Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
das 17. Kolloquium zur Polizeigeschichte wird vom 13. bis zum 15. Juli 2006 in Berlin an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität stattfinden.
Die diesjährigen Organisatoren (Jakob Nolte, Herbert Reinke, Gerhard Sälter) haben die beim 16. Kolloquium in Düsseldorf und in der Folgezeit gemachten Anregungen und Vorschläge zu bündeln versucht und laden Interessierte ein, aussagekräftige Exposés von maximal einer Seite einzusenden.
Im Mittelpunkt des diesjährigen Kolloquiums sollen zwei Themenkomplexe stehen: Wir möchten Fragen nach a) spezifischen Varianten polizeilichen Handels aufgreifen, insbesondere Fragen danach, wie sich dieses Handeln in spezifischen Strategien und Taktiken verdichtet. Den Usancen unserer Kolloquien entsprechend sollen 'Strategien' und 'Taktiken' weiter gefasst werden, als dieses üblicherweise in der polizeilichen Fachliteratur geschieht und verschiedene Mikro- und Makroebenen polizeilicher Praktiken thematisieren. Ergänzend dazu möchten wir b) erneut ein Thema anregen, das bei den bisherigen Kolloquien immer wieder angemahnt worden ist: Die Polizei als Teil der Institutionen der Strafverfolgung. Abschließend wir es auch beim diesjährigen Kolloquium eine freie Sektion geben.
Ad a) Wir schlagen vor, die Fragen nach den spezifischen Varianten polizeilichen Handels auf die folgenden Themenbereiche zu fokussieren:
1. Polizierung von Massen: riot policing – public disorder policing
Die Anfänge der new police in England im frühen 19. Jahrhundert sind vor allem public disorder-Problemen verknüpft und sind nicht – wie häufig unterstellt – vorrangig den Notwendigkeiten einer effizienteren Kriminalitätsbekämpfung geschuldet. Diese Prioritäten sind im Verlauf des 19. und des 20. Jahrhunderts immer wieder neu verhandelt worden, aber dass die Polizierung von Massen ein eminentes polizeistrategisches und –taktisches Problem geblieben ist, wird sich anlässlich der Fußballweltmeisterschaft in den Wochen vor dem 17. Kolloquium erneut zeigen.
2. Formen der Kooperation zwischen Polizei und Publikum in Demokratie und Diktatur
Glaubt man einer gängigen These, so ist die Polizei auf die Kooperation mit dem Publikum angewiesen um erfolgreich zu sein. Zu diesem Thema ist in den letzten Jahrzehnten umfangreich geforscht worden, wobei sich die Denunziationsforschung als ein eigenständiges Forschungsgebiet etabliert hat; auch die Forschungen über die verschiedenen Varianten Inoffizieller Mitarbeiter sind dem zuzurechnen. Dabei hat sich das Bild der Denunziation vom Typus der (mißgünstigen) Zuträgerschaft erweitert, indem sie als Praxis des self-policing ebenso wie als (politische) Beteiligung von Bürgern unter Bedingungen autoritärer bzw. diktatorischer Herrschaft interpretiert worden ist. Kooperationen zwischen Polizei und Publikum sind natürlich nicht nur unter Bedingungen autoritärer bzw. diktatorischer Herrschaft zu finden: Der Einsatz von V-Leuten gehört seit Beginn des 19. Jahrhunderts zum Standardrepertoire polizeilicher Taktiken. Aber auf anderen Feldern gibt Kooperationen zwischen Polizei und Publikum: Erinnert sei an die Mitwirkung des Publikums im Rahmen kriminalpräventiver Aktivitäten, erinnert sei an die Helfer der Volkspolizei in der DDR oder an die Schülerlotsen, die in früheren Jahren den Schulweg von Schülern in westdeutschen Städten sichern sollten
Ad b) Die Polizei als Teil der Institutionen der Strafverfolgung
Mit diesem Themenbereich betreten wir ein 'weites Feld', von dem wir glauben, dass es auch bei den Kolloquien intensiver begangen werden sollte. Wir möchten zu diesem Themenbereich - in ausdrücklich nicht-erschöpfender Weise - einige Stichpunkte aufführen:
- Die Entwicklung des Polizeirechts: Preußen, Preußen über alles?
- Polizei und Staatsanwaltschaft: Polizisten als Hilfsbeamte des Staatsanwalts?
- Polizei und Einsperrung: Polizeigewahrsam, vorläufige Festnahme und Untersuchungshaft.
- Polizei und Strafgewalt: Das Ende des Strafmandats?
- Polizeipraxis: Fragen der Konkurrenz zwischen Polizeibehörden und der Normbindung von Polizei.
c) Freie Sektion – Werkstattberichte
In der themenoffenen Sektion sind Beiträge zu allen Aspekten der Polizeigeschichte erwünscht. Ausdrücklich ermutigen möchten wir Kolleginnen und Kollegen, für dieses Kolloquium Beiträge zur Militärpolizei und militärisch organisierten Polizeiformationen anzubieten.
Vorschläge für Beiträge (im Umfang von maximal einer Seite, per E-Mail) werden erbeten bis zum 15. April 2006 an:
Dr. des. Jakob Nolte (jakob.nolte@rewi.hu-berlin.de)