CLIL im historischen Sachunterricht

CLIL im historischen Sachunterricht: Perspektiven für inhaltliches und fremdsprachliches Lernen

Organisatoren
Katja Schwemmer, Institut für Fremdsprachen, Pädagogische Hochschule Heidelberg; Anabelle Thurn, Institut für Politik- und Geschichtswissenschaft, Pädagogische Hochschule Freiburg
Veranstaltungsort
Pädagogische Hochschule Heidelberg
PLZ
69120
Ort
Heidelberg
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
29.02.2024 - 01.03.2024
Von
Christina Lennert, Fachdidaktik des Englischen, Universität Paderborn

Die Umsetzung von Content and Language Integrated Learning (CLIL) im historischen Lernen des Sachunterrichts der Grundschule stand im Fokus der Vorträge und Diskussionen, die Forschende aus Fachwissenschaft und -didaktik beider Fächer zu interdisziplinärem Austausch anregte und zukünftige Kooperationen anbahnte.

In seinem Eröffnungsvortrag machte OLIVER MEYER (Mainz) auf die Chancen pluriliteraren Lernens für vertieftes Lernen und Wissenstransfer aufmerksam. Fachwissen auch in internationalen Kontexten verwenden zu können sei zudem eine Schlüsselkompetenz unserer Gesellschaft: Pluriliterales Lernen unterstreiche die elementare Bedeutung von Sprache bzw. Versprachlichungsprozessen (languaging) bei der Internalisierung von Konzeptwissen und transferfähigen Fertigkeiten. So ist es auch für das historische Lernen hochrelevant.

Die Organisatorinnen der Tagung, KATJA SCHWEMMER (Heidelberg) und ANABELLE THURN (Freiburg), verwiesen auf höhere Kompetenzen im Fremdsprachenlernen durch CLIL (trotz vorhandener Selektionseffekte)1, sowie auf Studien, die keine Nachteile im fachlichen Lernen durch die Verwendung der englischen Sprache feststellten.2 Sie selbst untersuchen die Entwicklung fachbezogener Konzepte sowie themenbezogenen Wortschatzes im bilingualen historischen Sachunterricht und sehen die Verwendung der Fremdsprache (hier: Englisch) als Chance für Perspektivwechsel im Sinne eines code- oder culture-switching.3 Zudem warfen die Vortragenden Fragen nach dem Umgang mit Heterogenität im CLIL und der Entwicklung kulturell neutralen Unterrichtsmaterials auf.

CORINNA LINK (Heidelberg) und HEIKE KRÖSCHE (Innsbruck) merkten an, dass die sprachliche Vermittlung historischer Inhalte im bilingualen Unterricht automatisch mitgedacht werde. Für ein erfolgreiches Lernen im Geschichtsunterricht der weiterführenden Schule sei es bereits in der Grundschule erforderlich, fachspezifische Kompetenzen anzubahnen. Angesichts dieser Herausforderung stelle sich die Frage, ob und inwieweit Ansätze im Bereich CLIL für historisches Lernen im Sachunterricht nutzbar gemacht werden können, etwa zur Förderung einer quellenkritischen Haltung. Sie verwiesen zudem auf die Herausforderung, die Entwicklung von Interpretations-, und Reflexionskompetenz der Schüler:innen im bilingualen Sachunterricht nicht zu vernachlässigen.

LAURA SCHWARZ (Flensburg) verwies auf den Aufbau einer doppelten Sachfachliteralität als „ein erklärtes Ziel des bilingualen Unterrichts“4 sowie auf die geringe Anzahl an Untersuchungen zu deren Entstehung. Ihr Forschungsvorhaben zielt darauf ab zu untersuchen, „[…] ob eine systematische Einbindung beider Sprachen in den Unterricht Lernende dazu befähigt, eine Diskurskompetenz in beiden Sprachen zu entwickeln.“5

CHRISTINE PFLÜGER (Kassel) erläuterte das von Pavlenko6 entwickelte Modell zur mentalen Repräsentation von Lerninhalten in zwei Sprachen, das von ihr (in Anlehnung an Lee7) um die konzeptuellen Dimensionen des historischen Denkens weiterentwickelt wurde. Zudem ging sie anhand des Beispiels von Fachwerkhäusern auf außerschulische Lernorte als Objektivationen der Geschichtskultur im bilingualen (hier: deutsch-französischen) Sachunterricht ein.

EVA FRANZ (Trier) fokussierte die sprachsensible Gestaltung von Lehr-Lernmaterialen für historisches Lernen, die auch Kindern mit wenig ausgeprägten Deutschkenntnissen Teilhabe am historischen Sachunterricht ermöglichen. Sie verwies darauf, dass nationale und internationale Schulleistungsstudien wie zum Beispiel PISA zeigten, dass bei deutschen Schüler:innen nach wie vor ein deutlicher Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzentwicklung bestehe.8 Anschließend erläuterte Franz Kriterien zur Analyse von Lehr-Lern-Materialien und zeigte beispielhaft Chancen und Grenzen einiger Materialien auf.

JUTTA RYMARCYK (Heidelberg) nannte Möglichkeiten, anspruchsvolle Bilderbücher im bilingualen historischen Sachunterricht einzusetzen. Zudem merkte sie an, dass die Vielzahl der in den vorgestellten picturebook-novels9 vertretenen Genres einen multimodalen Ansatz ermögliche, der sich u.a. durch den Einbezug der Bereiche Theater, Film und Musik transmedial erweitern lasse.

BÄRBEL DIEHR (Wuppertal) gab einen Überblick über bestehende Programme und didaktische Konzepte sowie die aktuelle Forschungslage. Sie verwies auf das Integrated Dynamic Model (IDM) des bilingualen mentalen Lexikons10, das eine theoretische Grundlage für bilingualen Unterricht und den Aufbau fachlicher Konzepte in beiden Sprachen darstelle. Zu den von Frau Diehr vorgestellten Studien zählte etwa das BiSY-Projekt11, im Rahmen dessen Lieselotta Botz unter anderem den Erwerb fachlicher und fachsprachlicher Konzepte im monolingual fremdsprachlichen Sachunterricht im Vergleich zu einem Sachunterricht mit systematischen Wechseln zwischen Schul- und Fremdsprache analysierte.

VICTOR SÖLL (Bonn) präsentierte ein Poster zum Thema didaktische und epistemologische Herausforderungen des Geschichtsunterrichtes aus einer deutsch-französischen Perspektive. Auch SARAH WUNDERLICH (Koblenz) thematisierte Herausforderungen des bilingualen Geschichtsunterrichts, während CHRISTINA LENNERT (Paderborn) Chancen des multilingualen Wortschatzerwerbs in den Fokus rückte.

Die Tagung „CLIL im historischen Sachunterricht“ fokussierte neben theoretischen Grundlagen und Modellen praktische Umsetzungsmöglichkeiten bilingualen Lernens in der Grundschule.

Weitere fachliche Diskussionen werden unter anderem die Frage betreffen, inwieweit Forschungsergebnisse aus der Sekundarstufe auf den Grundschulunterricht übertragen werden können. Auch das Begriffslernen im mehrsprachigen Grundschulunterricht sowie der Anspruch auf terminologische Klarheit (zum Beispiel Unterscheidung von Bildungs- und Fachsprache) war Thema der Abschlussdiskussion. Insgesamt besteht die Notwendigkeit weiterer Forschung zu praktischen Umsetzungsmöglichkeiten, wodurch die Relevanz des Tagungsthemas für den aktuellen Diskurs und zukünftige Forschungsprojekte – sowohl in der Geschichtsdidaktik als auch der Fremdsprachendidaktik – abschließend noch einmal hervorgehoben wurde. An die Erkenntnisse der Tagung soll in zweifacher Weise, in Form eines Arbeitstreffens sowie einer Publikation, angeknüpft werden.

Konferenzübersicht:

Oliver Meyer (Mainz): Pluriliterales Lernen in der Grundschule? Sachfachliteralität schulartenübergreifend denken und konzipieren

Laura Schwarz (Flensburg): Anbahnung einer doppelten Sachfachliteralität durch die Verknüpfung von sprachlichem und fachlichem Lernen im bilingualen Geschichtsunterricht: Erprobung didaktischer und methodischer Überlegungen am Beispiel des historischen Erklärens

Heike Krösche (Innsbruck) & Corinna Link (Heidelberg): Historisches Denken im bilingualen Sachunterricht fördern: Ein Problemaufriss aus zwei Perspektiven

Florian Freitag (Duisburg-Essen) & Philippa Carlà-Uhink (Potsdam): Die vielen Sprachen der Geschichte: Multimodale historische Landschaften in Themenparks

Eva-Kristina Franz (Trier): Historisches Lernen sprachsensibel gestalten?!? – Möglichkeiten der Analyse und Überarbeitung von Lehr-Lern-Materialien für das frühe historische Lernen

Katja Schwemmer (Heidelberg) & Anabelle Thurn (Freiburg): Geschichtskulturelle Medien im bilingualen historischen Sachunterricht: Perspektiven für inhaltliches und fremdsprachliches Lernen

Jutta Rymarczyk (Heidelberg): Anspruchsvolle Bilderbücher im englischsprachigen historischen Sachunterricht

Bärbel Diehr (Wuppertal [i.R.]): Bilingualen Sachunterricht weiterentwickeln – eine Aufgabe für Wissenschaft und Schule

Christine Pflüger (Kassel): Geschichtskultur im bilingualen Sachunterricht

Poster: Christina Lennert (Paderborn): Learning vocabulary in multilingual primary school classes - multilingualism as an opportunity for language learning

Poster: Victor Söll (Bonn): Didaktische und epistemologische Herausforderungen des Geschichtsunterrichtes aus einer deutsch-französischen Perspektive

Poster: Sarah Wunderlich (Koblenz): CLIL History Teaching - Herausforderungen im fremdsprachlichen Geschichtsunterricht erkennen und nutzen

Anmerkungen:
1 Stefanie Frisch (2021), Bilinguales Lernen in der Grundschule: Einblicke in sprachliche und naturwissenschaftliche Kompetenzen, in: Fremdsprachen Lehren und Lernen, 50,1 (2021); Dominik Rumlich, Evaluating bilingual education in Germany: CLIL students’ general English proficiency, EFL self-concept and interest, Frankfurt am Main 2016.
2 Frisch, Bilinguales Lernen in der Grundschule; Lieselotta Botz, Fachliteralität im Bilingualen Sachunterricht der Grundschule: Eine Vergleichsstudie zur Bedeutung des Spracheinsatzes, Berlin 2023.
3 Michele Barricelli / Falk Zwicker, Different words, possible worlds. Zum Problem des code-switching im bilingualen Geschichtsunterricht, in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik (2009), S. 12–24.
4 [KMK] Kultusministerkonferenz, Konzepte für den bilingualen Unterricht. Erfahrungsbericht und Vorschläge zur Weiterentwicklung 2013.
5 Laura Schwarz, Vortrag „Anbahnung einer doppelten Sachfachliteralität durch die Verknüpfung von sprachlichem und fachlichem Lernen im bilingualen Geschichtsunterricht: Erprobung didaktischer und methodischer Überlegungen am Beispiel des historischen Erklärens“ im Rahmen der Tagung „CLIL im historischen Sachunterricht: Perspektiven für inhaltliches und fremdsprachliches Lernen“, Heidelberg 2024.
6 Aneta Pavlenko, Conceptual representation in the bilingual lexicon and second language vocabulary learning, in: Aneta Pavlenko (Hrsg.), The Bilingual Mental Lexicon. Interdisciplinary Approaches, Bristol 2009, S. 125–160.
7 Peter Lee, Understanding History, in Peter Seixas (Hrsg.), Theorizing Historical Consciousness. Toronto 2004, S. 129–164.
8 Werner Klein, PISA 2018 Bildungsgerechtigkeit tritt auf der Stelle, https://deutsches-schulportal.de/expertenstimmen/pisa-2018-bildungsgerechtigkeit-tritt-auf-der-stelle/ 2009 [Stand: 19.12.2019; Letzter] (24.11.2023).
9 Marek Oziewicz, The graphic novel: Brian Selznick’s the invention of HUGO CABRET, WONDERSTRUCK and THE MARVELS, in: Janice Bland (Hrsg), Using Literature in English Language Education: Challenging Reading for 8-18 Year Olds, London 2018, S. 25–40.
10 Bärbel Diehr, Doppelte Fachliteralität im bilingualen Unterricht. Theoretische Modelle für Forschung und Praxis, in: Bärbel Diehr / Angelika Preisfeld / Lars Schmelter (Hrsg.): Bilingualen Unterricht weiterentwickeln und erforschen, Frankfurt am Main 2016, S. 57–84.
11 Lieselotta Botz, Fachliteralität im Bilingualen Sachunterricht der Grundschule. Eine Vergleichsstudie zur Bedeutung des Spracheinsatzes, Berlin 2023.

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