Titel
Dracula. Leben und Legende


Autor(en)
Haumann, Heiko
Reihe
Beck’sche Reihe 2715, Beck Wissen
Erschienen
München 2011: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
128 S.
Preis
€ 8,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Kleu, Historisches Seminar I: Alte Geschichte, Universität zu Köln

Wie der Titel „Dracula – Leben und Legende“ bereits erahnen lässt, handelt es sich bei dem von Heiko Haumann verfassten Band der Reihe C.H. Beck Wissen nicht allein um eine Biografie des walachischen Woiwoden Vlad III. Drǎculea (1431–1477), sondern auch um eine Untersuchung der Frage, wie aus dieser historischen Persönlichkeit der Vampir Graf Dracula werden konnte, dessen Bekanntheitsgrad denjenigen seiner realen Vorlage bei weitem übertrifft. Dementsprechend hat das Buch zwei Hauptstränge. Der erste befasst sich mit dem Leben des realen Vlad Drǎculea und seiner Beurteilung durch Zeitgenossen und Nachwelt, während der zweite Strang zunächst einen allgemeinen Überblick über Vampirglauben und Vampir-Mythos bietet, bevor er sich dann auf den Vampir Dracula in Theater, Literatur und Film konzentriert. Es sei an dieser Stelle schon vorweg genommen, dass der Autor, der vor seiner Emeritierung Professor für Osteuropäische und Neuere Allgemeine Geschichte in Basel war und bereits in einer anderen Veröffentlichung sowie in verschiedenen Lehrveranstaltungen Leben und Legende des Grafen Dracula behandelt hat1, sowohl die politischen Ereignisse als auch die Geschichte des Vampirglaubens und des Vampir-Mythos gekonnt und fachmännisch darzustellen versteht.

Nach einem kurzen Vorwort unter dem Motto „Dracula lebt!“ (S. 7), stellt Haumann im daran anschließenden zweiten Kapitel (S. 8–42) das Leben des Woiwoden Vlad III. Drǎculea vor, wobei er mit den politischen Rahmenbedingungen im wahrscheinlichen Geburtsjahr (1431) beginnt. Die Bezeichnung „Drǎculea“ führt er der gängigen Forschungsmeinung folgend darauf zurück, dass Vlads Vater Vlad II. anlässlich seiner Aufnahme in den Drachenorden den Beinamen „Dracul“ (= der Drache) erhielt, wodurch der Diminutiv „Drǎculea“ (= der kleine Drache) auf seinen Sohn übertragen wurde.

Das folgende Unterkapitel befasst sich mit Kindheit und Jugend Vlads III., bevor unter der Überschrift „Zwischen Macht und Ohnmacht“ seine erste Herrschaftsübernahme im Jahr 1448 geschildert wird. Das politische Programm der ersten Jahre der zweiten Herrschaft Vlads, die von 1456 bis 1462 andauerte, fasst Haumann mit der gebotenen Vorsicht im nächsten Unterkapitel in drei Punkten zusammen: Zunächst habe der Woiwode als Grundlage seiner Macht die Wirtschaftskraft der Walachei gestärkt, um auf dieser Basis die Voraussetzungen für ein schlagkräftiges Heer zu schaffen. Daran habe sich die Festigung der Zentralgewalt durch die Ausschaltung verschiedener Bojaren sowie das bestmögliche Ausnutzen der jeweiligen außenpolitischen Lage angeschlossen.

Wie der Abschnitt „Sieger über die Osmanen“ zeigt, scheint die Politik Vlads von Erfolg gekrönt gewesen zu sein, da er es 1460 wagen konnte, mit Sultan Mehmed zu brechen. Haumann sieht bei den daraus resultierenden Kämpfen Vlads Vorteil in seinen überlegenen Ortskenntnissen sowie seiner Vertrautheit mit der osmanischen Armee und ihrer Taktiken, die daher rührte, dass der Woiwode als Geisel am Hof des Sultans erzogen worden war. Dass er nach seiner Flucht im November 1462 in Siebenbürgen von Matthias Corvinus inhaftiert wurde, anstatt Hilfe gegen die Osmanen zu erhalten, führt Haumann wohl mit Recht auf den Umstand zurück, dass Corvinus einen in Planung befindlichen und vom Papst mitfinanzierten Feldzug gegen die Osmanen persönlich anführen wollte und daher den siegreichen Woiwoden als unliebsame Konkurrenz betrachtete, die es auszuschalten galt. Dementsprechend ist der Autor mit gutem Grund skeptisch, was die Authentizität dreier Briefe angeht, die Corvinus in die Hände gefallen sein sollen und Vlad angeblich des Verrates überführten. Als gewichtige Argumente führt er hierbei an, dass Vlad nicht hingerichtet wurde und später sogar eine Verwandte des Königs ehelichen durfte, bevor er 1476 ungarische Truppen gegen den Sultan ins Feld führte, was wohl im Falle eines tatsächlichen Verrates alles eher unwahrscheinlich gewesen wäre. Mit der Schilderung der dritten, wiederum nur kurzen Herrschaft Vlads über die Walachei, seinem Tod und einem Ausblick auf die weitere Geschichte seiner Familie und der Walachei endet das zweite Kapitel.

Im dritten Kapitel folgt nun ein Überblick über die Wahrnehmung des Woiwoden durch seine Zeitgenossen und in der Nachwelt (S. 42–66), wobei zunächst eine kurze Zusammenfassung der Geschichte des Pfählens zu dem Ergebnis führt, dass diese Hinrichtungsform für den hier relevanten Zeitraum keineswegs ungewöhnlich war. Dass sie trotzdem gerade so eng mit seiner Person in Zusammenhang gebracht wird – schließlich ist Vlad III. auch unter dem Namen Vlad Ţepeş (= der Pfähler) bekannt – hängt mit einer Flugschriften-Kampagne gegen ihn zusammen, deren Ursprung Haumann in dem eben geschilderten Umstand sieht, dass Matthias Corvinus ihn als Konkurrenten im Krieg gegen die Osmanen ausschalten wollte, wobei die Vorwürfe einem ursprünglich gegen die Türken gerichteten Stereotyp entsprechen. Es folgt die mit neun Abbildungen versehene Besprechung höchst interessanter bildlicher Darstellungen Vlads, bevor seine Beschreibung in den byzantinischen, osmanischen und russischen Quellen kurz referiert und schließlich die überwiegend positive Rezeption in Rumänien thematisiert wird.2

Kapitel vier widmet sich nun dem Vampirglauben und dem Vampir-Mythos (S. 67–87) und beginnt mit kurzen Überlegungen zum Mythos des Blutes, an die sich eine Untersuchung zum Ursprung des Vampirglaubens anschließt, bevor Vampire im Volksglauben des 18. Jahrhunderts und die Rolle der Aufklärung thematisiert werden. Festzuhalten gilt es hier, dass Vlad Drǎculea zu keinem Zeitpunkt mit Vampiren in Verbindung gebracht wurde, bis Bram Stoker 1897 den Roman „Dracula“ veröffentlichte. Nach einer Vorstellung des Vampir-Mythos in Literatur und Malerei vor Stoker, wird das Werk des irischen Schriftstellers näher betrachtet (S. 87–115), wobei Haumann Überlegungen anstellt, weshalb Stoker den Vampir-Mythos ausgerechnet mit der Geschichte des Vlad Drǎculea verwoben haben mag. Das Kapitel endet mit einer Vorstellung des literarischen Dracula- und Vampir-Mythos nach Stoker und der Präsentationen Draculas in Theater und Film.

Im abschließenden sechsten Kapitel (S. 115–121) zieht Haumann ein Fazit, in dem er zutreffend feststellt: „Wer sich mit der historischen Figur Vlad Drǎculeas beschäftigt, wird auch die Legendenbildung um andere historische Persönlichkeiten kritisch beurteilen können“ (S. 121). Es folgen eine kleine Hilfestellung zur rumänischen Aussprache, eine kurze Bibliografie, ein Register und eine Karte Siebenbürgens, der Walachei und Moldaus im 15. Jahrhundert. Dem Werk vorangestellt ist außerdem eine politische Landkarte Europas um 1400.

Die Stärke des Buches liegt darin, dass es Haumann versteht, in dem engen ihm zur Verfügung stehenden Rahmen sehr viele Informationen zu den jeweiligen Aspekten in angenehm lesbarer und verständlicher Form zu präsentieren. Etwas bedauerlich ist allerdings, dass aufgrund der weiten Themenspanne vieles eher oberflächlich bleiben muss. So wird etwa Vlads Geiselhaft am Hof des Sultans nicht weiter behandelt, sondern lediglich darauf verwiesen, dass der Woiwode aufgrund dieser Zeit mit der Strategie des osmanischen Heeres vertraut war und womöglich am Hof des Sultans ein nicht näher erläutertes „despotische[s] Verständnis einer uneingeschränkten Herrschaft“ (S. 42) gewonnen haben könnte. Auch in den Kapiteln über Vampirglauben und Vampir-Mythos werden zahlreiche interessante Aspekte angesprochen, über die man gerne mehr erfahren hätte. Vielleicht wäre es daher sinnvoller gewesen, sich aufgrund des begrenzten Rahmens entweder auf Vlad Drǎculea oder aber auf die Vampir-Thematik zu konzentrieren und das jeweilige andere Thema nur so ausführlich wie unbedingt nötig anzusprechen. Nichtsdestotrotz lässt sich abschließend sagen, dass Haumann einen spannenden Einstieg in beide Thematiken liefert, der zu weiterer Lektüre anregt. Besonders erfreulich ist daran, dass der biografische Teil des Buches einen ebenso interessanten wie in der allgemeinen Wahrnehmung oft vernachlässigten Aspekt der europäischen Geschichte würdigt, dem grundsätzlich eine größere Aufmerksamkeit zu wünschen wäre.

Anmerkungen:
1 Heiko Haumann, Dracula und die Vampire Osteuropas. Zur Entstehung eines Mythos, in: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 28 (2005), S. 1–17.
2 Hier ist es unglücklich, wenn Mihail Eminescu (1850–1889), einer der bedeutendsten rumänischen Poeten, auf S. 63 schlicht als ein „nationalistische[r] und judenfeindliche[r] Dichter“ vorgestellt wird.

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