Sie ist eine Art Klassiker in der Geschichtsschreibung des „War on Drugs“: die Video-Ansprache zur „National Drug Control Strategy“, die US-Präsident George H.W. Bush am 5. September 1989 hielt.1 Anschaulich zeigt die Rede, wie in den 1980er- und 1990er-Jahren die Drogenpolitik der USA nicht nur im Inneren, sondern auch als Außenpolitik eskalierte: Aus Bushs Worten sprechen Wut und Hilflosigkeit angesichts der mächtigen Drogenkartelle in Mittel- und Südamerika, und der unbedingte Wille zur weiteren Eskalation, um sie zu bekämpfen. Mit allen militärischen Ressourcen, an Land, zur See und in der Luft sollten Schmuggler verfolgt und den Geldwäschern der Kartelle das Handwerk gelegt werden, so Bush. „And for the drug kingpins: the death penalty.”2
In der Tat wurde der metaphorische „Krieg gegen Drogen“, den Richard Nixon 1971 ausgerufen hatte, immer mehr zu einem wirklichen Krieg in US-amerikanischen Städten und lateinamerikanischen Ländern. Insofern konzentriert sich auch die historiographische Aufmerksamkeit für die internationale US-amerikanische Drogenpolitik meist auf die 1980er- und 1990er-Jahre, jüngst etwa in der Analyse von Russell Crandall, einem ehemaligen drogenpolitischen Berater im Nationalen Sicherheitsrat unter George W. Bush und Barack Obama.3
Eine große Forschungslücke füllt deshalb Helena Barop mit Mohnblumenkriege. Sie stellt die Frage, wie die US-amerikanische „International Narcotics Control“ („Drogenaußenpolitik“, S. 10) sich überhaupt als Handlungsfeld herausgebildet hat, wie in diesem Zug Drogen als Problem definiert wurden und mit welchen Lösungsstrategien die USA reagierten. Schon in dieser formativen Phase in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Ende der 1970er-Jahre (und damit vor der Eskalation der 1980er-/1990er-Jahre) sei deutlich geworden, dass die USA als Staat in der Drogenaußenpolitik immer wieder an Grenzen gerieten, die ökonomisch mächtigen und unregulierten Akteuren der Drogenmärkte nicht gesetzt waren.
Dabei beurteilt Barop Erfolg und Misserfolg entsprechender Strategien nicht von der Gegenwart aus, sondern orientiert sich an den zeitgenössischen Wissensbeständen, Möglichkeiten und Zielsetzungen. Das Fazit: Im Kampf gegen eine Vielzahl an Akteuren im Ausland, verteilt über den Globus und nicht durch die Grenzen staatlichen Handelns eingeschränkt, konnten die USA von Anfang an nur äußerst begrenzte Erfolge verzeichnen. Der erst metaphorische, später tatsächliche Krieg war von Beginn an zum Scheitern verurteilt.
Im ersten Teil des Buchs, der über 120 Seiten umfasst, verfolgt Barop vom Anfang des 19. Jahrhunderts an, wie Drogen in den USA überhaupt als Problem definiert wurden, und zeichnet die wechselhafte Geschichte dieser Substanzen und ihrer Regulierung durch Industrialisierung, Progressive Era und Zweiten Weltkrieg über die Beat Generation, die „Drogenrevolution“ der 1960er-Jahre und den Vietnamkrieg nach. Wie das gesamte Buch besticht dieser Part durch einen äußerst flüssigen, lesbaren Stil und akribische, geradezu beeindruckende Quellenrecherche. In diesem enormen Umfang wäre ein Kapitel zur historischen Entwicklung aber gar nicht nötig gewesen, um die folgende politikgeschichtliche Analyse zu kontextualisieren. Hin und wieder wagt Barop zudem einen Drahtseilakt, wenn sie sich selbst an der Fachdebatte um Ursachen für Drogenkonsum und Abhängigkeit beteiligt (S. 105f., S. 116–122 und S. 138f.) – ein aus klassisch sozialhistorischer Sicht legitimes Forschungsinteresse, aus Sicht der neueren Kulturgeschichte wohl problematisch.
Kern von Barops Studie ist aber ohnehin die politikgeschichtliche Analyse, die sie anhand der drei Anbaugebiete und Schmuggelrouten vornimmt, die zeitgenössisch als die wichtigsten galten: die Türkei und Frankreich („French Connection“), Südostasien („Golden Triangle“) und Mexiko. In den Teilen zwei bis vier skizziert Barop anhand dieser drei Fälle jeweils das zeitgenössische und unvollständige Wissen der US-Akteure um die Drogenmärkte sowie die entsprechenden Versuche, das Drogenproblem außenpolitisch zu lösen.
Diese Analysen beruhen auf einem breit recherchierten Quellenspektrum: in erster Linie diplomatische US-Quellen und, ergänzend, Bestände der UN sowie aus mexikanischen Archiven. Aus dieser Perspektive entfaltet Barop kenntnisreich und elegant ein Panorama der US-Bemühungen, das Drogenproblem außenpolitisch durch Angebotsreduktion zu lösen. Eine Stärke der Analyse ist es, dass sie dabei nicht der Verführung erliegt, historische Daten und Wissensbestände zu (verborgenen!) Drogenökonomien, Schmuggelrouten und kriminellen Organisationen als Fakten zu lesen und in eine vermeintlich schlüssige, vollständige Geschichte zu verwandeln. Stattdessen stellt Barop jeder untersuchten Weltregion ein Kapitel zum zeitgenössischen „Halbwissen“ voran, in welchem der unvollständige Kenntnisstand (der ja die Grundlage für Interventionen bildete) als solcher benannt und geschildert wird.
Eine zweite Stärke der Studie ist die differenzierte Herangehensweise: Fernab von ideologischen, mithin verschwörungstheoretischen Ansichten, dass der US-Regierung die Drogenpolitik stets nur als Mittel zu sinistren macht- und sicherheitspolitischen Zielen diente (Iran-Contra!), zeigt Barop, wie komplex sich die Drogenaußenpolitik der USA gestaltete und dass Drogenpolitik in der Tat mit der Absicht entworfen wurde, das Angebot illegaler Substanzen zu verringern. Barop zeigt aber auch, wie die Drogenpolitik gelegentlich in Konflikt mit anderen Politikfeldern geriet: etwa wenn, bei allen ernsthaften und engagierten Versuchen von US-Diplomaten und Agenten der Drogenbehörden, den Nachschub zu unterbinden, mit drogenpolitischen Strategien zwischen Entwicklungspolitik und Aufstandsbekämpfung hin und wieder eher der Kalte Krieg geführt wurde, mit wenig Rücksicht auf den drogenpolitischen Erfolg solcher Maßnahmen.
Überhaupt, der Kalte Krieg: Barop zeigt, dass im Zweifelsfall die Bekämpfung des Kommunismus Vorrang vor drogenpolitischen Zielen hatte, dass aber diese Ziele durchaus real waren und sich auch unterschiedliche Effekte einstellten. Doch von der Bekämpfung einer wohl eher imaginären großen, hierarchischen „Drogenmafia“ über Strategien der Crop Substitution (Ersatzprodukte zum Anbau für Bauern, die Cannabis oder Opium anpflanzten) und der Eradication (Vernichtung von Opium-/Cannabis-Feldern durch das Militär): Jedem kleineren Erfolg stellt Barop auch die nicht intendierten Folgen gegenüber. Kaufte man etwa einem Warlord dessen (vorgebliche) Jahresproduktion an Opium ab (und verknappte damit das Angebot), setzte man damit einen finanziellen Anreiz für andere Akteure in der Region, nun noch höheren Profit aus dem Anbau zu schlagen, da die Preise stiegen. Und stiegen die Preise für Heroin in den USA, weil es einmal zumindest kurzfristig gelungen war, dem Nachschub eine Delle zuzufügen, konnte dies bedeuten, dass dafür auch die Beschaffungskriminalität anstieg, weil nicht jede:r Konsument:in in der Lage und/oder willens war, den eigenen Konsum aufgrund höherer Preise zu beenden.
Schließlich verdeutlicht Barops Studie auch, dass es der „Ballon-Effekt“ unmöglich machen dürfte, als staatlicher Akteur mittels Außenpolitik und Angebotsbegrenzung dem Drogenhandel beizukommen. Drückt man einen Ballon an einer Stelle zusammen, wölbt er sich dafür an einer anderen Stelle nach außen. So schreibt auch Barop über die US-Strategien der Internationalen Drogenkontrolle, die bei lokalen Erfolgen das Drogenproblem einfach verschoben: „Schmuggelrouten und Anbaugebiete verlagerten sich, Drogenunternehmer wurden durch neue Akteure ersetzt oder suchten sich neue Wirkungsgebiete.“ (S. 464)
Schließlich wird Barops Befund von Anbau- und Produktionsgebieten als staatsfernen Räumen und von den Grenzen staatlicher Macht gegenüber den Akteuren der Drogenökonomien auch anhand eines anderen Opium-Anbaugebiets bestätigt, das in ihrer Analyse nicht vorkommt und insbesondere in den letzten 20 Jahren an Bedeutung gewonnen hat: Afghanistan.4
All das macht „Mohnblumenkriege“ zu einer reichhaltigen und aufschlussreichen Studie, die überzeugend die Blaupause außenpolitischer Strategien der US-Drogenbekämpfung nachzeichnet. Helena Barop argumentiert äußerst stringent, beruft sich dabei auf ein beeindruckend recherchiertes Quellenkorpus und liefert eine ebenso elegant geschriebene wie überzeugende Analyse dazu, weshalb das Scheitern des „War on Drugs“ in dessen Genen angelegt war, lange bevor Präsident Bush den Anführern der Drogenkartelle im September 1989 mit der Todesstrafe drohte.
Anmerkungen:
1 Vgl. US National Archives: President Bush Speech on Drugs/Democratic Response on Drug Strategy by Senator Biden, 05.09.1989, URL: <https://www.youtube.com/watch?v=mtlkyBk6rcc> (19.04.2022).
2 Ebd. ab Minute 12:15. Siehe auch das Transkript: George Bush, Address to the Nation on the National Drug Control Strategy. Online by Gerhard Peters and John T. Woolley, The American Presidency Project, URL: <https://www.presidency.ucsb.edu/node/263700> (19.04.2022).
3 Vgl. Russell Crandall, Drugs and Thugs. The History and Future of America’s War on Drugs, New Haven 2020.
4 Vgl. James Bradford, The War on Drugs in Afghanistan, in: David Farber (Hrsg.), The War on Drugs. A History, New York 2022, S. 242–269.