Das voluminöse Buch von Karin Mosig-Walburg, einer durch zahlreiche Publikationen ausgewiesenen Expertin für das Sasanidenreich und die römisch-persischen Beziehungen, hat einen ungewöhnlichen Charakter: Es bietet keine Darstellung der konfliktreichen Beziehungen zwischen dem Sasanidenreich und Rom im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr., sondern versteht sich als eine Ergänzung und Erweiterung der Frankfurter Habilitationsschrift der Autorin, die 2009 ebenfalls im Computus-Verlag erschienen ist.1 In dieser Arbeit waren die Beziehungen zwischen Persien und Rom vom Beginn der sasanidischen Herrschaft bis zum Frieden zwischen Iovian und Shapur II. 363 untersucht worden, wobei die Hintergründe der Konflikte und die politischen Zielvorstellungen der Römer und Perser sowie die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Imperien im Mittelpunkt standen. Der vorliegende Band konzentriert sich ebenfalls auf die diplomatischen Beziehungen und die nichtmilitärischen Interaktionen sowie die Motive der politischen und militärischen Aktionen vom Beginn der sasanidischen Herrschaft bis zum Frieden von 363, nimmt nun aber auch die inneren Entwicklungen in Persien in der zweiten Hälfte des 3. und im frühen 4. Jahrhundert genauer in den Blick, versteht sich dabei aber dezidiert als eine „Forschungskritik“. Mosig-Walburg bespricht hier also ergänzend zu ihrer Habilitationsschrift die verschiedenen Überlegungen und Thesen in der aktuellen Forschung zu den römisch-persischen Beziehungen und diskutiert Aspekte, die in ihrer Arbeit von 2009 nicht ausführlicher erörtert werden konnten. Die „Forschungskritik“ trägt dabei vor allem den Charakter einer argumentativen Widerlegung anderer Ansichten aus der aktuellen Forschung zwischen 2009 und 2020; die Autorin möchte so die ihrer Habilitationsschrift vertretenen Positionen untermauern und verteidigen.
Die Kapitel 1 (S. 19–82) und 2 (S. 83–479) erörtern das Bild in der Forschung zu den Konflikten zwischen beiden Imperien und den nicht-militärischen Interaktionen, die Kapitel 3 (S. 481–550) und 4 (S. 551–668) das Bild in der Forschung zu den innenpolitischen Entwicklungen in Persien unten den Nachfolgern Shapurs I. bis ins 4. Jahrhundert. In den Kapiteln 1 und 3 stellt Mosig-Walburg das Bild in der Forschung knapp vor und bespricht die antiken Quellen, um so dem Leser einen Einstieg in die Problematik und einen Überblick zu den Ereignissen und Quellen zu gegeben. In den Kapiteln 2 und 4 diskutiert die Autorin dann sehr detailliert und kleinteilig die zentralen Forschungsthesen der aktuellen Arbeiten seit 2009 und zahlreiche Detailprobleme. Das fünfte Kapitel „Anhang“ (S. 669–765) bietet schließlich „Ergänzende Forschungskritik“ (S. 671): Hier bespricht die Autorin wichtige Forschungsarbeiten zur Thematik seit 2009 in einer detaillierteren Einzelkritik. Die 10 Abschnitte, die den „Charakter einer Teilrezension“ (S. 15) haben, kritisieren oft recht scharf einschlägige Passagen aus Altmayers Buch zur Dynastie des Carus und aus dem Buch zu Valerian von Toni Glas, Arbeiten von Canepa, Daryaee, Le Bohec, Traina, Ursula Weber und Wienand. Abkürzungs- und Literaturverzeichnis (S. 767–846) sowie ausführliche Indices (S. 847–863) zu Quellen, Orten und Personen beschließen den gewichtigen Band.
Die Vielzahl der in den Kapiteln 1 bis 4 erörterten Aspekte, die nicht immer in chronologischer oder systematischer Form besprochen und vielfach unter anderem Fokus erneut aufgegriffen werden, macht es hier unmöglich, alle diskutierten Forschungsansichten und Positionierungen Mosig-Walburgs aufzuführen; es sollen daher nur die zentralen Punkte genannt werden. Kapitel 1 mit „Anmerkungen zum Bild der gegenseitigen Politik der beiden Großmächte und ihrer nicht-militärischen Interaktion in der Forschungsliteratur“ greift zuerst das heftig diskutiert Problem eines möglichen Rückbezugs der Sasaniden auf die Achämeniden oder die mythische ostiranische Kayanidendynastie auf, den Mosig-Walburg vehement ablehnt. Für diesen Rückbezug gebe es in den Quellen aus Persien keinerlei Hinweise. Die frühen Sasaniden hätte keine Gebiete jenseits des Euphrats von Rom eingefordert oder besetzt, es sei ihnen allein um die Wiedereroberung der von den Arsakiden verlorenen Gebiete in Mesopotamien gegangen. Dies zeige sich bereits im ersten Vorstoß Ardashirs auf Nordmesopotamien, den Mosig-Walburg mit Kettenhofen in die Jahre 235 oder 236 setzt. Zudem lehnt Mosig-Walburg die gängige Forschungsthese einer generell aggressiven Westpolitik der Sasaniden ab und plädiert für ein differenzierteres Bild: Ardashir und Shapur II. seien zwar gegenüber Rom aggressiv aufgetreten, hätten mit ihren militärischen Aktionen aber nur die (durch die Arsakiden bzw. unter Narseh) an Rom verlorenen Gebiete wiedergewinnen wollen. Die Perserkriege unter Shapur I. seien dagegen durch römische Offensiven (Gordians III. und Valerians) ausgelöst worden, man könne also nicht von permanenten persischen Offensiven gegen Rom, einer generellen Aggressivität der Perser oder persischer „Kriegslüsternheit“ sprechen. Die persische Eroberung Hatras 240 beispielsweise könne nicht als Grund für die Offensive Gordians III. und als Beleg für eine sasanidische Aggression gegen Rom angeführt werden, da Hatra vor 240 weder ein römisches Bollwerk und Bündnispartner Roms noch nach 240 eine persische Aufmarschbasis gegen das Römische Reich gewesen sei. Die wenigen Zeugnisse für römische Soldaten in Hatra unter Severus Alexander und Maximinus Thrax seien kein Beleg für eine römische Garnison in Hatra oder ein Bündnis mit Rom, wie zumeist angenommen wird. Es könne sich bei diesen Besuchern etwa auch um Pilger gehandelt haben, die das Heiligtum der Stadt besucht hätten.2 Zudem verweist sie auf die längeren Friedensphasen zwischen den Imperien, etwa nach dem Tod Shapurs I. und in den ersten Regierungsjahren Narsehs. Auch vom Frieden von Nisibis 298 bis 337 habe wieder Frieden geherrscht; andere Rekonstruktionen seien „nachdrücklich abzulehnen“ (S. 345). Ob man allerdings für den Ausbruch des Krieges zwischen Diocletian und Narseh tatsächlich allein die Provokationen des Galerius verantwortlich machen kann (S. 143), ist zu bezweifeln. Mosig-Walburg lehnt zudem die These ab, die Sasaniden hätten zur Legitimation der Herrschaft ihre Sieghaftigkeit in Kriegszügen erweisen müssen. Shapurs Siegesreliefs, mit denen er seine Erfolge gegen die Kaiser feierte, werden dabei allerdings nicht betrachtet. Auf der anderen Seite könne die römische Ostpolitik nicht als generell defensiv und reaktiv gekennzeichnet werden; hier verweist die Autorin sicher zu recht auf die Offensive Valerians gegen Shapur I.
Für Mosig-Walburg war das Militär der frühen Sasaniden ähnlich wie das der späten Arsakiden organisiert, die Sasaniden seien daher im 3. Jahrhundert nicht militärisch stärker oder bedrohlicher gewesen. Nach der Vorstellung der diplomatischen Kontakte spricht sich Mosig-Walburg dafür aus, dass Perser und Römer in regelmäßigem diplomatischem Austausch standen und nicht erst im Zuge des Friedens von Nisibis 298 oder gar erst im 4. Jahrhundert zu einer gegenseitigen Anerkennung als gleichrangige Imperien gekommen seien. Eine größere Bedeutung der Religion in den gegenseitigen Beziehungen lasse sich nicht nachweisen, dieser Aspekt sei auch im 4. Jahrhundert kein Auslöser militärischer Konflikte gewesen. Constantin der Große habe seinen Perserkrieg somit nicht als Schutzherr der Christen geplant. Diese Forschungsthese stütze sich allein auf den „dubiosen“ (S. 429) Brief Constantins an Shapur II., in dem der Kaiser als Verteidiger der Christen auch in Persien auftritt. Mehrmals betont Mosig-Walburg, dass dieses Zeugnis nicht authentisch sei, ohne diese Einschätzung allerdings genauer zu begründen. Die Aggression sei 337 also nicht von Constantin, sondern von Shapur II. ausgegangen, der den römischen „Diktatfrieden“ von 298 habe revidieren wollen.
Im zweiten Kapitel folgt dann die detaillierte „Forschungskritik zum Bild der gegenseitigen Politik der beiden Großmächte und ihrer nicht-militärischen Interaktion“, in der die im ersten Kapitel knapp referierten Thesen Mosig-Walburgs mit zahlreichen Argumenten verteidigt sowie die abgelehnten Forschungsansichten detailliert besprochen und widerlegt werden. Sie wendet sich dabei gegen in ihren Augen falsche Interpretationen der Zeugnisse und gegen unzulässige Verallgemeinerungen zur Politik der Sasaniden. Ihr methodisches Vorgehen sei am Beispiel des Rückbezugs der frühen Sasaniden auf Achämeniden und Kayaniden erläutert (Kap. 2.1.1, S. 83–108): Mosig-Walburg bespricht detailliert die wesentlichen seit 2009 erschienenen Forschungsarbeiten, die ihrer These widersprechen und den Rückbezug der Sasaniden verteidigen. Sie zieht Beiträge insbesondere von Winter/Dignas, Daryaee, Edwell, Inglebert, Canepa, Whitby, Wiesehöfer, Jackson Bonner und des Rezensenten heran, stellt mit oft langen wörtlichen Zitaten die in diesen Arbeiten vertretenen Thesen und Argumente vor, vergleicht zuweilen die Veränderungen der Thesen der Autoren in verschiedenen Beiträgen, zeigt Widersprüche auf und widerlegt diese Ansichten dann in ihrer Textexegese als unfundiert; die Thesen seien ohne Quellenbeleg, methodisch problematisch und oft auch reine Spekulation. So heißt es zu Daryaees These, dass der Rückbezug auf die Achämeniden im 4. Jahrhundert durch einen religiös fundierten Bezug auf die Kayaniden abgelöst worden sei: „Der Versuch scheitert freilich zum einen an dem Umstand, daß weder eine Erinnerung an die Achaimeniden noch gar die bewußte Aufgabe dieser Erinnerung durch Überlieferung überzeugend belegt werden kann“ (S. 87). Der Blick auf die Forschung bleibt dabei fast durchgängig negativ, mit Shayegan wird nur ein Autor vorgestellt, der diesen Rückbezug auf Achämeniden und Kayaniden ebenfalls ablehnt.
Mit ähnlichem Vorgehen werden auch die übrigen Forschungsthesen und eine Fülle an Detailproblemen besprochen. Zu recht wendet sich Mosig-Walburg so vehement gegen die These, Shapur habe bereits um 240/41 einen Einfall in das Römische Reich durchgeführt (S. 134f., 191–196). Aus mangelnden persischen Reaktionen auf römische Feldzüge könne man nicht auf innere Schwäche schließen. So sei die Inaktivität Shapurs I. nach 260 und die fehlende Reaktion auf den Feldzug des Palmyreners Odaenathus kein Beleg für eine Schwäche des alternden Königs. Das ungehinderte Vordringen des Carus bis Ktesiphon könne auch ein taktisches Vorgehen Vahrams II. gewesen sein, müsse also nicht als Zeichen der Instabilität in Persien gedeutet werden (S. 150). Zudem werden verschiedene Forschungsthesen zur römischen Ostpolitik widerlegt. So lehnt sie einen vor allem gegen Palmyra gerichteten Plan des Gallienus für einen Ostfeldzug als Konstrukt ab, das „auf korrupter Überlieferung“ (gemeint ist die Historia Augusta) und „bloßen Vermutungen“ beruhe (S. 263). Armenien sei nach dem Frieden von 298 kein römischer Klientelstaat geworden. Mosig-Walburgs Gegenthese, Armenien sei nun ein „unabhängiger Staat zwischen den beiden Großmächten“ gewesen (S. 291), überzeugt indes wenig. Hanniballians Position als rex regum habe sich auf die Oberherrschaft im Pontus- und Kaukasusraum bezogen und sei keine antisasanidische Provokation Constantins im Vorfeld des Perserkriegs gewesen. Ausführlich setzt sich Mosig-Walburg außerdem mit der Rolle Edessas, Hatras und Palmyras zwischen den Imperien auseinander. Wenig überzeugend ist indes ihre These, der letzte osrhoenische Herrscher Abgar bar Ma‛nu habe von Gordian III. die Position eines römischen Statthalters in der colonia Edessa und der Provinz Osrhoena erhalten und sei gleichzeitig Klientelkönig im restlichen regnum Osrhoene gewesen (S. 177–183). Der Palmyrener Odaenathus habe 262 nur den westlichen Teil Mesopotamiens wieder der römischen Herrschaft unterstellen können, sein Zug nach Ktesiphon habe dann dem Ziel gedient, die Herausgabe des östlichen Teils von den Persern zu erzwingen. Dass dieser Perserfeldzug als Rachekrieg nach der Gefangenahme Valerians konzipiert war, bestreitet Mosig-Walburg ebenso vehement ab wie die Annahme des Titels rex regum durch Odaenathus nach dem Feldzug.3
In den kürzeren Kapiteln 3 und 4 folgen „Anmerkungen zum Bild der innenpolitischen Entwicklung des Sasanidenreiches von der zweiten Hälfte des 3. bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. in der Forschungsliteratur“ und die dazugehörige „Forschungskritik“, in der wiederum zahlreiche aktuelle Forschungsarbeiten kritisiert werden, wobei Mosig-Walburg hier insbesondere die Artikel von Ursula Weber und Wiesehöfer in den Blick nimmt, die in einer detaillierten Textexegese vorgestellt, auf Widersprüche befragt und widerlegt werden. Mosig-Walburg kritisiert in beiden Kapiteln vor allem die gängigen Forschungsparadigmen einer langfristigen Instabilität und Schwäche des Königtums sowie eines inneren Konflikts zwischen Königtum und Adel unter den Söhnen Shapurs I. Die Forschung meint zumeist, dass diese Probleme die außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten der Perserkönige eingeschränkt und weitere Offensiven gegen Rom weitgehend verhindert hätten. Diese innenpolitischen Probleme seien indes kaum zu belegen, weder für Hormizd I. und Vahram I. noch für Narseh gebe es sichere Quellen für derartige Spannungen. Die königliche Autorität Vahrams II. habe weder durch die Revolte seines Bruders Hormizd, deren Dauer und Ausmaße ganz ungewiss seien,4 noch durch die Offensive des Carus „Schaden genommen“ (S. 498). Fehlende Aggressivität dieser Herrscher gegen Rom könne nicht als Indiz für ein schwaches Königtum gewertet werden. Auch von religiösen Konflikten und von systematischen, andauernden Christenverfolgungen in Persien könne keine Rede sein. Unter Vahram I. und Vahram II. habe es keinen religionspolitischen „Schwenk“ (S. 519) von einer religiösen Toleranz (etwa gegenüber Mani) zu einer stärkeren Förderung des Zoroastrismus und einer Verfolgung anderer religiöser Gruppen (Manichäer und Christen) gegeben. Die starke Position des mowbed Kirdir unter Vahram II. impliziere keine Schwächung des Königtums, der Priester sei kein allmächtiger Strippenzieher hinter dem König gewesen. Die Entgegensetzung eines „toleranten“ Königs Shapur und seiner „intoleranten“ Nachfolger stellt zweifellos eine zu starke Vereinfachung dar. Auch das traditionelle Forschungsbild einer langfristigen Krise des Sasanidenreiches im späten 3. Jahrhundert ist übertrieben, eine völlige Bestreitung von Krisenmomenten dürfte allerdings zu weit gehen. Für ihre weitreichenden Interpretationen muss Mosig-Walburg zudem einige nicht unproblematische Umdeutungen vornehmen: So werden die Auswirkungen der religiösen Verfolgungen, von denen Kirdir in seinen Inschriften berichtet, weitgehend negiert (S. 490). Der Religionsstifter Mani sei wegen seiner politischen „Insubordination“ bestraft worden (S. 547). Der Konflikt zwischen Vahram III. und Narseh könne nicht als Bürgerkrieg bezeichnet werden; Vahram III. sei lediglich vom Adel abgesetzt worden. Detailliert kritisiert Mosig-Walburg hier auch das weitgehend negative Bild des „intriganten und machtgierigen“ (S. 643) Priesters Kirdir in der Forschung (S. 638–656).
Die Monographie stellt in umfassender Weise alle aktuellen Forschungsprobleme zu den römisch-persischen Beziehungen vor und zeugt von Mosig-Walburgs hervorragender Kenntnis der antiken und orientalischen Überlieferung sowie der gesamten Forschungsliteratur zum Sasanidenreich. Hervorzuheben ist auch die sehr kleinteilige und übersichtliche Gliederung des Buches, die eine schnelle Orientierung ermöglicht. Zudem ist es exzellent redigiert.5 Die Monographie ist jedoch nur schwer zu lesen: Auf fast 800 Seiten werden die verschiedensten Forschungsthesen detailliert (und teilweise mehrmals) besprochen und eine nach der anderen als falsch, unfundiert, widersprüchlich, nicht schlüssig, methodisch problematisch, allzu spekulativ oder substanzlos widerlegt. Dieser durchgängig negative Charakter des Forschungsberichts dürfte bei einem unvorbereiteten Leser den Eindruck hinterlassen, dass alle aktuellen Forscher zu den römisch-persischen Beziehungen – sieht man einmal von Mosig-Walburg ab – ihr Handwerk nicht verstehen, die Quellen nicht richtig interpretieren können, einen „Hang zu Verallgemeinerung und Übertreibung“ haben (S. 116) und in ihren Arbeiten vor allem haltlose Spekulationen publizieren. Für den kritisierten Spezialisten der römisch-persischen Beziehungen drängt sich leider nur allzu oft der Eindruck auf, dass die Autorin andere Positionen nicht als Diskussionsgrundlage zu historischen Wertungen und Quelleninterpretationen sieht, sondern diese Ansichten generell erst einmal als falsch und methodisch problematisch ablehnt. Dieser Eindruck wird auch durch den oft sehr polemischen Ton verstärkt, mit dem die Autorin andere Ansichten bewertet.6
Mosig-Walburg kritisiert zahlreiche traditionelle, oft zu schematische Positionen mit sehr guten Argumenten, warnt zu recht vor allzu schnellen Verallgemeinerungen, die aus wenigen, oft problematischen Quellen gezogen werden, und vor Hypothesen, die sich zu sehr von den Quellen entfernen, und analysiert mit kritischem Blick zumeist treffend die antiken Zeugnisse. Aber viele Ansichten der Autorin, die sie als die richtige, ultimative Lösung eines Problems präsentiert, lassen sich ebenfalls kritisch hinterfragen: So ist es zwar korrekt, dass Gordian III. 241/42 und Valerian 259/60 mit Offensiven gegen die Perser die Konflikte neu eröffneten, doch waren beide römischen Offensiven notwendige Antworten auf die persischen Vorstöße nach Nordmesopotamien unter Maximinus Thrax bzw. auf Shapurs Züge gegen Syrien 253 (laut Mosig-Walburg „252 oder 253“ [S. 114]) und gegen die Euphratfestungen 256; dass Shapur aggressiv gegen Rom auftrat, kann man also nicht ernsthaft bezweifeln, auch wenn es ihm dabei vor allem um die Kontrolle der einst von den Arsakiden an Rom verlorenen Gebiete ging. Bezeichnenderweise werden hier alle Aspekte, die nicht so recht ins Bild passen, von Mosig-Walburg nivelliert oder einfach unter den Teppich gekehrt: die Siegespropaganda Shapurs I. in seinen Reliefs und Inschriften, seine Annahme des Titel eines Königs der Könige von Eran und Aneran, Kirdirs rege Missionstätigkeit im Römischen Reich oder auch die mögliche Einsetzung des Mareades als persischen Verwalter in Antiocheia in Syrien durch Shapur I.7
Die meisten Leser werden diese oft recht polemische „Forschungskritik“ allerdings kaum von S. 1 bis S. 765 studieren und können daher vor allem von den Stärken des Buches profitieren: Mosig-Walburg bietet eine profunde und umfassende Zusammenstellung der Diskussionen in der aktuellen Forschung sowie aller quellenkritischen und methodischen Probleme zu den römisch-persischen Beziehungen im 3. und frühen 4. Jahrhundert. Ihr kritischer Forschungsbericht liefert somit einen exzellenten Überblick zu den Themenstellungen und eröffnet zugleich einen leichten Zugang zu den Diskussionen in der oft unübersichtlichen und weitverzweigten Spezialforschung, zu der neben Althistorikern auch Iranisten, Orientalisten und Archäologen beitragen. Die Positionierungen der Autorin, denen der Rezensent an vielen Stellen nicht folgen kann, regen durch ihre Pointierung immer zur Diskussion an und fordern dazu auf, tradierte Ansichten und vermeintliche Gewissheiten in Frage zu stellen.
Anmerkungen:
1 Karin Mosig-Walburg, Römer und Perser. Vom 3. Jahrhundert bis zum Jahr 363 n. Chr., Gutenberg 2009.
2 Ausführlicher diskutiert dies Mosig-Walburg in Kapitel 2, S. 300–320.
3 Die Inschrift (IGLS XVII.1, 61), mit der die duumviri Palmyras, Vorodes und Hermes (die wahrscheinlich 263/64 amtierten), den Sohn und Thronfolger des Odaenathus, den nach dem Persersieg gekrönten rex regum Septimius Herodianus, ehren, wird von Mosig-Walburg nur in veralteten Lesungen wahrgenommen; zudem stammt die Inschrift nicht vom „Tetrapylon“ (S. 326), sondern vom Tripylon in Palmyra. Es ist kaum sinnvoll anzunehmen, dass nach dem Persersieg des Odaenathus 263 nur sein Thronfolger den persischen Königstitel annahm, zumal der Titel rex regum auch für Odaenathus im Jahr 271 bezeugt ist (Inv. III 19 = PAT 0292). Gegen den eindeutigen Quellenbeleg bei Zosimos (1, 39, 2) bezweifelt Mosig-Walburg zudem die Historizität des zweiten Feldzugs des Odaenathus gegen das Perserreich (S. 147, Anm. 294; 324, Anm. 1178; 488, Anm. 25).
4 Eine Gleichsetzung der Revolte mit dem Aufstand gegen Vahram II. im Jahr 283 sei fraglich (S. 570–572).
5 Fehler muss man lange suchen: S. 447 ist Shapur II., nicht „Šāpūr I.“ gemeint; S. 805 Geoffrey Herman; S. 819 bei Mittag 2017 sind Fabian Goldbeck und Johannes Wienand die Herausgeber.
6 Nur eine kleine Auswahl: „groteske Behauptungen“ (S. 45, 50); „bloßen Spekulationen“ (S. 91); „eine höchst fragliche Annahme“ (S. 103); ein „gänzlich irreführendes Bild“ (S. 116); „falsche Behauptungen“ (S. 117); ein Forscher, der die „Überlieferung … offenkundig ignoriert“ (S. 140); Annahmen sind „absurd“ (S. 147), „Resultat eines absonderlichen methodischen Vorgehens“ (S. 154), „ohnehin nicht ... in sich schlüssig“ (S. 365), „gänzlich verfehlt“ (S. 547) oder „kurios“ (S. 602); Forscher tragen „bisweilen geradezu bizarre Motive“ vor (S. 380) oder vertreten „recht merkwürdige Vorstellungen“ (S. 473), ihre Konstruktionen haben „gravierende methodische Schwächen“ (S. 561), sind „vielfach irreführend“ (S. 734), ihre Arbeiten leiden „schwer unter allzu vielen Widersprüchen und Spekulationen“ (S. 726). Kapitel 5 zielt darauf, „die in einigen der Publikationen in großer Zahl auftretenden Irrtümer, die zu einer Verfälschung der quellenbasierten Fakten führen, richtigzustellen“ (S. 671).
7 Mareades wird überhaupt nur einmal nebenbei im Kontext der Kritik an der Arbeit von Toni Glas erwähnt (S. 725); die Quellenlage sei hier zu „prekär“, um Mareades näher zu betrachten. Zu ihm liegen aber immerhin sechs längere Quellenpassagen vor, vgl. Udo Hartmann, Mareades – ein sasanidischer Quisling?, in: Josef Wiesehöfer / Philip Huyse (Hrsg.), Ērān ud Anērān, Stuttgart 2006, S. 105–142.