T. Hayden: Hell No. The Forgotten Power of the Vietnam Peace Movement

Titel
Hell No. The Forgotten Power of the Vietnam Peace Movement


Autor(en)
Hayden, Tom
Erschienen
Anzahl Seiten
159 p.
Preis
$ 25.00
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Christine Schweitzer, Hamburg

Tom Hayden (1939–2016) war ein in den USA prominenter Antikriegsaktivist. Er war 1960 Mitbegründer des linken Verbands Students for a Democratic Society (SDS), einer der einflussreichen Gruppen in der Antikriegsbewegung gegen den Vietnamkrieg. 1968 war er Mitorganisator von Protesten vor dem Parteikongress der Demokraten, die von der Polizei mit viel Gewalt beantwortet wurden. Er und sieben weitere Mitorganisatoren wurden als die „Chicago Sieben“ zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, aber später rehabilitiert. In den 1980er- und 1990er-Jahren war er Abgeordneter der Demokraten in der State Assembly und dem State Senate in Kalifornien. Zeit seines Lebens engagierte sich Hayden nicht nur in verschiedenen Antikriegsgruppen, sondern auch gegen Armut, Rassismus und für Tierrechte. Immer Erwähnung findet in seinen Biografien, dass er mit den Schauspielerinnen Jane Fonda und Barbara Williams verheiratet war.

Hayden hat im Zeitraum zwischen 1966 und 2017 circa 20 Bücher und zahlreiche weitere Schriften verfasst; das lediglich 159 Seiten starke Büchlein „Hell No. The Forgotten Power of the Vietnam Peace Movement“ ist sein letztes. Sein Erscheinen im Januar 2017 hat er nicht mehr erlebt – er verstarb im Oktober 2016.

Das Buch ist keine wissenschaftliche Studie über den Vietnamkrieg, sondern das Essay eines lebenslang engagierten Antikriegs-Aktivisten. Es gibt nur einen sehr groben roten Faden innerhalb der sechs Kapitel und zwischen ihnen. Hayden schreibt eher so, wie man mündlich erzählen würde: Zwar ohne den Faden ganz aus den Augen zu verlieren, aber schon von einem Thema zum nächsten übergehend, um dann erst später den Faden wieder aufzugreifen.

Das Ziel seines Buches, wie er in der Einleitung darlegt, ist, die Erinnerung an die Bewegung gegen den Vietnamkrieg wach zu erhalten. Mit der Zeit hätten die Kriegsmacher begonnen, „auf dem Schlachtfeld der Erinnerung zu gewinnen, was sie auf den Schlachtfeldern des Krieges verloren haben“ (S. 11). Als Beispiel nennt er unter anderem Filme wie „Last Days of Vietnam“, ein Projekt des Pentagon aus dem Jahr 2015, das die Erinnerungen von Vietnamveteranen durch Videointerviews dokumentieren sollte, oder die sich seit 2008 im Aufbau befindliche und vom Pentagon finanzierte Website des Vietnam Veterans Memorial Fund. Bei diesen Projekten sollte der Widerstand der GIs gegen ihre Rekrutierung und gegen den Krieg ausgelassen werden. Hayden schreibt: „Who will tell our story when we are gone? So much has already escaped memory, and now the time to capture remembrance is rapidly passing. We need to resist the military occupation of our minds. Long-defeated falsehoods are being resurrected again” (S. 11).

Und weiter unten schreibt er: „One can only guess why so many elites want to forget the Vietnam peace movement by historic cleansing, why public memories have atrophied, and why there are few if any memorials to peace. The steady denial of our impact, the persistent caricature of who we really were, the constant questioning of our patriotism, the snide suggestions that we offered no alternative but surrender to the Communist threat have cast a pall of illegitimacy over our memory and had a chilling effect on many journalists, peace dissenters, and the current generation of students today. Of course, one reason for this forgetting is that the Vietnam War was lost, a historical fact representatives of a self-proclaimed superpower can never acknowledge.” (S. 15)

Hayden hat kein Geschichtsbuch geschrieben. Ihm geht es darum, die Erinnerung wachzuhalten und an zukünftige Generationen weiterzugeben, denn dies sei wichtig für die gegenwärtige politische Auseinandersetzung, für den Konflikt zwischen „Empire und Demokratie“ (S. 17), wie Hayden es nennt. Im ersten Kapitel konzentriert Hayden sich auf das Entstehen der Bewegung in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre, wobei er spätere Ereignisse immer wieder hineinflicht. Erst in einem späteren Kapitel erzählt er, wie die Bewegung an den Hochschulen entstand – Teach Ins waren dabei ein wichtiges Instrument.

Im zweiten Kapitel beschreibt er drei Entwicklungsstränge, die in den meisten Narrativen über Vietnam fehlten. Dies seien der antikoloniale, nationalistische Widerstand in Vietnam nach dem Zweiten Weltkrieg, der wachsende Widerstand durch nicht-weiße Teile der Gesellschaft („communities of color“, S. 44), die ihren Kampf um Bürgerrechte mit der Forderung nach Frieden verbanden, der dritte ist der Widerstand bei den kämpfenden Truppen selbst.

Das dritte Kapitel befasst sich vor allem mit 1969 und der Ausweitung des Krieges nach Kambodscha 1970, eine Zeit, die unter anderem durch einen landesweiten Streik von Studierenden geprägt war, an dem sich geschätzt acht Millionen beteiligten, nachdem die Nationalgarde bei einem Protest am Kent State College vier Studenten erschossen hatte. Hayden zitiert auch Aufnahmen eines Gesprächs zwischen Präsident Richard Nixon und seinem Sicherheitsberater Henry Kissinger, bei dem es um die Frage des Abwurfs einer Atombombe auf Hanoi ging, von dem Kissinger zum Glück abriet. Hier eingestreut folgen dann auch interessante und mit Erkenntnissen der Bewegungsforschung wohl weitgehend übereinstimmende Beobachtungen zu Bewegungen und sozialem Wandel. Bewegungen (für Bürgerrechte, Frieden usw.) würden alle an den extremen Rändern der Gesellschaft beginnen, bis sie schließlich Unterstützung erfahren und Bewegungen der Mehrheit werden, neue Normen schaffen und nationale Führungspersönlichkeiten stellen würden. Selbst angesichts des Sieges müssten sie sich aber mit Gegenbewegungen auseinandersetzen (S. 82f.).

Was die viel diskutierte Frage angeht, welche Rolle die Antivietnamkrieg-Bewegung für die Beendigung des Krieges gespielt hat, so gibt Hayden eine sehr differenzierte Antwort. Auf der einen Seite akzeptiert er den Vorwurf, dass der Wahlsieg von Nixon 1968 mit dadurch ermöglicht wurde, dass die Antikriegsbewegung sich nicht auf die Unterstützung seines demokratischen Gegenkandidaten Hubert Humphrey einlassen mochte. Andererseits sei die Bewegung ein wesentlicher Faktor in der politischen Auseinandersetzung gewesen: Die GI-Bewegung habe eine weitere militärische Eskalation in den frühen 1970er-Jahren verhindert und die Antikriegsbewegung die Abschaffung der Wehrpflicht, ein Umschwenken der öffentlichen Meinung und eine gewisse Demokratisierung nach Ende des Krieges bewirkt. Das vierte Kapitel enthält vor allem Reminiszenzen von Besuchen in Vietnam – einem Besuch, den Hayden 2007 nach 32 Jahren machte und seinen früheren Besuchen während des Krieges.

Im letzten Kapitel mit dem Titel „Conclusions“ kommt Hayden zurück auf das Thema, die Erinnerung an den Widerstand gegen den Vietnamkrieg zu bewahren. Er drückt seine Hoffnung aus, dass Barack Obama als Ex-Präsident zum „global peacemaker“ werden könne, eine Rolle, die vor ihm Jimmy Carter und Bill Clinton ausgefüllt hätten. Aber: „The task of writing and telling our history, however, is not one we can entrust to anyone else. […] Mistakes were made, serious mistakes, but our America is a better place because we stood up against all odds.” (S. 146) Das Buch wird abgerundet durch eine Literaturliste, die einen guten Überblick über die wissenschaftliche und von Zeitzeug/innen geschriebene Literatur zur Antivietnamkrieg-Bewegung gibt.

Was das Buch für Bewegungsforscher/innen und Historiker/innen interessant machen könnte, ist zweierlei: Zum einen die erwähnten Beschreibungen bestimmter Episoden (wobei manche schon in früheren Büchern von Hayden auftauchen) und sein durchaQus kritischer Blick auf die Bewegung, zum anderen Haydens sehr reflektierte Einsichten darüber, wie soziale Bewegungen funktionieren und was ihre Probleme sind.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. (Redaktionelle Betreuung: Jan Hansen, Alexander Korb und Christoph Laucht) http://www.akhf.de/
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