T.E. Morrissey: Conciliarism and Church Law in the Fifteenth Century

Cover
Titel
Conciliarism and Church Law in the Fifteenth Century. Studies on Franciscus Zabarella and the Council of Constance


Autor(en)
Morrissey, Thomas E.
Reihe
Variorum Collected Studies CS1043
Erschienen
Farnham 2014: Ashgate
Anzahl Seiten
366 S.
Preis
£ 90.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dieter Girgensohn, Seminar für mittlere und neuere Geschichte, Georg-August-Universität Göttingen

Der Untertitel lässt die zusammenfassende Klammer erkennen, den eigentlichen Gegenstand des Bandes hervortreten: Francesco Zabarella, Rechtsprofessor und Kardinal an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert, sein Wirken und seine literarische Produktion, mit besonderer Betonung bestimmter Aspekte aus dem Lebenswerk. Gesammelt sind darin 15 Aufsätze aus den Jahren 1976 bis 2008, dazu zwei erstmals veröffentlichte Tagungsreferate von 2000 und 2010. Ausgangspunkt dieser Arbeiten ist die Dissertation: „Franciscus de Zabarellis (1360–1417) and the Conciliarist Traditions“, approbiert 1973 an der Cornell University in Ithaca, New York; sie ist ungedruckt geblieben. Die bereits bekannten Aufsätze werden unverändert reproduziert, nur haben zwei Artikel einen neuen Seitenumbruch erhalten. Der Verfasser hat auf Korrekturen, Nachträge oder erläuternde Bemerkungen verzichtet. Die kurze Einleitung bietet im Kern eine Literaturübersicht. Die Menge der Publikationen aus jüngerer Zeit demonstriert das Interesse an Zabarella, sie fordern eigentlich zur Auseinandersetzung heraus.

Von den bereits bekannten Aufsätzen zu nennen ist zuerst die biographische Skizze „Ein unruhiges Leben. Franciscus Zabarella an der Universität von Padua (1390–1410): die Welt, die Nikolaus von Kues vorfand” (Nr. II) – der Bezug zum viel jüngeren deutschen Kardinal ist der ursprünglichen Funktion als Tagungsreferat geschuldet. Entsprechend dem Buchtitel ist breiter Raum dem Konziliarismus gewidmet, besondere Aufmerksamkeit erfahren einzelne kirchenrechtliche Aspekte wie “papal and episcopal authority”, “papacy, community and limitations upon authority” (Nr. XIII, XIV). Dabei stößt man auf die grundsätzliche Schwierigkeit, dass dieser Begriff in Kombination mit dem Namen Zabarella die Tür zu einem Missverständnis öffnet, denn nach dem vorherrschenden Sprachgebrauch findet das Wort Konziliarismus seine charakteristische Verwendung bei der Erörterung des prinzipiellen Streites über den Vorrang an der Spitze der römischen Kirche: Papst oder Konzil. Diese Zuspitzung aber geschah im Wesentlichen erst nach dem Konstanzer Konzil, also nach Zabarellas Tod. Er selbst hätte eher die Formel gewählt: Papst und Konzil. In seinen intensiven Überlegungen über das Generalkonzil und dessen Funktion, die sich bis hin zu Fragen des korrekten Verfahrens erstreckten (“‘More Easily and More Securely’: Legal Procedure and Due Process at the Council of Constance”, Nr. IX), war die Rangordnung nicht das vordringliche Thema. Auf der einen Seite sah er den Papst im Besitz der plenitudo potestatis mit der Vollmacht, Recht zu setzen, doch müsse er das herkömmliche Recht beachten. Auf der anderen Seite, der des Konzils, war für ihn unbestritten, dass es im Regelfall vom Papst einberufen und geleitet wird gemäß der Rechtsentwicklung seit dem hohen Mittelalter. In der aktuellen Situation des schier unüberwindlich scheinenden Papstschismas ließ die Sorge um den status ecclesiae, ein für Zabarella fundamentales Anliegen, ihn nach einem praktischen Weg zur Beendigung der Spaltung suchen. Darauf basiert seine Argumentation für das Konzil der allgemeinen Kirche als Lösung in einer Notlage, denn das Kirchenrecht bot kein Heilmittel: Die streitenden Päpste fielen aus, deshalb sollten die Kardinäle es einberufen, so dass die Versammlung über die Kontrahenten entscheiden könne: als die Repräsentation der Kirche, denn diese habe niemanden über sich außer Gott allein. So klingt kein Beitrag zum prinzipiellen Streit über den Vorrang von Papst oder Konzil, vielmehr ging es dem juristischen Experten nur um dessen mögliche Funktion in verfahrener Situtation. Das ist allenfalls Konziliarismus in statu nascendi; doch besser bleibe der Begriff für Positionen in der grundsätzlichen Auseinandersetzung reserviert. Mit dem Konzil in Konstanz und Zabarellas dortigem Wirken beschäftigen sich mehrere Aufsätze: über seine Beteiligung bei der Ausformulierung des Dekrets Haec sancta, mit dem die bestürzten Konzilsväter auf die Flucht Johannes’ XXIII. reagierten, indem sie festhielten, das Generalkonzil sei auch ohne den Papst zu tagen berechtigt – wobei die Umsicht des Juristen sich allerdings nicht völlig gegen die Dynamik der drangvollen Stunde durchsetzen konnte; über die Beziehung zu König Sigmund, dem wichtigsten weltlichen Unterstützer des Konzils; über Zabarellas Bemühungen um die Reform. Sein Engagement für die Wiederherstellung der Einheit in der römischen Kirche illustriert der Verfasser durch die Analyse der Ansprachen auf dem Konzil; das sind schöne Beispiele für das reiche oratorische Œuvre, hier dank den genauen Angaben in den Handschriften ohne Zuschreibungsprobleme, während solche bei anderen Reden durchaus auftreten.

Neu sind zwei Referate. “Padua in Crisis and Transition Around 1400” (Nr. XVI) ist auf neun Seiten eine Skizze der politischen Situation. “A Sermon for the Feast of the Saints Peter and Paul, June 29 1407: a Mixed Papalist Response” (Nr. XVII) bietet die Inhaltsangabe einer Predigt mit langen Zitaten und ausgiebigem Sachkommentar. Den Text benutzt der Verfasser in zwei Handschriften, die auch mehrere Ansprachen Zabarellas enthalten, doch ergibt die inhaltliche Analyse, dass er selbst als Autor kaum in Frage kommt, hat er doch die päpstliche Machtvollkommenheit nicht derart bedingungslos vertreten, wie das in der Predigt geschieht. Der zeitliche Ansatz des Verfassers greift zu kurz, denn für die Datierung ausschlaggebend ist, dass Gregor XII. in Venedig als Papst anerkannt wurde, und das galt für den 29. Juni auch 1408 bis 1409.

Die nochmalige Veröffentlichung einer Arbeit bietet die Chance, neue Einsichten wirksam werden zu lassen. So hätte die aus der Untersuchung der gerade erwähnten Predigt gewonnene Erkenntnis für die Revision eines älteren Aufsatzes fruchtbar sein können: Der Überlieferungszusammenhang spricht für Zabarella als Autor, aber im konkreten Fall hält diese Annahme genauerer Prüfung nicht stand. 1996 erschienen war “Ecce Sacerdos Magnus: On Welcoming a New Bishop. Three Addresses for Bishops of Padua by Franciscus Zabarella” (Nr. III). Zwei Begrüßungsreden aus den Jahren 1396 und 1406 werden referiert, die Inhalte kommentiert und zusätzlich die bei der zweiten Gelegenheit vom einziehenden Prälaten gehaltene Ansprache, die ebenfalls ein Werk Zabarellas sein soll. Die Analyse führt zu den Feststellungen:“quite a divergence from each other” und “one can trace the gradual hardening and formalizing of Zabarella’s own thinking on the idea of office in the Church. There are real differences between the 1396 and the 1406 texts” (Nr. III, S. 15). Ein solches Ergebnis ist gleichbedeutend mit der Aufforderung, die Zuschreibungen gründlicher zu prüfen, wäre doch die plausibelste Erklärung, dass die Texte von verschiedenen Autoren stammen. Besonders zu achten ist also auf die Angaben zur Verfasserschaft in den Handschriften. Der Verfasser teilt den Befund nicht mit, das Ergebnis ist in Kürze: Die 1406 an Albano Michiel gerichtete Rede ist als Werk Zabarellas so vielfach bezeugt, dass kein Zweifel bleibt. Dagegen fehlt für die 1396 gehaltene Ansprache an Stefano da Carrara in zwei der drei herangezogenen Kopien jeder Hinweis auf den Autor, nur eine vermerkt Zabarella: Pommersfelden, Schönbornsche Schlossbibliothek cod. 168. Das gilt ebenso für die Rede des Bischofs Michiel an den Klerus, von ihr sind vier Exemplare bekannt: Zabarella erscheint wiederum allein in der genannten Handschrift. Hier spricht zudem die Wahrscheinlichkeit dagegen, dass im Jahre 1406 der Redner gleich auch die Antwort auf seine Ansprache geschrieben hätte. Damit erhebt sich der Verdacht eines willkürlichen Zusatzes – immerhin war Zabarella ein geschätzter Autor.1 Die Erfahrung mit der Predigt zum Fest der Apostelfürsten erhärtet den Verdacht: Morrisseys Feststellungen öffnen zusammengenommen den Weg zur Erkenntnis, dass die Verfasserangaben in der Pommersfeldener Sammlung nicht vertrauenswürdig sind. Gemäß der inhaltlichen Analyse sollte man also zwei der drei Ansprachen nicht für Zabarella in Anspruch nehmen.

In ähnlicher Weise eine Bearbeitung verdient hätte die ursprünglich 1989 erschienene Arbeit “The Art of Teaching and Learning Law: A Late Medieval Tract” (Nr. XV). Zabarella formulierte seine Erfahrungen aus der Lehrtätigkeit als Abschluss des großen Kommentars zu den Dekretalen Gregors IX. Da die Fassung letzter Hand der Bücher 2, 4 und 5 nicht den Druckausgaben der “Commentaria in Decretales” zwischen 1502 und 1602 entspricht, gibt es diese Aufzeichnung nur handschriftlich, sechs Kopien sind bekannt geworden: in Padua und Seitenstetten, je zwei in der Vaticana und in der Marciana. Der Autor schloss den Hinweis ein, man könne seine Ausführungen auch als eigene Schrift ansehen und suggeriert als Titel: “Tractatus de ordine docendi et discendi ius canonicum et civile”. Tatsächlich gibt es eine selbständige Fassung in handschriftlicher Überlieferung. Ihr fehlt der Schlussteil, ungefähr ein Drittel der didaktischen Abhandlung umfassend, worin Zabarella ausführt, wie die Behandlung einer Dekretale in der Vorlesung sich vom schriftlichen Kommentar unterscheidet. Diese Fassung erweckt den Eindruck des Unvollständigen, sie wird nicht vom Autor selbst in Umlauf gebracht worden sein. Zudem bieten deren Handschriften einen recht fehlerhaften Text. Gerade diese Version aber hat der Verfasser zum Gegenstand seiner Edition gemacht. Nachdem er schon 1974 in einer Notiz seine Absicht bekundet hatte, war dem entgegen der Charakter “of the treatise as an integral part of the commentary” hervorgehoben worden.2 Das blieb ohne Echo, der Verfasser verzichtete auf die kritische Edition der authentischen Fassung aus der Überlieferung des 5. Buches des Dekretalen-Kommentars. Seine Textherstellung beruht auf drei Kopien der selbständigen Fassung; zwar ist ein Codex des Kommentars zusätzlich herangezogen, doch nicht als Textgrundlage. Geführt hat diese Entscheidung zu einem überquellenden Variantenapparat: Er füllt 14 Druckseiten nach den 13½ des Traktat-Textes. Das ist nutzloser Ballast.

Solche methodischen Unzulänglichkeiten sind ärgerlich, mehr aber richtet sich die Aufmerksamkeit auf das, was als Substanz bleibt. Vor allem ist es der Gegenstand, der diesem Buch Gewicht verleiht. In ihrer Gesamtheit tragen die Studien mit vielen Einzelheiten dazu bei, unserem Bild von dieser bedeutenden Gestalt in der Kirchengeschichte des späteren Mittelalters schärfere Konturen zu verleihen. Dem Charakter der Sammlung entspricht, dass es thematische Überlappungen gibt, zumal da bestimmte Aspekte besondere Ausleuchtung erfahren haben. Die Zusammenführung dieser Arbeiten aus den weit entfernten Stellen ihrer ursprünglichen Veröffentlichung erleichtert die Benutzung, das Personenregister wird dabei nützliche Dienste leisten.

Anmerkungen:
1 Vgl. Dieter Girgensohn, Studenti e tradizione delle opere di Francesco Zabarella nell’Europa centrale, in: Francesco Piovan / Luciana Sitran Rea (Hrsg.), Studenti, Università, città nella storia padovana. Atti del convegno, Padova 6–8 febbraio 1998, Contributi alla storia dell’Università di Padova 34, Trieste 2001, S. 127–176.
2 Stephan Kuttner / Reinhard Elze (Hrsg.), A catalogue of canon and Roman law manuscripts in the Vatican Library, 1, Città del Vaticano 1986, S. 290, zu cod. Vat. lat. 2258.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension