K. Pansters (Hrsg.): Companion to Medieval Rules and Customaries

Cover
Titel
A Companion to Medieval Rules and Customaries.


Herausgeber
Pansters, Krijn
Reihe
Companions to the Christian Tradition 93
Erschienen
Anzahl Seiten
XI, 438 S.
Preis
€ 229,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Robert Harlaß, Historisches Seminar, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Nur wenige mittelalterliche Texte haben eine so weitreichende Verbreitung und Rezeption erfahren wie die Regeln der geistlichen Orden. In dem hier zu besprechenden Band wurde erstmals der Versuch unternommen, die wichtigsten Ordensregeln und Consuetudines-Texte des lateinischen Mittelalters unter der verbindenden Fragestellung nach ihren historischen Entstehungs- und Wirkungskontexten vorzustellen. Schon der Titel verspricht der Leserschaft eine handbuchartige Darstellung der Geschichte normativer Quellen geistlicher Orden. Ob der von Krijn Pansters herausgegebene Band sein Versprechen aus der Perspektive des Rezensenten hält und was den Leser erwartet, soll im Folgenden besprochen werden.

Auch wenn der Band vor allem Ordensregeln und Consuetudines (als die Regeln ergänzende und erweiternde Ausführungsbestimmungen) fokussiert, werden häufig auch die jeweiligen Statuten als dritte wichtige Kategorie mittelalterlicher normativer Basistexte der religiösen Orden mit einbezogen. Neben den Texten monastischer Orden (u.a. Benediktiner, Zisterzienser, Kartäuser) finden auch die der regulierten Kanoniker (u.a. Augustiner Chorherren, Prämonstratenser) und der Bettelorden (u.a. Franziskaner, Dominikaner, Klarissen, Karmeliter) einen Platz in der übersichtlich gegliederten Abhandlung. Damit wird durch den Band ein sehr umfangreicher Teil der mittelalterlichen Ordensvielfalt abgedeckt.

Leserinnen und Leser, die noch kein tiefergehendes Wissen über die mittelalterlichen Ordensregeln mitbringen, finden als Auftakt einen reichhaltigen Überblick etwa zu einschlägigen methodischen Zugängen der Geschichtsforschung, zur Forschungslandschaft der Ordensgeschichte sowie zum editorischen Bearbeitungsstand der in den einzelnen Beiträgen zu behandelnden Primärquellen. Der einführende Beitrag von Pansters hat insofern tatsächlich den Charakter eines „Companion“ zur mittelalterlichen Ordensgeschichte, der durch die einzelnen Beiträge ergänzt wird. Die Autorinnen und Autoren derselben kontextualisieren die ausgewählten Texte nach einem vorgegebenen, wenn auch nicht im Detail bindenden Schema, das ausführlich in der Einleitung des Herausgebers erklärt wird. Das Schema beinhaltet zunächst eine Einführung zur Geschichte des betreffenden Ordens mit besonderem Fokus auf der Spezifik der jeweiligen spirituellen Praktiken. In einem zweiten Schritt folgt der inhaltliche Hauptteil, der das überlieferte normative Schrifttum der Orden, dessen Rezeption sowie andere damit in Zusammenhang stehende textuelle und materielle Quellen behandelt. Letztlich soll ein dritter Schritt die Besonderheiten der im Beitrag vorgestellten Texte zusammenfassend vorstellen.

Die 13 Einzelbeiträge werden eröffnet von der Kontextualisierung der Benediktsregel. James G. Clark diskutiert dabei verschiedene Aspekte wie etwa die spirituelle, soziale oder auch juristische Dimension dieses für die monastische Tradition des Mittelalters überaus wichtig gewordenen Regeltextes. Daran anknüpfend erläutert Emilia Jamroziak insbesondere die Entwicklung, die Struktur und die Inhalte der überlieferten zisterziensischen Gebräuche und Gewohnheiten, schriftlich fixiert in den Ecclesiastica officia und dem für Laienbrüder bestimmten Usus conversorum. Stephen J. Molvarec und Tom Gaens geben einen Überblick zu den Consuetudines der Kartäuser. Dabei werden die Entstehung derselben und die wichtigsten Strukturelemente betrachtet. Im Folgenden untersucht Paul von Geest den soziologischen, historischen und philosophischen Kontext der Augustinusregel (Praeceptum), ihre textliche Dynamik, Entwicklung und Rezeptionsgeschichte. Die schriftliche Überlieferung, sowie die frühe Geschichte von Saint-Ruf wird von Ursula Vones-Liebenstein vorgestellt. Sie untersucht sowohl das Gemeinschaftsleben ordnende Strukturelemente als auch zum Beispiel spirituelle Aspekte der unter dem augustinischen Praeceptum lebenden Kanoniker von Saint-Ruf. Carol Neels Beitrag zum „Prämonstratensischen Projekt“ behandelt die Geschichte, die Genese der normativen Texte sowie das propositum der Prämonstratenser von den Anfängen bis in die Moderne. Anschließend werden die Regeln und Gewohnheiten der drei bedeutendsten Ritterorden – Templer, Johanniter und Deutscher Orden – von Kristjan Toomaspoeg vergleichend dargestellt.

Das weltliche Engagement der Ritterordensgemeinschaften schlägt eine Brücke zu den Bettelorden und deren normativer Überlieferung. Gert Melvilles Beitrag kontextualisiert die Constitutiones der Dominikaner durch die Betrachtung ihrer Entstehung, Entwicklung, autoritativen Geltung sowie Struktur und Inhalte. Hervorzuheben ist, dass Melville die Constitutiones nicht nur als normative Quelle betrachtet, sondern auch als identitätsstiftendes Element der Dominikaner. Holly J. Grieco behandelt in ihrem Beitrag insbesondere die historische Entwicklung, Rezeption und Interpretation der franziskanischen Regula non bullata und der Regula bullata vor dem Hintergrund ihrer Doppelfunktion als spirituelle Leittexte einerseits und normative Rahmen des gemeinschaftlichen Ordenslebens andererseits. Daran anschließend untersucht Bert Roest unter anderem den historischen Kontext sowie die Entwicklung und Rezeption der Regel der Klarissen sowie ausgewählter Quellen anderer franziskanischer Frauengemeinschaften. Jean-François Godet-Calogeras diskutiert die Formierung des sogenannten franziskanischen dritten Ordens, der regulierten Tertiaren, und dessen Verbindung zu Franziskus und den Franziskanern. Coralie Zermatten geht der Redaktion und Rezeption der Karmeliterregel nach. Im Fokus des Beitrages steht dabei die Rolle der Regel als Basis weiterer normativer Texte der Karmeliter sowie die Entwicklung des Ordens von einer eremitischen Gemeinschaft hin zu einem Bettelorden. Abschließend diskutiert Matthew Ponesse die Augustinusregel als Grundlage auch einer Vielzahl eremitischer Gruppierungen des späteren Mittelalters wie vor allem der Augustinereremiten.

Aus der Perspektive der Beitragsauswahl ist besonders hervorzuheben, dass etwa mit den Ritterorden auch geistliche Institutionen behandelt werden, die durch ihre Fokussierung auf den Heidenkampf ein wesentlich anderes Profil entwickelten als die übrigen religiösen Gemeinschaftsformen. Solche grundlegenden Diversitäten werden vor allem innerhalb der überlieferten Regeltexte deutlich. Durch die Einbeziehung dieser Texte wird die Vielfalt geistlicher Regeln und anderer normativer Quellen vergleichbar. Darin liegt nicht nur ein erklärtes Ziel des Herausgebers für diesen Band, sondern auch ein großer Mehrwert für die Forschungen zur vergleichenden Ordensgeschichte.

Zusammenfassend hält der preisintensive Band sein Versprechen, ein sehr durchdachtes Werk mit handbuchartigem Charakter für den Einstieg und die Vertiefung in die normative Schriftlichkeit im Umfeld der religiösen Orden und Gemeinschaften zu sein. Durch die profunde und inhaltsreiche Einführung Pansters´ in das Thema, die Struktur und das Ziel des Bandes sowie die weitgehend einheitliche Gliederung der durchweg sehr überzeugenden Einzelbeiträge wird das Werk für die künftige Beschäftigung mit mittelalterlichen normativen Texten eine zentrale Lektüre darstellen. Auch wenn ein eigener Abschnitt für die im Beitrag von Ponesse erwähnten Wilhelmiten, deren Generalstatuten unlängst von Jörg Sonntag ediert worden sind1, wünschenswert gewesen wäre, wird hiervon der deutliche Mehrwert des Bandes für die vergleichende Ordensforschung nicht geschmälert.

Anmerkung:
1 Jörg Sonntag (Hrsg.), Die Statuten der Wilhelmiten (1251–1348). Zeugnisse der Verfassung eines europäischen Ordens, Regensburg 2019.

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