Frühneuzeitliche «Seelenbeschreibungen» im konfessions-, politik- und bildungsgeschichtlichen Kontext

Frühneuzeitliche «Seelenbeschreibungen» im konfessions-, politik- und bildungsgeschichtlichen Kontext

Veranstalter
Prof. Dr. Veronika Albrecht-Birkner (Seminar für Evangelische Theologie, Universität Siegen), Prof. em. Dr. Heinrich R. Schmidt (Historisches Institut, Universität Bern), Michael Egger (Historisches Institut, Universität Bern)
Veranstaltungsort
Staatsarchiv des Kantons Zürich
Gefördert durch
Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Reformierte Kirche Kanton Zürich, Burgergemeinde Bern, Pestalozzianum. Stiftung für Bildung, Schule und Dialog
PLZ
8057
Ort
Zürich
Land
Switzerland
Vom - Bis
21.07.2021 - 23.07.2021
Von
Michael Egger, Historisches Institut, Universität Bern

Thema der Tagung ist die Erforschung der Alphabetisierung – und damit eine der elementarsten Fragen an eine Gesellschaft überhaupt: Nur wer mind. Druckschriften lesen kann, ist in der Lage, an den schriftlichen Diskursen der Zeit teilzuhaben. Wahlweise gelten Reformation und Buchdruck, Pietismus und Aufklärung oder der liberale Staat als entscheidende Impulsgeber für die Alphabetisierung Europas. Eine kaum wahrgenommene Quelle stellt die Forschung auf eine neue Grundlage: «Seelenbeschreibungen».

Frühneuzeitliche «Seelenbeschreibungen» im konfessions-, politik- und bildungsgeschichtlichen Kontext

Thema der geplanten Tagung ist die Erforschung der Alphabetisierung — und damit eine der elementarsten Fragen an eine Gesellschaft überhaupt: Nur wer mindestens Druckschriften lesen kann, ist in der Lage, an den schriftlichen Diskursen der Zeit teilzuhaben. Bislang werden wahlweise Reformation und Buchdruck, Pietismus und Aufklärung oder der liberale Staat als entscheidende Impulsgeber für die Alphabetisierung Europas gesehen.

Diese Meistererzählungen werden von neueren Forschungen infrage gestellt.

Statt der bisher hauptsächlich auf Annahmen oder aber auf Unterschriften beruhenden Forschung wird dazu eine bislang kaum wahrgenommene Quelle ins Zentrum gerückt: sogenannte Seelenbeschreibungen (u. a. auch: Seelenregister, Status animarum). Sie sind das schriftliche Produkt von Hausbesuchen durch Pfarrer oder Älteste. Als Beschreibungen der Seelen — und nicht der Körper — sollten sie als Messinstrumente des persönlichen Glaubenswissens von Einzelpersonen fungieren. Diese Quellen basieren auf Prüfungen der Gemeindemitglieder: Sie informieren über die frühneuzeitliche Bildung, über katechetisches Wissen, Kenntnis von Gebeten, Lese- und Schreibfähigkeiten, teils sogar den Buchbesitz oder Rechenfähigkeiten, manchmal auch über die Lebensführung und den sozialen Status der einfachen Männer und Frauen. Damit bieten sie einen für die Vormoderne einzigartigen Einblick in die Lebenswelt der Stadt- wie insbesondere auch der Landbevölkerung.

Weder Kontext noch Inhalt dieser spektakulären Quellengattung sind bisher systematisch und in der Zusammenschau verschiedener europäischer Territorien erforscht worden. Dies soll die geplante Tagung nachholen. Sie vereinigt dafür führende europäische Forscher:innen zu Seelenbeschreibungen oder äquivalenten Quellen.

Bei Interesse an einer Teilnahme in Präsenz wie auch an einer digitalen Teilnahme als Zuschauer:in bitten ebenfalls um eine Anmeldung bei michael.egger@hist.unibe.ch.

Programm

Mittwoch, 21. Juli 2021

15.00-15.15 Begrüßung

I. Forschungsstand zur Quellengattung der «Seelenbeschreibungen» und zur Alphabetisierung in der Frühen Neuzeit

15.15-16.00 Veronika Albrecht-Birkner: Seelenbeschreibungen / Seelenregister – Forschungsstand

16.00-16.45 Norbert Winnige: Alphabetisierung in der Frühen Neuzeit – eine (Zwischen-)Bilanz

II. Frühneuzeitliche «Seelenbeschreibungen»: Verbreitung – Inhalte – exemplarische Auswertungen

17.00-18.30 Robin Ebener, Lisa-Rebecca Fäsing, Kathrin Köhler, Jule Nagel, Franziska Saßmann, Andrea Schimmer (Referatsblock Forschungsseminar Universität Siegen): Seelenregister und Alphabetisierung in Oldenburg und Thüringen

Donnerstag, 22. Juli 2021

9.00-9.15 Begrüßung

9.15-10.00 Hermann Ehmer: Lesen und Schreiben in Württemberg. Die württembergischen Seelenregister als bildungsgeschichtliche Quelle

10.00-10.45 Michael Egger: Glaubenswissen, Volksschulen und Seelenbeschreibungen als Waffen im Glaubenskrieg? Die Alphabetisierung der Zürcher Landschaft als 'Nebenprodukt' einer konfessionellen Bedrohungslage

11.00-11.45 Janine Scheurer: „Pastoris virtus maxima nosse suos“. Alphabetisierung und Schulwesen in der Thurgauer Gemeinde Gachnang im 17. und 18. Jahrhundert

11.45-12.30 Harm Klueting: Die Bemühungen um die Erhebung des Status animarum im Hochstift Münster 1661, 1703/13 und 1749/50 und sein Quellenwert für die Alphabetisierungsforschung

III. Alphabetisierung, Bildungspraxis und Konfessionalisierung

14.00-14.45 Sabine Holtz: Ländliche Lesekultur im Herzogtum Württemberg

14.45-15.30 Alexander Baimann & Antje Roggenkamp: Westfälische Gemeindeschulen im 18. Jahrhundert - Konfessionsspezifische Praktiken

16.00-16.45 Frank Konersmann: Aspekte der Alphabetisierung im linksrheinischen Südwesten (1685-1747). Die lutherische Kirche im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken und die Gruppierung regional agierender Bauernkaufleute unterschiedlicher Konfession

16.45-18.00 Führung im Staatsarchiv des Kantons Zürich und Präsentation der Zürcher Seelenbeschreibungen (Originale)

Freitag, 23. Juli 2021

9.00-9.15 Begrüßung

9.15-10.00 Stefan Ehrenpreis: Die Rolle des Schulunterrichts in der Praxis der katholischen Konfessionalisierung

10.00-10.45 Christine Schneider: Die Bedeutung der Frauenklöster für die Mädchenbildung im 18. Jahrhundert

11.15-12.00 Heinrich R. Schmidt: Bildungsferne. Zur Rolle physischer und sozialer Topographie für die Alphabetisierung

Kontakt

Michael Egger, michael.egger@hist.unibe.ch

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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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