Die Beschäftigung mit der Geschichte des Partherreiches stößt auf zwei große Schwierigkeiten: Zu diesem Großreich haben sich vor allem griechische und lateinische Quellen erhalten, deren Autoren zumeist jenseits des Euphrats mit einer westlichen Perspektive über die unverstandenen, fremden, feindlichen „Barbaren“ schrieben. Ihre Berichte sind von zahlreichen literarischen Topoi über die als dekadente Orientalen und nomadische Skythen vorgestellten Parther durchzogen. Eine eigenständige parthische Geschichtstradition ist nicht bezeugt; in den orientalischen literarischen Quellen haben sich zudem kaum Nachrichten über die Arsakiden erhalten, da ihre Nachfolger, die Sāsāniden, über sie eine Art damnatio memoriae verhängten. So gingen über die als schwache „Teilkönige“ diffamierten Arsakiden zwischen Alexander und dem ersten Sāsāniden Ardašīr nur wenige Angaben in die spätsāsānidische (zumeist verlorene) mittelpersische Geschichtstradition und dann in die (erhaltene) arabische Historiographie ein. Die zeitgenössischen Zeugnisse aus dem Partherreich, Inschriften, Papyri, Ostraka, Münzen und Keilschrifttexte, können unser Wissen nur ergänzen; sie geben zudem oft nur Informationen für bestimmte Regionen des Reiches.
Bei der Beschäftigung mit den Parthern stößt der Historiker aber noch auf eine zweite Schwierigkeit: Die zahlreichen Puzzlesteine zum Arsakidenreich sind sehr verstreut ediert. Während aber die griechischen und lateinischen Zeugnisse in einer gutsortierten altertumswissenschaftlichen Bibliothek alle zu finden sind, bauen sich für die Nutzung der parthischen, akkadischen, aramäischen und syrischen, armenischen, arabischen oder gar chinesischen Quellen für den Historiker oft schier unüberwindbare Hürden auf; weder sind die Sprachen alle beherrschbar, noch findet der Fachfremde leichten Zugang zu den Editionen; diese sind schwer zu recherchieren, häufig an entlegenen Orten und zumeist für das entsprechende philologische Fachpublikum herausgegeben; die Entstehung der Texte und ihre literarischen Gattungen werden oft nicht erklärt, so dass eine Beurteilung des Quellenwertes für den unvorbereiteten Althistoriker kaum möglich ist. Dies ist zweifellos auch ein Grund dafür, dass die orientalischen Zeugnisse in der Forschung zu den römisch-parthischen Beziehungen zu wenig genutzt werden und in der Lehre nur selten Verwendung finden.
Die von Ursula Hackl, Bruno Jacobs und Dieter Weber herausgegebene opulente Quellensammlung zur Geschichte des Partherreiches wird nun helfen, viele dieser Probleme zu lösen. Die philologische Kompetenz einer interdisziplinären Arbeitsgruppe erschließt in den drei Bänden erstmals nahezu alle Quellen.1 Die Sammlung ermöglicht einen umfassenden und schnellen Zugriff auf die teilweise schwer auffindbaren Schriftquellen und eröffnet zugleich den Zugang zu den schwierigen orientalischen Zeugnissen und literarischen Traditionen; sie soll so eine „Arbeitsgrundlage“ für künftige Beschäftigung mit den Parthern schaffen, wie die Herausgeber ihre vollauf eingelöste Zielstellung in den „Prolegomena“ beschreiben (I S. XLIX). Die Quellen werden in zwei Bänden jeweils mit fundierter Einführung, Text, Übersetzung und Kommentar präsentiert. Die Sammlung ist sehr übersichtlich aufgebaut; eine feingliedrige Struktur ermöglicht das schnelle Auffinden der relevanten Passagen; umfangreiche Indizes zu Quellenstellen, Personen, Orten, Sachen und Wörtern erleichtern die Suche. Zahlreiche Querverweise auf Parallelquellen verbinden Autoren und Quellentraditionen. Ein Einführungsband gibt zudem einen alle wesentlichen Momente erfassenden, knappen Überblick zum Partherreich.
Der erste Band beinhaltet neben einem Vorwort (I S. XLVII–LI), einer umfangreichen Bibliographie (I S. LXI–CXLIII) 2, den Indizes (I S. 183–228) sowie einigen Karten in unterschiedlicher Qualität und Tafeln eine von den drei Herausgebern verfasste Einführung in Geographie, Geschichte, staatliche Institutionen, Gesellschaft, Kultur und Religion der Partherzeit in zwei Kapiteln. Der Großteil der Beiträge ist von Hackl und Jacobs verfasst, wobei der unterschiedliche Stil auffällt: Während Jacobs sich sowohl mit den antiken Zeugnissen als auch mit den unterschiedlichen Forschungspositionen kritisch auseinandersetzt und dem Leser einen profunden Einblick in die Quellenprobleme und Debatten gibt, bietet Hackl eher allgemeine Überblicke, in denen zwar auf die entsprechenden antiken Zeugnisse verwiesen wird, die Probleme der Quelleninterpretation und die vielfältigen Diskussionen in der Forschung aber weitgehend unberücksichtigt bleiben. In der Einleitung (I S. 1–30) informiert Jacobs über die historische Geographie des zentralasiatischen Steppenraums unter den Achämeniden und die Siedlungsgebiete der Nomadenstämme. Hackl führt dann in die Geschichte des Hellenismus ein und erörtert den Beitrag der Schriftquellen für die Erfassung der Parthergeschichte.
Das zweite Kapitel „Das Partherreich im Spiegel der Schriftquellen“ (I S. 31–181) beginnt mit einem bündigen geschichtlichen Überblick: Jacobs (I S. 31–56) bespricht eingangs umsichtig das komplizierte Problem des Einfalls der Parner und des Abfalls der Parther unter ihrem Führer Arsakes von den Seleukiden; nach vorsichtigem Abwägen der Quellenvarianten zieht er auch die „baktrische Abkunft des Arsakes“ als Möglichkeit in Erwägung (I S. 35); 239/38 v.Chr. hätten die Parner ganz Parthien erobert; was 256, 250 bzw. 247 passiert sei, könne dagegen nicht „mit Sicherheit“ geklärt werden (I S. 39). Sodann zeichnet Jacobs die Expansion der Parther bis zur ersten Begegnung mit den Römern (96 v.Chr.) nach. Hackl (I S. 56–77) gibt dann einen knappen Überblick zur Geschichte der Parther von 96 v.Chr. bis zum Untergang des Reiches, konzentriert sich aber ganz auf die römisch-parthischen Beziehungen und Konflikte. Sie nimmt dabei zudem eher eine römische Perspektive ein; innerparthische Ereignisse ohne Rückwirkung auf die römisch-parthischen Kontakte werden ganz ausgeblendet.3 Seit der Mitte des 1. Jahrhunderts sieht Hackl die Parther „in der Defensive“ (I S. 72); sie verkennt dabei, dass die Arsakiden auch im 2. und frühen 3. Jahrhundert die Römer effektiv besiegen konnten: Vologeses IV. eröffnete sehr erfolgreich einen Krieg gegen die Römer, Macrinus wurde nach einer parthischen Gegenoffensive zu einem ungünstigen Frieden gezwungen.4
Eine hervorragende Übersicht zu Königtum und Hof sowie Verwaltung und Heer gibt dann Jacobs (I S. 77–100 u. 104–111): Präzise und quellennah werden alle wichtigen Aspekte der staatlichen Strukturen des Arsakidenreiches vorgestellt und die wesentlichen aktuellen Forschungsbeiträge angeführt. Überzeugend wendet sich Jacobs gegen die in der Forschung immer wieder postulierte Instabilität und Fragilität des Partherreiches.5 Dieser gelungene Abschnitt stellt sicher einen der wichtigsten Beiträge dieser Einführung dar, zumal bislang kurzgefasste strukturgeschichtliche Überblicke zum Arsakidenstaat kaum vorliegen. Eingeschoben ist eine Liste mit parthischen Titeln und entsprechenden philologischen Erklärungen des Iranisten Weber (I S. 100–104). Es folgen Beiträge zu Handel, Wirtschaft und Gesellschaft von Hackl, zur Architektur und Kunst von Jacobs, zur kulturellen Vielfalt im Partherreich von Hackl sowie zur Religion von Jacobs, der starke Zweifel daran äußert, ob die Arsakiden Anhänger des Zoroastrismus waren (I S. 111–154). Es schließen sich Listen mit theophoren parthischen Namen und parthischen Lehnwörtern in semitischen Sprachen von Weber, ein sehr informativer Abschnitt zum Untergang der Arsakiden von Jacobs 6 und Hackls Zusammenfassung an (I S. 154–181). Wünschenswert wären noch eine Liste der Partherkönige und eine Zeitleiste mit den in der Forschung oft stark umstrittenen Datierungen gewesen (zumal die Regierungsdaten der Herrscher im Text oft nicht gegeben werden).
Der zweite Band vereint die griechischen und lateinischen literarischen Quellen, eine Auswahl von griechischen und lateinischen Inschriften und Papyri, wichtige parthische Texte und die numismatischen Quellen. „Griechische und lateinische Texte“ stellt Lukas Thommen zusammen (II S. 1–491); den größten Teil machen dabei die literarischen Quellen aus (II S. 22–434). Nach der Einleitung listet ein sorgfältig erstelltes Verzeichnis die Standardeditionen sowie wichtige Übersetzungen und Kommentare auf.7 Eine nützliche chronologische Liste zur Parthergeschichte gibt eine detaillierte Zusammenstellung der historischen Ereignisse und der entsprechenden Belegstellen aus den literarischen Zeugnissen (II S. 17–21). Die Quellensammlung präsentiert die Autoren dann in alphabetischer Reihenfolge von Agathias bis Zosimos: Auf kurze, aber prägnante Einführungen zu den Autoren, in denen zumeist auch wichtige Literatur angegeben wird 8, folgen die Texte sowie kurze Anmerkungen mit Sacherklärungen und nützlichen Querverweisen auf Parallelquellen.9 Explizit nicht aufgenommen wurden lediglich Dichter der augusteischen Zeit und des frühen Prinzipats mit Ausnahme Lucans, da sie keine wesentlichen Informationen zu den Parthern böten (II S. 3). Um den Rahmen nicht zu sprengen, sind indes nicht alle Quellenpassagen mit Text und Übersetzung eingereiht worden; bei den Autoren, deren Texte nur in Auswahl vorgestellt werden, gibt Thommen in der Einleitung aber eine Liste mit den übrigen Erwähnungen der Parther. Die parthische Gesellschaft reflektiert wohl auch Seneca in einem Brief an Lucilius (epist. 21, 4: illos megistanas et satrapas et regem). Singulär ist zudem die kurze Nachricht über einen Partherkonflikt unter Vespasian in den Caesares des Aurelius Victor (9,10); dies dürften wohl die einzigen Autoren sein, für die sich eine Aufnahme noch gelohnt hätte.10
Im folgenden Abschnitt bietet Thommen eine gelungene Auswahl an Inschriften, Pergamenten und Papyri (II S. 435–491) in geographischer Anordnung mit detaillierten und umfänglichen Zeilenkommentar. Ungeschickt ist allenfalls die getrennte Behandlung der griechisch-parthischen Bilingue auf einem Bronze-Herakles von 151 n.Chr.; Thommen gibt lediglich den griechischen Teil (II S. 461f.; parthischer Text dann bei Weber, II S. 569f.) 11, während später etwa beide Teile der Bilinguen aus Palmyra zusammen vorgestellt werden.
Wesentlich kürzer fällt der Abschnitt zu den parthischen Texten aus, die Weber zusammengestellt hat (II S. 492–588). In einer sehr kurzen Einleitung werden Sprache und Schrift erörtert. Da für das Arsakidenreich informative literarische Texte fehlen, beschränkt sich die Auswahl auf Ostraka, Pergamente und Inschriften. Die Quellen werden wieder übersichtlich mit kurzer, meist eher philologischer Kommentierung präsentiert. Den Großteil der Zeugnisse stellen die Ostraka aus Nisa dar, auf denen sich zumeist Abrechnungen finden, die über Abgaben, Titel und Ämter informieren. Weber präsentiert zudem einige Königsinschriften: die parthische Version der erwähnten Herakles-Inschrift, die Inschrift Artabans IV. auf der Stele des Xwāsak aus Susa und die in ihrer Interpretation höchst umstrittene Mithridates-Inschrift am Felsrelief in Xung-i Naurūzī, wobei Weber gerade hier auf jeden Kommentar verzichtet. Nicht aufgenommen wurden die parthischen Königsinschriften von Bīsutūn (eine Beischrift zu einem Relief eines opfernden Königs Vologeses) und Sar-Pul-i Zuhāb (die Beischrift zum Investiturrelief eines Gotarzes, Sohn des Gēw), was doch etwas erstaunt, da es nur fünf entsprechende parthische Inschriften gibt. Nicht einsichtig ist zudem, warum von Šābuhrs dreisprachigem Tatenbericht an der Ka‘ba-i Zardušt in der Sammlung nur die parthische Version mit Philip Huyses Übersetzung, nicht aber der griechische und mittelpersische Text abgedruckt wird.12 Auch stellt sich die Frage, inwiefern der Text in seiner ganzen Länge hier sinnvoll ist: Die Titulatur sowie die Listen der Länder und Würdenträger im frühsāsānidischen Reich lassen an vielen Punkten Rückschlüsse auf parthische Verhältnisse zu, die Listen der von Šābuhr eroberten römischen Städte sind dagegen für die Arsakiden ganz unerheblich.
Daniel Keller präsentiert die numismatische Evidenz (II S. 589–632): Ausführlich und überzeugend kommentiert er einige römische Münzen, die über die Beziehungen zu den Parthern und über die Propagierung römischer Sieghaftigkeit Aufschluss geben. In der Form eines einführenden Aufsatzes betrachtet Keller dann die griechische Münzprägung der Parther und die Entwicklung von Titulatur und Herrscherikonographie. Eingangs betont er, dass es bislang noch „keine methodisch saubere Analyse der arsakidischen Prägeabläufe“ vorliege (II S. 613) und dass Sellwoods Zuweisungen der einzelnen Münzen zu bestimmten Prägeherren und Münzstätten vielfach nicht gesichert seien. Keller streicht heraus, dass das Diadem das zentrale Herrschaftssymbol der Parther gewesen sei, während die Kronhaube nur ein zusätzliches Element dargestellt habe, das der König der Könige auch Vasallenkönigen verleihen konnte. Die seit der Mitte des 2. Jahrhunderts auftauchenden parthischen Königslegenden auf Münzen stellt abschließend Weber zusammen (II S. 633–639).
Der dritte Band versammelt Keilschrifttexte sowie aramäische, armenische, arabische und chinesische Quellen. Ein überaus gelungenes Beispiel, wie man auch sehr schwierige orientalische Text für eine unvorbereitete Leserschaft verständlich machen kann, bietet Barbara Böck. Ihre Präsentation der keilschriftlichen Texte (III S. 1–174) beginnt mit einer detaillierten Einführung in Sprache, Schrift, Datierung und Quellengattungen sowie in die Verwaltung Babyloniens, in der in bündiger Form alle wichtigen Informationen gegeben werden; eine Liste stellt alle datierbaren Texte der Partherzeit von 141 v.Chr. (als die Parther Babylon besetzten) bis 74/75 n.Chr. zusammen. Böck betont dabei die Kontinuität der babylonischen Kultur auch unter der Arsakidenherrschaft. Wichtigste Quelle sind die bis 63 v.Chr. reichenden „Astronomischen Tagebücher“, die neben Himmelsbeobachtungen auch historische Ereignisse festhalten und über das Leben in Babylon unter der Arsakidenherrschaft informieren. Böck liefert aber auch Rechts- und Verwaltungsurkunden aus Uruk, Larsa und Babylon.
Die Vielfalt der aramäischen Texte stellt Markus Zehnder vor (III S. 175–401): christliche syrische Chroniken, die Thomasakten und das Perlenlied, rabbinische Texte sowie aramäische Inschriften aus Hatra, Assur, Edessa, Dura-Europos und Palmyra.13 Die syrischen Chroniken aus dem 6. bis 13. Jahrhundert bieten zumeist nur punktuelle Informationen zu den Parthern, die sich zudem vielfach wiederholen (III S. 184–236). Einzig die Chronik von Arbela liefert ausführlichere Angaben; Zehnder verschweigt nicht die Zweifel an ihrer Echtheit, hält sie aber doch für ein authentisches Werk aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts (III S. 178 u. 218f.). Die kurzen Auszüge aus den in chronologischer Folge geordneten Chroniken präsentiert Zehnder etwas unübersichtlich; die Zitation wird nicht deutlich und nachvollziehbar im Haupttext gegeben, auf Zeilenangaben wird verzichtet. Die für die Parther relevanten Kapitel aus der Chronik von Arbela bietet Zehnder nicht in Gänze, sondern nur in knappen Ausschnitten.14 Ausführlich vorgestellt werden dann die Thomasakten und das ihnen beigefügte, in Deutung und Chronologie stark umstrittene Perlenlied (III S. 237–269). In einer treffenden Einführung betrachtet Zehnder die jüdischen Quellen und ihre Aussagekraft für die Beziehungen zwischen Juden und Parthern (III S. 269–288); er weist auch auf die Probleme bei der historischen Kontextualisierung der Passagen aus den rabbinischen Texten hin. Das Verständnis hätte es aber wohl vereinfacht, wenn im Kommentar dann jeweils auch die traditionelle Datierung der erwähnten Rabbinen (zumeist der einzige Datierungshinweis) angegeben worden wäre.15
Gelungener ist Zehnders Zusammenstellung der partherzeitlichen aramäischen Inschriften (III S. 289–401). Nach knappen, aber präzisen Einführungen in Geschichte, Religion und Kultur von Hatra, Edessa, Dura-Europos und Palmyra (zum kaum bekannten partherzeitlichen Assur gibt es nur einen einführenden Absatz) werden wichtige Inschriften mit hervorragendem Kommentar vorgestellt, wobei Zehnder auch ausführlich auf Forschungsdebatten eingeht 16; die Zeugnisse aus Hatra 17 und die palmyrenischen Karawaneninschriften (zumeist griechisch-palmyrenische Bilinguen) nehmen den größten Raum ein.18 Die Erhebung der hatrenischen Könige verbindet Zehnder zu recht mit den „geänderten geostrategischen Verhältnissen nach dem Partherkrieg des Lucius Verus“ (III S. 292).
Giusto Traina präsentiert die armenische Überlieferung (III S. 402–454), allen voran Movsēs Xorenac‘i, den er um 470 datiert (III S. 417).19 Traina unterstreicht zwar, dass man diese weitgehend legendären Zeugnisse „nicht als Quelle für historische Abläufe benutzen“ kann (III S. 402), wertet dann aber doch viele Angaben als historische Informationen, was zuweilen zu problematischen Interpretationen führt.20 Historisch unzuverlässige und legendäre Angaben liefert auch die auf das spätsāsānidische Xvadāy-nāmag („Herrenbuch“) zurückgreifende arabische Tradition über die parthischen „Teilkönige“: Gudrun Schubert stellt kurze Auszüge aus Tabarī, Tha‘ālibī und Bīrūnī mit knappen Anmerkungen vor (III S. 455–481). Eine interessante Ergänzung zum westlichen Blick auf die Parther bieten die in chinesischen Geschichtswerken der Han-Dynastie bewahrten Beobachtungen chinesischer Gesandter über das Land ‚Anxi‘ (Parthien), die Uta Golze und Kerstin Storm präsentieren; ausführlich erörtern sie auch die unterschiedlichen Interpretationen der schwierig zu deutenden Ortsnamen (III S. 482–512).
Diese beeindruckende Zusammenstellung aller Schriftquellen zu den Parthern ermöglicht dem Leser erstmals einen umfassenden und kompakten Überblick zu den vielfältigen Zeugnissen und Überlieferungstraditionen; dabei werden durch die gelungenen Einleitungen der sich durch philologische Kompetenz und inhaltlichen Sachverstand auszeichnenden Autoren auch auf den ersten Blick schwer verständliche orientalische Texte sehr gut zugänglich. Der Einführungsband bietet zudem einen alle Aspekte erörternden Einstieg in Strukturen und Kultur des Arsakidenreiches. Die Quellensammlung stellt damit eine exzellente Basis für weitere Forschungen dar und wird hoffentlich auch in der Lehre umfassende Anwendung finden, baut sie doch die Schranken, die manche Althistoriker bislang von der Verwendung orientalischer Zeugnisse abhielt, auf hervorragende Weise ab. Sie wird so zweifellos einen wichtigen Beitrag leisten, die „Randkultur“ der Parther stärker in das Blickfeld der althistorischen Forschung zu rücken und sie nicht mehr nur aus der hellenistischen und römischen Perspektive zu betrachten.
Anmerkungen:
1 Explizit nicht aufgenommen wurden indische und neupersische Quellen (I S. L). Auch die mittelpersische Überlieferung fehlt allerdings; so hätte das spätsāsānidische mittelpersische Kārnāmag-ī Ardaxšīr-ī Pābagān, das romanhafte Tatenbuch Ardašīrs I., berücksichtigt werden können, das zwar weitgehend legendären Charakter trägt, aber dennoch einige Angaben zum Aufstand gegen die Parther beinhaltet. Wichtig wäre auch die Passage aus dem vierten Buch des Dēnkard gewesen, in der über den Befehl des Walaxš-ī ašagānān, des Arsakiden Valaxš (Vologeses I.?) berichtet wird, das Avesta zu sammeln und aufzubewahren (DkM p. 412,5–11), vgl. Alberto Cantera, Studien zur Pahlavi-Übersetzung des Avesta, Wiesbaden 2004, S. 106–113, 118 u. 145f. Wünschenswert wäre zudem eine stärkere Einbeziehung der archäologischen Zeugnisse gewesen, so fehlen Abbildungen der wenigen, in den Einführungen zuweilen angesprochenen Felsreliefs der Parther (die Tafeln zeigen Ostraka, Pergamente, die Stele des Xwāsak aus Susa und Münzen).
2 Die sorgfältig zusammengestellte Bibliographie erfasst (im Wesentlichen) die Literatur bis 2008. Der als 2008 erschienen eingetragene Sammelband „Hellenisierung, Romanisierung, Orientalisierung“ (I S. CVII) ist bislang noch nicht veröffentlicht. Nachzutragen wären bes. die Aufsätze in Edward Dąbrowa (Hrsg.), Orbis Parthicus. Studies in memory of Professor Józef Wolski (= Electrum 15), Kraków 2009 und die Beiträge zu den orientalischen Quellen und Staaten in Klaus-Peter Johne (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser, Berlin 2008 sowie Oliver Linz, Studien zur römischen Ostpolitik im Principat, Hamburg 2009. Vgl. auch Peter M. Edwell, Between Rome and Persia. The Middle Euphrates, Mesopotamia, and Palmyra under Roman control, London 2008; Antonio Invernizzi, Nisa Partica. Le sculture ellenistiche, Firenze 2009; Rose M. Sheldon, Rome’s war in Parthia, London 2010.
3 So werden viele parthische Monarchen dieser Epoche von Hackl gar nicht erwähnt, die in der Quellensammlung dann aber eine Rolle spielen: Gotarzes I. (91/90–81/80 v.Chr.), Orodes I. (81/80–76/75 v.Chr.), Sinatrukes (um 78/77–71/70 v.Chr.), Mithradates III. (58/57 v.Chr.), Orodes III. (4–8), Pakoros II. (77/78–114/15) und Osroes (108/09–127/28), die Gegner Trajans, sowie Vologeses V. (190/91–207/08), der Gegner des Septimius Severus (während die beiden Kaiser dagegen mehrmals genannt werden).
4 Hatra und Dura-Europos gerieten nicht schon seit der Mitte des 1. Jahrhunderts „zunehmend unter römischen Einfluss“ (I S. 72). Der letzte Arsakide wird in der neueren Forschung als Artabanos IV. (nicht der V., I S. 75) gezählt (korrekt dann bei Jacobs, I S. 90, 110 u. 170; im Index wird der König als der vierte und der fünfte seines Namens doppelt aufgeführt, I S. 204, wo allerdings die S. 90 u. 170 fehlen).
5 Die „zunehmende Instabilität des späteren Partherreiches“ unterstellt auch Hackl (I S. 24).
6 Zu den von Jacobs (I S. 172f.) für unhistorisch gehaltenen Berichten über die Rückforderung des Achämenidenerbes durch Ardašīr I. vgl. zuletzt außerdem Erich Kettenhofen, Die Einforderung der achaimenidischen Territorien durch die Sāsāniden – eine Bilanz, in: Susanne Kurz (Hrsg.), Yādnāme-ye Iradj Khalifeh-Soltani. FS Iradj Khalifeh-Soltani, Aachen 2002, S. 49–75.
7 Für Ampelius liegt nunmehr eine neue deutsche Übersetzung vor: Ingemar König (Hrsg.), Lucius Ampelius, Liber memorialis. Was ein junger Römer wissen soll, Darmstadt 2010. Die Fragmente der Parthika Arrians ediert mit englischer Übersetzung (nach der Roos-Ausgabe) James G. DeVoto, Arrian’s Parthika, in: Frank A. Lepper, Trajan’s Parthian War, London 1948 (ND Chicago 1993), S. 226–262. Für die Chronik des Eusebios bzw. Hieronymus sollte die Ausgabe Rudolf Helms von 1956 (GCS 47) benutzt werden, die Schöne-Ausgabe ist veraltet. Irrtümlich aufgenommen (II S. 14) wurde Jonathan Barnes’ kommentierte Übersetzung der Eisagoge des Porphyrios (Porphyry, Introduction, Oxford 2003); genutzt wurde hier nicht Porphyrios’ berühmte Schrift zur Logik, sondern nur seine Chronik.
8 Lücken gibt es vor allem in der neuesten Literatur, so beispielsweise zu Cassius Dio und der Einrichtung der Provinz Osrhoena: Michael Alexander Speidel, Ein Bollwerk für Syrien. Septimius Severus und die Provinzordnung Nordmesopotamiens im dritten Jahrhundert, in: Chiron 37 (2007), S. 405–433; zu Cicero: David Engels, Cicéron comme proconsul en Cilicie et la guerre contre les Parthes, in: Revue belge de philologie et d’histoire 86 (2008), S. 23–45; zu Justin: Charlotte Lerouge-Cohen, Les livres 41–42 des Histoires Philippiques de Trogue-Pompée résumées par Justin, in: Iranica Antiqua 44 (2009), S. 361–392; zu Lucan und Pompeius’ Plan, nach Parthien zu fliehen: Joachim Losehand, Die letzten Tage des Pompeius, Wien 2008, S. 135–167; zu Philostrat und Apollonios’ Indienreise: Christopher P. Jones, Apollonius of Tyana’s passage to India, in: Greek, Roman, and Byzantine Studies 42 (2001), S. 185–199; zu Plutarch: Udo Hartmann, Das Bild der Parther bei Plutarch, in: Historia 56 (2008), S. 426–452. An der jüngst wieder von Juan Ramón Carbó García / Félix Julián Rodríguez San Juan, Studia Dacica et Parthica I. Las relaciones diplomáticas entre los enemigos de Rome en época de Trajano, in: Athenaeum 95 (2007), S. 321–348, für historisch gehaltenen (und vieldiskutierten) Geschichte des Sklaven Callidromus, die dieser dem jüngeren Plinius auftischte (epist. 10,74; II S. 313f.), zweifelte zu Recht schon Adrian N. Sherwin-White, The letters of Pliny, Oxford 1966, S. 662. Thommen nennt keine Literatur zum Brief.
9 Anzumerken sind nur Kleinigkeiten: Bei Ammianus (II S. 12f.) fehlt die Passage zur Gründung Ktesiphons durch Vardanes und den Ausbau durch Pakoros (23,6,23). Madena (Eutr. 8,3,1) bezeichnet Medien (nicht die Motene, II S. 154), wie Festus bezeugt (18: Mediam […] quae nunc Madena appellatur); vgl. auch Šābuhrs Tatenbericht: Medien heißt hier Madene (RGDS, griech. 3) bzw. m’d, Mād (pa. 2). Missverständlich sind die Angaben zu den (verlorenen) Chroniken des Eusebios (II S. 150) und des Porphyrios (II S. 353f.): Die griechischen und lateinischen Texte, die als Auszüge aus Eusebios’ Chronik präsentiert werden, sind nicht von ihm verfasst; der griechische Text stammt aus Synkellos (p. 343,4–5 u. 11–13 Mosshammer), der hier wohl Eusebios nutzte, der lateinische Text ist eine moderne Übersetzung der armenischen Version der Eusebios-Chronik von Heinrich Petermann in Schönes Eusebios-Ausgabe (Bd. 2, 1866). Auch die als Auszüge aus Porphyrios präsentierten lateinischen Texte sind jener Übersetzung Petermanns entnommen; Eusebios dürfte hier Porphyrios genutzt haben (zumindest hätte angedeutet werden müssen, dass es sich um moderne Übersetzungen handelt). Die Diskussion, ob es überhaupt eine Chronik des Porphyrios gab, erwähnt Thommen (II S. 352) nicht, zur Literatur vgl. nur Udo Hartmann, Die Geschichtsschreibung, in: Johne, Soldatenkaiser, S. 893–916, hier 915, Anm. 22. Fronto war im Jahr 142 Suffektkonsul (II S. 170), vgl. Werner Eck, M. Cornelius Fronto, Lehrer Marc Aurels, consul suffectus im J. 142, in: Rheinisches Museum 141 (1998), S. 193–196. Ob die Fragmente des bis 610 reichenden „salmasischen Johannes“ aus dem Geschichtswerk des Johannes Antiochenus stammen (II S. 199), bleibt umstritten; der von Thommen als Referenz angegebene Sotiroudis lehnte dies jedenfalls mit guten Argumenten ab. Der syrische Statthalter Caesennius Paetus findet sich unter PIR² C 173 (nicht 174, II S. 242). Dass Malalas versehentlich den eher legendären Bericht einer persischen Besetzung Antiocheias im 3. Jahrhundert (253 oder 260) in die Zeit des Trajan verlegt (II S. 289), müsste der Leser erfahren. Dass die Historia Augusta „um 330 gesammelt“ wurde (II S. 358), nimmt heute niemand mehr an; sie wurde (so die communis opinio) um 395/400 von einem einzigen Autor verfasst. Marius Maximus dürfte die Hauptquelle für alle Kaiserviten von Hadrian bis Elagabal gewesen sein; statt „Flor. 15,2“ „Tac. 15,2 (bzw. Flor. 2,2)“ (II S. 358). Dass Abdagaeses zu den Surēn gehörte (II S. 401 u. 404), sagt Tacitus (ann. 6,42,4) nicht.
10 Von Aurelius Victor abhängig ist Epit. de Caes. 9,12. Singulär sind ebenfalls die Nachrichten über eine Gesandtschaft der Parther zu Nero bei Aurelius Victor (Caes. 5,14) und eine der Hyrkaner zu Antoninus Pius in der (nicht aufgenommenen) Epitome de Caesaribus (15,4). Epit. de Caes. 5,8 ist dagegen wohl aus Suet. Nero 57,2 geformt. Auch Prokop hätte noch aufgenommen werden können: In den Bella (2,12,27–29) berichtet er in eher legendärer Form, wie Edessa unter parthische („medische“) Herrschaft geriet und wie die Edessener die „Barbaren“ schließlich wieder vertrieben. Mitunter hätte man sich etwas mehr Großzügigkeit gewünscht, so wird aus Eutrop nur die Passage zu Trajan vorgestellt. Die Anekdote über König Arsakes und seinen Eunuchen Arbakes in Lukians Ikaromenippos (15) dürfte sicher nicht historisch sein, ist aber aufschlussreich für das Partherbild in der Mitte des 2. Jahrhunderts. Den von „Creperius Calpurnianus aus Pompeiopolis“ beschriebenen Abfall von Nisibis und den Ausbruch der Pest oder die Kämpfe um Edessa im Partherkrieg des Lucius Verus kennen wir nur aus Lukians Wie man Geschichte schreiben soll (15 u. 22); auch diese Passagen hätten somit die Sammlung bereichert (sie hätten wenigstens in der Einleitung genannt werden können). Die nur sehr fragmentarisch erhaltenen Parthika Arrians und Frontos principia historiae, die auf einem Palimpsest bewahrte Einleitung zur wohl nicht geschriebenen Geschichte des Partherkrieges des Lucius Verus, sind die beiden einzigen antiken Schriften zum Arsakidenreich, von denen relevante Textpassagen überliefert sind; sie hätten daher wohl auch in Gänze aufgenommen werden können, zumal eine andere deutsche Übersetzung bislang fehlt.
11 Der hier erwähnte Miradates (II S. 462), der Vater Vologeses’ IV., dürfte mit dem aus der Münzprägung bekannten Usurpator Mithradates IV. identisch sein, vgl. zur Literatur Udo Hartmann, Die Ziele der Orientpolitik Trajans, in: Robert Rollinger u.a. (Hrsg.), Interkulturalität in der Alten Welt, Wiesbaden 2010, S. 591–633, hier 597, Anm. 22.
12 Die Kommentierung beschränkt sich auch hier fast nur auf philologische Fragen. Satala wurde um 254/56 nicht im Rahmen des persischen Einfalls unter „Kaiser Gallienus“ nach Syrien, Kilikien und Kappadokien (also 260), sondern in einem eigenständigen Zug nach Kappadokien erobert; die Goten (nicht die Perser) plünderten um 256 Trapezunt (Zos. 1,33) (II S. 584).
13 Die letzte datierte griechisch-palmyrenische Inschrift stammt aus dem Jahr 279/80 (nicht 274, III S. 182), Khaled al-As’ad / Michel Gawlikowki, New honorific inscriptions in the Great Colonnade of Palmyra, in: Annales archéologiques arabes syriennes 36–37 (1986/87), S. 164–171, hier 167f., Nr. 8.
14 Zehnder nutzt leider Kaweraus, die syrische Wortstellung nachahmende und daher nur schwer verständliche deutsche Übersetzung. Vielleicht wäre hier Sachaus ältere Übersetzung besser gewesen. Beim im Kapitel zum Bischof Hābēl von Arbela erwähnten „Wālgāš dem Vierten“ handelt es sich um Vologeses V. (nicht IV.), der kurzzeitig militärische Erfolge in Nordmesopotamien gegen Septimius Severus (nicht Commodus!) erzielen konnte (III S. 230): Im Jahr 196 besetzte er Nordmesopotamien und vertrieb die römischen Posten, nur Nisibis wurde erfolglos belagert, vgl. Udo Hartmann, Ein Arsakide im Heer des Septimius Severus. Überlegungen zu den Hintergründen des zweiten Partherkrieges, in: Dąbrowa, Orbis, S. 249–266, hier 254–259 (mit Anm. 38). Zu dem in diesem Kapitel erwähnten Aufstand der Perser und Meder gegen Vologeses gibt Zehnder keine Literatur (III S. 231), vgl. dazu Josef Wiesehöfer, Zeugnisse zur Geschichte und Kultur der Persis unter den Parthern, in: ders. (Hrsg.), Das Partherreich und seine Zeugnisse, Stuttgart 1998, S. 425–434, hier 428f.; Ilaria Ramelli, Il Chronicon di Arbela: Una messa a punto storiografica, in: Aevum 80 (2006), S. 145–164, hier 154f.; Hartmann, Arsakide, S. 258–261 (die beiden letzteren Arbeiten sind in der Quellensammlung nicht verwendet). Zu den syrischen Chroniken vgl. auch Muriel Debié (Hrsg.), L’historiographie syriaque, Paris 2009.
15 Eine längere Passage aus dem babylonischen Talmud (Gittin 14b) wurde doppelt aufgenommen (III S. 282f. u. 286); dies ist offenbar bei der Endkorrektur niemandem aufgefallen. Dabei wurden in Zehnders Text zudem zahlreiche, bei Umstellungen verrutschte Silbentrennungen übersehen (u.a. III S. 178, 179, 213, 218, 222, 231, 239, 244, 246, 255, 270, 276, 280, 281, 290, 298, 332, 344, 349, 388, Anm. 897, 389 u. 390). Auch die Zitation ist zuweilen durcheinander gekommen: „Kettenhofen 1995“ (III S. 218, Anm. 146 u.ö.) ist Kettenhofen 1995b, „Luther 1999a“ und „1999b“ (S. 345, Anm. 678 u.ö.) sind Luther 1999d und 1999e, „Drijvers 1977a“ (S. 346, Anm. 683 u.ö.) ist wohl Drijvers 1978a, „Drijvers 1982“ (S. 346, Anm. 686) Drijvers 1982c, „Drijvers 1982“ (S. 357, Anm. 747) Drijvers 1982a; „Sommer 2004“ (S. 316, Anm. 595 u.ö.) und „Sommer 2006“ (S. 388, Anm. 898) finden sich nicht im Literaturverzeichnis.
16 Für die ‚Herren‘ in Hatra im frühen 2. Jahrhundert stützt sich Zehnder zu sehr auf Michael Sommers (Roms orientalische Steppengrenze, Stuttgart 2005, S. 371–374 u.ö.) wenig überzeugende Rekonstruktion: Dass der ‚Herr‘ Worod aus dem frühen 2. Jahrhundert der Vater des ‚Herrn‘ Ma‘nū war und letzterer mit Trajan verhandelte, dann aber „bei einem gewaltsamen Umsturz im Zusammenhang mit der mesopotamischen Revolte“ starb, ist keine gesicherte Erkenntnis (so III S. 291), sondern bloße Spekulation Sommers: H 189 (1–3: m‘nw |[…]šbš’ br |[…]d mry’) nennt einen Ma‘nū, in Zeile 2 folgt ein nicht zu deutender Begriff und dann „Sohn des […]d, des māryā (‚Herr‘)“; es ist also nicht sicher, dass dieser Ma‘nū der Sohn des „Herrn […]d“ war; der Namen [wrw]d / „Worod“ ist zudem in Zeile 3 nur ergänzt (denkbar wäre auch [’lkw]d mry’, vgl. H 416). Die dritte, noch gewagtere Hypothese Sommers ist aber die Gleichsetzung dieses Ma‘nū mit dem ‚Herrn‘ Ma‘nū aus der undatierten (aber wohl eher in die Mitte des 2. Jahrhunderts gehörenden) Inschrift H 288c. Als vierte Spekulation Sommers tritt die Gleichsetzung dieses hatrenischen ‚Herrn‘ Ma‘nū mit einem nicht näher charakterisierten Mannos hinzu, der zu Trajan einen Herold schickte, als dieser im Jahr 114/15 nach Mesopotamien zog (Cass. Dio 68,22,1); es dürfte sich bei Mannos um einen der arabischen Phylarchen in der Region zwischen der Osrhoene und der Adiabene gehandelt haben (Cass. Dio 68,21,1; 22,2). Der Name ist in Nordmesopotamien verbreitet, für eine Herkunft aus Hatra gibt es keinen Hinweis. Ansprechpartner Trajans in Hatra war vielmehr wohl der numismatisch und epigraphisch bezeugte ‚Herr‘ Worod, vgl. Udo Hartmann / Andreas Luther, Münzen des hatrenischen Herrn wrwd (Worod), in: Monika Schuol u.a. (Hrsg.), Grenzüberschreitungen, Stuttgart 2002, S. 161–168. Wann und wie er starb (und wer sich Trajan im Aufstand 116 entgegenstellte), wissen wir nicht. Zur Geschichte Edessas fehlt Steven K. Ross, Roman Edessa, London 2001. Die letzten Könige und das Ende des Königtums der Osrhoene werden übergangen; ob 260 (nicht 259!) Edessa von den Persern besetzt wurde (so III S. 346), bleibt sehr zweifelhaft (Šābuhr zumindest weiß nichts von seinem Erfolg), vgl. Erich Kettenhofen, Die römisch-persischen Kriege des 3. Jahrhunderts n. Chr. nach der Inschrift Šāhpuhrs I. an der Ka‘be-ye Zartošt (ŠKZ), Wiesbaden 1982, S. 101. Palmyra wurde 272/73 nicht zerstört (III S. 376), vgl. Udo Hartmann, Das palmyrenische Teilreich, Stuttgart 2001, S. 398–402.
17 Wichtig wären noch H 272 (von 138) und H 338 (von 133), die eine Datierung des ‚Herren‘ Nešrāyhab und seines Sohnes Nasrū erlauben (bei Zehnder nur H 346), sowie H 290 (von 192/93), die eine Datierung des Königs ‘Abdsemyā gestattet.
18 Für ton kratiston epitropon Sebastou doukenarion in Inventaire des inscriptions de Palmyre, Bd. 3 (nicht 2!), Nr. 9 gibt Zehnder die wenig sinnvolle Übersetzung „den exzellenten Prokurator des Erhabenen Ducenarius“ (III S. 387): es handelt sich um einen vir egregius und procurator Augusti ducenarius. Für Zehnders Annahme, Iulius Aurelius Septimius Vorodes sei ein Parther gewesen (III S. 388), gibt es keinerlei Gründe, vgl. Hartmann, Teilreich, S. 208f.
19 Meines Erachtens ist hier eher die spätere Datierung des armenische Historikers ins späte 8. Jahrhundert zutreffend, vgl. Erich Kettenhofen, Armenische und georgische Quellen, in: Johne, Soldatenkaiser, S. 103–107, hier 106.
20 Ganz unwahrscheinlich ist es beispielsweise, dass der Bruder des Philippus Arabs und rector Orientis Iulius (nicht „Statius“) Priscus mit der Sendung von arabischen „Föderaten“ den (wohl legendären) Zug des armenischen Königs Xosrov (Traina setzt ihn mit dem König Tiridates der westlichen Quellen gleich, III S. 414) gegen die Perser unterstützte (III S. 416). Agat‘angełos (23) und Movsēs (2,72) bieten hier keine historischen Angaben. Auch Trainas Annahme (III S. 429), der parthische Satrap Barzapharnes sei ein armenischer Adliger gewesen, ist kaum plausibel; bei Movsēs (2,19) finden sich keine verlässlichen Informationen, die über Josephos hinausgehen.