Vom 29. Juni bis 1. Juli 2017 trafen in einer international wie interdisziplinär ausgerichteten Tagung zahlreiche renommierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg zusammen, um sich mit der Reformation und ihren Auswirkungen bis in die heutige Gesellschaft unter einem dezidiert geschlechterspezifischen Fokus auseinanderzusetzen.
Nach Grußworten von Rektor Jens Strackeljan und Landesbischöfin Ilse Junkermann bildete ein Vortrag der Veranstalterin, EVA LABOUVIE (Magdeburg) den Auftakt der Tagung. In einer konzisen Zusammenschau stellte sie dem Fach- und Laienpublikum ältere bis jüngste Forschungsergebnisse und -desiderata zur Reformationsgeschichte unter Genderaspekten vor. Die Lutherzentriertheit des Jubiläums habe, so Labouvie, einseitige Impulse gesetzt und den Blick auf viele lohnenswerte, bislang aber ausgeblendete Perspektiven verstellt. Die Reformation sei als eine Bewegung und ein Prozess zu begreifen, der von vielen Menschen beiderlei Geschlechts getragen worden sei, eine Grundannahme, die auch das Erkenntnisinteresse der Tagung leite. Anliegen sei es weiterhin, die zentrale Bedeutung der Reformation nicht nur für die damalige, sondern auch für unsere heutige Geschlechterordnung sowie die Wechselbeziehungen und Verflechtungen von Glaube und Geschlecht zu diskutieren und wissenschaftliche Neupositionierungen zu initiieren.
Im anschließenden Abendvortrag thematisierte die Hamburger Bischöfin i. R. MARIA JEPSEN (Hamburg) ausgehend von ihrer eigenen Berufsbiografie, Entwicklungen in der Evangelischen Kirche bis heute. Sie betonte angesichts der jüngeren ambivalenten wie bedenklichen globalen Entwicklungen, etwa der Abschaffung der Frauenordination in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands, dass die Genderdebatte im Kontext von Kirche und Glaube einer weit stärkeren Aufmerksamkeit und Unterstützung bedürfe.
Im ersten Vortrag der einleitenden Sektion „Reformation und Gender. Handlungsfelder, Geschlechterdiskurse und Geschlechterwahrnehmung“ stellte HEIDE WUNDER (Kassel) weiterführende Überlegungen zum Verhältnis von „Glaube und Geschlecht in der Vormoderne“ an. Sie zeigte durch einen vergleichenden Rückblick auf beide Konfessionen, dass die Reformation mit dem Postulat des allgemeinen Priestertums aller Getauften die kirchliche Tradition übersprungen und damit die Grundlage für die Legitimation weitreichender religiöser Teilhabe für Frauen geschaffen habe. Der katholischen Reform hätten zwar ähnliche Anlässe wie der Reformation zugrunde gelegen, doch habe das Tridentinum die traditionellen Kirchenstrukturen erneut bekräftigt.
DOROTHEE KOMMER (Haigerloch) thematisierte am Beispiel der publizistischen Tätigkeit von Frauen deren unterschiedliche Ausgangsbedingungen und Handlungszusammenhänge. Der Bezug auf Bibelstellen mit der Betonung der Gleichheit von Mann und Frau im Glauben habe den Einen Antrieb gegeben, sich in Konflikte mit einer eigenen Flugschrift einzumischen (Argula von Grumbach, Ursula Weyda). Andere hätten durch Heirat mit einem Priester (Katharina Zell) oder Einführung der Reformation in ihrem Herrschaftsgebiet (Margareta von Treskow) zunächst direkt für die Reformation gehandelt und erst später auf Anfeindungen mit einer Schrift reagiert. Alle Verfasserinnen von Flugschriften, so schloss Kommer, durchbrachen die weiblichen Rollenbilder ihrer Zeit, ablesbar vor allem an den Argumenten in den Gegenschriften zu ihren Texten.
Um Handlungsspielräume von Frauen ging es auch im Vortrag von JENS KLINGNER (Dresden). Am Beispiel Elisabeths von Sachsen (1502–1557) zeigte er die neuen Handlungsfelder auf, die sich fürstlichen Frauen in der Umbruchsphase der Reformation boten. Elisabeth gelang auf ihrem Witwensitz Rochlitz durch Erlass von Mandaten die Durchsetzung der Reformation, auch gegen den Willen ihres Schwiegervaters, Herzog Georg von Sachsen (1471–1539). Klingner wies dabei auf das Desiderat einer wissenschaftlichen Biografie hin, die Elisabeths Rolle als Protagonistin der Reformation und vor allem ihr (Inter-)Agieren mit den männlichen Protagonisten unter einer genderhistorischen Perspektive untersucht. Er wies dieses Defizit als Resultat der lange Zeit vorherrschenden Marginalisierung der Leistungen von Frauen im Reformationszeitalter aus.
CLAUDIA OPITZ-BELAKHAL (Basel) verband bei ihren generellen Überlegungen zur Reformationsgeschichte als Geschlechtergeschichte Ergebnisse der Wissenschaftsgeschichte mit unterschiedlichen Interpretationsmodellen zur Instrumentalisierung und Ausdeutung der Reformation. Vielfach seien bis heute die Versuche, Luther als einen Vorreiter für westliche demokratische Kultur, ja zu einem frühen Feministen und die Reformationsgeschichte zu einer Emanzipationsgeschichte zu stilisieren. Über den Blick in die Texte Luthers habe die geschlechtergeschichtliche Erforschung der Reformation vielfältige und andere Erträge gebracht, so auch die Erkenntnis, dass die Reformationszeit für beide Geschlechter eine Umbruchsphase mit Kontinuitäten und Brüchen in der Geschlechterordnung und mit ambivalenten Entwicklungen gewesen sei. Opitz-Belakhal stellte aber auch die provokante Frage, ob sich diese Veränderungen nicht auch ohne die Reformation aufgrund der bereits zuvor einsetzenden sozialen und ökonomischen Entwicklungen ergeben hätten.
CHRISTIAN WITT (Wuppertal) widmete sich der Bestimmung des Verhältnisses der Geschlechter zueinander durch Martin Luther, dessen reformatorische Aufbrüche die Neubestimmung des Verhältnisses von Gott und Mensch zum Kern hätten. Das Geschlechterverhältnis habe der Reformator auch im Rahmen seiner Beschäftigung mit dem Thema „Ehe“ ausgearbeitet und sei dabei zu einem Eheverständnis gelangt, das aufgrund der Neuformierung des Verhältnisses von Frau und Mann einen Bruch mit den ehetheologischen Vorgaben der Papstkirche darstelle.
Eine neuartige Perspektive auf „Reformatorische Männlichkeiten“ bot JULIA SCHMIDT-FUNKE (Jena). Sie entfaltete vor dem Forschungsstand der letzten Jahre, konkret am Beispiel von Quellen aus der Stadt Frankfurt am Main, unterschiedliche Lebensentwürfe und parallel existierende Vorstellungen von Männlichkeit zu Beginn der Frühen Neuzeit. In Folge der Reformation sei es durch reformatorische Vorstellungen von Ehe, Heirat und dem Ideal des protestantischen Hausvaters zu einer Änderung von Erwartungshaltungen in der Gesellschaft gekommen, wodurch bisherige Männlichkeitsentwürfe zunehmend bis hin zur Kriminalisierung abgewertet worden seien.
HEINER LÜCK (Halle) ging Fragen nach den Geschlechterdiskursen der Reformationszeit aus rechtshistorischer Perspektive nach. Anhand von Martin Luthers Testament machte er die rechtliche Benachteiligung von Frauen in der frühneuzeitlichen Gesellschaft deutlich. Die darin verzeichneten Bestimmungen, Katharina als Vormund für die gemeinsamen Kinder einzusetzen und ihr das Vermögen zu übertragen, bargen, so Lück, ob ihrer Rechtswidrigkeit schon zum Zeitpunkt der Abfassung des Testamentes Probleme. Luthers Überzeugung, seine Eigenschaft als „Gottes Notarius“ sei ausreichend, um diese rechtlichen Hürden zu überwinden, habe sich aber nicht bewahrheitet: In einem Rechtsgutachten wurde nach Luthers Tod festgehalten, dass Katharina, da sie wie alle Frauen und Witwen selbst unter Vormundschaft stünde, nicht als Vormünderin für ihre Kinder agieren könne.
LYNDAL ROPER (Oxford) analysierte anhand der verschiedenen Porträttypen Luthers sein sich wandelndes geschlechtliches Rollenverständnis. Ablesbar an seinen Haartrachten, habe sich der Reformator zunächst als Mönch, dann als Akademiker, schließlich in Anlehnung an den Adel als Junker Jörg mit langem Haar und Bart inszeniert. In den besonders bedeutsamen Doppelporträts mit seiner Frau Katharina, angepasst an das Ideal der bürgerlichen Oberschicht, habe wiederum die Präsentation als Ehemann und Hausvater überwogen. Spätestens ab den 1540er-Jahren sei das Eheporträt vom Freundschaftsporträt mit Melanchthon abgelöst worden, und aus dem sexuellen/geschlechtlichen Luther sei ein intellektueller Luther geworden. Über die Tischreden und die zugehörigen bildlichen Darstellungen identifizierte Roper Luthers Geschlechtermodell als starr und binär und sein Frauenbild als konservativ und abweichend von den zeitgenössischen ökonomischen Realitäten.
In der zweiten Sektion: „Folgen für die Alltagspraxis: Gelebte (Geschlechter-) Praktiken, Rollen, Räume, Ordnungen“, setzte sich ANNE CONRAD (Saarbrücken) mit den Folgen freiwilliger Klosteraustritte für männliche und weibliche Biografien auseinander. Anhand prominenter wie wenig bekannter Beispiele zeigte sie den Kanon an Problemen auf, die sich mit dem Verlassen der Klöster verbanden. Letzteres sei für beide Geschlechter eine Lebens- und Gewissensentscheidung mit weitreichenden Folgen in finanzieller, existenzieller und sexueller Hinsicht gewesen, habe aber für Männer und Frauen unterschiedliche Problemlagen eröffnet: Männern bot sich nach dem Austritt aus dem Kloster die Möglichkeit des Broterwerbs; Frauen, denen dies kaum möglich war, hätten, so Conrad, die erlangte geistige Freiheit mit neuen Abhängigkeiten bezahlen und sich aus wirtschaftlicher Not dem Zwang zur Eheschließung und sexuellen Neuorientierung beugen müssen. Männer hätten sich wiederum den hegemonial-heteronormativen reformatorischen Männlichkeitserwartungen anpassen und den Klosteraustritt möglichst mit dem Ehebund abschließen müssen.
NICOLE GROCHOWINA (Selbitz / Erlangen-Nürnberg) beschäftigte sich mit der
Funktion des Märtyrertodes in der Täuferbewegung. Die in den dazu aufgezeichneten Martyrologien vordergründig aufscheinende Parität der Geschlechter im Tod für den Glauben stellte aber offenbar die zeitgenössische Geschlechterhierarchie zu stark in Frage. Anhand der Schriften des Martyrologiums „Het offer des Herren“ von 1562 wies Grochowina eine gezielt manipulierte Erinnerungspolitik nach, mit der Absicht, die zeitgenössische Geschlechterhierarchie auch in der Lebensform des Martyriums wiederherzustellen: So wurde Männern in der Schrift deutlich mehr Platz eingeräumt, und ihnen blieben theologische Reflexionen und konkrete Anordnungen an die Gemeinden vorbehalten. Die Parität der Geschlechter im Tod sei hinter die gegenderte Unterscheidung in der Erinnerung zurückgetreten.
RUTH ALBRECHT bescheinigte der auf einem insbesondere Standesgrenzen überschreitenden Egalitätsmodell basierenden Erneuerungsbewegung des Pietismus, dass sie die Handlungsräume für Männer und Frauen erweitert habe. Als Elemente dieser Veränderungen identifizierte Albrecht die umfangreichen pietistischen Korrespondenzen, die neuen Sozialformen der Konventikel beziehungsweise „collegia pietatis“ und die Netzwerke, in denen sich soziale Räume außerhalb von Familie und Arbeitskontexten entwickelten, in denen Männer und Frauen sich unter dem Vorzeichen der geistlichen Gleichheit trafen.
Mit einem zeitlichen Sprung begann am letzten Tagungstag (1. Juli 2017) die dritte Sektion „Glaube und Geschlecht im 20. und 21. Jahrhundert“. Die Ämterfrage für Frauen in der katholischen Kirche beinhalte, so MARGIT ECKHOLT (Osnabrück), „Sprengstoff“, denn sie ziele auf eine notwendige „reformatio“ ab, der sich der größte Teil der Kurie und der Bischöfe, aber auch weite theologische Kreise mit Bezug auf die päpstlichen Dokumente „Inter insigniores“ (1976, Paul VI.) und „Ordinatio sacerdotalis“ (1994, Johannes Paul II.) verweigerten. Wichtig für eine Revision der bisherigen theologischen Anthropologie, die den Ämterausschluss der Frauen begründe, sei, so Eckholt, der Gender-Begriff in seiner Differenzierung von „sex“ und „gender“. Glaube und Geschlecht stünden für die kontinuierliche „reformatio“ von Beziehungen und Machtverhältnissen, über deren Wechselbeziehungen die Diskussion in der katholischen Kirche noch lange nicht abgeschlossen sei. Den Entwicklungen auf protestantischer Seite ging CORNELIA SCHLARB (Göttingen) nach. Als Grundbedingung für die Gleichstellung von Frauen betonte sie die Überwindung der Jahrhunderte lang gelehrten und internalisierten Minderwertigkeit und Unterordnung der Frauen, die in der patriarchalischen Interpretation der biblischen Schriften, beispielsweise der schöpfungstheologisch festgeschriebenen weiblichen Unterordnung, wurzele. Auch die Mitte der 1920er-Jahre einsetzende theologische Diskussion um das geistliche Amt von Frauen kreise um dieses Paradigma. Erst der Zweite Weltkrieg habe den Einsatz von Pfarrerinnen erlaubt, was die Kompetenzen der Theologinnen erweitert und ihr Selbstbewusstsein enorm gestärkt habe. Mit der Überwindung restaurativer Tendenzen habe schließlich im geteilten Nachkriegsdeutschland ein Umdenken zugunsten der Gleichstellung von Frauen und Männern im geistlichen Amt eingesetzt, ein Prozess, der, so Schlarb, bis heute in der Evangelischen Kirche nicht überall abgeschlossen und daher weiter zu fördern sei.
ANDREA BIELER (Basel) analysierte die Positionen der evangelischen Kirche(n), die sich als uneins und zerstritten beim Umgang mit der Pluralisierung von Lebensformen zeigte(n). Dies lasse sich an den heftigen und extrem kontroversen Diskussionen nach Erscheinen der Orientierungshilfe der EKD zum Thema Familie ablesen (Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken. Eine Orientierungshilfe des Rates der EKD, Gütersloh 2013). Streitpunkte ergäben sich vornehmlich aus dem Schriftverständnis und der Rezeption humanwissenschaftlicher Erkenntnisse zur Sexualität. Wichtig sei, so Bieler, eine notwendige Kultivierung von Ambiguitätstoleranz im Hinblick auf gelebte Sexualitäten und Beziehungen. Diese auszubilden, sollte Aufgabe kirchlicher Bildungsbemühungen sein, statt plurale Lebenserfahrungen und -entwürfe im Raum der Kirche zu tabuisieren, auszugrenzen oder sie zur Heilsfrage zu stilisieren.
BIRGIT HELLER (Wien) thematisierte zunächst religionsübergreifend Rollen und Status von Männern, Frauen und anderen Geschlechtern. Die großen religiösen Traditionen – Buddhismus, Christen- und Judentum, Islam, die altindischen Religionen – wiesen bezüglich der Beschränkung von Frauen starke Ähnlichkeiten auf: Typisch sei eine aktive weibliche Beteiligung in der Entstehungsphase, aber auch die Zurückdrängung der Frauen nach der Etablierung, woraus eine rein männliche Besetzung von Leitungsfunktionen erwachsen sei. Drei wirkmächtige Stereotype stützten religionsübergreifend die geschlechterabhängigen Diskriminierungen: Bilder von der triebhaften Frau, von der unwissenden Frau und vom weibischen Mann. Heller schloss ihren Vortrag mit Überlegungen zum Zusammenhang von Geschlechterordnung, Hierarchie und Würde. Aufgrund der Gottesebenbildlichkeit als männlichem Privileg und der damit verbundenen Herabwürdigung der Frau seien nach wie vor ambivalente Haltungen zur Forderung nach Gleichstellung/Gleichberechtigung von Frauen in allen religiösen Traditionen zu beobachten.
INA WUNN (Hannover) setzte sich mit Genderfragen im Islam auseinander. Sie zeichnete dabei zunächst historische Entwicklungslinien in muslimischen Ländern nach und griff anschließend das hochaktuelle Thema der Konfrontation traditioneller muslimischer Werte mit den Werten von westlichen Aufnahmegesellschaften auf. Die in einer christlich-säkularen Umgebung erfolgten muslimischen Gemeindegründungen zur Bewahrung der eigenen Identität hätten einen theologisch unreflektierten Islam befördert, der konkurrierende Rollenbilder zu den westlichen Vorstellungen propagiere. Wunn machte verschiedene Reaktionsmuster junger muslimischer Frauen aus: Neben Anpassung und Ablehnung verorte sich ein großer Teil dieser Frauen bewusst innerhalb eines Islams eigener Lesart und Deutung und erkämpfe sich durch feministische Koranexegese einen Platz in der westlichen islamischen Gesellschaft bis hin zum Amt der Imamin, wie jüngst in Berlin geschehen.
Die abschließende Podiumsdiskussion unter Moderation von Eva Labouvie bündelte noch einmal die vielfältigen und neuartigen Erträge der interdisziplinären Referate. Festgehalten wurde, dass der Reformation durchaus eine prägende Funktion für die Genderordnung heutiger Gesellschaften zugestanden werden könne. Zur Beförderung gegenwärtiger Entwicklungen sei in Bezug auf die Rolle der Geschlechter und die Verortung der Frauen im kirchlichen Bereich wieder eine Bewegung von unten, ähnlich oder in Fortführung der Reformation, vonnöten. Kleinere Bewegungen, die sich abseits der institutionellen Kirchen formierten, wurden ebenso thematisiert wie Birgit Hellers Hinweis auf starke Polarisierungstendenzen sowohl in Richtung Säkularisierung als auch religiöser Radikalisierung nicht nur in Deutschland und Österreich. Die Reformation sei, so die einhellige Überzeugung der Diskutierenden, im Kontext von Fragen zu Glaube und Geschlecht noch lange nicht beendet. Aufgabe der Wissenschaft im Umgang mit künftigen Entwicklungen sei die weitere Beobachtung und Analyse.
Insgesamt hat die Tagung, so das gemeinsame Fazit, gerade durch ihre interdisziplinäre Ausrichtung erstmalige und neuartige Perspektiven eröffnet und über die Personenzentriertheit des Reformationsjubiläums hinaus Möglichkeiten zu einem hochkarätigen und fruchtbaren Austausch zwischen einer recht männlich dominierten Reformationsforschung und der interdisziplinären Geschlechterforschung geboten. Sie hat insgesamt wichtige Impulse zum Neudenken und Überdenken von „Glaube und Geschlecht“ in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gesetzt.
Konferenzübersicht:
Begrüßung / Grußworte
Gabriele Köster (Magdeburg)
Eva Labouvie (Magdeburg)
Jens Strackeljan (Magdeburg)
Ilse Junkermann (Magdeburg), vertreten durch Propst Christoph Hackbeil
Abendvortrag
Maria Jepsen (Hamburg): Die Reformation und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen auf Frauen und Männer heute – Impulse aus der Vergangenheit für die Zukunft
Sektion I: Reformation und Gender: Handlungsfelder, Geschlechterdiskurse und Geschlechterwahrnehmungen
Heide Wunder (Kassel / Bad Nauheim): Einführung: Glaube und Geschlecht: Reformation und Gender: Handlungsfelder, Geschlechterdiskurse und Geschlechterwahrnehmungen
Panel 1: „Vor Gott ist weder Mann noch Weib“: Frauenhandeln in der Reformationszeit
Dorothee Kommer (Haigerloch): Neue Handlungsspielräume durch neue Medien – Frauen verfassen Flugschriften für die Reformation
Jens Klingner (Dresden): Herzogin Elisabeth von Sachsen und ihr herrschaftliches Handeln – Die Einführung der Reformation in Rochlitz 1537
Panel 2: Neue Geschlechterdiskurse, neue Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit
Claudia Opitz-Belakhal (Basel): Von Ehelob und Zölibatsverbot, Priesterehen und kämpfenden Nonnen: Reformationsgeschichte als Geschlechtergeschichte
Christian Witt (Wuppertal): Die Ehe als geheiligte Gemeinschaft der Geschlechter. Luthers theologisches Eheverständnis
Julia Schmidt-Funke (Jena): Buben, Hausväter und neue Mönche. Reformatorische Männlichkeiten
Heiner Lück (Halle-Wittenberg): Das Problem der Rechtswidrigkeit in Luthers Testament zugunsten seiner Ehefrau Katharina
Lyndal Roper (Oxford): Luther und Geschlechtergeschichte
Sektion II: Folgen für die Alltagspraxis: Gelebte (Geschlechter-)Praktiken, Rollen, Räume, Ordnungen
Anne Conrad (Saarbrücken): Das helle Licht der Wahrheit? Klosteraustritte und ihre Folgen für Frauen und Männer
Nicole Grochowina (Selbitz / Erlangen-Nürnberg): Geschlechterunordnung durch neue Lebensformen? Auffassungen von Weiblichkeit und Männlichkeit in der täuferischen Bewegung
Ruth Albrecht ( Hamburg): Geistliche Priesterinnen und Priester, Männliche Jungfrauen ... Genderdiskurs und Genderpraktiken im Pietismus
Sektion III: Glaube und Geschlecht im 20. und 21. Jahrhundert
Margit Eckholt (Osnabrück): Ämter für Frauen in der katholischen Kirche? Gender-Diskurse aus der Perspektive der systematischen Theologie
Cornelia Schlarb (Göttingen): Von der Pfarrgehilfin zur Bischöfin. Geschlechterrollenwandel und die Ordination von Frauen in den evangelischen Kirchen
Andrea Bieler (Basel): Geschlechtsidentitäten und Lebensformen: Evangelische Kontroversen
Birgit Heller (Wien): Religionen und Geschlecht. Bilder, Rollen und Ordnungen der Geschlechter in vergleichend-systematischer Perspektive
Ina Wunn (Hannover): Islam und Geschlechterfragen im Wandel
Abschlussdiskussion:
Glaube und Geschlecht in Geschichte und Gegenwart: Zur Rolle der Reformation und der „Gender Reformation“ gestern und heute
Ruth Albrecht / Nicole Grochowina / Birgit Heller / Cornelia Schlarb / Christian Witt / Heide Wunder / Ina Wunn
Moderation: Eva Labouvie