Cover
Titel
Im Gespräch. Auf der Suche nach der Problemlösungsfähigkeit der Politik, hrsg. v. Adalbert Hepp u. Susanne K. Schmidt


Autor(en)
Scharpf, Fritz W.
Erschienen
Frankfurt am Main 2017: Campus Verlag
Anzahl Seiten
274 S.
Preis
24,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Carsten Burhop, Institut für Geschichtswissenschaft, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Bei dem hier zu besprechenden Buch handelt es sich um eine „Festschrift der besonderen Art“, die dem ehemaligen Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Fritz Scharpf, gewidmet ist. Der Band ist in zwei Teile gegliedert: Den ersten Teil (S. 17–96) bildet ein strukturiertes Interview der beiden Herausgeber mit Fritz Scharpf; im zweiten Teil werden 12 ausgewählte Aufsätze, die Scharpf in den Jahren 1972 bis 2010 publiziert hat, erneut abgedruckt. Für den Historiker stellt sich zunächst die Frage, ob es sich bei der Monographie um eine Quelle oder um Forschungsliteratur handelt. Zumindest für das Interview lässt sich diese Frage einfach beantworten – es ist als Quelle zu behandeln und zeithistorische interessierte Forscher erfahren einiges über die politikwissenschaftliche Forschungslandschaft in Deutschland.

Im Interview werden der biographische Hintergrund von Fritz Scharpf, beispielsweise seine enge Verbindung zur SPD und seine wissenschaftliche Karriere trotz fehlender Habilitation erörtert. Die guten politischen Kontakte ermöglichten Scharpf dann auch eine teilnehmende Beobachtung im Kanzleramt, um Erkenntnisse für eine Regierungs- und Verwaltungsreform zu gewinnen. Die Beteiligung an zahlreichen politischen Kommissionen bis ins neue Jahrtausend sicherten einen guten Einblick des Politikwissenschaftlers in die deutsche und europäische Politik (S. 38f.). Des Weiteren erhält der Leser Einblicke in die deutsche Wissenschaftspolitik, z.B. hinsichtlich der Gründung des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) oder die Berufungspraxis der Max-Planck-Gesellschaft (S. 44, 50, 52f.). Sodann werden im Interview Fachkonflikte innerhalb der Politikwissenschaft und die wichtigsten thematischen Beiträge von Scharpf – z.B. im Bereich der Politikverflechtung und der Europapolitik – thematisiert. Die Popularisierung der Spieltheorie in der Politikwissenschaft, das Konzept des akteurszentrierten Institutionalismus und die wachsende Kluft zwischen normativen und positiven Ansätzen in der Politikwissenschaft werden u.a. angesprochen. Dabei bezieht Scharpf durchaus deutlich Stellung, beispielsweise, wenn er sich zum Habermas’schen Konzept der deliberativen Demokratie äußert (S. 69–71), den anti-demokratischen Charakter europäischer Rettungsmaßnahmen anspricht (S. 75) oder den in der Ära Kohl ausgebliebenen Neoliberalismus feststellt (S. 77). Insgesamt kann man festhalten, dass das Interview vor allem für Wissenschafts- und Zeithistoriker von Interesse sein dürfte.

Die ausgewählten Aufsätze im zweiten Teil des Bandes geben einen Einblick in die sich wandelnden Forschungsinteressen von Fritz Scharpf. Historiker mit unterschiedlichen Interessen können daher einige Aufsätze mit Gewinn lesen – sei es als Quelle, sei es als theoretisch-methodische Inspiration für die eigene Arbeit. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass die Aufsätze in Gänze gelesen werden. In den 1970er-Jahren beschäftigte sich Scharpf vor allem mit Problemen der politischen Planung und Steuerung und dem Aufbau eines interdisziplinären Studienganges für angehende Verwaltungsbeamte an der neugegründeten Universität Konstanz. Dem Schritt von der Steuerung im deutschen Föderalismus zum europäischen Mehrebenenmodell widmen sich sodann weitere Aufsätze, bevor der Bogen zur Gegenwart mit Aufsätzen über Globalisierung, Demokratie und Europa gespannt wird. Hilfreich für die praktische Arbeit des Historikers könnten die methodisch-theoretisch ausgerichteten Aufsätze 3 (Die Theorie der Politikverflechtung: ein kurzgefasster Leitfaden) und 7 (Mehrebenenpolitik im vollendeten Binnenmarkt), spannend für Wissenschaftshistoriker Aufsatz 6 (Politische Steuerung und politische Institutionen) – er behandelt eine Fachkontroverse zwischen Scharpf und Luhmann – sein. Die Aufsätze 8 (Nationale Demokratie im internationalen Kapitalismus), 9 (Sozialstaaten in der Globalisierungsfalle? Lehren aus dem internationalen Vergleich), 10 (Was man von einer europäischen Verfassung erwarten und nicht erwarten sollte) und 12 (Solidarität statt Nibelungentreue) könnten vor allem für Historiker der Gegenwart und für politisch interessierte Bürger relevant sein. Insgesamt dürfte es sich aber eher um ein Buch für Schüler und Weggefährten von Fritz Scharpf handeln und weniger um ein Werk, das große Verbreitung in den Bücherregalen der Republik finden wird.