In den vergangenen Jahrzehnten ist die Beschäftigung mit der römischen Wirtschaft als Ganzes um die Frage nach den wirtschaftlichen Folgen der römischen Eroberung in den Provinzen erweitert worden.1 In den Vordergrund rückt dabei immer mehr die Frage nach Kontinuität und Wandel der Wirtschaftsstruktur von der vorrömischen zur römischen Epoche. In ihrer Dissertation greift Julia Hoffmann-Salz unter dem Titel „Die wirtschaftlichen Auswirkungen der römischen Eroberung. Vergleichende Untersuchungen der Provinzen Hispania Tarraconensis, Africa Proconsularis und Syria“ dieses wichtige Thema auf. Die Autorin hat dazu drei Provinzen in unterschiedlichen Teilen des Reiches ausgewählt. Diese haben einerseits durch die vorrömische Bevölkerung und die ehemaligen Herrscher – die Karthager in der Tarraconensis, die Karthager und Numider in Africa sowie die Seleukiden und Ptolemaier in Syria – stark voneinander abweichende wirtschaftliche Voraussetzungen. Andererseits eignen sich diese Provinzen durch den jeweils unterschiedlichen Zeitpunkt der Integration ins römische Herrschaftsgebiet – die Hispania gehörte seit Ende des 3. Jahrhunderts bzw. Anfang des 2. Jahrhunderts v.Chr., Africa Proconsularis ab der Mitte des 2. Jahrhunderts v.Chr. und Syria ab 63 v.Chr. zum Reich – sehr gut für eine vergleichende Analyse der Wirtschaftsstrukturen. Anhand dieses Vergleiches möchte die Autorin über die Formulierung allgemeiner „Aussagen zur Entwicklung der ökonomischen Struktur des Römischen Reiches als Ganzes“ (S. 19) hinaus auch der „Frage nach Kontinuität und Wandel mit ihren jeweiligen Ursachen in den einzelnen Regionen“ (S.19) nachgehen und „mögliche Mechanismen der ökonomischen Integration dieser Regionen in das Reich“ (S. 19) herausarbeiten. Mit diesem vergleichenden Ansatz reiht sich die Arbeit in eine seit den 1980er-Jahren bestehende Forschungsrichtung ein.2
Die Publikation ist in zwei Teile gegliedert: In einem ersten Schritt werden die drei Provinzen und ihre jeweilige Wirtschaftstruktur gesondert vorgestellt. In jeder Provinz werden dabei anhand dreier regionaler Fallstudien jeweils für die Region um die Provinzhauptstadt, für eine Küstenregion und für eine Region des Hinterlandes die Auswirkungen der römischen Eroberung auf die Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur, die wirtschaftlichen Aktivitäten und die Arbeitsorganisation untersucht. Da die drei Provinzen und die jeweiligen Fallbeispiele aufgrund ihrer geographischen Lage unterschiedliche Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung mitbringen, analysiert Hoffmann-Salz außerdem den Naturraum und die Bodenorganisation. In einem zweiten Schritt werden die Auswirkungen der römischen Eroberung auf die regionale Wirtschaftstruktur in den einzelnen Beispielprovinzen vergleichend untersucht. Zunächst ist hierbei der Fokus auf Kontinuität und Wandel beim Zugang zu Ressourcen wie Wasser, Boden und Rohstoffe, bei der Gewichtung der Tätigkeiten von Landwirtschaft, Handel und Handwerk und der Arbeitsorganisation gerichtet. Die Mechanismen der Integration verdeutlicht Hoffmann-Salz sodann auch durch eine Analyse der Urbanisierung und der ökonomischen Rolle der Stadt, der Einbeziehung der Eliten und der staatlichen Einflussnahme. Am Ende der Arbeit steht ein Ausblick, der der Frage eines Wirtschaftswachstums oder Niedergangs nach der Eroberungsphase nachgeht.
In der Frage nach Kontinuität und Wandel möchte Hoffmann-Salz nicht die Perspektive der Römer, sondern die der jeweiligen Ureinwohner einnehmen. Dies ist insofern schwierig, da die einheimische Bevölkerung selbst kaum schriftliche Quellen hinterlassen hat, die indigene Sicht der Verhältnisse nur aus der römischen Perspektive vorliegt und somit ideologisch gefärbt ist. Darüber hinaus beschäftigen sich die vorhandenen literarischen Quellen des Altertums kaum mit ökonomischen Fragen und sind außerdem in Bezug auf wirtschaftliche Fragestellungen nicht uneingeschränkt glaubhaft, weshalb die Autorin die literarischen Quellen immer wieder durch epigraphische, numismatische und archäologische Befunde ergänzt. Hoffmann-Salz gelingt es, durch das Heranziehen weiterer Quellentypen und ihrer Teilbereiche, etwa der Archäobotanik, ein umfassendes Bild der Wirtschaftstruktur in den einzelnen Provinzen zu entwerfen. Bei der Analyse der Wirtschaftsstruktur fällt ein weiteres Charakteristikum der Arbeit von Hoffmann-Salz auf: Die landwirtschaftlichen Anbauprodukte, die Fischverarbeitung und Viehhaltung sowie die handwerklichen Tätigkeiten werden für jedes regionale Fallbeispiel zunächst in tabellarischer Form mit ihrer jeweiligen Befundsituation von der vorrömischen zur römischen Epoche aufgeführt. Jeder Befund ist dabei mit einer Anmerkung versehen. Die Autorin präsentiert so eine sehr gute Übersicht zum Quellenmaterial. Anschließend wird das in der Tabelle vorgestellte Material noch einmal ausführlich erläutert und einer tiefergehenden Analyse unterzogen. Die unterschiedlichen Aspekte des Wirtschaftslebens in den einzelnen Provinzen können durch eine solche Methodik eindrucksvoll aufgezeigt werden.
Die regionalen Analysen zeigen, dass für die Beispielregionen Unterschiede in der Wirtschaftsstruktur erkennbar sind. So macht die Autorin dies bei der Behandlung der Provinz Hispania am Beispiel der naturräumlichen Gegebenheiten deutlich: Im Augustanen Asturien und der Contestania (im Gebiet um Carthago Nova) ist die Wirtschaft auf den Abbau der Gold- und Metallvorkommen ausgerichtet, wohingegen in der Cessetania (im Gebiet um Tarraco) die Landwirtschaft durch fruchtbare und gut bewässerbare Böden das ökonomische Merkmal bildet. Im Vergleich der drei Provinzen stehen bei Hispania und Africa vor allem die naturräumlichen Gegebenheiten als ökonomische Möglichkeiten und ihre Nutzung durch die Eliten vor Ort im Mittelpunkt der Betrachtung. Hinzu kommen die strategischen Interessen Roms, einerseits in der Hispania an Rohstoffen, andererseits in Africa an landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Im römischen Syrien dagegen herrschen spezifisch andere naturräumliche Gegebenheiten und politisch-kulturelle Vorbedingungen. Hier war nicht der Lebensstil der lokalen Eliten der Motor der Entwicklung, sondern „die Anbindung an die Absatzmärkte des Mittelmeerraums für Luxuswaren aus dem Orient“ (S. 439).
Kritisch anzumerken ist aber, dass die Analyse der ökonomischen Struktur der drei Beispielprovinzen einen Großteil des Werkes einnimmt, die vergleichende Untersuchung dieser Strukturen und damit die Frage nach Kontinuität und Wandel sowie den Mechanismen der Integration dagegen aber nur wenig Platz erhält. Da diese beiden Aspekte als Ziele der Arbeit formuliert worden sind, wäre es wünschenswert gewesen, diese beiden Fragestellungen detaillierter zu betrachten. Außerdem ist eine formale Schwäche zu bemerken: Griechische Zitate antiker Autoren werden im Allgemeinen im Originaltext mit deutscher Übersetzung gegeben, das Deutsche fehlt allerdings auch an einigen Stellen. Hier wäre ein einheitliches Vorgehen besser gewesen.
Diese kleinen Mängel tun der ansonsten überzeugenden Konzeption der Arbeit jedoch keinen Abbruch. Die ausgewählten Regionen in den einzelnen Provinzen mit ihren verschiedenen ökonomischen Voraussetzungen erlauben einen detaillierten Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung der drei Provinzen. Dadurch kann die komplette Facette der jeweiligen Provinz abgedeckt werden. Von einem Ballungsraum bis zu einem Randgebiet werden eingehend alle Besonderheiten, die für die Untersuchung der jeweiligen Wirtschaftsräume relevant sind, angesprochen. Auch der chronologisch weit gefasste Rahmen vom 2. Jahrhundert v.Chr. bis zum 2. Jahrhundert n.Chr., der sich durch die Auswahl der Provinzen Hispania Tarraconensis, Africa Proconsularis und Syria sowie durch die Auswirkungen der Mechanismen der Integration ergibt, ist gerechtfertigt. So lassen sich einerseits Rückschlüsse zum Umgang der Römer mit den eroberten Provinzen zu unterschiedlichen Zeiten gewinnen. Andererseits kann untersucht werden, ob bzw. wie sich die römischen ökonomischen Maßnahmen während dieser Zeit verändert haben. Die Studie der Wirtschaftsstruktur im ersten Teil der Publikation ist essentiell für das Verständnis der vergleichenden Untersuchung im zweiten Teil. Die Ergebnisse des ersten Abschnittes werden bei der vergleichenden Untersuchung immer wieder in die aktuelle Forschungslandschaft zur römischen Wirtschaft eingebettet.
Die Autorin kommt in ihrer überzeugenden Darstellung zu dem Schluss, dass „es nicht nur eine Produktions-, sondern auch eine Produktivitätssteigerung im Römischen Reich gegeben hat und dass diese in begrenztem Maße auch auf Innovationen, technischen Neuerungen und einer zunehmenden Spezialisierung aller Akteure beruhte“ (S. 495). Dafür macht sie vor allem einen tiefgreifenden Wandel der ökonomischen Struktur der Provinzen verantwortlich, der mit der Eroberung einsetzte und der sich auf das gesamte Reich ausgewirkt hat. Sie spricht von einem regelrechten Wirtschaftswachstum, was für die untersuchten Beispielregionen auch stimmen mag, doch für das Gesamtreich etwas problematisch erscheint, da die einzelnen Provinzen des Reiches in ganz unterschiedlichem Maße vom wirtschaftlichen Wachstum betroffen waren (S. 496). Dies hing auch entscheidend davon ab, welche Pläne die Reichsregierung mit der Provinz verfolgte und welche naturräumlichen Bedingungen herrschten.
Hoffmann-Salz hat mit ihrer Dissertation einen wichtigen und lesenswerten Beitrag zur römischen Wirtschaftsgeschichte in den Provinzen vorgelegt. Es gelingt ihr, in einer treffenden Darstellung die Problematik der einzelnen Wirtschaftsräume zu schildern und Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen, die Raum für weitere wissenschaftliche Diskussionen lassen.
Anmerkungen:
1 Vgl. die Untersuchungen der internationalen Forschergruppe „Impact of Empire“ an der Radboud Universität Nijmegen zu diesem Thema <http://www.ru.nl/impactofempire/> (14.11.2011).
2 Vgl. etwa David Mattingly, Oil for Export? A Comparison of Lybian, Spanish and Tunesian Oil Production in the Roman Empire, in: Journal of Roman Archaeology 1 (1988), S. 33–56; Charles R. Whittaker, Rural Labour in Three Roman Provinces, in: Peter Garnsey (Hrsg.), Non-Slave Labour in the Greco-Roman World, Cambridge 1980, S. 73–99.