Potsdamer Forum Neue Zeitgeschichte: Workshop "Nostalgie und Erinnerung"

Potsdamer Forum Neue Zeitgeschichte: Workshop "Nostalgie und Erinnerung"

Veranstalter
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF)
Veranstaltungsort
Großer Seminarraum des ZZF, Am Neuen Markt 9d, 14467 Potsdam
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.06.2020 - 17.06.2020
Deadline
17.03.2020
Website
Von
Doktorand*innen des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam

Nostalgie wird in gegenwärtigen Gesellschaftsdiagnosen immer wieder als Erklärung für die wahrgenommene Rückwärtsgewandtheit und kulturelle Spaltung westlicher Gesellschaften genutzt. Ein Blick zurück zeigt jedoch, wie alt diese Erklärung selbst ist. Beobachteten Theodor Adorno und Helmuth Plessner Anfang der 1960er Jahre misstrauisch eine Nostalgie für die „Wilden 20er“, rieb sich linke wie rechte Kulturkritik in den 1970er und 1980er Jahren an einer Nostalgiewelle für die Zeit des „Wirtschaftswunders“, die als Reaktion auf lebensweltliche Beschleunigung und ökonomische Krisen gedeutet wurde. In den 1990er Jahren war es dann die vermeintlich “ostalgische” Integrationsunwilligkeit der Ostdeutschen und schließlich taucht die Nostalgie als Erklärungsansatz für rechtspopulistische Bewegungen – von „Make America Great Again!“ bis „Vollende die Wende!“ – wieder auf. Grundlegend verschiedene Geschichtsbilder zeigen sich hier jeweils als zentrale Grundlage der diagnostizierten gesellschaftlichen Spaltung: Was die einen als Fortschritt feiern (etwa die Auflösung traditioneller Geschlechterrollen oder soziale Emanzipationsbewegungen), kündigt für die anderen den gesellschaftlichen Verfall an. Von solchen politischen Grabenkämpfen scheinbar unberührt, blüht derweil nicht erst mit der “Generation Golf” (Florian Illies) der Markt für Retromoden, Jahrgangs- und Jahrzehntbücher oder Alltagserinnerungen an das materielle Erbe der 1950er bis 1980er Jahre. Doch selbst diese auf den ersten Blick harmlosen nostalgischen Erinnerungen an vergangene Konsum-, Jugend- und Subkulturen wurden schon als Zeichen der Innovationslosigkeit der Popkultur (Simon Reynolds - Retromania) und Ausdruck eines regressiven Zeitgeistes im Sinne Zygmunt Baumanns interpretiert.

Angesichts der - zumeist negativ konnotierten, kulturkritischen - Verwendung des Nostalgiebegriffs für ganz unterschiedliche Phänomene stellt sich die Frage nach seinem analytischen Mehrwert für die Zeitgeschichtsforschung. Die Vielschichtigkeit der genannten Phänomene und Interpretationen deutet darauf hin, dass sich Nostalgien womöglich in ganz unterschiedlichen Forschungsfeldern unvermutet finden lassen. Das Forum Neue Zeitgeschichte möchte dabei u.a. folgende Fragen diskutieren: Was zeichnet Nostalgie aus und wie lassen sich womöglich verschiedene Nostalgien zu unterschiedlichen Zeiten und bei verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen feststellen? Wie wurde Nostalgie in der Vergangenheit bewertet? Welche Rolle spielten Anlehnungen an, Verweise auf und Instrumentalisierungen von Vergangenheit in verschiedenen zeithistorischen Kontexten, seien sie politischer, kultureller oder sozialer Natur? In welchem Wechselspiel steht Nostalgie mit dem geschichtswissenschaftlichen Konzepten der Erinnerungs- und Geschichtskultur? Wie wäre folglich ein spezifisch zeithistorischer Nostalgiebegriff zu fassen? Dabei soll keine vorformulierte Definition von Nostalgie die Diskussion einengen. Stattdessen wollen wir das Forum als Aufschlag verstanden wissen und dazu einladen, den Nostalgiebegriff grundsätzlich für die Zeitgeschichte zu diskutieren.

Einreichungen können beispielsweise, müssen aber nicht folgende Themenfelder berühren, auch wenn sie als Nebenaspekte des eigenen Forschungsprojekts auftreten:

-“Linke” und “rechte” Nostalgien und politische Gründungsmythen (Rechtspopulismus, Emanzipationserzählungen sozialer Bewegungen etc., Militär, Geheimdienste und Sicherheitsorgane als Erinnerungsgemeinschaften)

-Alltagsweltliche Nostalgien (Jahrzehnte als nostalgische Rückzugsräume, Dörfliche Gemeinschaften, Sportvereine als Erinnerungsgemeinschaften)

-Fiktionale/Nostalgische Welten in Medien

-Subalterne/nicht-hegemoniale Erinnerungen und Nostalgien (Migrantische Erinnerungen, Queere Erinnerung, Gender- und Körperbilder)

-Neue Perspektiven auf professionelle öffentliche Geschichtserzählungen (Erzählungen/Debatten in und über Ausstellungen, Public History, Geschichtspolitik).

Für alle ZeithistorikerInnen, die sich mit ihren Projekten in diesen Themen nicht wiederfinden, gibt es zudem die Möglichkeit, am Barcamp des Forums Neue Zeitgeschichte teilzunehmen. Das Barcamp wird separat ausgeschrieben.

Die Beitragsvorschläge für alle Sektionen sollten nicht mehr als 500 Wörter umfassen und können auf Deutsch oder Englisch samt eines kurzen akademischen Lebenslaufs per Mail (forumneuezeitgeschichte@zzf-potsdam.de) von Promovierenden oder jungen Forschenden eingereicht werden. Einsendeschluss ist der 17. März 2020.

Das Forum Neue Zeitgeschichte verzichtet auf die klassische Tagungsstruktur. Statt in einer Sektion Vortrag auf Vortrag folgen und diese von eine/r KommentatorIn danach zusammenführen zu lassen, sollen die TeilnehmerInnen sich in einer kurzen Präsentation zu einer von den OrganisatorInnen im Vorfeld aufgestellten These oder Frage positionieren. Die jeweiligen Thesen werden bei der Zusammenstellung der einzelnen Panels auf Basis der eingereichten Beiträge entwickelt und den Beitragenden im Vorfeld zugesendet. Die bis zum 31. März 2020 ausgewählten Referenten und Referentinnen werden gebeten, Diskussionspapiere von max. sechs Seiten auszuformulieren. Das Forum Neue Zeitgeschichte legt den Schwerpunkt auf die Diskussion der Thesen und Herausforderungen der jeweiligen Forschungsvorhaben. Hierfür bitten wir um eine kompakte und problemorientierte Präsentation. Gerne gesehen sind innovative Präsentationstechniken.

Der Workshop des Forums findet am 16. und 17. Juni 2020 am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) statt. Die Konferenzsprache ist Deutsch; Präsentationen können auch auf Englisch gehalten werden. Den ReferentInnen kann ein Zuschuss zu Reise- und Unterkunftskosten gewährt werden. Interessierte, die auf dem Workshop nicht vortragen möchten, sind herzlich willkommen, als Gäste teilzunehmen. Zudem laden die OrganisatorInnen alle Interessierten herzlich zum zeitgeschichtlichen Barcamp am 15. Juni 2020 am ZZF ein. Ganz herzlich eingeladen sind die TeilnehmerInnen des Forums auch zum Historischen Quartett und zum ZZF-Sommerfest, die beide am Abend des 16. Juni stattfinden werden.

Programm

Kontakt

Maren Francke
Tom Koltermann
Florian Schikowski
Nils Theinert

ZZF Potsdam
Am Neuen Markt 1, 14467 Potsdam

forumneuezeitgeschichte@zzf-potsdam.de