Wissenschaft und Nationalsozialismus

Schleiermacher, Sabine; Schagen, Udo (Hrsg.): Die Charité im Dritten Reich. Zur Dienstbarkeit medizinischer Wissenschaft im Nationalsozialismus. Paderborn 2008 : Ferdinand Schöningh, ISBN 978-3-506-76476-8 272 S. € 19,90

Schleiermacher, Sabine; Schagen, Udo; unter Mitarbeit von Andreas Malycha und Johannes Vossen (Hrsg.): Wissenschaft macht Politik. Hochschule in den politischen Systembrüchen 1933 und 1945. Stuttgart 2009 : Franz Steiner Verlag, ISBN 978-3-515-09315-6 266 S. € 34,00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christoph Kopke, Moses Mendelssohn Zentrum fuer europaeisch-juedische Studien, Universität Potsdam

Der Sammelband "Charité im Dritten Reich" widmet sich einer der damals wichtigsten medizinischen Einrichtungen Deutschlands. Der Band geht zum Teil auf eine Ringvorlesung in den Jahren 2006 bis 2007 zurück. Der traditionsreiche Klinikkomplex – rechtlich als Stiftung nicht Teil der Universität – diente seit dem 19. Jahrhundert auch als Lehrkrankenhaus der Berliner Universität und war mit dieser vielfach personell und organisatorisch verbunden. Die medizinische Fakultät der Berliner Universität war mindestens seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert die größte und bedeutendste im Deutschen Reich, zur Jahreswende 1932/33 war fast ein Viertel der in Berlin eingeschriebenen Studierenden Studenten der Medizin. Über 330 Hochschullehrer, davon 23 Ordinarien, sorgten für eine umfassende medizinische Ausbildung in Theorie und klinischer Praxis.

In einem Überblick kennzeichnet Johannes Vossen die Medizinische Fakultät im Nationalsozialismus als Ort „willfähriger Wissenschaft“, der Übergang in den NS-Staat lief weitgehend reibungslos. Anhand dreier Beispieldisziplinen geht Vossen auf die Fachentwicklung näher ein und zeigt am Beispiel der Gynäkologie und Psychiatrie die Rolle von Fakultätsangehörigen bei der Umsetzung von NS-Rassepolitik, Eugenik und bei den Medizinverbrechen. Insgesamt erlebte die Universitätsmedizin – nicht nur in Berlin – „im NS-System eine Blütezeit“ (S. 36). Die Fakultät verstand es, ihre Spielräume geschickt zu nutzen und aus der „Allianz mit dem Staat Nutzen für die medizinische Wissenschaft nutzen zu ziehen“ (ebd.).

Wie schnell und umfassend die Machtübergabe an die NSDAP sich auf Alltag und Zusammensetzung von Fakultät und Charité auswirkten, ist Gegenstand nachfolgender Beiträge. Peter Th. Walther betont eingangs, dass die rasche personalpolitische ‚Säuberung’ schon vor 1933 „angedacht und vorgeplant“ (S. 37) war, bevor sie ministeriell formalisiert und schließlich reichsweit in den Universitäten umgesetzt wurden. An der Medizinischen Fakultät gab es 1933 zahlreiche Entlassungen und Versetzungen in den Ruhestand, sowie Entziehungen der Lehrbefugnis. Das betraf neben fünf beamteten außerordentlichen Professoren ausschließlich weitere 69 nicht beamtete a.o. Professoren, Honorarprofessoren bzw. Privatdozenten. Die Tatsache, dass kein ordentlicher Professor der Fakultät unter die Ausschlussbestimmungen fiel, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Berufungspraxis an der Medizinischen Fakultät weit vor 1933. Bislang „nicht systematisch untersucht“ sind die Auswirkungen der „Säuberung“ auf das Personal in den Instituten und Kliniken und die Schicksale der betroffenen Doktoranden, Habilitanden und Studierenden. Unter der Fragestellung „Wer wurde vertrieben? Wie wenig wissen wir?“ trägt Udo Schagen die verfügbaren biographischen Informationen zusammen. Drei umfangreiche Tabellen (S. 58-64) enthalten biographische Angaben zu den a) durch das NS-Regime entlassenen 160 Hochschullehrern der Medizinischen Fakultät, b) betroffenen Mitarbeiter der Institute und Kliniken, bislang kaum erforscht (25 Personen) und c) zu den 16 Dozenten, „die in unmittelbarer Folge der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik den Tod fanden“.

Am Beispiel von Karl Bonhoeffer und Maximilian de Crinis untersucht Volker Roelcke das Verhältnis von politischen Zwängen und Handlungsspielräumen innerhalb der Universitätspsychiatrie. Er konstatiert, dass auch die „massenhaften Zwangssterilisationen und Krankentötungen“ während der NS-Zeit nur vor dem Hintergrund komplexer Kontinuitätslinien zu verstehen sind, die bis weit vor 1933 zurückreichen (S. 83).

Andreas Frewer zeigt den Aufschwung der institutionalisierten Medizingeschichte und deren Beiträge zur ideologischen Erhöhung von „Arzttum“ und paracelsischer Medizin sowie bei der Entwicklung einer spezifisch nationalsozialistischen Medizinethik. Der Beitrag geht auch auf die Rolle des Ordinarius Paul Diepgen und auf die Verbindungen zum neu entstandenen militärhistorischen Institut der SS ein. Andreas Winkelmann beleuchtet das Wirken des Anatomen Hermann Stieve, der auch an Ovarien hingerichteter Widerstandskämpferinnen forschte. Winkelmann will als Anatom „Schlussfolgerungen für die heutige Forschung und Lehre in der Anatomie […] ziehen“ (S. 106). Thomas Beddies geht auf die Pädiatrie an der Charité unter Georg Bessau ein. Vor allem beschreibt Beddies detailliert die TBC-Impfversuche an Kindern, von denen einige tödlich verliefen, und ordnet diese klar den verbrecherischen Menschenversuchen (im Unterschied etwa zu klinischen Heilversuchen) im Nationalsozialismus zu: Die „Bereitstellung behinderter Kinder für wissenschaftliche Experimente unter bewusster Inkaufnahme von Schmerzen, Gesundheitsschäden und auch von tödlichen Ausgängen“ entsprach „in eindeutiger Weise der Funktionalisierung der Insassen von Konzentrations- und Kriegsgefangenenlagern für die dort durchgeführten Menschenversuche.“ (S. 130) Gabriele Czarnowski kennzeichnet die Gynäkologie an den Berliner Universitätsfrauenkliniken als „Politische Gynäkologie“. Sie untersucht das in Teilen ambivalente Wirken des berühmten Frauenarztes und Klinikleiters Walter Stoeckel und beleuchtet differenziert die theoretischen und praktischen Beiträge zur Sterilisationspolitik von Stoeckel und dessen Kollegen an der Charité, Georg A. Wagner. Cay-Rüdiger Prüll untersucht die Geschichte des Pathologischen Instituts, stellt die Frage nach Handlungsspielräumen und diskutiert abschließend die verhängnisvolle Rolle vermeintlich ‚unpolitischer’ Ordinarien.

Sabine Schleiermacher thematisiert die Implantation ideologisch besonders nahe am Nationalsozialismus stehender medizinischer Diskurse bzw. Subdisziplinen in die Fakultät. Konkret geht es um die „Geomedizin“, die der Hygieniker Heinz Zeiss, Inhaber des Lehrstuhles für Hygiene, zu etablieren suchte und das eigens geschaffene Ordinariat für Rassenhygiene, das dem Rassenhygieniker Fritz Lenz übertragen wurde. Beide Berufungen erfolgten nicht auf Vorschlag der Fakultät, die sich ihrerseits aber nicht gegen das Vorgehen des Ministeriums zu wehren suchte und die Entscheidungen akzeptierte. Die tragende Rolle beider Professoren bei der ideologischen Absicherung und Begründung der Genozidpolitik wird herausgearbeitet: „Lenz und Zeiss stellten die wissenschaftliche Expertise für Umsiedlung, Deportation und Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen zur Verfügung. Ihre wissenschaftliche Legitimation generierten sie, indem sie eine ‚natürliche’ Verbindung von ‚Volk’, ‚Raum’ und Krankheit konstruierten. Durch ihre wissenschaftliche Produktion wie Politikberatung trugen sie zur Verschiebung ethischer Wertsetzungen und zur Akzeptanz nationalsozialistischer Vernichtungspolitik bei.“ (S. 186) Wolfgang U. Eckarts Portrait des weltberühmten Chirurgen Ernst Ferdinand Sauerbruch entschlüsselt den schon von Sauerbruch geschaffenen Mythos des makellosen Mediziners. Sauerbruch muss mindestens von den Mengele-Versuchen in Auschwitz Kenntnis gehabt haben, da er als Gutachter im Reichsforschungsrat Berichte erhielt und Mittelanträge Otmar von Verschuers verlängerte. Unklar bleibt seine genaue Kenntnis der Vorgänge in Auschwitz. Dass den Ordinarien Handlungsspielräume nicht nur theoretisch zur Verfügung standen, sondern auch praktisch genutzt werden konnten, verdeutlich Udo Schagen in seinem Aufsatz über den Pharmakologen Wolfgang Heubner. Heubner, der aus seiner Distanz zum NS-Staat keinen Hehl machte, zeigte sich als integrative Persönlichkeit, der in seinem Institut die unterschiedlichsten Wissenschaftler beschäftigte. Nicht zuletzt war er daran beteiligt, dem inhaftierten und zum Tode verurteilten Robert Havemann durch Forschungsaufträge das Leben zu retten.

Die Charité und die Forschungspolitik von Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWI) und Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) beleuchtet Hans-Walter Schmuhl. Er zeigt auf, dass die Förderung genetischer Forschungen zwar „Details der nationalsozialistischen Erbgesundheits- und Rassenpolitik“ kritisierte, dies aber dazu führte, „die nationalsozialistische Biopolitik auf den neuesten Stand der humangenetischen Forschung zu bringen“ (S. 244). Abschließend diskutiert Stefanie Endlich die Sinnhaftigkeit und Funktion von Denkmälern bei der Aufarbeitung von Charitégeschichte bzw. der NS-Medizinverbrechen. Danach folgt eine von Sabine Schleiermacher zusammengestellte Aufstellung von „Kurzbiografien der im Nürnberger Ärzteprozess angeklagten und der an Verbrechen beteiligten Angehörigen der Berliner Medizinischen Fakultät“, die elf Mediziner auflistet (S. 255ff.).

Insgesamt wird der Band dem Anspruch, „einen Überblick über die Entwicklung der Berliner Medizinischen Fakultät anhand des Verhaltens ihrer wichtigsten Fachvertreter während des Nationalsozialismus zu geben“ (S. 18), gerecht. Der Titel ist ein wenig irreführend, konzentrieren sich die meisten Beiträge doch auf die Medizinische Fakultät, werden die an der Charité wirkenden Mediziner vorwiegend aus der Hochschulperspektive betrachtet. Die „Berliner Medizinische Wissenschaft im Nationalsozialismus“ wäre ein vielleicht besserer Titel gewesen, da der Alltag an den Kliniken, die Pflegebedingungen und deren Veränderungen, die Perspektive der Patienten, der Klinikärzte und Pfleger, kurzum die Geschichte des akademischen Krankenhauses im Nationalsozialismus auch nach der Lektüre der Aufsätze dieses Bandes kaum Konturen annimmt.

Einen weiteren Bogen schlagen die Aufsätze in dem Band "Wissenschaft macht Politik". Der Sammelband entstand im Kontext des DFG-Projektes zur Geschichte der „Charité im Wechsel staatlicher Systeme“ .

Die Beiträge kreisen um die Frage: „Wann und warum reagierten die Universitäten gegenüber der jeweiligen politischen Macht […] eher zurückhaltend oder aber offensiv auf politische Entwicklungen?“ (S. 9) Derartige vergleichende Untersuchungen können sich auf eine inzwischen recht gute Forschungslage bezüglich der Entwicklungen des Jahres 1933 stützen; im „Vergleich hierzu sind“, wie Sabine Schleiermacher einleitend bemerkt, „die Auswirkungen des politischen Umbruchs nach 1945 auf ost- und westdeutsche Hochschulen erst wenig untersucht.“ (S. 10)

Im Kapitel „Hochschulpolitik im Wechsel politischer Systeme: Akteure, Zielsetzungen, Konsequenzen“ wendet sich Johannes Vossen den Auswirkungen des Systemwechsels von 1933 auf die Hochschulpolitik zu. Eine ausformulierte Hochschulpolitik hat der Nationalsozialismus vor 1933 nicht besessen und so bestand diese zunächst fast ausschließlich in der „Säuberung“ der Universität von politischen Gegnern und Juden. Dem folgte der personelle Neuaufbau des Lehrkörpers. Ansätze von Hochschulreformen und grundlegende Strukturveränderungen scheiterten auch in späteren Jahren regelmäßig. Für die Andienung der Wissenschaft an den NS waren diese aber auch gar nicht vonnöten, Hochschulen und Wissenschaftler stellten sich dem System aus einer „Mischung von Lockung und Zwang“ selbst „bereitwillig zur Verfügung“ (S. 27).

Andreas Malycha vergleicht in seinem Aufsatz die Hochschulpolitik in den vier Besatzungszonen 1945-1949. Er fragt nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Politik der Entnazifizierung und ob diese zur Erneuerung der Hochschulen führte. Konnte in der DDR zwar 1951 eine Hochschulreform von oben durchgesetzt werden, „kollidierte“ die „staatliche Hochschulpolitik immer wieder mit historischen Kontinuitäten, den Beharrungskräften des historisch gewachsenen Milieus der Ordinarienfakultäten und dem notgedrungenen Pragmatismus“. Im Westen hingegen verhinderte die konservative Professorenschaft zwar tiefgreifende Reformen; die von den Alliierten betriebene Bildungs- und Wissenschaftspolitik, neue Studienfächer und der Austausch mit ausländischen Universitäten haben allerdings „seit 1947 […] die politische Orientierung westdeutscher Hochschulangehöriger an der Werteordnung der westlichen Demokratien maßgeblich gefördert.“ (S. 47)

Der Ausschluss bestimmter Personengruppen vom Studium war Folge beider Systembrüche. Udo Schagen verdeutlicht aber die grundsätzlich verschiedenartigen Motive der Maßnahmen von 1933 und 1945: Wurde 1933 aus rassistischen und politischen Gründen Menschen das Studium verwehrt – und zunächst auch Frauen durch Quotenregelungen diskriminiert – sollten nach 1945 jene, die verantwortlich oder schuldig an Massenmord und Krieg waren, der Zugang zur Universität verwehrt sein.

Im Kapitel „Kontinuitäten und Nachkriegslegenden“ zeigt Oliver Lemuth, dass 1933 für die Universität Jena keine Zäsur darstellte – waren in Thüringen schon seit 1930 die Nationalsozialisten an der Macht und hatten bereits in ihrem Sinne bildungspolitisch gewirkt. Im Nationalsozialismus wuchs die Verflechtung mit Industrie und Staat, rein ideologische Konzepte – wie die „Deutsche Physik“ – verloren an Einfluss, es ging um die Bereitstellung von „wissenschaftlichen und technischen Ressourcen für die Rasse- Umvolkungs- und Vernichtungspolitik“ (S. 78).

In Fallstudien wenden sich Anna Lux und Jens Thiel Biographien von Wissenschaftlern zu, die trotz unterschiedlicher Karrierewege im Nationalsozialismus in der DDR erfolgreich Positionen besetzen konnten. Aus wissenschafts- und machtpolitischen Gründen konnten jenseits der proklamierten Entnazifizierung in der Personalpolitik der Hochschulen flexibel vorgegangen werden. Tatsächliches oppositionelles Verhalten und konstruierte „Antifa-Legenden“ bildeten die Eintrittsbillets der NSDAP-Mitglieder in den Wissenschaftsbetrieb von SBZ und DDR.

Mit „Pragmatische Grenzen des Neubeginns“ ist das dritte Kapitel überschrieben. Sigrid Oehler-Klein vergleicht „Aufbruchstimmung“ (1933) und „Aufbauwille“ (1945) an der Medizinischen Fakultät der Universität Gießen. Seit 1933 achtete die Fakultät darauf, dass nur Nationalsozialisten neu berufen wurden. 1945 fanden sich die Angehörigen der Fakultät in der Medizinischen Akademie Gießen – erst 1957 wurde die Universität wiedergegründet – wieder. „Das Fehlen der Begeisterung“ für die neue Ordnung wirkte sich so aus, dass es keine einheitliche „gleichgeschaltete“ Personalpolitik mehr gab und die Auseinandersetzungen offener wurden. Neben NS-Gegnern und Verfolgten wurde auch „eine Reihe von ehemaligen Nationalsozialisten“ wieder auf Lehrstühle berufen (S. 148). Ulrich Koppitz, Thorsten Halling und Heiner Fangerau beschreiben „Nazifizierung und Entnazifizierung am Beispiel der Medizinischen Akademie Düsseldorf“ und Bernd Grün vergleicht die Personalpolitik an der Universität Tübingen 1933 mit der von 1945. In einem abschließenden Kapitel werden vergleichbare ausländische und zum Teil außereuropäische Beispiele präsentiert.

Ota Konrad beschreibt den Prozeß der nationalistischen Radikalisierung der Deutschen Hochschule Prag seit 1918 und der zunehmenden offenen Parteinahme für den Nationalsozialismus seit 1933. Die Umwandlung zur „Reichsuniversität Prag“ – bei gleichzeitiger Schließung der tschechischen Universität bildete nur den Abschluss dieser Entwicklung. Welche Auswirkungen diese Schließung der tschechischen Universität auf die Medizinische Fakultät und das Kliniksystem Prags hatte, zeigt Petr Svobodny.

Anschließend beschreibt Hans Martin Krämer, wie in Japan an den dortigen Hochschulen 1945 weitaus gründlicher personell und ideologisch erneuert wurde. Treibende Kraft der „Säuberungen“ waren vielerorts die Studenten; großzügige Pensionszahlungen erleichterten den Betroffenen den auch freiwilligen und dauerhaften Verzicht auf die vormaligen Stellungen.

Eine Entnazifizierung besonderer Art stellt die an der Wiener Medizinischen Fakultät dar. Nach einer kurzzeitigen Entlassungswelle im Jahr 1945 waren davon eigentlich nur noch solche Nationalsozialisten betroffen, die schon vor 1938 in der „illegalen“ NSDAP waren. Ingrid Arias konstatiert: „Eine Entnazifizierung im Sinne einer politischen Umerziehung, einer geistigen Erneuerung, einer Ausrichtung zu demokratischen Strukturen hat an der Universität Wien, und besonders an der medizinischen Fakultät, bedingt durch die Rückkehr der Parteigänger des autoritären Ständestaates und der Belassung eines Großteiles nationalkonservativer Lehrkräfte und ehemaliger Parteigänger des Nationalsozialismus nie stattgefunden. Eine Umorientierung vollzog sich an der Medizinischen Fakultät […] lediglich als Bestrebung, eine Anbindung an die Wissenschaft der Westalliierten zu finden.“ (S. 261)

Trotz der unterschiedlichen politischen Situationen, die die Jahre 1933 und 1945 markieren – und auch unabhängig von der Frage, inwieweit gerade das Jahr 1933 an einzelnen Universitäten überhaupt eine gravierende Zäsur darstellte - verdeutlicht der Vergleich eine überraschend starke Stellung der Universität und ihrer Strukturen, die diese auch geschickt zu nutzen wusste: in der Selbstmobilisierung und Selbstindienststellung für den Nationalsozialismus einerseits und in Schuldnegierung und der Abwehr allzu tiefgreifender Entnazifizierung andererseits.

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