Werkes vorneweg präsentiert.

Es handelt sich hier bereits um die zweite Auflage des Überblickswerks „Die Republikanische Partei in den USA“ von Adorf, und die Entwicklungen der letzten fünf Jahre scheinen die Situation nicht unbedingt entspannt zu haben. Der Elefant vom Cover der ersten Auflage 20191 trabte uns in der Abendsonne auf einer ruralen US-„dirt-road“ noch eher gemächlich entgegen – Gefahr wurde hier eher sublim durch das Aufziehen dunkler Wolken signalisiert. Die Ereignisse der letzten Jahre haben den Blick auf die Republikaner nun allerdings nochmals verdüstert.

Adorf ist ein Politikwissenschaftler und Soziologe, der 2015 mit einer Arbeit zur „Southernization“ und „Evangelicalization“ der US-Republikaner in Bonn promoviert wurde.2 Er vertritt wie auch Torben Lütjen und einige US-Autoren3 die sinnvolle These, dass der heute die US-Republikaner dominierende Konservatismus die Konsequenz aus Entwicklungen und Ideen ist, die in den 1960er-Jahren ihren Anfang nahmen. Prägend war dabei der Aufstieg des „Goldwaterismus“ (zurückgehend auf den Präsidentschaftskandidaten Barry M. Goldwater) in der Partei und die „Eroberung“ der vormals „blauen“ Südstaaten für die Republikaner.

Adorf wählt daher übergreifend zwei Sehepunkte: Dies sind erstens „Race“ und zweitens Religion. Seine Darstellung ist in drei Haupteile gegliedert, die chronologisch größtenteils in die Ebenen Vergangenheit, jüngere Gegenwart und Zukunft geteilt sind. Der erste Teil beginnt mit einer anschaulichen Darstellung der Vorgeschichte und der Nachwirkungen („Reconstruction“) des US-Bürgerkrieges in Bezug auf das Parteiensystem und die politische Geographie. Das Buch dreht sich hier primär um die Situation der schwarzen US-Bürger:innen und den weißen, südstaatlichen Widerstand gegen deren Emanzipation und Integration. Nach dem Sprung in die 1960er-Jahre widmen sich die folgenden drei Unterkapitel Figuren, die für die Genese der „Southern Strategy“ zentral waren. Beginnend mit dem von seinen Gegnern als „Extremist“ attackierten Senator Goldwater und seiner vordergründig absurd hohen Niederlage in den US-Präsidentschaftswahlen schildert der Autor, wie sich dieses Fiasko mittelfristig zu einem strategischen Sieg entwickeln sollte. Zwar hatte Goldwater neben seinem Heimatstaat Arizona nur fünf weitere Staaten gewonnen, diese lagen aber allesamt im Süden. Darauffolgend wird dargestellt, wie Richard M. Nixon mit einer fast zur Blaupause gewordenen populistischen Wahlkampagne die Präsidentschaft errang und wie sich vor diesem Hintergrund dessen Wirtschafts- und Sozialpolitik darstellte. Sinnvoll erscheint ebenso die Inkludierung von Figuren wie die des Demokraten George C. Wallace in die Betrachtung. Der Gouverneur von Alabama machte in den 1960er- und 1970er-Jahren mit auf „White Backlash“ zielenden Narrativen auf sich aufmerksam (S. 37–52). Dann folgt der Blick auf die Ära der konservativen Heilsgestalt Ronald R. Reagan, und hierbei fokussiert sich Adorf vor allem auf die Entstehung einer „elektoralen Allianz“, die ab diesem Zeitpunkt dezidiert die christlichen Rechte miteinschloss, und auf den Charakter von Reagans extrem wirtschaftsliberaler Politik als gegen die afroamerikanische Bevölkerung gerichtete Umverteilung in die weiße Mittel- und Oberschicht. Das erste Hauptkapitel schließt mit dem Blick auf die „Southern Strategy“ ab den späten 1980er-Jahren bis etwa 2016, auch Sarah L. Palin und Willard Mitt Romney finden sich hier noch ein. Forschungspraktisch greift Adorf in diesem Teil des Buches primär auf geschichtswissenschaftliche Sekundärliteratur sowie Zitate aus dieser zurück.

Die Zeit nach 2000 wird im zweiten Teil des Buches noch detaillierter behandelt, in dem Adorf sich deutlich stärker datenbasiert auf einzelne Gruppen wie beispielsweise die „Tea Party“ fokussiert. Abschließend bietet das letzte Hauptkapitel einen ebenfalls datengefütterten Blick auf gesellschaftliche und politische Strukturen der gegenwärtigen und zukünftigen USA.

Dem Autor ist ein pointiert gearbeitetes Überblickswerk zur Republikanischen Partei gelungen, das in seiner Schwerpunktsetzung auf die Faktoren „Race“ und Religion durchaus neue Erkenntnisse bringt. Der zweite und dritte Hauptteil erlauben ein tieferes und auf Strukturen bauendes Verständnis gegenwärtiger Entwicklungen in der US-Rechten wie im ganzen Land. In diesen Teilen spielt der Politologe und Soziologe Adorf seine Stärken voll aus. Die von ihm genutzten Sprachbilder sind oftmals überzeugend und destillieren gut verständlich komplexe Zusammenhänge. Einige Thesen sind mindestens originell und bestenfalls überzeugend, wie die Ansicht, dass die demographisch-politische Entwicklung Kaliforniens in den vergangenen 30 Jahren eine Dynamik vorwegnähme, die das gesamte Land erfassen und langfristig Republikanische Siege sehr schwierig machen würde (S. 151–153). Ideengeschichtlich hebt Adorf zutreffend die seit 1964 im konservativen Lager etablierten Apokalypse-Narrative hervor, die alle Jahre aufs Neue einen Schicksalskampf um die Seele und Zukunft Amerikas zelebrieren und in Donald J. Trumps Rhetorik ihre bis dato wohl extremste Ausprägung gefunden haben (S. 48–50). Trotz der im Grundsatz sehr kritischen Perspektive auf den US-amerikanischen Konservatismus lässt der Autor Ambivalenzen zu, etwa wenn er das Umsichgreifen von „Law and Order“-Narrativen im politischen Raum der 1960er-Jahre mit der statistisch nachweisbaren Explosion von Kriminalität in jenem Jahrzehnt in Verbindung setzt (was die rassistische Ausbeutung jenes „Gefühl des staatlichen Kontrollverlustes“ damit weder legitimiert noch entschuldigt) (S. 39–40). Positiv sind ebenso die Einbeziehung und Reflexion unterschiedlicher historischer Forschungsmeinungen, etwa wenn divergierende Einschätzungen zu Ronald Reagans Minderheitenpolitik behandelt und reflektiert werden (S. 62–64).

Allerdings ergeben sie aus der Schwerpunktsetzung auch diverse, teilweise problematische blinde Flecken, wie die Ausklammerung anderer Zeitabschnitte im direkteren Vorfeld der Goldwater-Ära. Hier unterscheidet sich Adorf von Lütjen, der die Zwischenkriegszeit als Ära der Depression und des gigantischen (Demokratischen) Reformprojektes „New Deal“ ebenso miteinbezieht wie die Kriegszeit und vor allem den danach auch innerhalb des Landes um sich greifenden Geist des Kalten Krieges.4 Der „New Deal“ und der Sozialismus/Kommunismus hatten aber tiefgreifenden Einfluss auf die Republikanische Partei als Negativfolie, auch wenn dieser für zwei Jahrzehnte von 1933 bis 1953 der Zugriff auf die US-Präsidentschaft verwehrt blieb. Der Vietnamkrieg wird ein einziges Mal im Kontext von Protesten erwähnt, der Kalte Krieg gegen den Weltkommunismus praktisch gar nicht.5 Begriffe wie Faschismus, Weltwirtschaftskrise/Depression oder Sowjetunion sind komplett absent. Ebenso wenig werden die Jahre von George W. Bushs globaler Interventionspolitik, die innenpolitischen Auswirkungen des „War on Terror“ und die ökonomische Weltkrise des Jahres 2008 näher beleuchtet. Dazu findet der Demokrat Wallace (zurecht) seinen Platz im Buch, aber nicht die Konservativen Phyllis S. Schlafly oder William F. Buckley Jr.. Die anti-kommunistische „John Birch Society“ als Ahnen der Verschwörungstheoretiker unserer Ära Trump hätten eine Inkludierung ebenfalls verdient, da diese Gruppierung für die Republikanische Partei in deren ideologischer (Nicht-)Abgrenzung nach Rechtsaußen seit den 1950er-Jahren eine prägende Rolle spielte.6 Der gegenwärtige US-Konservatismus wäre außerdem ohne seine medialen Räume nicht vorstellbar. Insofern hätte die Transformation der US-Medienöffentlichkeit mehr Augenmerk, wenn nicht gleich ein eigenes Unterkapitel verdient gehabt.7 Generell wäre ebenso eine knappe Typisierung und Einordnung der über viele Jahrzehnte in der Partei existenten unterschiedlichen Strömungen sinnvoll gewesen.

All dies sind Aspekte, die man in dem Werk von Adorf vermissen könnte, da sein Titel den Anspruch erhebt, einen umfassenden Überblick über „die“ Geschichte der Republikaner zu bieten – was ein auf 200 Seiten zugegebenermaßen ehrgeiziges Unterfangen darstellt. Das Buch erklärt die Genese der US-Rechten als Mobilisierung von primär weißen Wähler:innen im Süden des Landes, die fundamentale Auswirkungen auf den ideologischen Charakter der Partei und weitergehend das gesamte Land hatte. Diese „southernization“ und „evangelicalization“, wie es Adorf in seiner Dissertation nannte, ist überzeugend dargestellt und öffnet ein Fenster zum Verständnis der Gegenwart. Insgesamt ist Adorfs Monographie eine gewinnbringende Lektüre und nicht nur für die akademische Lehre oder das eigene Studium uneingeschränkt zu empfehlen.

Anmerkungen:
1 Philipp Adorf, Die Republikanische Partei in den USA (utb 5238), München 2019.
2 Erschienen als: Philipp Adorf, How the South Was Won and the Nation Lost. The Roots and Repercussions of the Republican Party's Southernization and Evangelicalization, Göttingen 2016.
3 Torben Lütjen, Partei der Extreme. Die Republikaner. Über die Implosion des amerikanischen Konservatismus, Bielefeld 2016; siehe etwa: Eugene Joseph Dionne Jr., Why the Right Went Wrong. Conservatism – From Goldwater to Trump and Beyond, New York 2016.
4 Lütjen, Partei der Extreme, S. 15–24 und S. 25–36.
5 Die einzige Ausnahme ist die Erwähnung des Begriffs im Rahmen der Paraphrase eines Pat Buchanan-Zitats auf S. 157.
6 Siehe hierzu: Matthew Dallek, Birchers. How the John Birch Society Radicalized the American Right, New York 2023.
7 Siehe hierzu: Nicole Hemmer, Messengers of the Right. Conservative Media and the Transformation of American Politics, Philadelphia 2016.

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