Die zeithistorische Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Rassismus hat eine auch in Deutschland bis in die Nachkriegszeit zurückreichende, anfangs randständige, dann zunehmend gewichtigere Tradition, die stets eng verwoben war mit den Konjunkturen von Diskriminierung, Gewalt und den darauffolgenden gesellschaftlichen Antworten. Insgesamt wird jedoch insbesondere der Rassismus als ein von der historischen Forschung zu lange vernachlässigtes Problem angesehen, und die Gründe dafür liegen wohl nur teilweise in der jahrzehntelangen Fokussierung auf den Nationalsozialismus bis 1945. In jüngster Zeit ist diese Leerstelle akut deutlich geworden, scheint doch seit dem Mord an George Floyd und der global ansteigenden Rassismuskritik der gesellschaftliche Auseinandersetzungsbedarf die vorhandenen zeithistorischen Wissensbestände bei weitem zu übersteigen.
Die II. Bielefelder Debatte zur Zeitgeschichte wird sich diesem Thema in zwei Fokussierungen widmen, um in die derzeitige Vielstimmigkeit und in gewisser Weise auch Unübersichtlichkeit einige analytische Schneisen zu schlagen. Im Gespräch zwischen Stefanie Schüler-Springorum (Berlin) und Ulrich Herbert (Freiburg), moderiert von Christina Morina, soll es um die Historisierung der eben genannten Tradition zeithistorischer Auseinandersetzung und die Verflechtungen bzw. Divergenzen zwischen Antisemitismus und Rassismusforschung gehen; zentral werden neben einer Bilanz auch Perspektivierungen mit Blick auf zukünftige Forschungsfelder sein.
Das zweite, von Barbara Manthe (Bielefeld) moderierte Gespräch, zwischen Teresa Koloma Beck (Hamburg) und Max Czollek (Berlin) soll versuchen, den derzeitigen wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Diskurs um Antisemitismus und Rassismus beobachtend zu erfassen, d.h. in seinen Kennzeichen, Eigenheiten, Semantiken, Konfliktlinien und Leerstellen zu strukturieren und zu deuten. Es ist als im besten Sinne „riskante Begegnung“ (Teresa Koloma Beck) gedacht, als Gesprächskonstellation, die subjektive mit gesellschaftlichen und politischen Gemengelagen zusammendenkt – wofür beide Gäste nicht nur (sehr unterschiedlich) mit ihrer Biografie stehen, sondern vor allem aufgrund ihrer interdisziplinär zusammenkommenden Expertisen.
Die Veranstaltung findet hybrid statt. Tagesaktuelle Informationen zu den geltenden Hygieneregeln und zum Livestream finden Sie auf der Website der Professur für Zeitgeschichte/Universität Bielefeld.