Urban loss

Veranstalter
Simon Runkel, Universität Jena; Manuel Schramm, TU Chemnitz; Jan Winkler, Universität Halle
Gefördert durch
Gerda Henkel-Stiftung, vhw - Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung
PLZ
07737
Ort
Jena
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
20.03.2025 - 21.03.2025
Deadline
20.12.2024
Von
Manuel Schramm, Institut für Europäische Studien und Geschichtswissenschaften, Technische Universität Chemnitz

Urban loss

Wachstum und Fortschritt waren die zentralen Motive der Moderne und prägten Diskurse und Narrative über die Stadtentwicklung. Die Kritik an dieser Erzählung wurde jüngst erneuert, indem auf spezifische Erfahrungen des Verlusts in der Moderne hingewiesen wurde. Damit werden neue historische und geographische Perspektiven auf die europäischen Städte der Moderne möglich. Vor diesem Hintergrund wird die Analyse des Umgangs mit und der Bearbeitung von Verlusterfahrungen in ihren raumbezogenen Narrativen (z.B. Trauer, Nostalgie, Protest etc.) zu einem wesentlichen Element für das Verständnis (spät-)moderner Stadtentwicklung.

Urban loss

Growth and progress were the key motifs of modernity and characterised discourses and narratives about urban development. The critique of this narrative has recently been renewed by pointing to the specific experiences of loss in modernity. This opens up new historical and geographical perspectives on the European modern cities. Against this background, analysing how experiences of loss are dealt with and processed in their spatial narratives (e.g. mourning, nostalgia, protest, etc.) becomes an essential element for understanding (late) modern urban development. A view of conditions of urban loss illuminates both the heterogeneous losses in the city as well as the historical and contemporary processes of a loss of the city - i.e. urban substance and/or urbanity.

Urban loss

Wachstum und Fortschritt waren die zentralen Motive der Moderne und prägten Diskurse und Narrative über die Stadtentwicklung. Die Kritik an dieser Erzählung wurde jüngst erneuert, indem auf spezifische Erfahrungen des Verlusts in der Moderne hingewiesen wurde (Reckwitz 2024). Damit werden neue historische und geographische Perspektiven auf die europäischen Städte der Moderne möglich (Marris 1986; Körner 2000; Oswalt 2006; Desilvey & Edensor 2013; Maddrell 2016; Jedan et al. 2020; Schulte 2020; Mena & Pico 2020). In Städten akkumulieren und manifestieren sich kollektive und individuelle Erfahrungen von Verlust. Einerseits unterliegen Städte einer materiellen Transformation ihrer baulichen Substanz, die sich entweder disruptiv durch Kriege, (ökologische) Katastrophen oder autoritären Stadtumbau, oder in einem inkrementellen Prozess der kreativen Zerstörung durch ökonomisch oder politisch motivierte Erneuerung vollzieht. Andererseits waren und sind Städte Kristallisationspunkte gesellschaftlicher Transformationen – z.B. gegenwärtig sozial-ökologische Transformationsbestrebungen und damit verknüpfte Auf-, Um- und Abbrüche. So werden in Städten vielfach neue Gesellschaftsentwürfe und Praktiken erprobt, was mit fortlaufenden Aushandlungen von Veränderung(en) einhergeht. Die mit diesen Dynamiken zwangsläufig verknüpften Verluste werden in Städten jedoch sehr unterschiedlich erfahren, erinnert und bearbeitet. Folglich werden Städte zu sozialen Arenen der diskursiven Aushandlung und narrativen Bearbeitung von Verlusterfahrungen, die sich in Folge demographischer, sozialer, (stadtentwicklungs-)politischer und ökologischer Transformationen ergeben und deren Erzählungen und Erinnerungen in der Stadt ihren räumlichen Ausdruck finden.
Vor diesem Hintergrund wird die Analyse des Umgangs mit und der Bearbeitung von Verlusterfahrungen in ihren raumbezogenen Narrativen (z.B. Trauer, Nostalgie, Protest etc.) zu einem wesentlichen Element für das Verständnis (spät-)moderner Stadtentwicklung. Ein Blick auf städtische Verlustverhältnisse beleuchtet dabei sowohl die heterogenen Verluste in der Stadt als auch die historischen und gegenwärtigen Prozesse eines Verlusts von Stadt – d.h. städtebaulicher Substanz und/oder Urbanität. Beide Verlustaspekte prägen stadtgesellschaftliche Gefüge, Identitäten, Konflikt- und Aushandlungsprozesse und deren räumliche, städtebauliche und architektonische Ausdrucksformen.

Eingeladen sind Beiträge aus der Stadtgeographie und -soziologie, der Stadt- und Architekturgeschichte, den raum- und planungsbezogenen Disziplinen sowie aus den Geschichts- und Kulturwissenschaften, die empirische Beispiele und konzeptionelle Überlegungen vorstellen. Gefragt wird nach Beiträgen, die die sozialen, kulturellen und ökonomischen Auswirkungen von Verlusterfahrungen und deren narrativer/bildlicher/performativer Repräsentation diskutieren sowie nach Beiträgen, die Erfahrungen und Praktiken der Verlustbearbeitung in der modernen Stadt verorten. Gemeinsam soll diskutiert werden, wie sich Stadtgesellschaften und -kulturen durch die Erfahrung von materiellen oder immateriellen Verlusten verändern und welche Rolle spezifische Umgangsweisen mit Verlust wie Kompensation, Verdrängung, Rekonstruktion oder Gedenken dabei übernehmen.

Die Beiträge sollen das Verständnis für frühere, gegenwärtige und zukünftige Umgangsweisen mit antizipierten oder realen Verlusterfahrungen, sich wandelnden Zukunftsvorstellungen oder einem brüchig werdenden Fortschrittsnarrativ stärken. Der Blick auf städtische Verlustverhältnisse liefert grundlegende Erkenntnisse darüber, wie in verschiedenen städtischen Erfahrungsräumen und Entwicklungspfaden Umgangsweisen mit Krisen und Herausforderungen gesellschaftlicher Transformation entstehen und wie Stadtgeschichten und -zukünfte jenseits klassischer Fortschritts- und Wachstumsnarrative verhandelt werden. Dies verspricht auch neue Perspektiven auf die gegenwärtigen stadtentwicklungspolitischen Debatten wie z.B. Fragen nach der Gestaltung sozial-ökologischer und nachhaltiger Transformation in der Stadt und nach den gesellschaftlichen Umgangsweisen mit dadurch entstehenden Verlusterfahrungen, oder Fragen der erinnerungs- und gedenkpolitischen Verortung von Verlust in Städten.

Besonders willkommen sind Beiträge zu einem oder mehreren der folgenden Themenfelder:

- Welche Erfahrungen, Orte und Praktiken des Verlusts in der Stadt, oder von städtebaulicher Substanz und Urbanität, entstehen in Bezug zu welchen gesellschaftlichen Prozessen, Transformationen und Konfliktlinien, und welche Bedeutung haben diese Verluste für städtisches Zusammenleben sowie für die Aushandlungen stadtgesellschaftlicher Identitäten und Zukünfte?
- Wie lassen sich vor dem Hintergrund sozialstruktureller Veränderungen durch Verlust die gesellschaftliche Differenziertheit sowie die (anerkennungs-)politische Umkämpftheit von Verlusterfahrungen – und ihren (Un-)Sichtbarkeiten – fassen?
- Was sind die Ausdrucksformen städtischer Verlusterfahrungen und welche individuellen und kollektiven Veränderungen der städtischen Raumwahrnehmung ergeben sich durch Verluste? Wie werden diese Erfahrungen in und durch (welche) soziokulturelle Praktiken wirksam gemacht (‚doing loss‘)?
- Welche politischen, gesellschaftlichen, kulturellen Faktoren machen Stadtgesellschaften gegenüber Verlusterfahrungen widerstandsfähig/resilient? Welche Faktoren verschärfen das Verlustempfinden oder die konkreten Auswirkungen von Verlusten?
- Was lässt sich aus kontextualisierten Historiographien von Verlusten in der Stadt oder Verlusten von städtebaulicher Substanz und Urbanität für den Umgang mit gegenwärtigen gesellschaftlichen und kulturellen Verlusten lernen? Wie werden Verlusterfahrungen erinnert (Musealisierung, Vergessen/Verdrängen, Integration in vorhandene Narrative)?
Gebeten wird um die Zusendung von Abstracts (1-2 Seiten) an simon.runkel@uni-jena.de, manuel.schramm@phil.tu-chemnitz.de und jan.winkler@geo.uni-halle.de bis zum 20. Dezember 2024.
Die Tagung wird organisiert und (ko-)finanziert zu Teilen im Rahmen einer Projektförderung durch die Gerda-Henkel-Stiftung (zu verschwindenden Städten am Beispiel Johanngeorgenstadt) und zu Teilen im Rahmen einer Projektförderung durch den vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. (vhw) zu Verlust als Perspektive auf sozial-ökologische Transformationen in Städten. Wir bedanken uns sehr herzlich bei den Fördergebern.
Referenzen
- Desilvey, C./ Edensor, T., Reckoning with Ruins, Progress in Hum. Geo. 37 /4), 465-485, 2013.
- Jedan, C./Maddrell, A./Venbrux, E. (Hg.), Consolationscapes in the Face of Loss, Grief and Consolation in Space and Time, Abindgon 2020.
- Körner, M. (Hg.), Stadtzerstörung und Wiederaufbau. 3 Bde., Bern 2000.
- Maddrell, A., Mapping Grief, a Conceptual Framework for Understanding the Spatial Dimensions of Bereavement, Mourning and Remembrance, Social & Cultural Geography 17 (2), 166-188, 2016.
- Marris, P., Loss and Change, London/New York 2. Aufl. 1986.
- Mena, F./ Pico, P. (Hg.), Urbicide, The Death of the City, Cham 2023
- Oswalt, P. (Hg.), Schrumpfende Städte. 2 Bde., Aachen 2006.
- Reckwitz, A., Verlust, ein Grundproblem der Moderne, Frankfurt/Main 2024.
- Schulte, D., Die zerstörte Stadt, Katastrophen in den schweizerischen Bilderchroniken des 15. und 16. Jahrhunderts Zürich 2020.

Urban loss

Growth and progress were the key motifs of modernity and characterised discourses and narratives about urban development. The critique of this narrative has recently been renewed by pointing to the specific experiences of loss in modernity (Reckwitz 2024). This opens up new historical and geographical perspectives on the European modern cities (Marris 1986; Körner 2000; Oswalt 2006; Desilvey & Edensor 2013; Maddrell 2016; Jedan et al. 2020; Schulte 2020; Mena & Pico 2020). In cities, collective and individual experiences of loss accumulate and manifest themselves. On the one hand, cities are subject to material transformations of their built substance, which either take place disruptively through wars, (ecological) disasters or authoritarian urban redevelopment, or in an incremental process of creative destruction through economically or politically motivated renewal. On the other hand, cities have been and continue to be crystallisation points for social transformations - e.g. for current socio-ecological transformation efforts and the associated upheavals, phase-outs and disruptions. In many cases, new societal visions and novel practices are being explored in cities, which goes hand in hand with ongoing negotiations of change(s). However, the losses inevitably associated with these dynamics are experienced, remembered and dealt with very differently in cities. Consequently, cities become social arenas for the discursive negotiation and narrative elaboration of experiences of loss that arise as a result of demographic, social, political and ecological transformations and whose narrations and memories find spatial expression in the city.

Against this background, analysing how experiences of loss are dealt with and processed in their spatial narratives (e.g. mourning, nostalgia, protest, etc.) becomes an essential element for understanding (late) modern urban development. A view of conditions of urban loss illuminates both the heterogeneous losses in the city as well as the historical and contemporary processes of a loss of the city - i.e. urban substance and/or urbanity. Both aspects of loss characterise urban social fabrics, identities, processes of conflict and negotiation and their spatial, urban and architectural forms of expression.

Contributions are invited from the fields of urban geography and sociology, urban and architectural history, urban development studies, as well as history and cultural studies that present empirical examples and conceptual considerations. We are looking for contributions that discuss the social, cultural and economic effects of experiences of loss and their narrative/visual/performative representation as well as contributions that situate experiences and practices of dealing with loss in the (late) modern city. The aim is to discuss how urban societies and cultures change as a result of the experience of material or immaterial losses and what role specific ways of dealing with loss such as compensation, displacement, reconstruction or commemoration play in this process.

The contributions are intended to strengthen our understanding of past, present and future ways of dealing with anticipated or actual experiences of loss, changing visions of the future or an increasingly crumbling narrative of progress. A focus on urban conditions of loss provides fundamental insights into the diverse ways in which crises and the challenges of social transformation are addressed in and through different urban trajectories and spaces of experience, and how urban histories and futures are negotiated beyond typical narratives of progress and growth. This also promises new perspectives on current urban development debates, such as questions of how society deals with socio-ecological transformation and the resulting experiences of loss, or questions of the articulation of loss in cities in the context of politics of commemoration.

Contributions to one or more of the following topics are particularly welcome

- What kind of experiences, places and practices of loss in the city, or loss of urban substance and/or urbanity, emerge in relation to what kind of social conflicts, and what significance do these losses have for urban social coexistence and for the negotiation of urban identities and futures?
- How can we understand the social differentiation and the contested nature of experiences of loss, e.g. with regard to questions of recognition?
- What are the forms of expression of urban experiences of loss and what individual and collective changes in the perception of urban space result from loss? How are these experiences made effective in and through (which) socio-cultural practices (‘doing loss’)?
- Which political, social and cultural factors make urban societies resilient to experiences of loss? Which factors exacerbate the perception of loss or the concrete effects of loss?
- What can be learned from contextualised historiographies of losses in the city or losses of urban substance and/or urbanity for tackling current social and cultural losses? How are experiences of loss remembered (musealisation, forgetting/repression, integration into existing narratives)?

We kindly ask you to send abstracts (1-2 pages) to simon.runkel@uni-jena.de, manuel.schramm@phil.tu-chemnitz.de and jan.winkler@geo.uni-halle.de by 20 December 2024.

The conference is being organised and (co-)financed partly within the framework of a project funded by the Gerda Henkel Foundation and partly within the framework of a further project funded by the vhw - Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. (on loss as a perspective on urban social-ecological transformations). We would like to express our sincere thanks to the funding organizations.

References:

- Desilvey, C./ Edensor, T., Reckoning with Ruins, Progress in Hum. Geo. 37 /4), 465-485, 2013.
- Jedan, C./Maddrell, A./Venbrux, E. (Hg.), Consolationscapes in the Face of Loss, Grief and Consolation in Space and Time, Abindgon 2020.
- Körner, M. (Hg.), Stadtzerstörung und Wiederaufbau. 3 Bde., Bern 2000.
- Maddrell, A., Mapping Grief, a Conceptual Framework for Understanding the Spatial Dimensions of Bereavement, Mourning and Remembrance, Social & Cultural Geography 17 (2), 166-188, 2016.
- Marris, P., Loss and Change, London/New York 2. Aufl. 1986.
- Mena, F./ Pico, P. (Hg.), Urbicide, The Death of the City, Cham 2023
- Oswalt, P. (Hg.), Schrumpfende Städte. 2 Bde., Aachen 2006.
- Reckwitz, A., Verlust, ein Grundproblem der Moderne, Frankfurt/Main 2024.
- Schulte, D., Die zerstörte Stadt. Katastrophen in den schweizerischen Bilderchroniken des 15. und 16. Jahrhunderts, Zürich 2020.

Kontakt

simon.runkel@uni-jena.de
manuel.schramm@phil.tu-chemnitz.de
jan.winkler@geo.uni-halle.de

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