Die Tagung widmet sich Konzepten und Praktiken von „Memoria“ in Nürnberg und Europa zwischen ca. 1450 und 1550. Dabei soll die Frage im Zentrum stehen, welche Ausdrucksformen Humanisten wählten, um an sich selbst oder andere zu erinnern und zu gedenken. Woran orientierten sie sich hierfür? Welche Rolle spielte die Religion, welche die Bildung? Um das Thema zu fassen, können ganz unterschiedliche Medien wie beispielsweise biografische Schriften, Epikedien, Trauerreden, Briefe, Predigten, Grabskulpturen, Musik und Epitaphien in den Blick genommen werden.
Nördlich der Alpen war Nürnberg ein Zentrum des Humanismus, das von Impulsen aus ganz Europa profitierte. Insbesondere Willibald Pirckheimer (1470–1530), aber auch weitere Gelehrte und Künstler stehen für diese Geistesbewegung. Sie bildeten Gelehrtenzirkel, deren Größe, Status und Habitus fortwährend neu definiert und austariert wurde. Dafür, wie sich Humanisten dabei einander zu erkennen gaben, wie sie einander anerkannten und behandelten, gab es ein zwar nicht starr formalisiertes, aber doch gültiges Regelwerk der Distinktion, das sich an der Antike maß.
Diese intellektuellen Aneignungsprozesse antiker Vorbilder erreichten in einer Zeit ihre Blüte, in der auch fundamentale Wandlungen auf dem Gebiet der Religion zu beobachten sind. Das Jahrhundert zwischen 1450 und 1550 kann als religiöse Umbruchszeit gelten. Sprach man früher vor allem von der „temps de réformes“ (H. Schilling), so überwiegen gegenwärtig Positionen, die entweder Transformationen analytisch in den Mittelpunkt stellen (V. Leppin) oder das Epochendenken zumindest für die Reformationsforschung ganz verabschieden wollen (B. Hamm). Zu den Grundsatzentscheidungen der reformatorischen Theologie gehörte die Ablehnung des Fegefeuers als einem dritten Ort neben Himmel und Hölle. Dies hatte weitreichende Konsequenzen, wurde damit doch das Konzept einer „Gemeinschaft der Lebenden mit den Toten“ (O. G. Oexle), das die mittelalterlichen Kulturen so grundlegend geprägt hatte, aufgegeben. So wandelten sich auch Gedenken und Erinnern in diesem Zeitraum grundlegend, die mittelalterliche Memoria und ihre Erscheinungsformen traten langsam in den Hintergrund. Doch was trat an ihre Stelle, insbesondere in humanistischen Gelehrtenkreisen?
Die Tagung, auf der diese und weitere Fragen zur „Memoria“ diskutiert werden sollen, findet in Kooperation mit dem Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg, dem Stadtarchiv Nürnberg, dem Verein Nürnberger Epitaphienkunst und -kultur sowie der Tucher̕ schen Kulturstiftung Nürnberg statt. Wir freuen uns über Vorschläge für ein interdisziplinäres Tagungsprogramm, das Perspektiven der Geschichtswissenschaft, Germanistik, Kunstgeschichte, und Theologie zusammenführt.
Wer gerne einen Vortrag von ca. 20 Minuten beisteuern möchte, sendet bitte bis zum 1. September 2022 ein Abstract (deutsch oder englisch) im Umfang von maximal einer DIN A4-Seite sowie einen kurzen Lebenslauf an: jasmin.hauck@uni-marburg.de.