: Das Konzept der Generation. Eine Wissenschafts- und Kulturgeschichte. Frankfurt am Main 2008 : Suhrkamp Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-518-29455-0 385 S. € 14,00

Lovell, Stephen (Hrsg.): Generations in Twentieth-Century Europe. . Basingstoke 2007 : Palgrave Macmillan, ISBN 978-0230-00891-5 256 S. £ 50.00/$ 84.95/€ 73,99

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Volker Depkat, Institut für Anglistik und Amerikanistik, Universität Regensburg

Das Thema „Generation“ erfreut sich in nationalen wie in internationalen Forschungszusammenhängen eines wachsenden Interesses quer durch die Disziplinen. Deshalb ist die Generationenforschung ungeachtet der in jüngster Zeit gerade von Historikern unternommenen Versuche, etwas Ordnung in das komplexe Forschungsfeld zu bringen, durch begriffliche Vielfalt, methodische Pluralität und thematische Heterogenität gekennzeichnet.1 Insgesamt aber bewegen sich die einschlägigen Arbeiten in einem Spannungsfeld, das von drei Polen bestimmt wird: „Generation“ wird erstens als objektive, nach Alterskohorten geordnete soziale Formation erörtert, die durch eine altersgruppenspezifische Schichtung von Erfahrungen definierbar ist. Zweitens wird „Generation“ als ein Diskursphänomen verstanden, das als Kategorie sozialer Selbst- und Fremdthematisierung ein wichtiger Gegenstand einer kulturgeschichtlich erweiterten Sozialgeschichte ist, die nach der „doppelten Realität“ sozialer Phänomene als objektiver Struktur und als „imagined community“ fragt. Drittens ist „Generation“ auch ein privates, sich in Abstammung, Genealogie und Generativität von Familien manifestierendes Phänomen.

Die deutsche Geschichtswissenschaft hat sich bisher vor allem mit der Generationenproblematik im 20. Jahrhundert beschäftigt. Die fortschreitende Auflösung sozialer Milieus und die Erosion der Klassengesellschaft, vor allem aber die durch scharfe Zäsuren und tiefe Erfahrungseinbrüche gekennzeichnete Geschichte des vergangenen Jahrhunderts verleihen der Kategorie „Generation“ eine besondere Attraktivität, wenn es darum geht, soziale Gruppen als „Schicksalsgemeinschaften“ (Friedrich Tenbruck) zu identifizieren oder politische und kulturelle Wandlungsprozesse in Abhängigkeit von „Generationalität“ zu beschreiben.2 Dabei war die Diskussion der Historiker bis vor kurzem fast ausschließlich von Karl Mannheims Aufsatz „Das Problem der Generationen“ aus dem Jahr 1928 bestimmt, doch entfaltet sich die jüngere Forschung auch in der Kritik an Mannheims inzwischen kanonisch gewordenem Text. Kritisch gesehen wird die enge Bindung von Mannheims Generationenbegriff an die Kategorie „Jugend“ – und hier vor allem an die bürgerlich-männlichen Bildungs- und Funktionseliten. Zudem wird gefragt, ob „Generation“ als objektive soziale Formation wie als Diskursphänomen eher als national spezifisches oder als internationales Phänomen beschreibbar sei. Schließlich wurde gefordert, den Generationenbegriff Mannheims selbst zu historisieren und im Kontext der 1920er-Jahre zu begreifen.3 Vor diesem Hintergrund sind die beiden hier vorgestellten Bücher zu bewerten.

Die von Ohad Parnes, Ulrike Vedder und Stefan Willer gemeinsam verfasste Wissenschafts- und Kulturgeschichte des Generationenkonzepts ist das Ergebnis einer langjährigen interdisziplinären Zusammenarbeit der Autoren im Rahmen zweier aufeinanderfolgender Forschungsprojekte am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin. Herausgekommen ist eine sehr gelungene, ungemein informative und wahrhaft interdisziplinäre Studie, die vor allem eines leistet: das Konzept der Generation in einem denkbar breiten zeitlichen Rahmen zu historisieren. Obwohl von drei Autoren verfasst, ist die Darstellung insgesamt wie aus einem Guss. Es gelingt auf beeindruckende Weise, die Geschichte des Wort- und Begriffsfeldes „Generation“ in seiner Vielschichtigkeit, seinen Kontinuitäten und seinen Transformationen zu rekonstruieren sowie seine Relevanz für die Generationendiskurse der Gegenwart zu reflektieren.

Erkenntnisleitend ist die These, dass der Generationenbegriff ein „Potenzial für eine Selbstdeutung moderner gesellschaftlicher Phänomene“ habe (S. 16), weshalb eine kulturwissenschaftliche Analyse des Generationenbegriffs als Ordnungskonzept und Selbstthematisierungskategorie angebracht sei. Darüber hinaus beruht die Argumentation auf der Beobachtung, dass das Konzept der Generation im Rahmen der fortschreitenden Verzeitlichung des Geschichtsbewusstseins seit dem späten 18. Jahrhundert den bis dahin dominanten Fokus auf Herkommen und Vergangenheit verloren habe und „programmatisch auf Fortschritt und Futurisierung“ ausgerichtet worden sei (ebd.).

Die Autoren entfalten die Geschichte des Generationenkonzepts in zwölf Kapiteln. Auf den einleitenden, die Aktualität und Historizität des Generationenkonzeptes reflektierenden Abschnitt folgt ein Kapitel zur Wort-, Begriffs- und Metapherngeschichte. Das gesamte Begriffsfeld oszilliere historisch um „Konzepte von Leben und Nachleben, von Übertragung und Vererbung“ (S. 18). „Doppeldeutigkeiten [...] wie die zwischen Entstehung und Produkt, Zeugung und Abstammung, Generativität und Gattung, Synchronie und Diachronie“ hätten die „innere Dynamik des Generationenbegriffs“ angetrieben (S. 39).

Von diesem wort- und begriffsgeschichtlichen Befund ausgehend wird in zehn Kapiteln die Geschichte des Konzepts der Generation im Detail rekonstruiert – von ihren vormodernen Anfängen im genealogischen Denken des Mittelalters (Kapitel 3) über die physiologischen Fermentations-, Zersetzungs- und Generationsdiskurse des 17. Jahrhunderts (Kapitel 4) bis hin zur Futurisierung des Generationenkonzepts während der Epoche der demokratischen Revolutionen (Kapitel 5). Die nächsten vier Kapitel wenden sich der Geschichte des Generationenkonzepts im 19. und frühen 20. Jahrhundert zu. Die zunehmende Biologisierung der Generationentheorie im Spannungsfeld von literarisch-ästhetischen Geniediskursen und Zeugungstheorien, von Vererbungslehren und den auf die bürgerliche Familie bezogenen Ordnungsvorstellungen wird hier ebenso dicht beschrieben wie die zunehmende Verflechtung von biologischen Generationentheorien und soziologischem Denken. Im Zuge dieser Entwicklung wurde „Generation“ zu einem wichtigen Thema der Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften. Sowohl als Kontinuitätsmodell wie auch als Konfliktmodell und „Unterbrechungskategorie“ (Ulrike Jureit) strukturierte „Generation“ die Debatten über Tradition und Innovation, über Individualität und Kollektivität sowie über die Ursachen und Rhythmen historischen Wandels. Unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs verschoben sich die Generationendiskurse in Richtung Konfliktmodell. Die radikale Idee einer Kluft zwischen den Generationen wird damit zum Phänomen derjenigen historischen Epoche, in der unter anderem Karl Mannheim seine wirkungsmächtige Abhandlung verfasste.

Die letzten drei Kapitel sind der Entwicklung des Generationenkonzepts seit 1945 gewidmet. Kapitel 10 rekonstruiert die Idee eines „generation gap“ als strukturierendes Element der westlichen Generationentheorien. Kapitel 11 thematisiert unter dem Signum „Transgenerationalität“ psychologische und sozialwissenschaftliche Übertragungskonzepte, wie sie in der Auseinandersetzung mit nicht-genetisch bedingten Eigenschaften und Krankheitsbildern, Traumata und Schizophrenie entwickelt worden sind. Das zwölfte Kapitel wendet sich, konzentriert auf „Klone“ und „Hermaphroditen“, der Generationsproblematik in der literarischen Anthropologie der Gegenwart zu. Eine gründliche Bibliographie, die einschlägige Titel aus verschiedenen Disziplinen zusammenträgt, rundet die Studie ab.

Insgesamt wird in diesem Buch eine breite Vielfalt von teils sehr heterogenen Texten aus verschiedenen Diskursebenen und -zusammenhängen vorgestellt, um den Generationendiskurs in seinen Verästelungen, Überlagerungen und Schnittstellen zu rekonstruieren. Die interdisziplinäre Zusammenschau macht die großen Linien deutlich und taucht doch immer wieder tief in Details und spezielle Zusammenhänge ein. In welchen Bezügen das Konzept der Generation reflektiert und in welche kulturgeschichtlichen Zusammenhänge es eingebettet wird, ist anregend und weiterführend. Zwar gleitet die Darstellung gelegentlich etwas ins spezialistische Klein-Klein ab, doch verliert sie sich nie vollends darin. Den Autoren gelingt es auf beeindruckende Weise, die Erkenntnisse aus verschiedenen Disziplinen und Wissenszusammenhängen für andere Disziplinen zu übersetzen und sie im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Geschichte des Konzepts der Generation zu reflektieren. Die Kontingenz von „Generation“ als Phänomen und Faktor der Geschichte der westlichen Welt lässt sich am Ende dieser Darstellung mit den Händen greifen. Es ist deshalb etwas überraschend, dass die Studie nicht zumindest ein Kapitel über Generationendiskurse in außereuropäischen bzw. nicht-westlichen Gesellschaften enthält.

Der von Stephen Lovell herausgegebene Sammelband konzentriert sich auf das Generationenproblem im 20. Jahrhundert. Für den Kenner der deutschen zeitgeschichtlichen Forschung kommt Lovells einleitende Bemerkung, Historiker hätten sich mit der Bedeutung altersbedingter Gruppenbildung bisher eher schwer getan, zunächst überraschend. Der von ihm organisierte europäische Vergleich zeigt jedoch, dass sowohl die Bedeutung der Kategorie „Generation“ für die historische Dynamik der einzelnen europäischen Staaten als auch der Stand der Diskussion in den einzelnen Nationalhistoriographien sehr unterschiedlich sind. Es ist deshalb durchaus berechtigt zu untersuchen, „how, if at all, age mattered in twentieth-century Europe“ (S. 2). Die Beiträge des Bandes machen das Konzept der Generation in zweierlei Hinsicht für die historische Analyse nutzbar. Einerseits geht es um „Generation“ als (Diskurs-)Kategorie interessegeleiteter sozialer Selbstthematisierung, andererseits werden Generationen als objektiv identifizierbare Erfahrungsgemeinschaften untersucht.

Der Band enthält neben der problemorientierten Einleitung des Herausgebers zehn Aufsätze von Historikerinnen und Historikern, die sich mit verschiedenen Aspekten der Generationenthematik in der Sowjetunion, in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien auseinandersetzen. Was Stil, Zuschnitt, thematische Gewichtung und epochalen Fokus betrifft, sind die Beiträge sehr unterschiedlich. In regionaler Hinsicht ist die Zusammenstellung der Beiträge eher unausgewogen: Für die Sowjetunion wird die Generationenthematik gleich in vier Aufsätzen erörtert, für Deutschland sind es zwei, und dann gibt es jeweils einen für Frankreich, Spanien und Großbritannien. Hinzu kommt Holger Nehrings Beitrag „’Generation’ as a Political Argument in West European Protest Movements“, der die Protestbewegungen der 1960er-Jahre in Westdeutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien vergleicht.

Die vier Beiträge zur sowjetischen Geschichte sind konzentriert auf „Generation“ als alterskohortenspezifische Erfahrungsgemeinschaft. Der „ersten sowjetischen Generation“, also den in den 1920er-Jahren geborenen Jahrgängen, gilt die besondere Aufmerksamkeit. S.A. Smith zeigt, wie die staatlichen Institutionen der UdSSR gezielt, aber mit begrenztem Erfolg versuchten, eine „erste sowjetische Generation“ durch eine aggressiv-militante Erziehung zum Atheismus zu kreieren. Mit den gleichen Alterskohorten beschäftigt sich Anna Krylova. Sie nimmt das von der staatlichen Politik verordnete Konstrukt der „stalinistischen Persönlichkeit“ zum Anlass, danach zu fragen, wie sich die in den 1920er-Jahren Geborenen zu dieser Norm verhalten haben. Der Kern ihrer Argumentation ist die Beobachtung, dass das zentrale Merkmal der „ersten sowjetischen Generation“ ein gemeinsamer revolutionärer Habitus sein sollte, der in einer „working-class experience“ ankerte, die den gut ausgebildeten und für Funktionärs- und Angestelltenkarrieren im Staatsapparat vorgesehenen Alterskohorten tatsächlich fehlte. Catriona Kelley wendet sich den Erfahrungen der letzten Sowjetgeneration zu. Auf der Basis von Oral-History-Interviews arbeitet sie die relative Homogenität der lebensgeschichtlichen Erfahrungen dieser Alterskohorten heraus. Als Konsum- und Mediengeneration wurden sie laut Kelley nachhaltig durch relativen materiellen Wohlstand, die fortschreitende Anhebung des Lebensstandards und das Fernsehen geprägt. Stephen Lovell kann schließlich zeigen, wie die anfängliche Abwertung der Alten im Zeichen der revolutionären Jugendfixiertheit in die sukzessive Aufwertung der älteren Generationen überging. Vor allem nach 1945 kam es zu einem politischen Phasenwechsel, der die Generation des „Großen Vaterländischen Krieges“ zum zentralen Objekt sozialstaatlicher Fürsorge werden ließ.

Die beiden Aufsätze zur deutschen Geschichte stammen von Bernd Weisbrod und Nicholas Stargardt. Weisbrod gibt einen gedrängten Überblick zur Generationendiskussion im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Als typisch für diese Diskussion identifiziert er die Tendenz, Generationen als politische Akteure zu sehen, ihnen ein spezifisch historisch-politisches Bewusstsein zuzubilligen und sie in ein antagonistisches Verhältnis zueinander zu setzen. Stargardt untersucht die Figur des „Kriegskindes“ in Deutschland nach 1945 als Thematisierung deutscher Schuld und deutschen Leidens im Zweiten Weltkrieg und kontrastiert diesen homogenisierenden Diskurs mit der tatsächlich vielfältigen Art und Weise, in der Kinder das „Dritte Reich“ und den Zweiten Weltkrieg erfuhren. Die „Kriegskinder“ seien weniger durch ihre gemeinsamen Erfahrungen, sondern vielmehr durch die Erinnerungs- und Geschichtspolitik vorangegangener und nachfolgender Generationen zu einer Generation gemacht worden.

Für Spanien erörtert Sandra Souto Kustrín die soziale und politische Mobilisierung der Jugend und will die Generationentheorie Ortega y Gassets von diesem Kontext her verstehen. Der Hauptteil des Beitrags besteht jedoch in einem institutionengeschichtlichen Überblick zu den Jugendorganisationen der diversen politischen Kräfte im Kontext der Zwischenkriegszeit. Die Autorin argumentiert, dass Spanien in Bezug auf Demokratieentwicklung und Modernisierung relativ rückständig war, weshalb auch der Generationendiskurs im Spanien der 1920er- und 1930er-Jahre vergleichsweise unterentwickelt gewesen sei.

Richard Vinen analysiert die geschichts- und erinnerungspolitischen Debatten in Frankreich zwischen 1940 und 1970 und fragt nach Gründen für das dortige Fehlen einer „specifically generational mobilization related to World War II“ (S. 42). Weder zur Mobilisierung für politische Forderungen noch als Kategorie sozialer Selbstbeschreibung habe „Generation“ in Frankreich eine wichtige Rolle gespielt, stellt Vinen fest; er führt dies im Kern auf die ambivalenten Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs zurück.

Vinens Beobachtungen sind anschlussfähig an Nehrings Beitrag, der „Generation“ als politisches Argument der Selbstermächtigung politischer Bewegungen und Platzhalter „for fundamental debates about the nature of political movements and social groups“ (S. 57) erörtert. Er kann zeigen, dass „Generation“ in enger Koppelung mit „Jugend“ die Wahrnehmung, Selbstlegitimierung und Mobilisierung des Protests im Westdeutschland der 1960er-Jahre entscheidend geprägt hat, während dies weder in Italien noch in Frankreich oder Großbritannien in vergleichbar starkem Maße der Fall gewesen sei.

Dazu passt der Befund, den Pat Thane in ihrem Aufsatz zu Großbritannien präsentiert. Sie geht der Frage des Alterns im Spannungsfeld von öffentlichem Diskurs, staatlicher Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und privater Erfahrung nach. Dabei kommt sie zu dem Schluss, dass in erster Linie die staatliche Sozialpolitik generationsbildend gewirkt habe, während „Generation“ für die Dynamik historischen Wandels in Großbritanniens vor allem deshalb keine große Rolle gespielt habe, weil das Land keine vergleichbar tiefen Zäsuren wie Deutschland oder Italien im 20. Jahrhundert erfahren habe.

Insgesamt hinterlässt der Band einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits ermöglicht der europäische Vergleich viele neue Einsichten, und einzelne Aufsätze sind lesenswert. Das gilt vor allem für die Beiträge zur Generationenproblematik in der Sowjetunion, die in diesem Band noch die schärfsten Konturen gewinnt, oder für Nehrings gelungenen Vergleich. Ebenfalls weiterführend ist, dass zwei Beiträge die „Jugendfixiertheit“ der Generationenforschung durch die Beschäftigung mit den Alten zu überwinden trachten. Letztlich hält der Band aber nicht alles, was der Titel verspricht – was mit der regional-nationalen Unausgewogenheit, der Heterogenität der Beiträge, aber vor allem mit der bloßen Addition nationalgeschichtlicher Zugänge zu tun hat.

Insgesamt ist festzustellen, dass das Problem der Generation immer facettenreicher und komplexer wird, je länger man in historischer Perspektive darüber nachdenkt. Im Lichte der hier angezeigten Bücher scheint die für die deutsche Generationendebatte typische Fixierung auf Karl Mannheims kanonischen Text nicht nur deshalb problematisch, weil das Konzept als Produkt der Erfahrungsgeschichte des 20. Jahrhunderts selbst noch weiter historisiert werden muss, sondern auch deshalb, weil es sich offenbar nur bedingt auf die Zusammenhänge und Kontexte anderer Nationalgeschichten anwenden lässt. Gleichzeitig legen es die Ergebnisse der beiden Bände auf unterschiedliche Weise nahe, „Generation“ nicht nur auf der Diskursebene als Selbstthematisierungskategorie im Rahmen der Imaginationsprozesse von Gemeinschaft zu analysieren, wie es im Zuge der kulturgeschichtlichen Erweiterung der Sozialgeschichte oft geschieht. Vielmehr erscheint es sinnvoll, „Generation fachübergreifend als erfahrungsgeschichtliche Kategorie aufzufassen“.4 Das wiederum verlangt, die Selbst- und Fremdthematisierung von Generationen in Abhängigkeit von objektiv nachweisbaren Erfahrungsstrukturen zu untersuchen und sich dabei das Bewusstsein dafür zu erhalten, dass das eine nicht im anderen aufgeht. Das Problem der Generationen bleibt auch 80 Jahre nach Mannheim ein Problem.

Anmerkungen:
1 Vgl. vor allem Ulrike Jureit / Michael Wildt (Hrsg.), Generationen. Zur Relevanz eines wissenschaftlichen Grundbegriffs, Hamburg 2005; Ulrike Jureit, Generationenforschung, Göttingen 2006.
2 Jüngst vor allem Jürgen Reulecke (Hrsg.), Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, München 2003.
3 Jürgen Zinnecker, „Das Problem der Generationen“. Überlegungen zu Karl Mannheims kanonischem Text, in: Reulecke, Generationalität, S. 33-58; Christina Benninghaus, Das Geschlecht der Generation. Zum Zusammenhang von Generationalität und Männlichkeit um 1930, in: Jureit / Wildt, Generationen, S. 127-158; Andreas Schulz / Gundula Grebner, Generation und Geschichte. Zur Renaissance eines umstrittenen Forschungskonzepts, in: dies. (Hrsg.), Generationswechsel und historischer Wandel, München 2003, S. 1-23.
4 Jureit, Generationenforschung, S. 17.

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