Vom Buch aufs Feld – vom Feld ins Buch. Verflechtungen von Theorie und Praxis in Ernährung und Landwirtschaft (ca. 1300–1600)

Vom Buch aufs Feld – vom Feld ins Buch. Verflechtungen von Theorie und Praxis in Ernährung und Landwirtschaft (ca. 1300–1600)

Veranstalter
Prof. Dr. Gerrit Jasper Schenk, Stephan F. Ebert, M.A. (Institut für Geschichte, Fachgebiet Mittelalter, Technische Universität Darmstadt)
Veranstaltungsort
UNESCO Welterbe Kloster Lorsch
PLZ
64653
Ort
Lorsch
Land
Deutschland
Vom - Bis
31.03.2022 - 02.04.2022
Deadline
31.05.2021
Von
Stephan F. Ebert, Institut für Geschichte, Technische Universität Darmstadt

Vom Buch aufs Feld – vom Feld ins Buch. Verflechtungen von Theorie und Praxis in Ernährung und Landwirtschaft (ca. 1300–1600)

Gegenwärtig führt der menschengemachte Klimawandel in der Nahrungsmittelproduktion und -konsumption zu intensiven Debatten. Es entwickeln sich alternative Ansätze; neue Interaktionsformen zwischen Mensch und Natur entstehen. Moderne Techniken und Medien wandeln zugleich die Informationsmöglichkeiten und die Nahrungsmittelbeschaffung. Auch in der Vergangenheit haben Umbruchszeiten bedeutende Transformationsprozesse von Wirtschaftsweisen und Konsumverhalten ausgelöst, die diskutiert werden sollen.

From Book to Field – from Field to Book. Entangled Theory and Practice in Dietetics and Agriculture (c. 1300–1600 CE)

Man-made climate change has recently led to intense debates on agriculture, food production and consumption. Industrial agriculture and livestock farming are criticised for contributing to global warming. Alternative approaches are developing and new forms of interaction between humans and nature are emerging. Simultaneously, modern technologies and media are substantially changing ways of accessing dietetic information and methods of acquiring food. This is not an unprecedented issue in human history. In the past, times of change have triggered profound transformation processes in economic practices and consumer behaviour.

Vom Buch aufs Feld – vom Feld ins Buch. Verflechtungen von Theorie und Praxis in Ernährung und Landwirtschaft (ca. 1300–1600)

In der Gegenwart führt der menschengemachte Klimawandel in der Landwirtschaft, der Nahrungsmittelproduktion und -konsumption zu intensiven Debatten. Die industrielle Land- und Viehwirtschaft steht in der Kritik, das Klima anzuheizen. Es entwickeln sich daher alternative Ansätze; neue Interaktionsformen zwischen Mensch und Natur entstehen. Durch moderne Techniken und Medien wandeln sich in der Gegenwart zugleich die Informationsmöglichkeiten und die Nahrungsmittelbeschaffung tiefgreifend. Doch auch in der Vergangenheit haben Umbruchszeiten tiefgreifende Transformationsprozesse von Wirtschaftsweisen und Konsumverhalten ausgelöst.

Unter anderem klimatische Trends seit dem Einsetzen der Kleinen Eiszeit (ca. 1300), die europäische Hungerkrise (1315–1317) oder die Große Pest (1347–1352) führten zur Umwälzung gesellschaftlicher Verhältnisse, die auf die Landwirtschaft sowie den Anbau von Sonderkulturen wie etwa den Obst- und Weinbau Auswirkungen hatten. Durch den Humanismus und die Medienrevolution des 15. Jahrhunderts beschleunigt und vervielfältigt, wurde vermehrt klassische Fachliteratur in die Volkssprachen übertragen und auf diese Weise einem breiteren Rezipient*innenkreis zugänglich. Kulinarik und Diätetik sind daher bereits seit längerem Gegenstand der Germanistischen Mediävistik. Alte Wissensbestände über Agronomie und Diätetik wurde aber nicht nur kopiert, sondern auch um relevante Informationen zu witterungsbedingten Ansprüchen sowie unterschiedliche Wachstumsphasen bestimmter Pflanzen ergänzt. Durch den Columbian Exchange fanden dabei allmählich auch Nahrungsmittel der Neuen Welt (z. B. Mais, Paprika) Eingang in die Fachliteratur, wie beispielsweise das New Kreüterbuch von Leonhart Fuchs (1543) zeigt. Auch adlige Heiratsverbindungen sorgten für einen Austausch von Ernährungsgewohnheiten, die neuartige Anbauformen erforderlich machten (z. B. Spargel). ‚Verdichtungsorte des Wissens‘ wie Höfe, Städte und Klöster können hier als Impulsgeber verstanden werden, da dort aufgrund der intellektuellen, wirtschaftlichen und grundherrschaftlichen Ressourcen Expertenwissen am ehesten zusammenlief und weiterverbreitet werden konnte. Es ist kritisch zu diskutieren, in welchem Verhältnis hier Traditionswissen, Ansätze zur Empirie und praktisches Erfahrungswissen (z. B. local knowledge) zueinander standen. Verbanden sich diese Formen tatsächlich oder setzten sich bestimmte Formen durch und falls ja, unter welchen Bedingungen? Insgesamt, so die Annahme, konnten neue Interaktionsformen mit der biophysikalischen Umwelt entstehen, die als sozionaturale Schauplätze im Sinne der Wiener Schule der Umweltgeschichte aufgefasst werden können.

Die geplante Tagung möchte hinter diese Prozesse und wechselwirkenden Dynamiken blicken und dabei nicht nur Fragen der Wissensaneignung und -distribution klären, sondern auch deren Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse während der Zeit von 1300–1600 diskutieren: Inwiefern half insbesondere volkssprachliche Fachliteratur dabei, Wissen ‚vom Buch auf das Feld‘ zu bringen (oder umgekehrt) und inwiefern führten neues Wissen und neue Praktiken zu einer gesellschaftlich getragenen Umformung bestehender Ökosysteme?

Auf der Tagung sollen diese Fragen aus interdisziplinären Perspektiven beleuchtet werden. Folgende Themenkomplexe können diskutiert werden:

- Krisen des Spätmittelalters: Wechselwirkungen mit Transformationsprozessen bei Ernährung und Landwirtschaft (inkl. Sonderkulturen)
- Volkssprachliche Fachprosa: Formen der Rezeption und Distribution von spezifischem Wissen (Stadt, Land, Hof)
- Medien und volkssprachliche Fachprosa: Die Rolle neuer Techniken und Medien (Buchdruck, Flugschriften) bei der Verbreitung und Anwendung des Wissens (besonders bei Gesellschaftsschichten mit eingeschränkten Bildungsmöglichkeiten)
- Biophysikalischer und gesellschaftlicher Wandel: Der Einfluss von Wetter und Witterung auf die praktische Umsetzung von Fachwissen
- Gesellschaftlicher und biophysikalischer Wandel: Der Einfluss von Fachwissen auf die naturräumliche Umgestaltung (z. B. Ackerbau, Flurformen, Sonderkulturen, Teichwirtschaft etc.)
- Ein Sonderweg Europas? Vergleichsfälle durch globale Perspektiven

Auf der geplanten Tagung sollen Forscher:innen der mediävistischen und frühneuzeitlichen Fächer (Geschichtswissenschaft, Germanistik, Archäologie usw.), sowie der Geographie, Paläoklimatologie und -botanik (z. B. Dendrochronologie, Palynologie) versammelt werden. Die Beiträge sollen im Anschluss an die Tagung in einem peer reviewed Sammelband veröffentlicht werden. Reise- und Hotelkosten werden übernommen.

Vorträge sind auf Deutsch und Englisch möglich. Die Diskussion wird auf Englisch stattfinden. Aus diesem Grund wird darum gebeten, die Folien der Präsentationen ebenfalls auf Englisch zu gestalten. Die Veranstaltung ist unter Einhaltung eines Hygienekonzepts zunächst in Präsenz geplant. Änderungen aufgrund etwaiger Bestimmungen im Umgang mit der Corona-Pandemie können jedoch eintreten. In diesem Fall werden auch digitale und hybride Alternativen erarbeitet. Sollten Sie eine digitale Teilnahme bevorzugen, schreiben Sie dies bitte in Ihr Abstract.

Wir bitten um Zusendung von Abstracts mit 250 Wörtern bis zum 31. Mai 2021 an Stephan F. Ebert (ebert@pg.tu-darmstadt.de).

From Book to Field – from Field to Book. Entangled Theory and Practice in Dietetics and Agriculture (c. 1300–1600 CE)

Man-made climate change has recently led to intense debates on agriculture, food production and consumption. Industrial agriculture and livestock farming are criticised for contributing to global warming. Alternative approaches are developing and new forms of interaction between humans and nature are emerging. Simultaneously, modern technologies and media are substantially changing ways of accessing dietetic information and methods of acquiring food. This is not an unprecedented issue in human history. In the past, times of change have triggered profound transformation processes in economic practices and consumer behaviour.

Among other factors, climatic trends since the onset of the Little Ice Age (c. 1300), the Great Famine (1315–1317) or the Black Death (1347–1352) led to changing social conditions, which had an impact on agriculture as well as pomi- and viticulture. Through humanism and the media revolution of the 15th century, classical literature was translated into vernacular languages becoming more accessible to a broader group of recipients. Culinary customs and dietetics have therefore been the subject of German Medieval Studies in the recent past. Ancient knowledge about agronomy and dietetics was not only copied, but also supplemented with relevant information about weather-related requirements and growing phases of certain plants. Via the Columbian Exchange food from the New World (e.g. maize, peppers) was introduced in the Old World and added to specialist literature such as Leonhart Fuchs' New Kreüterbuch (1543). Noble marriage alliances between families from different regions changed eating habits, which required new types of cultivation (e.g., asparagus). Due to their intellectual, economic and manorial capacities courts, cities and monasteries can be described as ‘sites of condensed knowledge’. Expertise was likely to be found at these sites and distributed from there. However, the relationship between traditional knowledge, early forms of empirical approaches and practical experience (e.g., local knowledge) needs to be discussed critically. Were these forms combined to something new or did certain forms of knowledge prevail and if so, under what conditions? We generally assume that new forms of interaction with the biophysical environment could have emerged, which can be understood as Socio-Natural Sites in the sense of the Viennese school of environmental history.

The conference would like to take a look behind these processes and interacting dynamics. The aim is to clarify questions of the appropriation and distribution of knowledge, and to discuss their effects on social change during the period of c. 1300–1600: To what extent did vernacular literature help to bring knowledge ‘from book to field’ (or vice versa) in particular and to what extent did new knowledge and new practices lead to transformations of ecosystems?

These questions shall be addressed from interdisciplinary perspectives by discussing the following subjects:

- Crises of the Late Middle Ages: interrelation between transformation processes in food consumption and agriculture (incl. specialised cultivation)
- Vernacular prose: reception and distribution of specialised knowledge (city, country, court)
- Media and vernacular prose: the role of new techniques and media (letterpress, pamphlets) in circulation and the application of knowledge (especially among social groups with limited educational opportunities)
- Biophysical and social change: the influence of weather and weather conditions on the practical implementation of specialised knowledge
- Social and biophysical change: the influence of knowledge on the transformation of the natural environment (e.g., agriculture, land use, special crops, pond management, etc.).
- Europe – a special path? Comparative cases through global perspectives

At the conference we want to bring together researchers from the medieval and early modern disciplines (history, German studies, archaeology, etc.), as well as geography, palaeoclimatology and palaeobotany (e.g., dendrochronology, palynology). The contributions will be published in a peer reviewed anthology after the conference. Travel and hotel expenses will be covered.

Presentations are possible in German and English. The discussion will be in English. Therefore, please present your slides in English. The event is planned to be held in attendance, in compliance with a hygiene concept. However, changes may occur due to possible regulations concerning the Corona pandemic. In this case, digital and hybrid alternatives will also be planned. If you would prefer a digital participation, please state this in your abstract.

Please send abstracts of 250 words to Stephan F. Ebert (ebert@pg.tu-darmstadt.de) by 31st May 2021.

Kontakt

Stephan F. Ebert, M.A.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Institut für Geschichte
Technische Universität Darmstadt
Landwehrstraße 50a
64293 Darmstadt
ebert@pg.tu-darmstadt.de