Reflect yourself!? Potentiale und Grenzen einer kritisch-reflexiven Public History

Reflect yourself!? Potentiale und Grenzen einer kritisch-reflexiven Public History

Veranstalter
Sophie Kühnlenz, Meike Katzek (Historisches Seminar, Universität Erfurt)
Veranstaltungsort
Historisches Seminar | Universität Erfurt
PLZ
99089
Ort
Erfurt
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
13.07.2023 - 14.07.2023
Deadline
12.04.2023
Von
Sophie Kühnlenz, Historisches Seminar, Universität Erfurt

Reflect yourself!? Potentiale und Grenzen einer kritisch-reflexiven Public History

Wie kann ich meine Rolle und Arbeit im Prozess des Geschichte Schreibens und Vermittelns reflektieren, transparent machen und zur Diskussion stellen? Stellt sich diese Frage auf besondere Weise für die Public History – im Sinne eines Nachdenkens über Geschichte in, mit und für die Öffentlichkeit? In unserem 11. Workshop wollen wir - ausgehend von der Public History - die Chancen und Grenzen einer (selbst-)reflexiven wissenschaftlichen Praxis disziplinenübergreifend ausloten.

Reflect yourself!? Potential and Limits of a Critical Reflexive Public History

How can I reflect on my role in the process of writing and communicating history, make it transparent and put it up for discussion? Does this question matter especially for public history – understood as thinking about history in, with, and for the public? In our next workshop, we want to explore the opportunities and limits of a (self-)reflexive scientific practice across disciplines – taking public history as a starting point for discussion.

Reflect yourself!? Potentiale und Grenzen einer kritisch-reflexiven Public History

Wie kann ich meine Rolle und Arbeit im Prozess des Geschichte Schreibens und Vermittelns reflektieren, transparent machen und zur Diskussion stellen? Diese Frage gewinnt für das kritische historische Arbeiten sowohl in der Forschung als auch in der historischen Vermittlungsarbeit an Bedeutung; andere Disziplinen haben sich dieser Herausforderung schon seit Längerem angenommen. Doch wie grundlegend ist eine kritische Reflexion des eigenen Standpunktes in Studium, Forschung und Praxis der Geschichtswissenschaften eigentlich strukturell verankert? Stellt sich diese Frage auf besondere Weise für die Public History – im Sinne eines Nachdenkens über Geschichte in, mit und für die Öffentlichkeit? Kann sie als Reflexionsinstanz fungieren? In unserem nächsten Workshop wollen wir – ausgehend von der Public History – die Chancen und Grenzen einer (selbst-)reflexiven wissenschaftlichen Praxis disziplinenübergreifend ausloten.

Organisiert wird der vom 13.–14. Juli 2023 stattfindende Workshop von den Studierenden und Young Professionals (SYP) in der AG Angewandte Geschichte / Public History im VHD in Kooperation mit den Professuren für Mittelalterliche Geschichte (Sabine Schmolinsky), Neuere, Zeitgeschichte und Geschichtsdidaktik (Christiane Kuller) und Wissenschaftsgeschichte (Bernhard Kleeberg) an der Universität Erfurt. Wir laden Studierende, Absolvent:innen und Promovierende der Public History, Geschichtswissenschaft und anderer Fächer herzlich dazu ein, Beiträge einzureichen, die sich mit Fragen der (Selbst-)Reflexion im Arbeits- und Forschungsprozess beschäftigen. Einreichungen von etablierteren Forschenden sind ebenfalls herzlich willkommen.

Reflect yourself!? Potentiale und Grenzen einer kritisch-reflexiven Public History
11. Workshop von SYP in der AGPH im VHD

In History and Identity (2022) postulierte Stefan Berger einen „self-reflexive turn“ der Geschichtswissenschaft. Neue geschichtstheoretische und -philosophische Ansätze hinterfragen seit den 1980er Jahren die Konstruktion von Geschichtserzählungen. Geschichtsschreibung als historische Legitimation kollektiver Identitäten wurde zunehmend problematisiert. Im Zuge dessen rückte die Situativität von Identität und historischer Wissensproduktion verstärkt in den Fokus.

Die Situiertheit und Partialität von Wissen brachte Donna Haraway bereits in Situated Knowledges (1988) auf den Punkt und kritisierte die propagierte Objektivität der Wissenschaften als „god trick of seeing everything from nowhere“ (p. 581). Dem stellte sie eine Epistemologie der partiellen Perspektive gegenüber. Nur ein partielles, lokalisierbares und kritisches Wissen mit der Möglichkeit für Solidarisierung mit anderen Perspektiven könne eine nachhaltige Rückbindung der Wissensproduktion an Empirie ermöglichen – „a no-nonsense commitment to faithful accounts of a ‚real‘ world“ (p. 579). Diese Auseinandersetzung mit der Situiertheit des eigenen Blicks ermöglicht es, so die These, einen theoretisch wie empirisch transparenteren Anspruch auf eine fundierte Interpretation von Vergangenheit anzumelden und in einen multiperspektivischen, pluralen Geschichtsdiskurs einzuspeisen. Die Arbeit von Forschenden und Geschichtsvermittelnden ist auf Kollaboration, Zugang zu Quellen und Verknüpfung mit anderen Perspektiven angewiesen, um intersubjektiv haltbare Aussagen machen zu können. Die Annahme intersubjektiv haltbarer Aussagen wurde im Feld der Black Studies jedoch wiederholt mit Verweis auf die Unvereinbarkeit von Perspektiven in Frage gestellt (Spillers 1987; Hartman 1997; Lethabo King et al. 2020). Die Legitimität von Wissen beruht also nicht nur auf theoretischer Triftigkeit und empirischer Fundierung, sondern auch auf ihrer Einbettung in epistemische und soziale Netzwerke.

Aus der Perspektive der Public History heraus wird geschichtswissenschaftliche Forschung nachhaltiger in ihrer gesellschaftlichen Einbettung verstanden, als Teil öffentlicher Aushandlung von Geschichte. Dies beinhaltet insbesondere die Reflexion von (strukturellen) Privilegien und ein Bewusstsein dafür, wer gehört wird und wer nicht. Besonders wenn es um Fragen der Erinnerungspolitik oder Identität geht, kann die Public History im Sinne einer positionierten Transparenz einen Beitrag zu einem verantwortlich geführten Diskurs über Vergangenheit in einer pluralen, demokratischen Gesellschaft leisten.

Wird Public History nicht in Abgrenzung zur akademischen Geschichtswissenschaft verstanden, sondern als Untersuchung gesellschaftlicher Formen, Formate und Kommunikationsstrukturen von Geschichte, hat sie, so Christine
Gundermann, das „Potenzial, eine Reflexionsinstanz für andere Teildisziplinen der Geschichtswissenschaft zu werden“ (Gundermann et al. 2021, S. 15). Public History als Reflexionsinstanz ist in diesem Sinne keineswegs beschränkt oder beschränkbar auf geschichtswissenschaftliche Fragen, die aktuell von öffentlichem Interesse scheinen. Vielmehr geht es um die Wechselwirkungen zwischen akademischer Wissensproduktion und öffentlicher Auseinandersetzung mit Geschichte in heterogenen gesellschaftlichen Zusammenhängen. Inwiefern die Public History dieses Potential hat und wie es sich entfaltet, ist eine der Leitfragen des Workshops.

Wir laden Forscher:innen und Praktiker:innen dazu ein, Ideen, Überlegungen und Erfahrungen aus ihren Arbeitskontexten heraus zu teilen und zur Diskussion zu stellen. Wo und wie verfängt der Begriff der (Selbst-)Reflexion im täglichen Forschen und Arbeiten, und was folgt aus der Reflexion? Tritt eine Reflexion des eigenen Standpunktes eher als kontingentes Moment auf oder ist sie strukturell verankert? Wie äußert sich eine internalisierte kritische Haltung? Ist sie ein stiller Begleiter oder wird sie ständig diskutiert und in Frage gestellt? Oder erscheint sie zuweilen sogar hinderlich für den Arbeitsprozess?

Beitragsvorschläge können sich vor diesem Hintergrund beispielsweise mit folgenden Themen auseinandersetzen:

Begriffe: Die Kulturwissenschaftlerin Wanda S. Pillow definiert drei Kernelemente von (Selbst-) Reflexion im Forschungsprozess: „critical awareness and transformation,” „insights on power and privilege,” und „understandings of researcher and subject self(ves)” (Pillow 2015, p. 423). Welche theoretischen und methodischen Anknüpfungspunkte bieten sich hier für die geschichtswissenschaftliche Forschung?

Praktiken: In welchen Kontexten wird zur Reflexion aufgefordert und von wem? Aus welchem Anlass werden selbstreflektierende Momente ermöglicht (oder auch nicht)? Muss man sich Reflexion leisten können? Wie kann man Rahmenbedingungen etablieren, dass man es sich „nicht sparen“ kann?

Spannungsfelder: Wie kann man die Situativität und Wirkungsmacht des eigenen Handelns reflektieren und Verantwortung dafür übernehmen? Wer spricht und wer wird gehört? Sollte allen Positionen die gleiche Aufmerksamkeit zuteilwerden? Wie umgehen mit Geschichtsrevisionismus?

Vermittlung: Kann man andere zur Selbstreflexion anregen? Ist dieser Anregung immer eine eigene Selbstreflexion vorausgesetzt? Was ist der „Anderswert“ (Lisa Rosa) von Reflexion im Nachdenken über (historische) Wissensproduktion in unterschiedlichen Kontexten?

Power of the Archive: Kann (Selbst-)Reflexion zu einem intersektional informierten Blick auf Quellen, Ein- und Ausschlüsse, (globale) Hierarchien und ungleiche Zugangsmöglichkeiten zu Wissen/Archiven verhelfen? Kann sie dabei helfen, sich kritisch mit Leerstellen in historischen Narrativen auseinanderzusetzen (Trouillot 1995)?

Kritik: Die Kulturwissenschaftlerin Carol Lynne D’Arcangelis schreibt: „[...] self-reflexivity is a fraught mechanism for grappling with and dismantling structural privilege." (D’Arcangelis 2018). Wo stößt Selbst-Reflexion an ihre Grenzen? Leistet Selbstreflexion letztlich nur einer kontinuierlichen Selbstbeschäftigung Vorschub? Erschöpft sich das Konzept in einer neoliberalen Aufforderung zur ständigen Neuerfindung und Selbstoptimierung?

Wir freuen uns über Beitragsvorschläge auf Deutsch oder Englisch. Einreichungen (Abstract max. 500 Wörter + kurze biographische Notiz) sind bis zum 12. April 2023 möglich. Eine Zu- oder Absage erfolgt Anfang Mai. Der Workshop findet in Präsenz an der Universität Erfurt statt, in Ausnahmefällen ist ein digitaler Beitrag möglich. Bei einer Zusage bitten wir um Vorbereitung eines 15-minütigen Beitrags und die Zusendung eines zweiseitigen Abstracts zwei Wochen vor der Veranstaltung zur gegenseitigen Kommentierung. Wir bemühen uns um eine inklusive Gestaltung der Veranstaltung und freuen uns bei entsprechenden Bedarfen über eine Kontaktaufnahme. Eine (teilweise) Erstattung der Reisekosten wird angestrebt.

Wir freuen uns auf spannende Beitragsvorschläge!

Kontakt
Sophie Kühnlenz (sophie.kuehnlenz@uni-erfurt.de)
Meike Katzek (meike.katzek@uni-erfurt.de).

Reflect yourself!? Potential and Limits of a Critical Reflexive Public History

How can I reflect on my role in the process of writing and communicating history, make it transparent and put it up for discussion? This question is gaining importance for critical historical work in both research and education; other disciplines have already been addressing this challenge for some time. How fundamentally is critical self-reflection embedded in the study, research, and practice of historical sciences? Does this question matter especially for public history – understood as thinking about history in, with, and for the public? Can public history function as a vantage point for interdisciplinary reflection? In our next workshop, we want to explore the opportunities and limits of a (self-)reflexive scientific practice across disciplines–taking public history as a starting point for discussion.

The workshop will take place from July 13th to 14th, 2023 at the University of Erfurt. It is organized by the Students and Young Professionals (SYP) in the Working Group Applied History and Public History in cooperation with the chairs of Medieval History (Sabine Schmolinsky), Modern, Contemporary History and History Didactics (Christiane Kuller) and History of Science (Bernhard Kleeberg). We cordially invite students, graduates, doctoral candidates and practitioners of public history, history, and other disciplines to submit papers that address issues of (self-)reflection in the process of work and research. Submissions from more established researchers are also welcome.

Reflect yourself!? Potential and limits of a critical reflexive public history

In History and Identity (2022), Stefan Berger postulated a "self-reflexive turn" in historical scholarship. Since the 1980s, new approaches in historical theory and philosophy have critically explored the constructive character of historical narratives. Correspondingly, the legitimating function of historiography for collective identities has been increasingly problematized. At the same time, the situated character of identity and historical knowledge production has come into focus.

The situatedness and partiality of knowledge was captured by Donna Haraway in her essay Situated Knowledges (1988). She criticized the propagated objectivity of the sciences as a "god trick of seeing everything from nowhere" (p. 581) and contrasted it with an epistemology of partial perspective. Only partial, localizable, and critical knowledge that is able to bond with other perspectives, Haraway wrote, would tie knowledge production sustainably to empiricism—"a no-nonsense commitment to faithful accounts of a 'real' world" (p. 579). According to Haraway, grappling with the situatedness of one's own gaze makes it possible to stake a theoretically and empirically transparent claim to an informed interpretation of the past and to feed it into a multi-perspective, plural historical discourse. The work of researchers and mediators of history depends on collaboration, access to sources, and linkages to other perspectives to enable intersubjectively tenable statements. Yet Black Studies scholars have repeatedly questioned this notion of sovereign subjectivity (Spillers 1987; Hartman 1997) and pointed towards the incommensurability of subject perspectives (Lethabo King et al. 2020). It shows that the legitimacy of knowledge is based not only on theoretical soundness and empirical foundation, but also on the transparency of their embeddedness in epistemic and social networks.

From the perspective of public history, historical research is understood more sustainably in its social embedding as part of the public conversation about history. This includes in particular the reflection of (structural) privileges and an awareness of who is heard and who is not. Especially when it comes to questions of the politics of memory or identity, public history – in the sense of a positioned, self-conscious transparency – can contribute to an informed discourse about the past in a plural, democratic society.

Public history, conceptualized as an investigation of social forms, formats, and communication structures of history, has, according to Christine Gundermann, the "potential to become a reflexive entity for other subdisciplines of historical research" (Gundermann et al. 2021, p. 15). In this sense, public history is by no means limited or limitable to historical questions that currently seem to be of public interest. Rather, it puts the focus on the interrelationship between academic knowledge production and public engagement with history in heterogeneous social contexts. To what extent public history has this potential and how it unfolds is one of the guiding questions of the workshop.

We invite researchers and practitioners to share and discuss ideas, reflections and experiences from their working contexts. Where and how does the notion of (self-)reflection play a role in daily research and work, and what follows from that? Does a reflection of one's own point of view occur more as a contingent moment or is it structurally anchored? How does an internalized critical attitude express itself? Is it a silent companion or is it constantly discussed and challenged? Does it sometimes even appear as an impediment to the process of researching, writing, and mediating?

Against this background, proposals for contributions might address the following topics:

Terms: Cultural studies scholar Wanda S. Pillow defines three core elements of (self-)reflection in the research process: "critical awareness and transformation," "insights on power and privilege," and "understandings of researcher and subject self(ves)" (Pillow 2015, p. 423). What theoretical and methodological points of departure are to be found here for historical inquiry?

Practices: In what contexts is reflection called for and by whom? Under what circumstances are self-reflective practices encouraged or prohibited? Must one be able to afford reflection? What conditions are necessary to make sure we cannot omit it?

Frictions: How can one reflect on and assume responsibility for the situational power and impact of one's own actions? Who speaks and who is heard? Do all positions deserve equal attention? How to deal with historical revisionism?

Relationality: Is it possible to stimulate others to self-reflect? Does this always presuppose one's self-reflection?

Power of the Archive: Can (self-)reflection help to achieve an intersectionally informed view on sources, unequal access to knowledge/archives, and (global) hierarchies? Does it help to understand silences in historical narratives (Trouillot 1995)?

Critique: Gender Studies scholar Carol Lynne D'Arcangelis writes: "[...] self-reflexivity is a fraught mechanism for grappling with and dismantling structural privilege" (D'Arcangelis 2018). Where does self-reflexivity reach its limits? Does self-reflection ultimately only serve a continuous self-preoccupation? Does the concept exhaust itself in a neoliberal call for constant reinvention and self-optimization?

We welcome proposals for papers or creative interventions in German or English. Submissions (abstract max. 500 words + short biographical note) will be accepted until April 12th, 2023. We will inform applicants by early May if their proposal has been accepted or rejected. The workshop will take place at the University of Erfurt; in exceptional cases a digital contribution is possible. In case of acceptance, we ask you to prepare a 15-minute presentation and to send a two-page abstract two weeks before the event to prepare for reciprocal comments.
Access provisions: We aim to make this workshop as inclusive as possible. Please do not hesitate to get in touch if you wish to attend and have corresponding needs. We seek to (partially) reimburse successful applicants’ travel expenses.

We look forward to receiving your submissions!

Organizers
Sophie Kühnlenz (sophie.kuehnlenz@uni-erfurt.de)
Meike Katzek (meike.katzek@uni-erfurt.de)

Redaktion
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Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch
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