Unter dem Thema „Interwoven Economies: The ‚Chaîne Opératoire‘ as a Method for Comparing Regional Networks between the Iberian Peninsula and North Africa“ rückten vor allem zwei Themenblöcke in den Fokus des Workshops: Erstens handelte es sich dabei um die engmaschige Verbindung unterschiedlicher Wirtschaftssektoren sowohl innerhalb verschiedener Betrachtungsskalen wie lokal, regional, überregional als auch bei nahezu sämtlichen Schritten der Prozessierung von Rohstoffen und Erzeugung von Zwischen- und Endprodukten. Zweitens wurde zur Untersuchung eben jener Verbindungen und Zusammenhänge in Prozessen das Konzept der „chaîne opératoire“ als Ansatz zur Analyse vorgestellt und anhand unterschiedlicher Themenfelder im Zeitraum vom 1. Jahrtausend vor Christus bis ins Mittelalter im westlichen Mittelmeerraum betrachtet. Ziel des Workshops war damit, einerseits die Gegenüberstellung unterschiedlicher Prozessionsketten unter Berücksichtigung des Konzepts der „chaîne opératoire“ und Analyse von Akteuren, Orten, Zeiträumen, Einzelschritten und den dafür notwendigen Voraussetzungen in verschiedenen Sektoren und Rohstoffgruppen im westlichen Mittelmeerraum sowie andererseits größeren Fragen nach Aufschwung, Blüte, Niedergang in einer longue-durée-Perspektive nachzugehen und dabei einzelne Fragestellungen und Forschungspotentiale herauszuarbeiten.
DENNIS MARIO BECK (Bonn) legte in der Keynote das Konzept der „chaîne opératoire“ und einzelne Beispiele für Anwendungsfälle dar, um eine grundlegende Diskussion zum Forschungsstand und weitere Ansätze daraus abzuleiten. Anhand des Fallbeispiels einer Prozesskette für den Abbau, die Prozessierung, Transport und Verhandlung einer Säule aus marmor Numidicum in der mittleren Kaiserzeit legte er sämtliche Einzelschritte in der Analyse und die dazu verfügbare Datenlage offen. Insbesondere der Transport von Gütern in gemischten Ladungen, der auf Grundlage der untersuchten Schiffswracks vorherrschend in der Antike war, zeigt die oft eng miteinander verbundenen Sektoren von lokalen und regionalen Produktionen von Gütern. Darüber hinaus verdeutlichten Vergleiche zur garum-Produktion im nördlichen Mauretanien und der Hispania Baetica Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Prozessketten. Abschließend wurden verschiedene aktuelle Forschungsthemen innerhalb der antiken Wirtschaft vorgestellt.
DARÍO BERNAL-CASASOLA (Cádiz) stellte in seinem Vortrag die Distribution von Salzgewinnungsstätten und Produktionsanlagen von garum und weiteren Fischprodukten im südlichen Spanien, Portugal sowie nördlichen Marokko vor und gab eine detaillierte Einsicht in Produktionsbetriebe in Lixus, die nach aktuellem Forschungsstand die größten erhaltenen aus der Antike darstellen. Anhand des Konzepts der „chaîne opératoire“ legte er die verschiedenen Einzelschritte offen und zeigte überzeugend das komplexe Zusammenwirken bei der Produktion. Die Notwendigkeit ausreichend Salz für die garum-Produktion zu gewinnen und verfügbaren Platz für die mehrjährige Lagerung zur Gärung der Soßen zu haben, machte es vielerorts möglich, eine gezielte Arbeitsteilung zu etablieren und damit innerhalb der Mikroregion zusammenzuarbeiten.
Das Zusammenwirken und die strukturelle Organisation verschiedener Produktionsketten bei der Erzeugung von garum und weiteren Fischerzeugnissen stand ebenfalls im Fokus des Vortrages von ATHENA TRAKADAS (Kopenhagen), die sich insbesondere auf die nördliche marokkanische Atlantikantikküste und der Verteilung unterschiedlicher Anlagen zur Produktion konzentrierte. Dabei standen die Kartierung verschiedener Produktionsstätten und deren jeweilige lokale und regionale Einbindung sowie die Analysen verwendeter Fischsorten und deren Fischfang im Blickpunkt. Insbesondere in der zeitlichen Perspektive von der vorrömischen bis zur spätantiken Periode sind Unterschiede in der Verwendung von Fischarten, Produktionsvorgängen und auch Produktionsvolumina aus den archäologischen und teils auch textlichen Quellen abzuleiten, um die garum-Industrie in diesem Gebiet über den gesamten Zeitraum der Erzeugung detailliert nachzeichnen zu können.
STEPHEN COLLINS-ELLIOT (Tennessee) stellte ein Beispiel im Umgang mit großen Datenmengen und deren Nutzung zur Filterung einzelner historischer Vorgänge und deren Auswirkungen in der Langzeitperspektive auf die materielle Kultur vor. Mithilfe software-gestützter Analysen von einer Vielzahl einzelner Datengruppen bestehend aus antiken Objekten und Orten bieten verschiedene Abfragen damit ein verdichtetes Bild auf Präsenz und Absenz einzelner Objekte, Objektgruppen oder deren Laufzeit an einem Ort.
ALEJANDRO QUEVEDO (Madrid) sprach in seinem Beitrag über verschiedene Erzeugnisse der antiken Region um Carthago Nova – dem heutigen Cartagena an der Südostküste Spaniens – und nahm vor allem die Amphoren sowie deren Produktionsstätten in den Blick. Die Gestaltung der lokalen Amphoren lässt sich dabei aufgrund unterschiedlicher Charakteristika – zum Beispiel einzelnen Löcher am Hals der Amphoren ohne erkennbare Funktion oder Beulen und Asymmetrien – festmachen. Ein gängiges Phänomen ist die Imitation von in Nordafrika und insbesondere in der Region um Karthago produzierter Amphoren, obwohl über einzelne Nachweise evident ist, dass die Amphoren überwiegend mit lokalen Erzeugnissen aus der Region um Carthago Nova befüllt gewesen waren.
CORISANDE FENWICK (London) plädierte für die Ausdehnung, respektive Erweiterung des Konzepts der „chaîne opératoire“ über die Einzelschritte der Vollendung, des Verbaus oder Konsums von Gütern und Produkten auf die Kontexte der Wiederverwendung(en) und Umnutzungen, um damit eine ganzheitliche Perspektive auf die Lebenszyklen der Objekte zu bekommen. Auf Grundlage jüngster Ausgrabungen in der mittelalterlichen Stadt Walīla, teilweise auf und neben dem antiken Stadtgebiet von Volubilis in Marokko, stellte sie einzelne Werkstattkontexte vor, die sich auf die Wiederverwendung zum Beispiel von antikem Glas spezialisierten oder Metall zur Herstellung von Münzen bearbeiteten. Dabei konnte die Stadt auch auf zahlreiche Stätten aus dem direkten und ferneren Umland zurückgreifen. Ferner zeigen Importe aus dem östlichen Mittelmeerraum die wirtschaftlichen Verbindungen der Stadt insbesondere im 8. und 9. Jahrhundert nach Christus.
ANA MATEOS OROZCO (Sevilla) konzentrierte sich in ihrem Beitrag anhand antiker und moderner Beispiele in der Keramikproduktion und Nutzung auf die menschlichen Gewohnheiten im Umgang mit Keramik sowie der Agency unterschiedlicher Gefäße, deren primäre Funktion und Existenz mit der Erzeugung bestimmter Speisen zusammenhängt. Der Ansatz fungiert in ihrem aktuellen Forschungsprojekt als Erklärung für die Typologisierung und zeitliche Einordnung früher islamischer Keramik und deren Erzeuger in al-Andalus. Im Mittelpunkt steht daher die Idee über menschliche Gewohnheiten und Verhaltensweisen eine Erklärung für die Herstellung und Benutzung bestimmter Formen in den frühesten Phasen der arabischen Besiedlung in al-Andalus zu greifen und Verbindungen zu den archäologischen Kontexten herzustellen.
Es zeigte sich am Ende des Workshops, dass das Konzept der „chaîne opératoire“ hilfreich ist, um einzelne Schritte in den Prozessketten im Hinblick auf beteiligte Akteure, Aktionen, Orte und Zeiträume näher zu beleuchten, und eine gewisse Vergleichbarkeit vorliegt, wenn diese Vorgänge in systematische Darstellungen münden. Anhand der vorgetragenen Fallbeispiele und Diskussionsbeiträge konnte die systemische Vernetzung von Wirtschaftssektoren innerhalb von Mikroregionen bis hin zu Provinzen erarbeitet werden, sodass auch die Charakteristika des westlichen Mittelmeerraumes zum Tragen kamen. Hierbei waren orts- und zeitspezifische Faktoren zumeist in Beziehung zu den jeweiligen Herrschaftsstrukturen zu setzen, um Ergebnisse abzuleiten. Eine Betrachtung in der longue durée-Perspektive war dahingehend vorteilhaft, weil sich kurzzeitige und langfristige Entwicklungen ablesen lassen, während zur Erfassung tatsächlicher Mengen oder individueller Prozesse nur die Nahsicht zu bestimmten Zeitpunkten eingenommen werden kann. Je nach Fragestellung und Zielsetzung bei den jeweiligen Themen war es auch ratsam, die Betrachtung der „chaîne opératoire“ nicht nur vom ersten Schritt bis zum Primärkontext zu eruieren, sondern auch darüber hinaus Wiederverwendungen und Transitionen in den Blick zu nehmen, um die gesamte Biografie eines Objekts betrachten zu können. Zusammengefasst wurden im Rahmen des Workshops neue Impulse in der Zusammenarbeit gesetzt und mehrere Forschungspotenziale ausgelotet.
Konferenzübersicht:
Paul Scheding (Madrid): Welcome
Dennis Mario Beck (Bonn): Keynote
Darío Bernal-Casasola (Cádiz): Cadena operativa y artesanado haliéutico en época romana. Su aplicación al Círculo del Estrecho
Athena Trakadas (Kopenhagen): Roman marine resource exploitation in the province of Mauretania Tingitana
Stephen Collins-Elliot (Tennessee): Thresholds of Integration. Evaluating Long-Term Change in Economic Networks between Iberia and North Africa via Point Processes
Alejandro Quevedo (Madrid): Local amphorae and African imitations. The workshops of the Carthaginensis in Late Antiquity
Corisande Fenwick (London) / Ihsane Aad (Rabat) / Victoria Amorós-Ruiz (Alicante) / Asmae El Kacimi (Rabat) / Elizabeth Fentress (London) / Kelsi Kaviani (London) / Raluca Lazarescu (London) / Hassan Limane (Rabat) / Liam Richards (London) / Lisa Yeomans (London): Craft and technology at early medieval Walīla (Volubilis, Morocco)
Ana Mateos Orozco (Sevilla): Early Islamic Potters between Morocco and al-Andalus. A State of the Art
Final Discussion