Erzwungen und eingeschränkt: Mobilität im Exil

Erzwungen und eingeschränkt: Mobilität im Exil

Organisatoren
Kristina Schulz, Universität Neuchâtel; Moritz Wagner, Schweizerisches Literaturarchiv Bern (Gesellschaft für Exilforschung e. V.; Schweizerisches Literaturarchiv; nccr - on the move; Schweizerisches Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien; Chaire d'histoire contemporaine der Universität Neuchâtel)
Ausrichter
Gesellschaft für Exilforschung e. V.; Schweizerisches Literaturarchiv; nccr - on the move; Schweizerisches Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien; Chaire d'histoire contemporaine der Universität Neuchâtel
PLZ
2000
Ort
Neuchâtel
Land
Switzerland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
06.09.2024 - 08.09.2024
Von
Kristina Schulz, Institut d'Histoire, Universität Neuchâtel

Die Tagung fand am Schweizerischen Literaturarchiv (SLA) in Bern und an der Universität Neuchâtel statt. Ihr ging ein von Wiebke von Bernstorff (Hildesheim) und Patrick Farges (Paris) an der Universität Neuchâtel organisierter Doktorandenworkshop voraus, bei dem laufende Dissertationsprojekte zum Thema diskutiert wurden. Abgerundet wurde die Tagung am Sonntag durch eine anregende Führung durch das Centre Dürrenmatt, das sich in Neuchâtel befindet und dem Werk des Schweizer Schriftstellers, Künstlers und Intellektuellen Friedrich Dürrenmatt gewidmet ist.

Der Tagungstag am Freitag fand in den Räumen der Schweizerischen Nationalbibliothek statt. Begrüßt wurden die Teilnehmer:innen durch IRMGARD WIRTZ EYBL (Bern). Sie erinnerte an die Gründung der Institution 1991, die einen allmählichen Aufbau seiner Exilsammlung sah und noch heute regelmäßig Bestände von Exilschriftsteller:innen eingliedert. Wirtz Eybl hob unter den zahlreichen einschlägigen Beständen, die im SLA beherbergt sind, denjenigen des Schweizerischen Schriftstellervereins hervor, der 1933 bis 1945 eine wichtige Rolle als „gatekeeper“ bei der Aufnahme von Exilschriftstellern aus dem deutschsprachigen Raum spielte.

KRISTINA SCHULZ (Neuchâtel) leitete in die Thematik des Tages ein. Sie wies darauf hin, dass Exil, Migration und Mobilität stets, wenn nicht als Synonyme, so doch als Phänomene mit großem Überschneidungsbereich angesehen werden. Diese Tagung versuche indes, die intuitive Verknüpfung von Exil und Migration einerseits, und Mobilität andererseits zu hinterfragen. So sehr räumliche Veränderung zur Migrationserfahrung und erzwungene Mobilität dem Exil innewohnt, so sehr zähle auch die Einschränkung von Mobilität – die erzwungene Sesshaftigkeit, das Warten, das Ausharren, die Bewegungslosigkeit – zur Grunderfahrung von Migration und Exil. Es lohne sich, so die Annahme, den Blick auf die Verhinderung und Einschränkung von Mobilität im Zusammenhang von Exil und Migration zu richten, um neue Facetten dieser Situationen und Prozesse zu entdecken beziehungsweise in einen analytischen Zusammenhang zu bringen.

Der Vortrag von PNINA ROSENBERG (Tel Aviv) befasste sich mit dem noch wenig untersuchten grafischen Tagebuch der 1913 geborenen jüdischen Resistance-Kämpferin Dora Schaul (geb. Davidsohn, verh. Benjamin) „My war adventures 1939–?“. Auf Französisch geschrieben und umfassend illustriert erlaubt es wie wenige andere Quellen einen Zugang zu subjektiven Wahrnehmungen von Flucht und Internierung, war Dora Schaul doch 1939 unter anderem im Gefängnis La Petite Roquette inhaftiert, bevor sie ins Internierungslager Rieucros überstellt wurde; andere Lager folgten. Die Zeichnungen heben zum Beispiel die sanitarischen Untersuchungen und Unterbringungsbedingungen hervor, die als entwürdigend empfunden werden. Dargestellt wird auch die Hochzeit mit dem Widerstandskämpfer Alfred Benjamin, der allerdings 1942 bei der Flucht in die Schweiz ums Leben kam. Nach dem Krieg kehrte Schaul nach (Ost)deutschland zurück, heiratete den ehemaligen Spanien-Kämpfer und Kommunisten Hans Schaul und starb 1999 in Berlin.

SEUMAS SPARKs (Melbourne) Vortrag handelte von den sogenannten „Dunera boys“. Dieser bereits zeitgenössische Begriff bezeichnet circa 2.300 von den Nationalsozialisten verfolgte Männer deutscher und österreichischer Herkunft – sowie circa 200 Italiener –, die 1940 als Alien Enemies („feindliche Ausländer“) per Schiff aus Großbritannien nach Australien deportiert wurden. Unter den Deportierten befanden sich Musiker, Schriftsteller, Künstler und (Geistes-)Wissenschaftler. Eine Vielzahl von Quellen, darunter viele künstlerische Arbeiten, vermögen daher die unhaltbaren Zustände auf der Dunera und bei der Unterbringung in Internierungslagern zu dokumentieren. Sie sprechen von Trauma sowie Frustration und werfen Fragen über öffentliches Vergessen und Gedenken auf. Der Vortrag berührte historische und erinnerungspolitische Aspekte.

PATRICK FARGES (Paris) befasste sich mit deutschsprachigen Exilanten in kanadischen Internierungslagern, zeitgenössisch als „camp boys“ bezeichnet. Wie auch im Fall der Dunera boys handelte es sich um meist jüdische Männer, die in Großbritannien als alien enemies festgenommen, sodann nach Kanada deportiert und dort interniert wurden. Der Vortrag schreibt diese Geschichte von (Im)Mobilität in trans-imperiale Zusammenhänge ein, denn viele Exilländer wie Kanada, aber auch Australien, Indien und andere mehr gehörten zur imperialen Welt mit ihren kolonialen Bezügen. Das Referat ging ebenfalls auf geschlechtergeschichtliche Aspekte ein, handelte es sich doch um einen männlichen Mikrokosmos, in welchem männlicher Körperlichkeit eine spezifische Bedeutung zukam. Akzeptanz für die Anwesenheit dieser Ausländer schaffte die Regierung unter anderem, indem sie auf die Fähigkeit der jungen Männer verwies, „etwas wegzuschaffen“ und entsprechende Darstellungen zirkulieren ließ.

GABRIELE ANDERL (Wien) rekonstruierte Biographien von Flüchtlingslagern. Sie zeigte den Funktionswechsel von Lagern über Zeit auf. Zwei Beispiele dienten der Illustrierung: Rivesaltes in Südfrankreich (beherbergte Kolonialtruppen, Spanischer Bürgerkrieg, „Unerwünschte Ausländer“, aus Baden deportierte Jüdinnen und Juden, die aus dem völlig überfüllten Lager Gurs umverteilt wurden, nach dem Krieg: algerische Harkis und andere Flüchtlingsgruppen) sowie das 1939 von der niederländischen Regierung eingerichtete zentrale Internierungslager Westerbork, das im Kriegsverlauf unterschiedliche Funktionen erfüllte, bevor es zum SS überwachten Ausgangspunkt für die Deportationszüge in die Vernichtungslager, insbesondere Auschwitz und Sobibor wurde. Davon ausgehend wären viele Geschichten der Mobilität und Immobilität zu rekonstruieren. Anderl wies auf die Ambivalenz der kulturellen Selbstorganisation hin, die einerseits ein Minimum an Autonomie verschaffte und half, Langeweile zu bekämpfen, andererseits aber auch Protest gegen die Internierung entschärfte und Widerstandsgeist somit zum Erlöschen brachte.

LINDA WIESNER (Frankfurt am Main) untersuchte Strategien von Handlungsfähigkeit in Internierungslagern anhand von Internierten-Tagebüchern. Ausgangspunkt des Vortrags war die Person Frederic W. Nielsens (Pseudonym), der ins Vereinigte Königreich floh und von da nach Kanada deportiert wurde. Er hat mehrere Tagebücher geführt, die sich heute im Deutschen Exilarchiv befinden. Sie wie auch der Bestand „Freimut Schwarz“ bilden akribisch Lageraktivitäten und -abläufe ab. Deutlich wird, dass die Einteilung von Zeit, aber auch das Einnehmen von Raum zu den Bereichen gehörten, die einen (wenn auch eingeschränkten) Handlungsspielraum boten. Das bestätigte auch der Blick in Lagerzeitschriften wie die in Kanada entstandenen Camp L Chronicle und The stackeldraht, die im Deutschen Exilarchiv beherbergt sind.

Am Nachmittag stellten SYLVIA ASMUS (Frankfurt am Main), JÖRN HASENCLEVER (Frankfurt am Main) sowie MORITZ WAGNER (Bern) ein gemeinsames digitales Erschließungsprojekt des Deutschen Exilarchivs und des Schweizerischen Literaturarchivs vor, das sich mit dem Nachlass Ulrich Bechers beschäftigt. Beide Einrichtungen beherbergen bedeutende Teilnachlässe dieses Autors. Das Referat strich die Notwendigkeit solcher Verbundarbeit heraus, da Exilnachlässe aufgrund der transnationalen Exilbiographien häufig verstreut und die Verteilung arbiträr sei, jedenfalls nicht systematischen Kriterien folge. Daraus erklärt sich das Streben nach einer digitalen Zusammenführung, welche das Potential der Digital Humanities nutzt und erweitert. Am Falle Bechers sollen, so wurde deutlich, die Möglichkeiten und die Machbarkeit auf mehreren Ebenen (Ressourcen, Technik, Förderung, Know-how etc.) prototypisch ausgelotet werden.

Der Nachmittag endete mit einem besonderen Programmpunkt, der vom Schweizerischen Literaturarchiv vorbereitet worden war. Die Mitarbeitenden hatten im Vorfeld drei Stationen einer kleinen Ausstellung von Objekten aus den Exilbeständen des Archivs vorbereitet. In kleinen Gruppen konnten die Konferenzteilnehmer:innen die Vitrinen besichtigen und erhielten in Kurzpräsentationen sowie Diskussionen einen Einblick sowohl in die Sammlungspraxis des Archivs als auch in die Bedingungen des literarischen Exils in der Schweiz seit 1933.

Die öffentliche Abendveranstaltung hatte das Schweizerische Literaturarchiv ausgerichtet. Die literarische Soirée „Kultur im Exil“ mit dem schweizerisch-russischen Exilautor Michael Schischkin war im Vorfeld breit beworben worden, sodass der Saal bis auf den letzten Platz besetzt war. Lucas Marco Gisi (Bern) führte durch einen faszinierenden Abend, bei dem die Lesung eines noch unveröffentlichten autobiographischen Textes Anlass zu einem anregenden Gespräch gab.

Am Samstag fand die Konferenz an der Universität Neuchâtel statt. JOSEPHINA BIERL (Lausanne) stellte ihre Forschungen zu Ulrich Bechers Roman „Kurz nach 4“ vor. In diesem Buch wird die neue Automobilität des Nachkriegsbooms als Fortschrittsversprechen hinterfragt – ein Glaube, der es nach 1945 erlaubt hatte, die Nachkriegszeit als Neuanfang und Schlussstrich zu interpretieren. Bierl zeigt, wie Becher die Verflechtungen und Überlappungen von Vor-, Kriegs- und Nachkriegsgeschichte am Beispiel der Autobahn thematisiert. Sie verspreche einerseits grenzenlose Bewegungsfreiheit (beispielsweise ins touristisch zunehmend mehr erschlossene Italien), verweise aber andererseits auf die Projekte der autoritären Diktaturen der Dreißiger- und Vierzigerjahre.

FINJA ZEMKE (Hamburg) beschäftigte sich mit Mobilität im Werk der österreichischen Exilschriftstellerin Ilse Aichinger. „Die größere Hoffnung“ greift literarisch die Kindertransporte auf, wobei den Kindern, die im Mittelpunkt des Romans stehen, die Flucht ganz knapp nicht mehr gelingt, weil die Transporte eingestellt wurden. Stattdessen imaginieren sie im Roman ihre Fluchtmobilität. Das dichte Werk eignet sich, so zeigt sich, in besonderer Weise dazu, den Zusammenhang von Mobilität und Immobilität im Kontext von Exil und Flucht zu problematisieren. Besonders deutlich wird dies am Motiv des Übersetzens. Anstatt ausreisen und damit der Gefahr entfliehen (und mit dem Schiff übersetzen) zu können, bereiten sich die zur Immobilität verurteilten Kinder auf eine nicht mehr vorhandene Möglichkeit zur Flucht vor, indem sie Englisch lernen.

BURCU DOGRAMACI (München) sprach aus der Perspektive der Kunst-, genauer der Fotografiegeschichte über Bilder der „Gastarbeit“ in BRD und DDR. Sie stellte ein umfassendes Korpus von Fotografien ins Zentrum, welche die Arbeitsmigrationen seit den 1950er-Jahren dokumentierten. Anhand der Motive, aber auch der in den Fotos eingenommenen Blickwinkel lässt sich zeigen, dass die Vorstellung, es handele sich lediglich um eine provisorische Etablierung, weit verbreitet war. Abgelichtet wurden Bahnhöfe, Wohnheime (oder auch Baracken) und Szenen des Wartens. Auch die nach der Weltwirtschaftskrise Mitte der 1970er-Jahre forcierte Rückkehr wurde fotografisch begleitet. Das Referat ging zunächst auf die Szenen der Hochkonjunktur in der BRD ein und wandte sich dann der Vertragsarbeiterimmigration in die DDR und ihrer fotografischen sowie audiovisuellen Dokumentation zu.

LYDIA SCHMUCK (Dortmund) untersuchte in ihrem Vortrag das Werk von Susanne Bach (geb. Eisenberg, 1909–1989), welche die vielfältigen Stationen ihres Exils (Frankreich, Brasilien) in Exilschriften und Briefen dokumentierte. Der Bestand ist im Deutschen Exilarchiv beherbergt. Das Motiv des Eingesperrtseins und der Tatenlosigkeit prägt die Beschreibungen der Internierung im Vel’ d’hiver und in Gurs, während Paris als Sinnbild der (Bewegungs-)Freiheit erscheint. Aspekte des Sprachwechsels und der Übersetzung spielen eine wichtige Rolle in den Texten, in denen die Schwierigkeiten der erzwungenen Mobilität und Immobilität (und ihre Verknüpfung) immer wieder thematisiert werden.

INGE HANSEN-SCHABERG (Rotenburg) stellte die Mobilität der Exilantin Dr. Grete Hermann (1901–1984) vor, die 1925 bei Emmy Noether promovierte. Die Mathematikerin, Philosophin und Physikerin engagierte sich ab 1927 im Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) und war Mitarbeiterin in der Zeitung Der Funke, die 1933 verboten wurde. Als Anhängerin der Reformpädagogik war Hermann im Umfeld des Landerziehungsheims Walkenmühle engagiert, das 1933 von der SA geschlossen wurde und nach Dänemark exilieren musste. Der Vortrag zeichnete die Netzwerke und Aktivitätsfelder von Grete Hermann nach und untersuchte die Ressourcen, welche dazu beitrugen, dass sie im Exil eine gewisse Mobilität aufrechterhalten konnte.

JACQUELINE VANSANT (Dearborn) befasste sich mit Briefen, die der aus Ungarn stammende Paul Berkovits aus St. Gallen in der Ostschweiz geschrieben hat. Dort bereitete er sich als Internatsschüler am Institut am Rosenberg auf die Maturitätsprüfung vor, nachdem er 1938 als Jude von seinem Wiener Gymnasium ausgeschlossen worden war. In seinen Briefen erwog er seine künftigen Bewegungsmöglichkeiten und teilte zugleich das Gefühl einer geistigen Einschränkung, später des Stillstandes mit. Die Sicherheit in der Schweiz wurde, wenngleich sie eine privilegierte Situation bedeutete, als belastend empfunden. Die Briefe bezeugen eine geradezu obsessive Beschäftigung mit einer erwarteten und erhofften Mobilität – beispielsweise nach England oder in die Vereinigten Staaten – und dies im Schatten eingeschränkter Möglichkeiten für Jüdinnen und Juden in Europa und darüber hinaus.

KATRIN SIPPEL (Wien) beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit Portugal, das aufgrund seiner Neutralität, seiner geografischen Lage und Funktion als Ausgangspunkt der transatlantischen Emigration zum Wartesaal für 60.000–80.000 Flüchtlinge wurde, darunter viele Juden. Provisorisch und auf die Weiterreise ausgerichtet, zog sich der Aufenthalt für viele über Monate und Jahre hin. Zahlreich sind die Zeugnisse, die den Aufenthalt in Portugal beschreiben. Sie sprechen Mobilität und ihre Einschränkung auf vielfältige Weise an, etwa in der Erwähnung von Verkehrsmitteln, Reiseplänen, Abfahrtszeiten, Kosten, örtlichen Gegebenheiten oder auch Möglichkeiten der Unterbringung.

REINHARD ANDRESS‘ (Chicago) Vortrag handelte von (Im)mobilität auf Mallorca. Die Insellage brachte ein spezifisches Verhältnis zur Mobilität hervor, wie sich anhand von verschiedenen literarischen Werken ehemaliger Exilierter, die mitunter als „Mallorca-Gruppe“ bezeichnet wurden, aufzeigen ließ. Die Inselmetapher wurde häufig benutzt, um Einsamkeit, Entwurzelung und Entfremdung zu beschreiben. Die Texte zeigen, wie sehr Immobilität und Mobilität miteinander verbunden waren und als verknüpft empfunden wurden. Andress schlug die Schreibweise „Im_Mobilität“ vor, um diese Aufeinanderbezogenheit deutlich zu machen. Zugleich regte er auch eine kritische Diskussion über die Produktivität des Begriffs für die Exilforschung an.

Als letzte Rednerin beschäftige sich ANNA MESSNER (Düsseldorf) mit Marseille als Transitort, wobei neben schriftlichen Zeugnissen visuelle Quellen ins Zentrum rückten. Mobilität war, so die Beobachtung, ein Dauerthema: in Gesprächen, die sich stets um Pässe, Visa, Abfahrtszeiten von Schiffen und anderem drehten, aber auch in fotografischen Quellen: der Hafen, der Bahnhof und andere Ausgangsorte von Mobilität (sowohl Deportation als auch die rettende Weiterreise) wurden abgelichtet, Brücken und ihre Zerstörung durch deutsche Bomben festgehalten. Die Kamera war ein Instrument, das mobil war und doch einen Moment im Bild fixierte – nicht zuletzt in der (oder für die) Erinnerung und das (kollektive) Gedächtnis.

Insgesamt haben die Diskussionen gezeigt, dass das Nachdenken über Mobilität und Immobilität im Kontext von Migration und Exil zahlreiche Ambivalenzen migrantischer und exilischer Existenz sichtbar zu machen erlaubt. Die nahezu obsessive Beschäftigung der Exilant:innen mit Möglichkeiten der Mobilität (wie beispielsweise Transitmöglichkeiten, Infrastrukturen der Mobilität – unter anderem Bahnhöfe, Häfen, Eisenbahn, Brücken –, Visafragen) und ihrer Verunmöglichung (durch Zerstörung, Verhinderung, Einschränkung) verweist darauf. Plädiert wurde in der Abschlussdiskussion für die präzise Kontextualisierung der Quellen (Dokumente, Bilder, Objekte), in denen Mobilität thematisiert wird, und damit für eine konsequente Historisierung: Wer spricht wo, wann warum und in welcher Form (Im)Mobilität an und was ist jeweils damit gemeint? Die angesprochenen Ambivalenzen laden zu weiteren Forschungen und Debatten an.

Konferenzübersicht:

Irmgard Wirtz Eybl (Bern) / Kristina Schulz (Neuchâtel): Begrüßung

Panel I
Moderation: Andrea Hammel (Aberystwyth)

Pnina Rosenberg (Tel Aviv): Art & Exile. Dora Schaul’s Autographic Diary as a Young Stateless Woman

Seumas Spark (Melbourne): ‘At the Edge of the World’. Dunera Artists in Exile

Oksana Pashko (Frankfurt (Oder)): Behind the Walls of the Camp. The Case of MUR (The Artistic Ukrainian Movement), 1945–1948

Panel II
Moderation: Doerte Bischoff (Hamburg)

Patrick Farges (Paris): „In this Compression Chamber between Europe and North America.“ Deutschsprachige Exilanten im Internierungslager für Enemy Aliens – Immobilität und Dazwischen-Sein

Gabriele Anderl (Wien): „Biographien“ von Flüchtlingslagern

Linda Wiesner (Frankfurt am Main): „Die Camp-Universität ist wieder in vollem Gange“. Exilierte Menschen in Internierungslagern und ihre Strategien zur Herstellung von Handlungsfähigkeit

Sylvia Asmus (Frankfurt am Main) / Jörn Hasenclever (Frankfurt am Main) / Moritz Wagner (Bern): Aus Kisten, Koffern und Schachteln. Ulrich Becher digital

Lena Brügger (Bern) / Margit Gigerl (Bern) / Rudolf Probst (Bern) / Kristel Roder (Bern) / Sara Schindler (Bern) / Moritz Wagner (Bern) / Magnus Wieland (Bern): (Im)Mobilität im Exil bei Ulrich Becher, Irmgard von Faber du Faur, Georg Kaiser, Golo Mann, Jo Mihaly, A. V, Thelen u.a. – Führung zu Beständen des Schweizerischen Literaturarchivs (SLA)

Literarische Soirée des SLA
Moderation: Lucas Marco Gisi (Bern)

Michail Schischkin: Kultur im Exil

Panel III
Moderation: Kerstin Schoor (Frankfurt (Oder))

Josephina Bierl (Lausanne): Autostrada in die Vergangenheit. Über das Verhältnis von Automobilität und Erinnerung in Ulrich Bechers Roman kurz nach 4 (1957)

Finja Zemke (Hamburg): „Heimlich über die Grenze!“ Imagination, Spiel und Hoffnung als Verhandlungen von (Im-)Mobilität in Ilse Aichingers Die größere Hoffnung

Burcu Dogramaci (München): Vom Ankommen, Gehen und Bleiben. Fotografien der Arbeitsmigration in der BRD und DDR

Panel IV
Moderation: Burcu Dogramaci (München)

Lydia Schmuck (Dortmund): „So lang man jedoch über der Gefängnismauer […] die Spitze des Eifelturmes sehen konnte, bestand […] noch die Hoffnung, nach Hause zu kommen“. (Im-)Mobilität in den Exilschriften und Briefen von Susanne Bach

Inge Hansen-Schaberg (Rotenburg): Die Mobilität der Exilantin Dr. Grete Hermann

Jacqueline Vansant (Dearborn): “[O]b ich Euch aber das Andere, Seelische, Aufrichtende werde schildern können?“ Aus den Schweizer Briefen eines jungen jüdischen Flüchtlings (1938–1942)

Panel V
Moderation: Wiebke von Bernstorff (Hildesheim)

Katrin Sippel (Wien): Der Wartesaal Europas. Mobilität und Immobilität von Flüchtlingen in Portugal

Reinhard Andress (Chicago): „Im_mobilität“ von Exilschriftsteller:innen auf Mallorca (1931–1936)

Anna Messner (Düsseldorf): Visualizing Marseille as a City of Transit

Abschlussdiskussion