Qualitätsmessung: M. Vec: Die vergessene Freiheit. Steuerung und Kontrolle der Geisteswissenschaften unter der Prämisse der Prävention

Von
Miloš Vec, Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt am Main

I.
Eine gute Rezension ist ein kleines Kunststück. Sie referiert für den Leser den Inhalt eines Buches und gibt ein Werturteil darüber ab. Die Rezension gehört zum Kerngeschäft der Geschichtswissenschaften. Manche andere Fächer haben keine Rezensionskultur, und damit unvertraute Personen an diese geisteswissenschaftliche Gattung heranzuführen, bedeutet eine gewisse Herausforderung. Natürlich evaluieren Rezensionen die wissenschaftliche Qualität einer Publikation. Dennoch käme kein Historiker darauf, eine Rezension mit den Instrumenten der Qualitätsmessung, Evaluation, Forschungsrating zu verwechseln, die gegenwärtig grassieren, und in denen Chancen, Risiken und Zumutungen so eng miteinander verwoben sind, dass die Betroffenen mit Resignation oder Sarkasmus darauf reagieren.

Die Unterschiede zwischen Rezensionen und Evaluationen verdeutlichen die Probleme und die Misere des oktroyierten Drangs nach Selbstdarstellung und Selbstbewertung. Wer gute Rezensionen liest, erfreut sich an der gedrängten Bewertung einer neuen Forschungsleistung, durch die ihm zwei Perspektiven, die des Rezensenten und die des Rezensierten, nahegebracht werden. Auch wenn der Leser das Stück gelungen findet, weiß er doch um die Relativität des Texts und seines Werturteils. Manche Bücher bekommen eine satte zweistellige Zahl an Besprechungen, und kaum eine gleicht der anderen. Um deren Aussagen einigermaßen würdigen zu können, ist es hilfreich, die Autoren, die Organe und ihre Präferenzen und Verfahren zu kennen, und doch bleibt es für den Leser nur eine Annäherung. Nicht nur die Geschichtswissenschaft als Ganze, auch deren Teil- und Nachbardisziplinen wie die Rechtsgeschichte1 und noch jede Zeitschrift und jeder Autor hat eine eigene Rezensionskultur. So bleiben Stil und Geschmack der Besprechung letztlich individuell, und darin liegen ihre Stärken.

Die Werturteile, ihre Herstellung und Darstellung, sind bei Rezensionen demnach wenig genormt. Manche Redaktionen greifen kaum, andere stärker in die Manuskripte ein, der Leser weiß es in der Regel nicht. Er weiß nicht, ob der Autor sich selbst um die Besprechung beworben hat oder ob er angefragt wurde. Er vermutet und hofft, dass die Besprechung mit Sachkompetenz und aus einer Kritik ermöglichenden institutionellen und persönlichen Distanz geschrieben wurde2; sicher ist das aber keineswegs. Kurz: die Komplexität ermöglicht den Adressaten keine klaren Rückschlüsse auf die Qualität des Besprochenen. Seine Lektüre erfolgt unter Vorbehalt. Wenn er es wirklich wissen will, dann macht er sich sein eigenes Bild.

II.
Die Evaluationen weichen von diesen Merkmalen mehrfach in negativer Weise ab. Ihr Anspruch auf Objektivierung geht mit erheblichen Standardisierungen der Qualitätsmessung einher. Standardisiert sind Normen und Verfahren der Bewertung. Die Produkte und Begleitschriften sind in einer solchen Sprache abgefasst, dass man nicht auf die Idee kommen würde, es handele sich dabei noch um Wissenschaft. Im Gegenteil – dem Leser stoßen die Texte im Ausdruck auf. Sie kommunizieren ihm vielfach Denkstile und Bewertungskriterien, die ihm höchst fragwürdig scheinen.

Diese Prosa ist von und für Verwalter der Wissenschaft geschrieben. Wie jeder Text ermöglichen sie Interpretationen und sie bedürfen ihrer. Die normierenden und normalisierenden Korpora werden durch weitere Texte referiert und kommentiert. Manche dieser Wiedergaben durch berufene Exegeten lassen auf nicht weniger opake Vorlagen schließen: „Während QM auf eine klare Durchsetzung von bestimmten Steuerungszielen gerichtet sei, verstehe sich Qualitätssicherung des ZQ als Förderung, Vorbereitung und Begleitung von Qualitätsmanagement- und -entwicklungsprozessen, die in der Verantwortung anderer liegen aber mit Expertise des ZQ entsprechend professionalisiert würden. Damit unterscheidet sich das Vorgehen des ZQ von Modellen zur Qualitätssteuerung und -entwicklung wie TQM/EFQM.“3 So kryptisch liest sich die Begleitprosa zu Evaluationen, die ihre Standardisierungen verwissenschaftlichen möchte und zugleich den administrativ-spröden Grundton beibehält.

In der grafischen Visualisierung gewinnt so manche Vision der Kontrolle von Forschung und Lehre an Farbe. Die Schlagworte finden zu einer Bildsprache, die Einfachstes mit Unergründlichem verbindet. Die inhaltlichen Zusammenhänge geraten aber in den Schaubildern geistig vollends aus den Fugen. Studierende würde man zu intellektueller Klarheit und Präzision anhalten, mancher konservativ gestimmte Geist würde sich solche Darstellungen vielleicht ganz verbitten.


Abb. 1: Grafik aus: Manfred Hopfenmüller, Erstellung der Prozesslandschaft als Teil einer Maßnahme nach der Selbstbewertung (Internes Papier), o.O. 2003, zitiert nach: Sigrun Nickel, Institutionelle QM-Systeme in Universitäten und Fachhochschulen. Konzepte – Instrumente – Umsetzung, CHE (Centrum für Hochschulentwicklung gGmbH), Arbeitspapier Nr. 94, Gütersloh 2007, S. 126.

Der Kreislauf der Führung findet kein Ziel, sondern bleibt ein unabgeschlossener Prozess. Das Drehmoment in der Führung gibt schubweise Anstöße für sich selbst und wechselt wie ein Chamäleon in jeder Sequenz die Farbe – weil die Wiederkehr des Ewiggleichen sonst zu eintönig wäre? Vertikale Pfeile tragen monochromatische Schlagworte auf horizontale Schlagworte; vielleicht darf man diese als Ziele des Prozesses lesen. Fix dürfen aber auch sie nicht bleiben, horizontale Pfeile markieren dreidimensional ihre Bewegung in gleichförmiger, aber inhaltlich offenbleibender Richtung zu weiteren unbekannten Zielen und Bezugspunkten, die außerhalb der Grafik liegen. Die „Prozesslandschaft“ ist ein Rätsel aus multiplen Bewegungen und grellen Farben. Universitäre Qualitätsmessung wird schon in Sprache und Bildsprache als ebenso prätentiöses wie undurchsichtiges Szenario präsentiert.

III.
Umso problematischer scheinen daher der Ton der Gewissheit und die Knüpfung von weitreichenden Folgen an diese Instrumente. Die Wissenschaftsförderung ist zunehmend umgestellt worden; feste Beträge wurden zugunsten zeitlich beschränkter, projektbezogener Mittelzuweisungen abgeschmolzen. Drittmittel und kompetitive Mittelvergabe stellen Verteilungsherausforderungen, die mittels vieler Entscheidungen über Förderungswürdigkeit gelöst werden. Wie in den Natur- und Sozialwissenschaften hat auch die Wissenschaftsförderung der Geschichtswissenschaften in letzter Zeit eine folgenreiche Umstrukturierung erfahren, die mit einer Ausweitung und Veränderung der Bewertungsinstrumente einhergeht.

Insgesamt nehmen die Bewertungsinstrumente spürbare Akzentverschiebungen nicht nur in der Wissenschaftsorganisation vor, sondern sie wirken mittelbar oder unmittelbar auf die Inhalte und Struktur der Wissenschaft selbst ein.4 Sie setzen Anreize oder errichten Hürden für Themen, Zugriffe und Thesen, kurz: sie wirken nicht nur auf der formalen, sondern auch auf der inhaltlichen Seite.

IV.
Bedenklich ist bereits der Umfang an Selbstbeobachtung und Selbstbewertung, der den Wissenschaftlern zugemutet wird. Sie müssen stärker als bisher ihre Entdeckungen planen. Schon Doktoranden zergliedern oft in lebensfremd scheinender Weise ihre Arbeitsschritte, wenn sie in Erwartung einer Begutachtung ihre Projektskizze abfassen; als ob man Lektüre von Quellen, Arbeit am theoretischen Konzept und Niederschrift in dieser an die Bauwirtschaft erinnernden Weise sequentiell trennen könnte – und dann auch noch im Voraus! Das gelingt nur, wo die Ergebnisse schon fest stehen. Umfassendere Vorhaben sind entsprechend differenzierter zu planen. Das Berichtswesen umfasst später Fortgang, Abschluss und Präsentation der Forschungen. Auch die Organisation der Lehre wurde bürokratisiert; in der Evaluation wird Masse bevorzugt.5 Die Verfahren sind so formalisiert und so komplex, dass ein Markt an Anleitungs- und Unterweisungskursen entstanden ist und entsprechende Dienstleistungen teuer bei Dritten erworben werden.

Zu den Selbstbeobachtungen gesellen sich Kommentierungen und Evaluationen durch Dritte, zumeist Fachkollegen. Es ist heikel, sich diesem Betrieb auch nur auf Gutachterseite entziehen zu wollen.

Der zeitliche Aufwand ist auf beiden Seiten immens; Wissenschaftsmanagement nimmt einen immer größeren Anteil an den Tätigkeiten des Wissenschaftlers ein, sei es, weil er sich selbst, sei es weil er für andere die Bedingungen der Entstehung neuer Forschung schaffen oder sichern muss.6 Wer im Wettbewerb um Mittel erfolgreich war, den trifft der Fluch des Siegers: Statt zur Lektüre von Quellen und Sekundärliteratur zurückzukehren, muss er seine Kraft und sein Geschick der Verwaltung widmen.

V.
Die Resultate, obwohl mit größter Akribie verfertigt, bleiben „graue“ Literatur, die lediglich in internen Kreisen zirkuliert. Transparenz ist daher, da die Begutachteten keinen oder keinen direkten Einblick in die Gutachten bekommen, nicht unbedingt gewährleistet. Die Selbstdarstellungen referieren im besten Fall mehr oder weniger verlässlich Forschungsergebnisse, ohne sie publizistisch aber wirklich substituieren zu können. Die Selbst- wie auch die Fremdkommentierungen, obwohl eine intellektuell anspruchsvolle Leistung, bleiben für die Bürokratie geschriebene Produkte.

VI.
Die Ausdehnung der Planungsideologie führt nicht nur zu einer verwerflichen Ausweitung der Verwaltungstätigkeiten. Bedenklicher ist die Zunahme an Normen und Regeln im gesamten Forschungsfeld. Die Normen und Regeln, viele von ihnen ungeschrieben, verdichten sich dermaßen, dass man geradezu von einer Vernormung und Verregelung der Wissenschaft sprechen kann. Wo ständig bewertet wird, spielt die Tatsache der Bewertung ebenso wie die Bewertungskriterien im Bewusstsein der Betroffenen eine prominente Rolle. Sie werden unter den Akteuren kommuniziert und in das System implementiert. In den allermeisten Fällen versuchen die Adressaten, den Standards zu genügen oder jedenfalls den Schein des Genügens zu erwecken. Sie richten ihr Handeln nach den Kriterien aus, die positive Bewertungen unter Kollegen versprechen.7 Sie versuchen, die Kontrollinstanzen mit möglichst geringem Aufwand zu befriedigen, kritische Punkte möglichst geschickt zu umschiffen: „Sobald ein Vorhaben einer Kontrolle unterworfen wird, bleibt das tiefere Ziel dessen, der es verfolgt, nicht mehr das Vorhaben, sondern er verlagert sich darauf, der Kontrolle vorzubeugen, die Kontrollmethoden zu unterlaufen.“8 Umgekehrt müssen eigene Stärken dem Anforderungsraster der Bewertenden angepasst werden. Das wird häufig illustriert mit dem einleuchtenden Beispiel der verstärkten Produktion des quantitativ Messbaren, wo Quantität gefordert wird. Die Suche nach den richtigen Publikationsorten und die Sucht nach Zitierbarkeit9, vormals erduldete Begleiterscheinungen des Wissenschaftsbetriebs, werden nun zu formal honorierten Aspekten. Die Defizite wie auch Missbrauchsmöglichkeiten sind erschreckend. Aber das sind nur Splitter, und die kritischen Beispiele wären vermehrbar.

VII.
Interessanterweise haben Hinweise auf eklatante Mängel10 in den Systemen von Qualitätsmessung, Evaluation, Forschungsrating nie diese selbst in Frage stellen können.

Die Geschichtswissenschaft, so darf man vermuten, ist von diesen Defiziten überdurchschnittlich stark betroffen, da viele Bewertungssysteme nach dem Muster der Naturwissenschaften geschaffen wurden. Diese aber kennen nicht den Einzelschreibtischforscher und seine Arbeitsbedingungen; nicht die Bedeutung der Monografie; Publikationsgepflogenheiten anderer Art sind ihnen fremd; Sprache und Stil bedeutet für sie etwas anderes; die Verständigung in Deutsch und anderen nicht-englischen Nationalsprachen erscheint ihnen als Atavismus gegenüber der Anglisierung und sie haben jene längst vollzogen11; die Nähe der Geschichtswissenschaften zur Literatur mutet gar anstößig an, da sie der Ideologie der Messbarkeit von Qualität vollends einen Strich durch die Rechnung machen würde.

Im Nachhinein erstaunt es, welche Naivität und Sorglosigkeit anfänglich bei manchen Verfahren gewaltet hat; künftige Beobachter werden vermutlich noch mehr über diese staunen – ebenso wie über das Ausbleiben flächendeckender Proteste und Verweigerungen bei den Betroffenen.

VIII.
Die Tatsache, dass Planung, Kontrolle und Steuerungswünsche zugenommen haben, indiziert das bedenkliche Vordringen einer neuen Ideologie. Diese Ideologie lässt sich auf die Begriffe der Sicherheit und Prävention verdichten.

Planung soll das Moment des Unerwarteten, der Enttäuschung und des Scheiterns minimieren oder ausschließen. Mittel- und Stellenvergabe sind zentrale Instrumente der Chancenzuweisung. Bei der Chancenzuweisung sollen demnach möglichst wenig Fehler und Missgriffe eintreten. Absicherung ist ein maßgebliches Motiv, und sie eint Evaluierte und Evaluatoren in ihrem Handeln. Wo sie gelingt, etabliert sie erfolgreich einen Mindeststandard an Qualität. Sie hat aber auch ihre Kehrseite. Oft wird mangels Übereinstimmung unter den Gutachtenden hinsichtlich der „Exzellenz“ auf den Konsens auf weniger kontrovers begutachtete Personen und Projekte ausgewichen. Kritiker attestieren etwa dem deutschen Berufungssystem, „dass durch das Kooptationsverfahren und die vielfältig verflochtenen Zuständigkeiten keine exzellenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern eher ein gutes Mittelmaß berufen wird“.12

Um diese Sicherheit zu erreichen, werden Präventionsinstrumente in allen Phasen installiert. In ihnen vermengen sich Selbst- und Fremdkontrollen. Dieses Vordringen von Sicherheit und Prävention ist allem Anschein nach kein auf die Wissenschaft beschränkter Vorgang, sondern er findet seine Parallelstücke auf anderen gesellschaftlichen Feldern und wird dort in prominenter Weise kritisch diskutiert.

IX.
Wissenschaft aber muss ein riskantes Unternehmen bleiben. Die Ideologie der Sicherheit und Prävention steht mit wesentlichen Merkmalen auch der geschichtswissenschaftlichen Forschung und Lehre im Widerspruch. Sie ist geistes- und kreativitätsfeindlich, wo Planung zur Ideologie erhoben und dem Glauben an objektive Messbarkeit von Qualität gefolgt wird. Man stelle sich vor, die Arbeit von Malern, Bildhauern oder Komponisten würde in vergleichbarer Weise verregelt werden und erwäge dann die mutmaßlichen Auswirkungen auf ihre Produkte.

Qualitätsmessung, Evaluation, Forschungsrating steigern die Anreize zu moderatem Konformismus und der Netzwerkbildung, da jedermann jedermanns potenzieller Gutachter ist. Die Netzwerk- und Kartellbildung dient auch als Sicherheitsnetz gegen Exklusionen. Geistige und persönliche Unabhängigkeit wird zum Risiko und wirkt fast schon anstößig. Kurz: Die Instrumente fördern Vergruppung und betreiben dezentes Mainstreaming; sie legen Wissenschaftlern nahe, stets die forschungspolitischen Implikationen ihres Handelns zu erwägen. „Vernetzung“ und auch „Interdisziplinarität“ werden oft als formale Fetische wertgeschätzt; organisierte Verbundforschung ist ihr formales Produkt und soll durch kollektive Förderinstrumente gezielt installiert werden.13 Für andere, inhaltliche Modevorstellungen wird der Boden bereitet. Kontroversen, Regelverletzungen, Bahnbrechendes, kurz: das wirklich Neue wird damit strukturell diskriminiert.

Die Alternativen der Bewertungsmethodik, für die pars pro toto die anfänglich skizzierte Buchrezension stehen soll, mögen zwar komplex sein und vielen Außenstehenden zudem noch subjektiv erscheinen; doch sie sind Spiegel der Fachkultur und wissenschaftlichen Methode. Wenn Rezensionen geisteswissenschaftlicher Werke treffender Ausdruck von wenig genormten Bewertungsverfahren unserer Forschungsergebnisse sind, dann wäre es eine Illusion zu glauben, dass andere Instrumente objektivere und standardisiertere Ergebnisse hervorbringen könnten, wenn man sie denn nur stetig verfeinerte.

X.
Stattdessen ist an den unhintergehbaren Wert der Freiheit zu erinnern und ihm wieder stärkere Geltung zu verschaffen. Kontrolle und Zwang erhöhen in abträglicher Weise den Druck auf das Wissenschaftssystem. Sie geben Anreize, Wissenschaft zunehmend als Betrieb mit leeren Ritualen einzurichten und im Hochbetrieb jenes zu produzieren, das wohlfeil zu haben ist; aber Workshops, Konferenzen und Sammelbände können sich erschöpfen; Ringvorlesungen fußen auf einem wissenschaftlichen Fundament, das sie selbst nicht garantieren.

Originalität findet oft abseits dessen statt, bedeutende und interessante Monografien entstehen an der institutionellen und thematischen Peripherie.14 Sie findet statt unter den Bedingungen der Selbstbestimmung und persönlichen Freiheit, der Nachdenklichkeit und der lebendigen Kritik. Es wäre ein höchst willkommener Ausdruck dieser Freiheit, wenn man sich Qualitätsmessung, Evaluation, Forschungsrating so wenig wie möglich unterziehen müsste, sondern Individualität, Witz und geistige Originalität entfalten dürfte jenseits des Glaubens an dessen Quantifizierung und Messbarkeit. Es würde der Forschung und Lehre zugute kommen.

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Miloš Vec leitet derzeit ein Projekt über "Das Völkerrecht und seine Wissenschaft, 1789-1914" als Teil des Exzellenzclusters 243 "Formation of Normative Orders". Der Rechtswissenschaftler lehrte bereits in Hamburg, Bonn, Frankfurt, Konstanz und Vilnius.

Anmerkungen:
1 Miloš Vec, Die Rezensionskultur der Rechtsgeschichte, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 31 (2009), Heft 1/2 (im Druck).
2 Michael Stolleis, Art. „Rezensionsethik“, in: Miloš Vec, Bettina Beer, Eva-Maria Engelen (Hrsg.), Der Campus-Knigge, 2. Auflage, München 2008, S. 166-169.
3 Sigrun Nickel, Institutionelle QM-Systeme in Universitäten und Fachhochschulen. Konzepte – Instrumente – Umsetzung, CHE (Centrum für Hochschulentwicklung gGmbH), Arbeitspapier Nr. 94, Gütersloh 2007, S. 82, <http://www.che.de/downloads/CHE_QM_Studie_AP94.pdf> (07.05.2009).
4 Wissenschaft als Betrieb und Norm(al)fabrik. Fünf Anmerkungen zur Wissenschaftsförderung (Juni 2006), AG Manieren! der Jungen Akademie an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, <http://www.diejungeakademie.de/pdf/manieren_thesen.pdf> (04.05.2009).
5 Winfried Menninghaus, Tonnenideologie. Exzellenz durch Masse?, in: Süddeutsche Zeitung, 25.4.2006, S. 14.
6 Gottfried Schatz, Die letzten Tage der Wissenschaft. Wie zeitfressende Parasiten das wissenschaftliche Zeitalter beendeten, in: Neue Zürcher Zeitung, 1.4.2008, S. 46.
7 „Denn man setzt mit der Beglaubigung von Anträgen durch Gutachten auf eine starke Binnenorientierung der Wissenschaft und übergeht die nicht unerheblichen Verlockungen ihrer Betriebsblindheit. Und solche Blindheit wird durch den Wettbewerb eher gefördert als behoben. Wer als Antragsteller von Kollegen positiv beurteilt werden, wissenschaftliches Renommee erwerben und dadurch seinen Wert im Wissenschaftsbetrieb steigern will, dem geht es nicht primär um Wahrheit, sondern eben um innerbetriebliche Optimierung von Chancen des Statuserwerbs“, Klaus Laermann, Art. „Exzellenzcluster“, in: Miloš Vec (Hrsg.), Der Campus-Knigge, 2. Auflage München 2008, S. 73-76, hier: 74f.
8 Paul Valéry, zitiert nach Wolfgang Kemp, Bildungsfragen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.1.2006, S. N3.
9 Richard Monastersky, The Number That’s Devouring Science, in: The Cronicle of Higher Education 52 (2005), S. A12, online unter <http://chronicle.com/free/v52/i08/08a01201.htm> (04.05.2009).
10 Alex Rühle, Evaluation an der Hochschule, Wie misst man Exzellenz?, in: Süddeutsche Zeitung, 29.1.2009; Jürgen Kaube, Die bibliometrische Verblendung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.7.2008, S. 36.
11 Forschen auf Globalesisch – Verarmt die Wissenschaft durch standardisierte Sprache?, AG Manieren! der Jungen Akademie an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, <http://www.diejungeakademie.de/pdf/Globalesisch_Thesenpapier.pdf> (04.05.2009).
12 Christine Färber / Ulrike Spangenberg, Wie werden Professuren besetzt? Chancengleichheit in Berufungsverfahren, Frankfurt am Main 2008, S. 17, mit weiteren Nachweisen. Siehe ferner: Joachim Nettelbeck, Ein wirklich origineller Kopf hat es schwer, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.4.2009, S. 9.
13 Konrad Schmid, Wider die Verschwendung von Grips und Geld. Überlegungen zur Frage: Wie sollten die Geisteswissenschaften gefördert werden?, in: Neue Zürcher Zeitung, 1.12.2006, S. 46.
14 Thomas Steinfeld, Wo entstehen die großen Bücher? Die Forschung wird aus den Universitäten vertrieben, Süddeutsche Zeitung, 8.8.2007, S. 11.