S. Zinsmeyer: Frauenklöster in der Reformationszeit

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Titel
Frauenklöster in der Reformationszeit. Lebensformen von Nonnen in Sachsen zwischen Reform und landesherrlicher Aufhebung


Autor(en)
Zinsmeyer, Sabine
Reihe
Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 41
Erschienen
Anzahl Seiten
455 S.
Preis
€ 76,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jasmin Hoven-Hacker, Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Germania Sacra

Sowohl (Frauen-)Klöster als auch die Reformation haben in der aktuellen Forschung Konjunktur. Sabine Zinsmeyer hat diese beiden Bereiche in ihrer Leipziger Dissertation verbunden, in der sie verschiedene Gemeinschaften geistlicher Frauen im Kurfürstentum und im Fürstentum Sachsen am Ausgang des Mittelalters und zu Beginn der Frühen Neuzeit in den Blick nimmt. Ihre Studie ist zugleich als Vorarbeit zum Sächsischen Klosterbuch zu sehen, dessen baldiges Erscheinen angekündigt ist.

Zinsmeyers Untersuchung gliedert sich in fünf Kapitel, eine Zusammenfassung und einen umfangreichen Anhang. In der Einleitung (Kapitel 1) wird die Forschungslage skizziert, wobei wohlweislich im Hinblick auf das in den letzten Jahren breit untersuchte Thema „Frauenklöster“ nur auf ausgewählte Publikationen eingegangen wird. Den Erläuterungen zu „Methodik und Gliederung“ (S. 26–29) ist zu entnehmen, dass nicht alle Frauenklöster Sachsens berücksichtigt werden, sondern schwerpunktmäßig der Magdalenerinnenkonvent in Freiberg (Kapitel 3, S. 78–189). Diese Untersuchung wird von wesentlich kürzeren Fallstudien (Kapitel 4) zu den Magdalenerinnenklöstern Altenburg (S. 190–195) und Großenhain (S. 202–212) wie zu den Benediktinerinnenklöstern Döbeln (S. 196–202), Meißen (S. 212–223), Riesa (S. 223–228), Sitzenroda (S. 228–230) und Sornzig (S. 231–234) flankiert. Grund für die Auswahl dieser sächsischen Frauenklöster ist die vergleichbare Quellengrundlage, wobei für das Freiberger Magdalenerinnenkloster die höchste Überlieferungsdichte vorhanden ist. Somit werden hauptsächlich Klöster zweier Orden betrachtet, von denen gerade die Magdalenerinnen (auch Reuerinnen oder Weißfrauen) bislang wenig erforscht sind.

Weitere Auswahlkriterien sind die Lage der Institutionen entweder im Herzogtum oder Kurfürstentum Sachsen, die (angestrebte) Auflösung durch den Landesherren, das Vorhandensein von Visitationsprotokollen bzw. Sequestrationsakten und ob die jeweilige Untersuchung Antworten auf mindestens zwei der folgenden Leitfragen (S. 27) liefert: Wie gelangten reformatorische Schriften bzw. entsprechendes Gedankengut in die Konvente? Kam es zu „konfessioneller“ Fraktionenbildung innerhalb der Gemeinschaften? Welche Rolle spielte die Vorsteherin einer Institution? Wie wurde im Konvent der Übergang zur neuen Lehre wahrgenommen? Welche Gründe seitens der Nonnen können im zeitlichen Verlauf für den Verbleib im Kloster oder das Verlassen der Gemeinschaft ausgemacht werden?

Im zweiten Kapitel „Politische, gesellschaftliche und religiöse Rahmenbedingungen (1464–1550)“ wird dem Leser entscheidendes Rüstzeug für das Verständnis der folgenden Ausführungen an die Hand gegeben. Besonders hervorhebenswert ist die Darstellung der „Reform des Jahres 1464“ (S. 32–35), ein Reformdekret des Bischofs von Meißen an die Frauenklöster in seiner Diözese, das nicht auf liturgische Inhalte, sondern auf das regelgerechte Leben der Nonnen abzielte und von daher anders zu bewerten sei als etwa die von Johannes Busch durchgeführten Reformen in norddeutschen Frauenklöstern. Dieses Dekret lenkt den Blick auf den Bischof als einen spätmittelalterlichen Akteur hin, der in den Untersuchungen zu Reformen von Klöstern häufig zu kurz kommt.

Die Quellengrundlage dieser Arbeit bilden bei weitem nicht nur gedruckte Quellen, sondern eine sehr beachtliche Anzahl von ungedruckten Quellen vor allem aus den Archiven in Dresden, Weimar und Freiberg, wie das Quellenverzeichnis ausführlich mit erläuternder Bezeichnung der einzelnen Archivalien ausweist.

Die detaillierte Untersuchung liefert wichtige Ergebnisse für die Frauenklosterforschung der unmittelbaren Reformationszeit. Dem Leser stellt sich unwillkürlich die Frage, wie die verschiedenen Gemeinschaften die raschen religionspolitischen Veränderungen aufnahmen. Innerhalb kürzester Zeit wurden die Freiberger Nonnen von landesherrlicher Seite zunächst gezwungen, reformatorischem Gedankengut abzuschwören, und nach dem Bekenntnis Herzog Heinrichs des Frommen zur lutherischen Lehre und dem Tode Herzog Georgs des Bärtigen anschließend zur Annahme derselben gedrängt. Die von Sabine Zinsmeyer ausgewerteten Visitationsprotokolle geben Hinweise sowohl auf die Zustände innerhalb der Konvente als auch auf den Blick der Visitatoren auf die Frauenklöster, auf deren natürliches Aussterben gewartet wurde. Skurril mutet heute das Inventar des Klosters Großenhain aus dem Jahr 1571 an, wenn darin neben Mobiliar und Geschirr die Äbtissin sowie die letzte Nonne als Gegenstände verzeichnet werden (S. 186).

Vielfältig sind die Ergebnisse dieser sorgfältig erarbeiteten Studie: Die Fähigkeit und das persönliche Charisma der Freiberger Priorin führten zum Erfolg der spätmittelalterlichen Reform, die relative Unfähigkeit ihrer Nachfolgerin hingegen zu Unfrieden und zur Spaltung des Konvents. Ob man dem neuen oder alten Glauben anhing, wird als Frage des Alters und somit als Generationenkonflikt interpretiert. Die Autorin beruft sich hierfür auf die Angabe einer Nonne im Visitationsprotokoll, wonach die Subpriorin den Kindern lutherische Schriften zur Abschrift (als Schreibübung?) gegeben habe (S. 249). Die wechselvolle Geschichte der Stationen von spätmittelalterlicher Reform, Zwietracht alt- und neugläubiger Nonnen in der Reformationszeit, erster (und damals aufsehenerregender) Klosterflucht der Herzogstochter Ursula von Münsterberg mit Begleiterinnen, altgläubiger Visitation, weiterer Klosterfluchten, anschließenden neugläubigen Visitationen bis hin zum Aussterben des Konvents werden nachgezeichnet.

Hervorzuheben sind darüber hinaus die flankierenden Ausführungen zu weiteren Nonnenklöstern, denen zu entnehmen ist, dass die Klöster verschiedene Lebensbedingungen in der unmittelbaren Reformationszeit aushandelten: Gut standen die Nonnen in Döbeln da (S. 200, vgl. auch die Transkription der „Aufstellung über Speisen und Getränke der Nonnen zu Döbeln 1541“, S. 381f.), wohingegen die Nonnen in Großenhain nach einem vom Kloster ausgegangenen Stadtbrand sich größter Antipathie und Feindseligkeit der dortigen Bevölkerung gegenüber sahen.

Zudem zeichnet die Arbeit detailliert die Möglichkeiten der Nonnen in der Reformationszeit nach: Sie konnten im Kloster verbleiben, um dort landesherrlich versorgt zu werden, nach einem schriftlichen Antrag an den Landesherren austreten und heiraten, in ein altgläubiges Kloster wechseln oder – vor der landesherrlichen Konversion – aus dem Kloster fliehen. Im Falle Döbelns heiratete der ehemalige Propst, dann Verwalter des sequestrierten Klosters, nach entsprechender Erlaubnis des Landesherren eine ehemalige Nonne des Konvents. Nachgezeichnet werden zudem die Argumentationen altgläubiger Nonnen, die sich vor allem darauf beriefen, die „Gnade noch nicht zu haben eine Entscheidung zu treffen“ bzw. „schwach zu sein“ (S. 243) – eine Taktik, dem alten Glauben weiter anzuhängen, ohne als verstockt zu gelten. Unterschiedlich waren die Reaktionen der Landesherren nach Einführung der Reformation auf Nonnen, die sich nicht zum Luthertum bekennen wollten. Die Konsequenzen reichten von gestrichenen Versorgungsgeldern (Herzog Heinrich) bis hin zu Drohungen (Herzog Moritz) (S. 267). Die Schicksale der Klöster waren entscheidend von den Einstellungen der Landesherren abhängig. Nach dem Tod Herzog Georgs des Bärtigen wurden auch im Herzogtum Sachsen die Klöster sequestriert, „die kursächsischen Klöster waren [hingegen] schon seit den 1520er-Jahren in Auflösung begriffen“ (S. 269). Herzog Heinrich, der 1539 die Nachfolge seines altgläubigen Bruders im Herzogtum Sachsen antrat, war während des Konfliktes um die erste Klosterflucht (Herzogin Ursula von Münsterberg und ihre Begleiterinnen) aus Freiberg noch kein probater Gegner Herzog Georgs, der Aufklärung und Konsequenzen forderte (S. 51). Erst „um 1531“ zeigte er seine protestantische Gesinnung. Teilweise wurden Frauenklöster in „Jungfrauenschulen“ umgewandelt, im Falle Freibergs aber nicht mit bleibendem Erfolg. Die Autorin vermutet als Grund für das Scheitern der Schule den Verbleib der altgläubigen Konventsmitglieder in den Gebäuden (S. 186).

Die Arbeit bietet zudem einen „Personenkatalog des Freiberger Frauenklosters“ (S. 271–335): zum einen eine tabellarische Übersicht über die Nonnen und Laienschwestern des Konvents im Untersuchungszeitraum und zum anderen Biogramme der „Freiberger Nonnen, Laienschwestern und am Kloster tätigen Personen (1480–1580)“. An dieser Stelle werden die Lebensdaten und Viten der Personen gemischt präsentiert: Nonnen, Laienschwestern, Beichtväter und Prediger sowie eine Pfründnerin werden nicht nach ihren Funktionen getrennt aufgeführt, sondern alphabetisch nach Namen.

Einen besonderen Mehrwert hat das Buch durch seinen umfangreichen Anhang mit Transkriptionen von Quellentexten, Abbildungen und einem detaillierten Register der Orts- und Personennamen. Die Transkriptionen umfassen dabei u.a. Briefe von Nonnen an die Landesherren und Sequestratoren, eine Speisenaufstellung (siehe oben) und eine Abfindungsliste der ehemals geistlichen Personen aus dem Bistum Meißen. Hervorzuheben ist ein bereits verfasstes, aber anschließend nicht gedrucktes Antwortschreiben des Konventes zu Freiberg (S. 340–360) auf die Rechtfertigungsschrift der aus dem Freiberger Konvent geflohenen Ursula von Münsterberg (VD16 M 6731). Bei der Darstellung von Klosterfluchten hätte man sich noch wünschen können, dass die Ergebnisse von Milena Svec Goetschis Zürcher Dissertationsschrift1 eingeflossen wären, was vermutlich wegen sich überschneidender Publikations- und Druckvorbereitungsdaten nicht möglich war. Entgegen der Aussage Zinsmeyers, nur die Pönitentiarie hätte vom Makel der Klosterflucht absolvieren können, ist der Studie Svec Goetschis zu entnehmen, dass nicht nur diese Institution Suppliken nach Klosterflucht und Transitus entgegennahm, sondern auch Kanzlei und Kammer.2

Insgesamt handelt es sich bei Sabine Zinsmeyers Buch um eine sorgfältige und quellengesättigte landesgeschichtliche Studie, die lesenswert geschrieben ist und Einsichten in „Lebensformen“ von Nonnen in entscheidenden Umbruchszeiten bietet.

Anmerkungen:
1 Milena Svec Goetschi, Klosterflucht und Bittgang. Apostasie und monastische Mobilität im 15. Jahrhundert, Zürcher Beiträge zur Geschichtswissenschaft 7, Köln u.a. 2015.
2 Vgl. Ebd., u.a. S. 23, 98–103; Zinsmeyer, Frauenklöster in der Reformationszeit, S. 245: „Dazu fähig war allein die päpstliche Pönitentiariebehörde in Rom …“

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